»Gedichte« (Leipz.
1844; neue Auswahl, Stuttg. 1863) und die von patriotischer
Empfindung durchströmten
»Deutschen Kriegslieder« (Berl.
1870).
S. gehört zu jenen sangesfrohen Dichtern des
Rheinlandes, in deren Gedichten sich der romantische
Reiz und der tiefsinnige
Sagenreichtum ihrer
Heimat widerspiegeln.
Glut der
Farbe findet man bei ihm selten; doch entschädigen dafür die heitere Weltanschauung,
der
Humor und die mannhafte
Gesinnung seiner
Lieder und
Balladen. Simrocks prosaischeSchriften bestehen,
außer kleinern
Aufsätzen, in den litterargeschichtlichen
Einleitungen, welche er seinen Bearbeitungen der mittelalterlichen
Dichter beigefügt hat, sodann in dem umfassenden »Handbuch der deutschen
Mythologie«
(Bonn 1853-55, 6. Aufl. 1887),
dem »Malerischen und romantischen
Rheinland« (4. Aufl., das. 1865) und in kleinern
Schriften, wie: »Der
gute
Gerhard und die dankbaren
Toten« (das. 1856). Außerdem veröffentlichte er: »Die deutschen
Sprichwörter« (Stuttg. 1846, 4. Aufl.
1881);
Erst 1859 trat er wieder in das preußische Abgeordnetenhaus und war 1860 und 1861
Präsident desselben. 1860 ward er zum
Vizepräsidenten sowie 1869 zum Chefpräsidenten des Appellationsgerichts in
Frankfurt
[* 14] a. O. ernannt. Sowohl der konstituierende
als der erste ordentliche
Reichstag des Norddeutschen
Bundes und das
Zollparlament erwählten S., der die
Rede mit seltener Meisterschaft beherrschte und die
Verhandlungen mit der größten Sicherheit und Unparteilichkeit leitete, 1867 zum
ersten
Präsidenten, und daher fiel es ihm auch zu, die
Adresse des
Reichstags an den Schirmherrn des Norddeutschen
Bundes auf
der eben völlig wiederhergestellten
BurgHohenzollern
[* 15] sowie die
Adresse desselben vom 10. Dez., durch
welche dem König
Wilhelm die deutsche Kaiserwürde angetragen wurde, in
Versailles
[* 16] zu überreichen.
vielgipfeliger Gebirgsstock im südlichen Teil der Sinaitischen Halbinsel, zwischen dem
Meerbusen von Suez und dem von Akaba, auf welchem Moses der Sage nach die zehn Gebote empfing. Ob der heutige DschebelMusa (2244
m) oder der unweit südlich davon gelegene Katharinenberg (2602 m) oder endlich der Serbal (2052 m), nordwestlich davon, der
Gesetzgebungsberg (Horeb) sei, ist nicht ausgemacht; von den meisten wird der erste dafür gehalten. Das
ganze Gebirge (arab. DschebelTur) ist wild und felsig, von vielen engen, meist wasserlosen Thälern durchschnitten und besteht
in seinem Kern aus nacktem Urgestein (Granit, Porphyr, Glimmerschiefer, Diorit), das nach der Küste zu ein Mantel von Sandstein,
weiterhin von Kalk umlagert. In einer Thalschlucht am Fuß des DschebelMusa liegt das St. Katharinenkloster
(1528 m), ein festungsähnliches Gebäude, angeblich 527 vom byzantinischen Kaiser Justinian gegründet; 3 km höher die Kapelle
des Elias (2097 m), der hierher flüchtete, nachdem er die Baalspriester am BachKison erschlagen. Von hier aus erreicht man in
¾ Stunde den Gipfel des Bergs, wo eine kleine Kirche steht, das Hauptziel der Pilgrime. Dort soll Moses gestanden
haben, als »die Herrlichkeit des Herrn vorbeiging«. In einer kleinen hochverehrten Moschee daneben bringen ihm die Beduinen noch
heute Tieropfer dar.
Provinz in der britisch-ind. PräsidentschaftBombay,
[* 47] wird begrenzt vom Ran von Katsch und dem ArabischenMeer, von
Belutschistan, dem Pandschab und den Wüsten von Radschputana und umfaßt 124,351 qkm (2258 QM.) mit (1881)
2,413,823 Einw., wovon 78,5 Proz. Mohammedaner.
Dazu kommt noch der kleine Tributärstaat Khairpur, 15,821 qkm (287 QM.)
groß mit 129,153 Einw. Die Küste ist niedrig und fast hafenlos; das Land ist meist flach. Im W. bildet die Kirtharkette
mit Höhen bis 2133 m, weiter südlich die niedrige Pabkette, welche im Kap Monze endigt, die Grenze gegen Belutschistan.
Von da breiten sich kahle Hochflächen aus, die in das fruchtbare Industhal abfallen. Gegen O. zu dehnt
sich eine endlose Ebene aus, die schließlich am Charakter der Wüste Thar teilnimmt. Der salzdurchtränkte Lehmboden des Indusdeltas
ist fast vegetationslos. Das Klima ist sehr heiß und trocken, die Monsune reichen nicht hierher, und es
vergehen zuweilen 2-3 Jahre ohne Regenfall. Obersind gleicht den Sandwüsten Innerafrikas, Untersind hat noch an der Küste
eine Temperatur von 25½° C. Der Ackerbau hängt ganz von der künstlichen Bewässerung ab, welche durch das allmählich über
die Uferebenen erhöhte Bett
[* 48] des Indus erleichtert, aber nur durch schlecht erhaltene Kanäle besorgt wird.
SubmarineKabel verbinden Karatschi mit Fao inArabien und mit Buschir in Persien.
[* 53] Die Sprache ist das Sindhi, eine arische Sprache,
jedoch infolge von Eroberungen und Einwanderungen mit persischen und arabischen Wörtern stark vermischt
und mit einem unverkennbaren Grundstock der drawidischen Sprachengruppe ausgestattet, so daß es vom Sanskrit sich weiter
entfernt als andre Tochtersprachen (Grammatik von Trumpp, Lond. 1872). Die Schrift ist die arabische. Für die Verwaltung des
Landes ist S. in fünf Distrikte eingeteilt: Obersind, Schikarpur, Haidarabad, Karatschi, Thar-Pakar. Hauptort
und Sitz der Verwaltung ist Karatschi, welches die die frühere StelleHaidarabads einnimmt; wichtigste Garnisonstadt ist Jakobabad
an der Grenze von Kelat (Belutschistan). - Zur Zeit, als Alexander d. Gr. den Indus hinabfuhr (325 v. Chr.), war S. unter vier
Fürsten geteilt; im 3. Jahrh. ward es vorübergehend Provinz des griechischen Reichs in Baktrien (s. d.)
und um den Beginn der christlichen Zeitrechnung Tummelplatz der aus Innerasien nach Indien gelangten türkisch-tatarischen
Völker der Indoskythen. 695 eroberten es die Araber unter Kasim; seit 746 erfreute es sich wieder der Herrschaft der
Radschputenkönige, ward 1025 von den Ghasnawiden (s. d.), 1210 von Mongolenheeren verwüstet
und verblieb nun unter mohammedanischen Regierungen, die das Land mit militärischem Despotismus regierten. 1591 ward S. zum
Großmogulreich in Dehli geschlagen, 1740 NadirSchah von Persien und nach ihm den Duraniherrschern zu Kandahar (Afghanistan)
[* 54] unter
eignen Fürsten unterthan. 1758 erfolgte die Gründung der ersten
englischen Faktoreien, 1775 die Beseitigung
der Kolura- durch die Talpurdynastie von Belutschenabstammung, deren Mitglieder das Land unter dem Titel Amirs beherrschten.
Reibereien mit den Engländern seit Ende des 18. Jahrh. führten zum Bruch, und im Krieg von 1843 wurde S. zur englischen Provinz
gemacht (s. Karte »Ostindien«).
[* 55]
Stadt im westlichen Sudân, auf einer felsigen Insel des mittlern Niger, hat mit dem auf einer ähnlichen Insel
ganz nahen Garu 16-18,000 Einw., die sich infolge der Rivalität des Gouverneurs von Sa und des Häuptlings
der Tuareg in der Umgegend einer gewissen Unabhängigkeit erfreuen.
Seit 1872 vervollkommte er sich hierin weiter bei Piloty in München.
[* 59] 1876 kehrte er in seine Heimat zurück und malte dort
ein Altarbild: Christus am Kreuz,
[* 60] für die Pauluskirche in Christiania und mehrere Bilder nach norwegischen Volksmärchen. 1880 unternahm
er eine Reise nach Italien
[* 61] und ließ sich dann in München nieder, wo er eine Reihe belebter Landschaften
und Marinen malte. Die bedeutendsten derselben sind: Herbststurm an der norwegischen Küste, ein Begräbnis auf den Lofoten,
Badeplatz auf Capri,
[* 62] Tarantella, der Fischerhafen in den Lofoten, die Brandung an der Küste und der Sommerabend auf
den Lofoten. In mehreren dieser Bilder tritt ein der nordischen Natur eigentümlicher phantastischer Zug
in den Vordergrund. 1886 ließ
sich S. in Berlin nieder und unternahm von da aus eine Studienreise nach den Lofoten, von welcher er etwa 60 Ölgemälde mitbrachte,
in denen das Leben auf den Lofoten zu allen Jahres- und Tageszeiten in lebendiger Charakteristik und auf
Grund geistvoller Beobachtung aller Licht- und Lufterscheinungen geschildert ist. Auf einer zweiten Reise nahm er seinen Studienaufhalt
in Bergen,
[* 63] dessen Umgebung er in einer zweiten Bilderreihe zur Frühlings- und Sommerszeit schilderte.
Val, linksseitiges Nebenthal des Unter-Engadin im schweizer. Kanton Graubünden,
[* 65] bei dem Dorf Remüs zum Inn geöffnet, hat in
neuester Zeit durch seine arsenhaltigen EisensäuerlingeRuf erlangt. Die Quellen, etwa zwölf an der Zahl, u. von 9° C., liegen
ca. 1500 m ü. M. in einer von der Brancla durchrauschten
Schlucht, 6 km von Sins, enthalten außer Arsen und Eisen
[* 66] auch Borsäure, Lithium, Jod und Brom in ansehnlicher Menge. Bisher nur
von Umwohnern in primitivster Weise benutzt, sollen sie gefaßt und mit Badeeinrichtungen versehen werden.
Die gleichnamige Stadt liegt an der Südküste unter 1° 17' nördl. Br. und 103° 50' östl. L. v. Gr. und wird durch
ein Flüßchen in zwei Hälften geteilt, von denen die westliche, vornehmlich von Europäern bewohnte das Haus des Gouverneurs,
die Regierungsgebäude, großartige Warenlager, Docks, Schiffswerften enthält; aber auch der asiatische Teil ist regelmäßig
angelegt. Die Stadt zählt 110,000 Einw., wovon vier Fünftel Chinesen sind. Seit ihrer Gründung (1819), wo sie zum
Freihafen erklärt wurde, hat sich S. zu dem bedeutendsten Handelsmittelpunkt zwischen Indien und China emporgehoben. S. ist
Hauptknotenpunkt für alle Dampferlinien, welche Europa
[* 68] mit dem östlichen Asien
[* 69] verbinden. Es gingen 1887: 3467 Schiffe
[* 70] mit
2,642,195 Ton. ein und 3393 Schiffe mit 2,564,592 T. aus. Der Handel ist zum großen Teil in den Händen chinesischer
Kaufleute, welche auch den
Verkauf von Opium und Spirituosen von der Regierung gepachtet haben. S. ist Stapelplatz für Hinterindien,
das von hier aus mit europäischen Waren versorgt wird; die Einfuhr betrug 1887: 92,116,736 Doll., die Ausfuhr (Gambir, Zinn,
Sago, Pfeffer, Guttapercha, Muskatnüsse, Katechu u. a.) 75,066,330 Doll. S. ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls.
(auch Elu genannt, besonders in seiner ältern Form, und soweit es in der Poesie vorkommt), die moderne
Sprache des größern südlichen Teils der InselCeylon (s. d.), ist eine Mischsprache, die einen sehr großen
Prozentsatz arischer (indogermanischer) Wörter enthält, aber in ihrem grammatischen Bau einen durchaus nichtindogermanischen
Charakter zeigt. Die Ansicht von M. Müller, Childers, Rhys Davids u. a., welche das S. für eine arische Sprache erklärten, ist
durch die neueste Untersuchung dieser Frage(E.Kuhn, Der singhalesische Wortschatz, Sitzungsbericht der
MünchenerAkademie, 1879) widerlegt worden; doch ist der Grundstock der Sprache, den einige Forscher mit dem im Norden
[* 79] der Insel
herrschenden drawidischen Tamil vermitteln wollten, noch nicht aufgeklärt. Die Schrift geht auf ein altes indisches Alphabet
zurück; die Litteratur ist wichtig für Geschichte des Buddhismus, aber noch wenig bekannt. Zahlreiche
bis zu 2000 Jahren alte Inschriften in singhalesischer Sprache, an denen sich die allmähliche Veränderung der letztern beobachten
läßt, wurden von P. Goldschmidt 1875-77 auf Ceylon gesammelt, dessen Forschungen seit 1878 von E. Müller fortgesetzt wurden.
¶
Sing, Dorf im nordamerikan. StaatNew York, links am Hudson, 45 km oberhalb New York, mit Zellengefängnis (1300
Gefangene), zahlreichen Villen und Pensionaten und (1880) 6578 Einw.
Die menschliche S. gehört zu den Zungenpfeifen (vgl. Blasinstrumente u. Schall, S. 396); die Stelle der Zungen
(es sind deren zwei wie bei der Oboe) vertreten die Stimmbänder, welche zwischen den beweglichen zwei Schildplatten und zwei
Gießbeckenknorpeln, die zusammen den Kehlkopf
[* 81] bilden, einander gegenüberstehend, leicht nach oben gegeneinander
geneigt ausgespannt sind. Zahlreiche Muskeln
[* 82] bewirken sowohl eine straffere Spannung als ein Nachlassen der Spannung der Stimmbänder,
sei es in der ganzen Ausdehnung
[* 83] oder nur teilweise; auch eine Verdickung der Stimmbänder wie anderseits eine Verdünnung besonders
der Ränder ist möglich, da die Knorpelpaare sich aufeinander zu und voneinander weg bewegen können,
wodurch entweder die Tiefe oder die Breite
[* 84] des Kehlkopfes (s. d.) verändert wird.
Ein bewußtes Infunktionsetzen dieser oder jener Muskeln ist nicht möglich; die physiologischen Experimente zur Erforschung
der Bedingungen, unter denen diese oder jene Modifikation des Klanges der Menschenstimme entsteht, sind daher
für die Praxis des Singens unfruchtbar und nur für die Wissenschaft von Interesse. Leider sind indes auch für diese unzweifelhafte
Resultate kaum zu verzeichnen (vgl. Falsett, Ansatz, Register etc.). Für diejenigen, welche in das Gebiet dieser Konjekturen
eindringen wollen, sei Merkels »Anthropophonik« (Leipz. 1857) empfohlen.
Vgl. Stimmbildung und Gesang.
S. ward von den gallischen Senones gegründet und hieß ursprünglich Sena gallica. Nach diesem wird auch
die Schlacht am Metaurus (s. Metauro) benannt, in welcher Hasdrubal 207 v. Chr. besiegt wurde. S. war früher wegen seiner Julimesse
(20. Juli bis 8. Aug.) bedeutend; dieselbe wurde 1869 aufgehoben. Es ist der Geburtsort der Sängerin Catalani (1784) und
des PapstesPius IX. (1792).
2) Dorf im preuß. Regierungsbezirk Wiesbaden,
[* 91] Dillkreis, an der Dill und an der LinieDeutz-Gießen der Preußischen Staatsbahn,
hat ein großes Eisenhütten- und Hammerwerk (Neuhoffnungshütte), ein Blechwalzwerk, Glockengießerei,
eine Maschinen- und eine Papierfabrik, eine Rohrschmiede, eine Säge- und Mahlmühle und (1885) 954 Einw.
(Sensus), in der weitesten Bedeutung die verschiedenen Arten der Wahrnehmung. Die S. unterrichten
uns sowohl über die Außenwelt, und dann nennen wir sie objektive oder äußere S., als auch über gewisse Zustände unsers
eignen Körpers, und dann heißen sie Gemeingefühle oder innere S. Bei der von alters her angenommenen Fünfzahl der S.: Sehen,
[* 92] Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, sind nur die äußern S. berücksichtigt. Für jeden dieser S. besitzen
die höhern Tiere bestimmte Organe, sogen. Sinnesorgane (s. d.). Was im allgemeinen das Zustandekommen der Empfindungen betrifft,
so ist dasselbe an dreiBedingungen gebunden, nämlich an eine objektive Ursache der Empfindung, den sogen. Sinnesreiz, sodann
an die Erregung der Sinnesnerven und endlich an die bewußte Wahrnehmung eines veränderten Zustandes
des betreffenden Sinnesnervs.
Die Sinnesreize sind homologe oder adäquate und heterologe Reize. Für die erstern ist das Sinnesorgan speziell eingerichtet,
und der betreffende Sinnesnerv ist an seinem peripherischen Ende vermöge besonderer Apparate dafür in hohem Grad empfänglich.
Solche homologe Reize sind das Licht
[* 93] für das Auge,
[* 94] der Schall für das Ohr.
[* 95] Heterologe Reize nennt man alle
übrigen, welche überhaupt Empfindungen veranlassen können, z. B. Elektrizität
[* 96] für die Netzhaut des Auges etc. Die durch
heterologe Reize verursachten Empfindungen sind aber den durch homologe Reize veranlaßten ähnlich.
Zur Erregung objektiver Empfindungen sind äußere (homologe oder heterologe), zur Erregung subjektiver
Empfindungen innere, im Körper selbst liegende und den nervösen Sinnesapparat treffende Reize erforderlich, welch letztere
entweder den Empfindungsnerv in dessen Peripherie oder Verlauf, oder gewisse Partien des Gehirns, nämlich die sogen. Zentralorgane
der S., betreffen. Die subjektiven Empfindungen sind übrigens bezüglich ihrer Qualität den objektiven vollkommen ähnlich.
Der Sehnerv z. B. kann, durch innere Reize (Blutandrang u. dgl.) erregt, keine andern
Empfindungen als die von Licht und Farbe hervorrufen. Obschon die Empfindung zunächst nichts andres ist als eine bewußte Wahrnehmung
veränderter Zustände der nervösen Sinnesapparate selbst, so verlegen wir doch erfahrungsgemäß das Empfundene in die
Außenwelt, ja wir fassen sogar den durch das äußere Objekt in uns
¶
mehr
verursachten Empfindungszustand auf als objektive Eigenschaft dieses äußern Objekts. Die Gesichts- und Gehörsempfindungen
sind von allen die objektivsten. Wir verlegen dieselben, mit vollständigem Vergessen unsers empfindenden Ichs, ganz und gar
außerhalb unsers Körpers, so daß nicht im geringsten die begleitende Vorstellung eines veränderten Zustandes des Sinnesapparats
vorhanden ist. Weniger objektiv schon sind die Druckempfindungen. Auch diese verlegen wir an den Ort,
wo das den Sinn erregende Objekt wirklich sich befindet; dieser Ort ist aber die Peripherie des Sinnesnervs selbst. Daher beziehen
wir diese Empfindungen sowohl unmittelbar auf Teile unsers Körpers als auch auf die äußern Dinge selbst, doch so, daß
letztere das Übergewicht behalten. Empfindungen geringer Objektivität sind die Temperatur-, Geruchs- und Geschmacksempfindungen.
Bei diesen haben wir verhältnismäßig am meisten das Gefühl veränderter Zustände des eignen Körpers.
Da objektiv ganz verschiedene Reize, welche denselben Sinnesnerv treffen, Empfindungen ähnlicher Art hervorrufen, während
anderseits ein und derselbe äußere Reiz, wenn er auf verschiedene Sinnesnerven einwirkt, verschiedene
Empfindungen verursacht, so schreibt man jedem Sinnesnerv eine ihm eigentümliche, spezifische Energie zu, welche wir nicht
von der Beschaffenheit der Nerven
[* 98] selbst ableiten können. Vielmehr sind die spezifischen Energien wahrscheinlich von dem nervösen
Zentralapparat des Sinnes abhängig.
Mangelt ein Sinnesendapparat, so fallen die ihm zukommenden objektiven Empfindungen aus, während subjektive
Reize noch spezifische Empfindungen auslösen können. Jeder Sinn verschafft uns die qualitativ mannigfachsten Empfindungen:
wir nehmen die verschiedensten Farben, die verschiedensten Töne wahr. Auch quantitativ sind die Empfindungen äußerst verschieden;
doch gelingt es uns nur bei räumlichen und zeitlichen Empfindungen, ein absolutes Maß für dieselben zu
finden, während wir qualitativ gleiche Empfindungen der Spezialsinne nur einfach verschieden intensiv wahrnehmen, ohne in
dem Sinn selbst ein absolutes Maß für die verschiedenen Intensitäten zu haben.
Ganz schwache Reize nehmen wir übrigens gar nicht wahr. Mit der Vermehrung der Reizstärke steigert sich auch die Empfindungsintensität.
Bei fortgesetzter Einwirkung eines nicht zu schwachen Reizes tritt allmählich Abstumpfung der Empfindung
ein, letztere wird schwächer oder erscheint selbst qualitativ verändert. Stärkere Reize führen früher zur Abstumpfung
als schwächere. Allzu starke Reize, wie sehr grelles Licht, sehr lauter Schall, rufen die Empfindung des Schmerzes hervor.
Durch anhaltende Übung kann man es in der Unterscheidung von Empfindungen, welche sich qualitativ oder
quantitativ sehr nahe stehen, zu einer ungewöhnlichen Feinheit bringen. Äußerst wichtig ist der Umstand, daß wir beständig
zahlreichen Sinnesreizen ausgesetzt sind, ohne von den meisten derselben wirklich etwas zu empfinden. Da erfahrungsmäßig
jeder Reiz erst eine gewisse Höhe erreichen muß, ehe er Empfindungen anregen kann, so ist uns bis zu einer
gewissen Grenze ein durch äußere Reize ungestörter Zustand gesichert.
Aber auch bei starker Reizung von Sinnesnerven können die Empfindungen ausfallen, wenn die Leitung zwischen dem peripherischen
Ende der Sinnesnerven und dem Gehirn,
[* 99] z. B. durch Nervendurchschneidung, aufgehoben ist, oder bei getrübtem Bewußtsein, wie
in gewissen Hirnkrankheiten, im tiefen Rausch, oder endlich bei Ablenkung der Aufmerksamkeit von den unsre S. treffenden Gegenständen
und
von unsern eignen Empfindungszuständen. Merkwürdig ist, daß auch nicht beachtete Eindrücke mehr oder minder deutlich
uns zum Bewußtsein kommen können.
(Sinneswerkzeuge), diejenigen Einrichtungen im tierischen Körper, welche demselben von den
Zuständen der Außenwelt, zum Teil auch von denen des eignen Ichs, Kunde geben. Sie gehören stets entweder ganz oder in ihren
wesentlichen Teilen der äußern Haut
[* 101] an, liegen jedoch bei weitem nicht alle unmittelbar auf der Oberfläche des Körpers,
sondern sind oft tief in Höhlungen desselben zurückgezogen; allein auch dann entstehen sie während
der Embryonalentwickelung des betreffenden Tiers immer aus einem Stück der äußern Haut. Im einfachsten Fall, bei einzelligen
Tieren, ist der ganze Organismus mit Empfindung ausgestattet, sind also keine besondern S. entwickelt; bei mehrzelligen und
vielzelligen hingegen tritt eine Arbeitsteilung in der Art ein, daß nur ein Teil der Hautzellen besonders
empfindlich wird. Es kommt so bei den meisten Tieren ein Hautsinnesapparat, bestehend aus vielen über die Haut verbreiteten
Sinneszellen, zu stande, welcher durch ebenso viele feine Nervenfasern mit andern, gewöhnlich mehr im Innern des Körpers
gelegenen Zellen, den Ganglienzellen,
[* 102] in Verbindung steht; in letztern werden alsdann die Empfindungen zum
Bewußtsein gebracht (s. Nervensystem).
Diese Sinneszellen reagieren auf äußere Reize (Berührung etc.), sind also vorzugsweise Tastwerkzeuge, und tragen meist zur
Erhöhung der Empfindlichkeit auf ihrer Außenfläche feine Haare,
[* 103] welche den Anstoß des berührenden Körpers auf die Zelle
[* 104] selbst sicher übertragen. Die S. höherer Ordnung zur Erzeugung ganz bestimmter Empfindungen entstehen
in der nämlichen Weise und zeichnen sich vor den Tastorganen gewöhnlich nur durch andre Form der Zellen, auch wohl noch durch
Nebenapparate etc. aus: so die Sehorgane durch Linsen zur Lichtbrechung, die Hörorgane durch Hörsteine etc. Gemeinschaftlich
sind aber auch diesen die Grundzüge ihres Baues, nämlich die Sinneszellen mit den von ihnen ausgehenden
Nervenfasern.
Hiernach sind die S. nichts als die Endungen der sensibeln Nerven, und man kann sagen: die Form und Beschaffenheit der Riechzellen
in der Nase
[* 105] bedingt die Fähigkeit zu riechen, die der Hörzellen im Ohr diejenige zu hören etc. Bei den niedern Tieren kennt
man viele Apparate, welche anatomisch als S. gedeutet werden müssen, ohne daß man über ihre Funktion
ins klare gekommen wäre; solche werden oft einfach als Tastorgane verschiedener Art bezeichnet. Keinesfalls ist es nötig,
daß die bei den höhern Tieren, z. B. dem Menschen, bekannte Fünfzahl der Sinne (Gefühl, Geschmack, Geruch, Gehör,
[* 106] Gesicht)
[* 107] bei den niedern Tieren eingehalten werde, vielmehr lassen sich recht gut noch mehr Sinne (z. B. zur Empfindung von elektrischen
Zuständen) bei ihnen vorhanden denken, während vielfach auch weniger vorhanden sind, wie denn z. B.
ein eigentlicher Geruchssinn nur bei Luft atmenden Tieren möglich ist und Ohr, Nase, selbst Auge manchmal fehlen
oder nur unvollkommen entwickelt sind. Ebenso wenig übrigens brauchen die höhern S., wie es bei den Wirbeltieren meist der
¶