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jeden Reichstag (von vier Monaten) 1200 Kr. Diäten. Was beide Kammern übereinstimmend beschließen, wird als Reichstagsbeschluß dem König zur Sanktion vorgelegt und erhält Gesetzeskraft, wenn der König es annimmt. Jede Frage, über welche beide Kammern sich nicht einigen, fällt für den bestehenden Reichstag aus, mit Ausnahme solcher, welche Staatsausgaben oder Bewilligungen oder die Verwaltung, die Einnahmen und Ausgaben der Bank und des Reichsschuldenkontors betreffen. In diesen Fällen stimmt jede Kammer über die gefaßten verschiedenen Beschlüsse ab, und die Meinung, welche dann die meisten der in beiden Kammern zusammengezählten Stimmen enthält, gilt als Reichstagsbeschluß.
Ohne Bewilligung des Reichstags kann von dem König keine Abgabe erhöht, keine Staatsanleihe gemacht, kein Kronbenefizium veräußert, kein Gebietsteil abgetreten werden. Der Reichstag hat gemeinschaftlich mit dem König die Macht, Gesetze zu geben, zu verändern, aufzuheben und zu interpretieren. Der Reichstag verwaltet allein die Reichsbank und das Reichsschuldenkontor; er ernennt in jedem dritten Jahr einen Ausschuß von 48 Mitgliedern, welcher prüft, ob alle Mitglieder des höchsten Tribunals ihre Pflicht erfüllt haben; auch kann er die Ratgeber des Königs in den Anklagestand vor dem Reichsgericht versetzen. Er ernennt einen Justizsachwalter (justitie-ombudsman), welcher in den Zeiten, wo der Reichstag nicht versammelt ist, die Richter und Beamten überwacht und die Freiheit des Einzelnen schützt, sowie er neben diesem Justizsachwalter ein Komitee von sechs Personen zum Schutz der Preßfreiheit ernennt.
Außer dieser Repräsentation wird jede Stadt durch eine Kommunalregierung sowie das Land jedes Läns laut Gesetz vom durch ein Landsting repräsentiert, zusammengesetzt aus den Städten von weniger als 25,000 Einw. und den Häradern oder Gerichtssprengeln des Läns. Das Landsting hat zu beraten und zu beschließen über Angelegenheiten des Läns, welche die allgemeine Haushaltung, die Entwickelung des Landbaues und der Gewerbe, die Anstalten zur Beförderung des Kommunikationswesens, Gesundheitspflege, Unterricht, allgemeine Sicherheit etc. betreffen. Das Landsting tritt alljährlich im September in der Hauptstadt des Läns zusammen und kann sechs Wochentage versammelt sein. Den Sprecher ernennt jedesmal der König.
Die Staatsverwaltung hat ihren Mittelpunkt in dem nur aus Schweden [* 2] lutherischen Glaubens gebildeten Staatsrat, der aus zehn Mitgliedern (sieben mit Portefeuilles für Justiz, Auswärtiges, Inneres, Finanzen, Krieg, Marine, kirchliche Angelegenheiten und drei konsultative Staatsräte) besteht. Die alte Einteilung in Götarike (Gotland), Svearike und Norrland sowie in Landschaften oder Provinzen ist zwar jetzt amtlich nicht mehr im Gebrauch, wird aber in Schriften und im Munde des Volkes beibehalten (s. jene Art.). In administrativer Hinsicht verfällt S. in eine Oberstatthalterschaft (Stockholm) [* 3] und 24 Läns (Regierungsbezirke), an deren Spitze je ein Landeshauptmann (landshofding) steht.
Jedes Län zerfällt wieder in Vogteien (fögderier, im ganzen 117) und Härader, die an der östlichen Küste Skeppslag (Schiffsgenossenschaften) genannt werden, während in den sechs nördlichsten Läns die Tingslag (Gerichtsgenossenschaften) an die Stelle der Härader treten. Die Verwaltung führt in den Städten der Magistrat, an dessen Spitze ein Bürgermeister steht, in den ländlichen Ortschaften der Gemeindevorstand (kommunalnämnd). Oberste Justizbehörde ist das Tribunal des Königs (konungens högsta domstol), welches aus 16 vom König ernannten Gerichtsräten besteht.
Appellationsgerichte sind drei Hofgerichte:
1) Svea-Hofgericht in Stockholm für Svearike, Norrland und Gotland, 2) Göta-Hofgericht in Jönköping [* 4] und 3) das Hofgericht für Schonen und Blekinge in Christianstad. In erster Instanz entscheiden in den Städten (mit Ausnahme von Trelleborg, Borgholm, Skellefteå und Haparanda, die noch unter dem Landgericht stehen) die Rathausgerichte, auf dem Land aber die (116) Häradsgerichte, von denen jeder Gerichtssprengel (domsaga) eins hat, das aus einem von dem König ernannten Richter (häradshöfding) und zwölf von den landbesitzenden Bauern aus ihrer Mitte gewählten Beisitzern (nämndemän) besteht. Geschwornengerichte urteilen nur in Preßangelegenheiten.
Was die Finanzen Schwedens anlangt, so betragen nach dem Budget für 1889 (laut Angabe des Gothaischen »Jahrbuchs«) die ordentlichen Einnahmen 18,929,000 Kr. (darunter Eisenbahnen [netto] 6 Mill., Grundsteuern 4,43 Mill., Kopfgeld ⅔ Mill., Staatsländereien 2,7 Mill. Kr.), die außerordentlichen Einnahmen 65,280,000 Kr. (darunter Zölle 36 Mill., Branntweinsteuer 15 Mill., Einkommensteuer 3,6 Mill.), die Stempelsteuer 3,5 Mill. Kr., in Summa, mit Einschluß eines Überschusses aus den Vorjahren im Betrag von 3,5 Mill. Kr.: 87,681,000 Kr. Dem gegenüber betragen die ordentlichen Ausgaben 65,493,411 Kr. (Armee 19,9 Mill., Marine 6 Mill., Kultus und Unterricht 11,5 Mill.), die außerordentlichen Ausgaben 9,368,589 Kr., die Ausgaben des Reichsschuldenkontors 10,955,000 Kr., in Summa: 87,681,000 Kr. Die Staatsschulden, erst in den letzten Jahrzehnten besonders für den Bau der Eisenbahnen kontrahiert, beliefen sich auf 21,23 Mill. Kr. inländische und 224,74 Mill. Kr. ausländische Schuld, in Summa: 246 Mill. Kr. Dieser Schuld steht ein bedeutendes Aktivvermögen (Fonds, Domänen, Forsten, Eisenbahnen) des Staats gegenüber, dessen Überschuß Ende 1885: 127 Mill. Kr. betrug. Ungünstiger sind die Finanzverhältnisse der Kommunen, zumal der Städte. 1884 beliefen sich die Einnahmen auf 52,8 Mill. Kr. (in den Städten 29,4 Mill.), die Ausgaben auf 59,7 Mill. Kr. (in den Städten 36 Mill.); den Schulden im Betrag von 119,8 Mill. Kr. (in den Städten 106,7 Mill.) standen an Aktiven 198,8 Mill. Kr. (in den Städten 140,7 Mill.) gegenüber.
Heer und Flotte, Wappen etc.
Das schwedische Militär umfaßt fünf verschiedene Klassen von Wehrleuten, von denen die beiden ersten das stehende Heer bilden:
1) angeworbene Truppen (värfvade), aus Freiwilligen mit zwei- bis sechsjähriger Dienstzeit bestehend;
2) »eingeteilte« Truppen (indelta),
welche teils von Grundbesitzern des Landes, teils aus den Krongütern außer ihrem »Torp« (Wohnhaus [* 5] mit Acker etc.) einen jährlichen Lohn an Geld oder Produkten und, wenn zum Dienst berufen, von der Krone ihren Sold erhalten. Nach ihrer Ausbildung als Rekruten werden diese Truppen jährlich einmal zusammenberufen und 30-36 Tage hindurch geübt; außerdem nehmen abwechselnd alle Truppen an den großen, seit 1873 stattfindenden Herbstmanövern teil. Der Soldat dient so lange, als er tüchtig ist. Neben diesem stehenden Heer gibt es 3) eine Landwehr (beväring), in der jeder Schwede vom 21. Lebensjahr ab auf die Dauer von 12 Jahren (6 in der aktiven Armee, 6 in der Reserve) dienen muß; im Frieden werden die beiden jüngsten Jahrgänge der Infanterie innerhalb zwei Jahren auf zusammen ¶
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42 Tage einberufen;
4) die Miliz von Gotland, die aber nicht außerhalb der Insel zu dienen braucht, und 5) die seit 1861 bestehenden freiwilligen Schützenvereine (1886: 8618 Mann stark). Der Formation nach besteht die Infanterie aus 2 Leibgarderegimentern, 2 Leibgrenadierregimentern, 2 Leibgrenadierbataillonen, 17 Infanterieregimentern und 4 Jägerbataillonen (jedes Regiment im Frieden zu 2 Bataillonen à 4 Kompanien, im Krieg zu 3 Bataillonen); die Kavallerie aus 1 Regiment berittener Leibgarde, 4 Husaren- und 2 Dragonerregimentern, 1 Jägerkorps zu Pferde, [* 7] zusammen 47 Eskadrons.
Die Artillerie umfaßt 3 Regimenter von zusammen 30 Batterien (22 fahrende, 6 reitende, 2 Fußbatterien), dazu 6 Festungskompanien, eine Reserveartillerie von 9 Batterien, 1 Feuerwerkerkorps und 3 Batterien in Gotland. Ein Artillerieregiment wird in 5 Divisionen à 2 Batterien, eine Batterie in 3 Abteilungen zu je 2 Kanonen geteilt. Die Genietruppen bestehen aus 1 Pontonierbataillon, 1 Sappeurbataillon und 1 Feldtelegraphenkompanie. Endlich besteht 1 Trainbataillon.
Von diesen Truppen gehören die 3 Leibgarderegimenter (darunter das zu Pferde), 1 Jägerbataillon, 1 Husarenregiment, die 3 Artillerieregimenter, die Genie- und Traintruppen zu den angeworbenen, die übrigen zu den »eingeteilten« Truppen. Der Bestand der schwedischen Landmacht war 1888 an Linientruppen: 1732 Offiziere, 477 Beamte, 1510 Unteroffiziere, 1550 Spielleute, 33,020 Soldaten, zusammen 38,289 Mann mit 246 Kanonen und 6178 Pferden;
ferner an Reservetruppen (beväring): 156,288 Mann, in Summa 194,577 Mann.
Was die Seemacht betrifft, so geht damit seit 1860 eine zeitgemäße Reorganisation vor. Die Stärke [* 8] derselben war 1888: 64 Dampfer von 27,350 Pferdekräften und 6 Segelschiffe mit zusammen 150 Kanonen und 4109 Mann. Darunter waren 5 Korvetten (61 Kanonen), 1 Fregatte (16 Kanonen), 15 Panzerkanonenboote, 16 Kanonenschaluppen und 18 Torpedofahrzeuge. Das Personal der schwedischen Flotte besteht seit der Reorganisation vom aus der »königlichen Flotte«, der »Reserve« und der »Seewehr« (sjöbeväring). Die königliche Flotte umfaßt 176 Offiziere (darunter 1 Vizeadmiral, 3 Konteradmirale, 6 Kommandeure). Die Reserve besteht zur Zeit aus 77 Offizieren, 81 Unteroffizieren und 9 Ingenieuren. Die Seewehr umfaßt ca. 50,000 Mann.
Seit dem Verkauf von St.-Barthélemy an Frankreich (1877) besitzt S. keine Kolonien.
[Wappen, Orden etc.]
Das Unionswappen ist ein vertikal in zwei Hälften geteilter Schild, [* 9] von denen die linke, horizontal in zwei Teile geteilte Hälfte auf blauem Grunde die beiden schwedischen Wappen [* 10] (s. unten), die rechte Hälfte aber auf rotem Grunde das norwegische Wappen, einen aufrecht stehenden, gekrönten goldenen Löwen, [* 11] der mit den Vordertatzen die Hellebarde oder Streitaxt des heil. Olaf trägt, mit der goldenen Krone darüber, enthält. Der Schild wird gehalten von zwei aufrecht stehenden, gekrönten, züngelnden Löwen mit doppelten Schwänzen.
Das schwedische Reichswappen (s. Tafel »Wappen«) ist ein blauer, ebenfalls von zwei Löwen gehaltener Schild, quadriert durch ein schmales gelbes Kreuz; [* 12] in den Feldern oben zur Linken und unten zur Rechten ist das schwedische Wappen (drei Kronen) [* 13] und in den beiden andern das gotische (ein über drei weiße Ströme springender Löwe) angebracht; der Herzschild hat die Wappen der Häuser Wasa und Pontecorvo. Die Landesfarben sind Blau und Gelb. Die Flagge (s. Tafel »Flaggen«) [* 14] ist blau, durch ein stehendes gelbes Kreuz in vier Quadrate geteilt; auf dem obern innern Quadrat aber befindet sich seit der Vereinigung mit Norwegen das Unionszeichen, bis 1844 aus einem schiefen weißen Kreuz in rotem Feld bestehend, seitdem aber aus einem rechtwinkeligen Kreuz, dessen senkrechter Strich blau mit weißen Rändern, der horizontale aber gelb ist; die vier dadurch gebildeten Felder werden durch diagonale Linien in acht abwechselnd blaue und rote Dreiecke geteilt. S. hat fünf Ritterorden: den Seraphinen- (gestiftet 1285, erneuert 1748), Schwert-, Nordstern- (beide 1748 gestiftet), Wasaorden (seit 1772, s. Tafel »Orden«, [* 15] Fig. 17) und den Orden Karls XIII. (seit 1811);
letzterer wird nur dem höchsten Grade des Freimaurerordens erteilt.
[Geographische Litteratur.]
Tuneld, Geographie öfver konungariket Sverige (Stockh. 1827-33, 5 Bde.);
Dahlmann, Inledning till Sveriges physikalska geographie (das. 1857);
Hofberg, Illustrerad Sverige (das. 1875);
Agardh und Ljungberg, Statsökonomisk statistik öfver Sverige (Karlstad 1852-62, 4 Bde.);
Thomée, Statistik (Stockh. 1859-61);
Törnebohm, Geognosie der schwedischen Hochgebirge (das. 1873);
Almquist, La Suède, ses progrès sociaux etc. (das. 1879);
Jonas, S. und seine Entwickelung (Berl. 1875);
Sidenbladh, Royaume de Suède, exposé statistique (Stockh. 1878);
Rosenberg, Geografiskt-statistiskt handlexicon öfver Sverige (das. 1882-1883, 2 Bde.);
Aschehoug, Staatsrecht der vereinigten Königreiche S. und Norwegen (Freiburg [* 16] 1887);
Dahl, Der Handelsverkehr Schwedens mit dem Ausland 1829-79 (Stockh. 1884).
Eine Hauptquelle für die Kenntnis Schwedens ist die vom statistischen Zentralbüreau seit 1862 herausgegebene Zeitschrift »Statistisk Tidsskrift«; als besonderes Heft erscheint »Sveriges officiela statistik i sammandrag«; deutsche Reisehandbücher von Nielsen (5. Aufl., Leipz. 1887), Bädeker (3. Aufl., das. 1885). Kartenwerke: Eine topographische Karte in 1:100,000 wird seit 1859 publiziert, für die Läns teilweise auch in 1:200,000 (seit 1874), doch beziehen sich dieselben nur auf Südschweden;
ferner M. Roth, Geografisk Atlas [* 17] öfver Sverige (1:400,000, seit 1878);
»Generalkarta öfver Sverige« (1:1,000,000, 3 Blatt, [* 18] seit 1870);
»Geologische Übersichtskarten« von Angelin (über Schonen, 1861-68) und Olbers (über Westschweden, 1858-67);
Forsell, Geognostisk karta öfver södra Sverige (1863, 18 Blatt).
Geschichte.
Schweden unter einheimischen Königen im Mittelalter.
Die älteste Geschichte Schwedens ist dunkel und sagenhaft. Die Urbevölkerung, finnische Stämme, wurde von kriegerischen germanischen Stämmen nach und nach in die unwirtbaren Gegenden des Nordens verdrängt. Die Einwanderer im Süden, in Schonen und Gotland, gehörten dem gotischen Volk an, während die am Mälarsee seßhaften und von da über das nördliche und südliche Küstenland verbreiteten Svea (Schweden) hießen. Beide Stämme hatten als Mittelpunkt ihres Königtums und ihrer Religion ein gemeinsames Heiligtum in Sigtuna am Mälarsee, dann in Upsala. [* 19] Unter dem Oberkönig, aus dem Geschlecht der Ynglinger, der zugleich Oberpriester war und in der Volksgemeinde (alljärharthing) zu Upsala den Vorsitz hatte, standen Gaukönige an der Spitze der Fylken (Stämme), welche die Macht desselben immer mehr einschränkten. Wilde Kämpfe ¶
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erfüllten daher die ersten Jahrhunderte der schwedischen Geschichte. Um 600 n. Chr. versuchte Ingiald Ildrade, sich zum alleinigen König über das ganze Land zu erheben; doch fanden er und sein ganzes Geschlecht dabei den Untergang. Hierauf war Ivar Widfadme zum König erwählt; sein Geschlecht erlosch schon mit seinem Tochtersohn, dem gewaltigen Krieger Harald Hildetand, der in der berühmten Schlacht auf der Heide von Bråvalla in Ostgotland (um 740) gegen seinen Brudersohn Sigurd Ring fiel.
Sigurd gründete eine neue Dynastie, welche nach und nach zur Alleinherrschaft über ganz S. gelangte, und unter welcher die Schweden ebenso wie die Dänen und Norweger Eroberungszüge in die Nachbarlande unternahmen; Sigurds Nachfolger, Ragnar Lodbrok und Björn Jernsida (Eisenseite), waren berühmte Wikinger. Anderseits faßte seit dem 9. Jahrh. das Christentum in S. Fuß. König Björn der Alte (gestorben um 935) und sein Sohn Erich der Siegreiche hielten zwar noch fest am alten Glauben.
Aber der Sohn Erichs (der um 1000 starb), Olaf Schoßkönig, trat zum Christentum über, das jedoch nur im Süden, in Gotland, zur Herrschaft gelangte, während Svealand dem Heidentum treu blieb. Als daher mit Olafs zweitem Sohn, Edmund Gammal (dem Alten), 1061 das Königsgeschlecht ausstarb, brach zwischen Goten und Schweden ein Krieg aus, der sowohl unter dem Geschlecht Stenkils (1061-1129) als auch besonders unter den beiden nun auftretenden feindlichen Dynastien, der gotischen Sverkers und der schwedischen Erichs des Heiligen (1133 bis 1250), 200 Jahre dauerte, und in dem nicht nur die Kriegsgeschlechter sich aufrieben, sondern auch der Wohlstand des Volkes zerrüttet wurde. Ein kriegerischer Adel kam empor, der, steuerfrei und im Besitz eignen Gerichtsstandes und andrer Vorrechte, sich der obersten Gewalt bemächtigte, die er später nur mit dem Klerus teilte, und die königliche Gewalt zu einem Schatten [* 21] herabminderte.
Nachdem Stenkil das Christentum begünstigt und sein Sohn Inge den Göttertempel zu Upsala hatte verbrennen lassen, verhalf Erich IX. oder der Heilige dem Christentum in S. zum Sieg; derselbe unterwarf und bekehrte auch einen Teil Finnlands, wurde aber von einem Kronprätendenten, dem dänischen Prinzen Magnus Henrikson, gefangen und enthauptet. Unter seinem Nachfolger Karl VII., dem Sohn Sverkers, welcher den Titel »König der Schweden und Goten« annahm, ward 1163 das Erzbistum Upsala errichtet. 1167 kehrte Knut, Erichs des Heiligen Sohn, aus Norwegen, wohin er sich geflüchtet hatte, mit Heeresmacht zurück, besiegte und tötete mit Hilfe der Upländer 1168 auf Wisingsö den König Karl und regierte bis an seinen Tod 1195, worauf Sverker II., Karls Sohn, zur Herrschaft gelangte.
Derselbe ward jedoch von Knuts Sohn Erich X. 1208 bei Leva besiegt und in der zweiten Schlacht bei Gestilren 1210 getötet. Erich ließ sich darauf vom Erzbischof krönen, wodurch die Macht und das Ansehen der Geistlichkeit zu einer Höhe stiegen, die nachher den Königen äußerst gefährlich wurde, besonders nachdem auf der Kirchenversammlung zu Skenninge (1248) das Cölibat eingeführt und den Geistlichen verboten worden war, dem König den Eid der Treue zu schwören, wodurch sie allein vom Papst abhängig wurden.
Das Geschlecht Sverkers war schon 1222 mit Johann ausgestorben, der letzte König aus dem Erichschen Stamm war Erich XI. Unter ihm war Birger, »Jarl der Schweden und Goten«, aus dem Geschlecht der Folkunger, der eigentliche Regent Schwedens und blieb es als Dux Sueciae auch nach Erichs Tod (1250), als die schwedischen Großen seinen noch unmündigen Sohn Waldemar, den ersten Folkunger, zum König wählten, bis zu seinem Tod 1266. Er besiegte die aufrührerischen Folkunger, seine eignen Verwandten, durch Verrat und ließ eine große Anzahl derselben hinrichten, stiftete einen allgemeinen Land- und Kirchenfrieden, hob durch Handelsverbindungen mit der Hansa den Wohlstand in S. und gründete 1255 Stockholm, fügte aber dem Land großen Schaden zu, indem er seinen drei jüngern Söhnen Herzogtümer verlieh und dadurch den Grund zur Uneinigkeit unter den Brüdern legte. 1275 empörte sich einer derselben, Herzog Magnus von Södermanland, gegen Waldemar, der besiegt und bis an seinen Tod (1302) auf dem Schloß zu Nyköping gefangen gehalten wurde.
Magnus I. wurde 1249 zu Upsala gekrönt und erwarb sich durch eine gute Regierung große Verdienste um das Land. Er schützte die Bauern vor dem gewaltsamen »Gasten« der Edelleute, weshalb er den Ehrennamen Ladulas, d. h. Scheunenschloß, erhielt, unterdrückte 1280 die Folkunger, worunter man alle Adelsverbindungen zu gegenseitiger Waffenhilfe verstand, suchte aber auch den Adel durch Erteilung von Vorrechten und Erweckung des ritterlichen Ehrgefühls an den königlichen Dienst zu knüpfen und begünstigte die Kirche. Bei seinem Tod teilte er seinen jüngern Söhnen Erich und Waldemar Herzogtümer zu, während er dem ältesten, aber noch unmündigen Sohn, König Birger II., den Marschall Torkel Knutsson als Vormund bestellte.
Derselbe regierte vortrefflich und blieb auch, als Birger 1303 selbst die Herrschaft antrat, sein Ratgeber, wurde aber, als die Brüder des Königs einen Aufruhr anstifteten, diesen als Preis der Versöhnung geopfert und zu Stockholm hingerichtet. Dennoch wurde Birger acht Monate später von seinen Brüdern bei Håtuna am Mälar verräterisch überfallen, gefangen und 1310 zur Teilung des Reichs gezwungen. Er rächte sich, indem er seine Brüder, die Weihnachten 1317 im Schloß zu Nyköping bei ihm zu Gaste waren, verhaften und in einem unterirdischen Gefängnis in Eisen [* 22] schmieden ließ, wo sie den Hungertod starben.
Unter Führung des tapfern Mats Kettilmundsson empörte sich das ganze Volk, vertrieb Birger, der 1321 in Dänemark [* 23] starb, und dessen Sohn Magnus 1320 hingerichtet wurde, und rief Erichs Sohn Magnus II. 1319 am Mornstein bei Upsala zum König aus, der 1333 selbst die Regierung antrat. Er erbte von seinem mütterlichen Großvater Hakon Norwegen, das er seinem jüngern Sohn, Hakon, 1350 abtrat, und gewann Schonen, Halland und Blekinge, bedrückte aber das Volk mit Steuern und duldete die Gewaltthaten der Großen, so daß 1350 sein ältester Sohn, Erich XII., vom Volk auf den Thron [* 24] erhoben wurde und er ihm einen Teil des Reichs abtreten mußte.
Nach Erichs frühem Tod (1359) erlangte Magnus wieder die Alleinherrschaft, geriet aber in Streit mit den Großen, trat an Dänemark 1360 Schonen, Blekinge und Gotland gegen das Versprechen bewaffneter Hilfe ab, wurde aber dennoch von den Großen abgesetzt, die seinen Schwestersohn, Albrecht von Mecklenburg, [* 25] in Stockholm zum König wählten. Magnus wurde 1365 in der Schlacht bei Enköping gefangen und erhielt erst 1371 gegen den Verzicht auf die schwedische Krone seine Freiheit wieder; er ertrank 1374 in der Nähe von Bergen [* 26] in Norwegen, und mit ihm erlosch das Geschlecht der Folkunger in S. ¶
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Schweden ein Teil der Skandinavischen Union.
Albrecht war nur dem Namen nach König und ganz von den Großen abhängig, die, als er 1386 einen Teil der Reichsgüter von ihnen zurückforderte, ihm sofort den Gehorsam aufkündigten und die schwedische Königskrone Margarete, der Witwe des Königs Hakon von Norwegen, die bereits Königin von Dänemark und Norwegen war, anboten. Albrecht wurde bei Axelwalde geschlagen und gefangen und mußte nach sechsjährigem harten Gefängnis auf die Krone Verzicht leisten.
Margarete wurde nun allgemein als Herrscherin anerkannt und ihr Thronfolger in Dänemark und Norwegen, ihr Großneffe Erich (XIII.) der Pommer, zu Kalmar als schwedischer Thronfolger gekrönt. Gleichzeitig wurde die Union von Kalmar abgeschlossen, welche die drei nordischen Reiche vereinigte. Doch ordnete sich S. nur ungern den Unionskönigen unter, u. schon 1434 kam es zu einem Aufstand der Dalekarlen unter Engelbrecht Engelbrechtsson gegen Erich XIII. (seit 1412), der zwei mächtigen Großen, Christian Wasa und Karl Knudson Bonda, die Gewalt übertragen mußte.
Letzterer wurde 1436 zum Reichsvorsteher gewählt und Engelbrecht ihm als Mitregent beigegeben, der jedoch kurz darauf von einem seiner Verwandten ermordet ward. Im September 1439 wurde Erich förmlich abgesetzt und sein Schwestersohn Christoph von Bayern, [* 28] der bereits in Dänemark als König anerkannt war, auch vom schwedischen Reichstag zum König erwählt; doch lag die Gewalt ganz in der Hand [* 29] Karl Knudsons. Christoph erwarb sich dadurch ein Verdienst, daß er dem schon unter Magnus Smek ausgearbeiteten Gesetzbuch 1442 allgemeine Annahme verschaffte, welches bis 1734 als »Gesetzbuch des Königs Christoph« gegolten hat.
Als er aber schon 1448 ohne Erben starb, wurde Karl Knudson von dem Volk und dem niedern Adel gegen den Willen der Geistlichkeit und des hohen Adels auf den schwedischen Königsthron erhoben sowie 1449 auch zum König von Norwegen gewählt und gekrönt; aber letzteres ging schon 1450 wieder verloren, und der neue dänische König, Christian I. von Oldenburg, [* 30] brach 1452 mit einem Heer in S. ein, wo er an den mächtigsten Großen, vor allen dem Erzbischof von Upsala, Jöns Bengtsson Oxenstierna, Anhänger fand. Nach verheerendem Krieg floh Karl, vom Volk verlassen, nach Danzig, [* 31] worauf Christian I. im Dom zu Upsala die Krone empfing und so die Kalmarische Union wiederhergestellt wurde. Doch war er nicht beliebt und behauptete sich nur durch die Eifersucht der Großen. Es gelang daher Karl Knudson, 1467 zum drittenmal den Thron zu besteigen, den er bis zu seinem Tod innehatte.
Vor seinem Ende übertrug Karl seinem Neffen Sten Sture die Regierung; derselbe wurde vom Volk auf dem Reichstag zu Arboga zum Reichsverweser gewählt und vertrieb durch den Sieg am Brunkeberg Christian I. aus S. Zwar erkannten die Geistlichkeit und ein Teil des Adels Christians I. Sohn Johann II. durch den Kalmarischen Rezeß als König an; doch behielt Sture, der sich auf die Bauern stützte und den Adel in Uneinigkeit zu erhalten wußte, bis zu seinem Tod die Herrschaft.
Ihm folgte sein Freund Svante Sture in der Würde eines Reichsvorstehers und wies die dänischen Oberhoheitsansprüche kraftvoll zurück. Sein Gehilfe in der Regierung war Hemming Gadd, ein gelehrter Geistlicher, aber zugleich tüchtiger Krieger und Staatsmann, der, von Lübeck [* 32] unterstützt, Kalmar, Öland und Bornholm den Dänen entriß. Als Freunde und Verteidiger des Bürger- und Bauernstandes gegen die Härte des Adels und die Habgier und Herrschsucht der Geistlichkeit erwarben sich die Stures so sehr die Anhänglichkeit des Volkes, daß nach Svantes plötzlichem Tod sein einziger Sohn, Sten Sture der jüngere, gegen den Willen des hohen Adels zu seinem Nachfolger als Reichsverweser ernannt wurde.
Dagegen bemühte sich der unversöhnliche Feind der Stures, Erzbischof Gustav Trolle von Upsala, den Dänenkönig Christian II. auf den Thron zu erheben. Bei einem ersten Landungsversuch wurde Christian bei Brännkyrka geschlagen, siegte aber bei einem zweiten Einfall in S. über den Reichsverweser in der Schlacht auf dem Eis [* 33] des Sees Asunden bei Bogesund in Westgotland; Sten Sture starb an seinen Wunden auf der Flucht nach Stockholm. Christian II. wurde auf einem Herrentag zu Upsala als König anerkannt, Stockholm von Sten Stures Witwe Christina Gyllenstjerna übergeben und der neue König 4. Nov. in der Kathedrale gekrönt.
Kaum war dies geschehen, so ließ Christian auf den Rat Dietrich Slaghöks, um seinen Thron durch blutigen Schrecken zu befestigen, alle ehemaligen Gegner der dänischen Herrschaft, Bischöfe, Edelleute und Bürger, verhaften und 8. Nov. auf dem Markt zu Stockholm hinrichten (Stockholmer Blutbad): 94 Häupter fielen am ersten Tag; in der nächsten Zeit starben in Stockholm und in den Provinzen noch viele am Galgen oder auf andre martervolle Weise; auch Hemming Gadd wurde enthauptet.
Diese Grausamkeit, welcher 600 Menschen im ganzen zum Opfer fielen, machte den Tyrannen so verhaßt, daß Gustav Wasa (s. Gustav 1), ein Schwestersohn des ältern Sten Sture, sich in Dalarne an die Spitze der freiheitliebenden Bewohner stellte und die Dänen von da vertrieb. Nachdem er 1521 in Wadstena zum Reichsvorsteher und 1523 in Strengnäs zum König erwählt worden war und das ganze Land erobert hatte, wurde 1524 durch den Malmöer Rezeß mit Dänemark die Kalmarische Union für immer gelöst.
Schweden unter dem Haus Wasa.
Der neue Herrscher Gustav I. Wasa war der Reformation geneigt und um so eher entschlossen, die katholische Hierarchie zu stürzen, als dieselbe wegen ihrer landesverräterischen Haltung die Erbitterung des Volkes erregt hatte. Er ließ die Bibel [* 34] übersetzen und verbreiten und gestattete die lutherische Predigt, und nachdem ein von den Bischöfen erregter Aufstand unterdrückt worden, wurde im Juni 1527 auf dem Reichstag zu Westerås, zu dem auch Vertreter des Bürger- und Bauernstandes sowie der Bergleute zugezogen wurden, die Macht der katholischen Hierarchie gebrochen, die freie Predigt des Evangeliums gestattet und dem König die freie Verfügung über Klöster und Kirchengüter erteilt, aber auch dem Adel ein Anteil an denselben gewährt; hierdurch gewann das Königtum selbständige Einkünfte.
Mit Hilfe seines Kanzlers Olaus Petri führte nun Gustav die Reformation mit Schonung und ohne jegliche Gewaltthat ein. Allerdings hatte er gegen den Adel in Westgotland, gegen das von Nils Dacke irre geleitete Volk in Smaland, gegen Christian II., der, auch aus Dänemark vertrieben, von Norwegen aus seine verlornen Länder wiederzuerobern suchte, gegen die Lübecker, welche durch die ihnen bewilligte unbeschränkte Handelsfreiheit übermütig geworden waren, und gegen die Russen zu kämpfen. Aber Gustav überwand alle Schwierigkeiten, sammelte einen ansehnlichen Schatz, ¶
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wahrte das königliche Recht auf die Regalien, regelte das Steuerwesen und gewann die Mittel zur Aufstellung einer ansehnlichen Landmacht und einer Kriegsflotte; Acker- und Bergbau, [* 36] Handel und Gewerbe hoben sich in überraschender Weise. Daher erklärte der Reichstag von Westerås den Thron für erblich im Haus Wasa, und 1560 folgte auf Gustav I. ohne Widerspruch sein ältester Sohn, Erich XIV. (1560 bis 1568), während die jüngern Söhne Lehnsfürstentümer erhielten: Johann Finnland, Magnus Ostgotland, Karl Södermanland.
Doch Erich war verschwenderisch, argwöhnisch gegen seine Umgebung, namentlich seine Brüder, und gewaltthätig. Mit Dänemark führte er einen kostspieligen, aber nutzlosen Seekrieg. 1567 brach bei ihm die Geistesstörung offen aus, und 1568 wurde er von seinem Bruder Johann, den er aus Mißtrauen vier Jahre in Haft gehalten, gestürzt und in den Kerker geworfen, in dem er 1577 vergiftet wurde. Es folgte ihm Johann III. (1568-92), der die Jesuiten bei ihrem Bestreben, S. wieder für die römische Kirche zu gewinnen, begünstigte, ohne doch den Mut zum offenen Abfall von der Reformation zu besitzen, und durch Verschwendung und Günstlingswirtschaft sowie durch einen eigensinnig unternommenen und fortgesetzten Krieg gegen Rußland das Ansehen des Königtums schwächte.
Sein Sohn Siegmund (1592-99), der 1587 zum König von Polen gewählt worden und offen zum Katholizismus übergetreten war, mußte zwar vor seiner Krönung (1594) versprechen, die protestantische Kirche in S. zu schützen; da er jedoch sein Wort zu brechen suchte und den Adel übermäßig begünstigte, um an ihm eine Stütze zu haben, ward sein Oheim Karl von Södermanland, ein eifriger Protestant, 1595 in Söderköping zum Reichsverweser und, nachdem Siegmund, der den schwedischen Thron mit Waffengewalt wiedererobern wollte, bei Stångebro besiegt und 1599 abgesetzt worden, zum regierenden Erbfürsten und 1604 zum König ernannt.
Karl IX. (1604-11) befestigte die lutherische Kirche, schritt gegen den übermütig gewordenen Adel mit blutiger Strenge ein, förderte den Bergbau und Handel und gab auch den anfangs unglücklich geführten Kriegen gegen Rußland, Polen und Dänemark eine günstigere Wendung, starb aber schon 1611. Ihm folgte sein Sohn Gustav II. Adolf (1611-32). Derselbe versöhnte den Adel mit der Krone, indem er durch die »Ritterhausordnung« von 1626 die Ritterschaft, nach drei Ordnungen geteilt, als ersten Stand dem niedern Adel sowie dem Bürger- und Bauernstand überordnete, vermehrte 1617 durch eine neue Reichsordnung die Mitwirkung der Stände an der Reichsverwaltung, wahrte aber gleichzeitig der Krone die Initiative und die Entscheidung über die Beschlüsse der getrennt beratenden Stände.
Der Adel nahm dafür einen Teil der Kriegssteuern auf sich und diente fortan dem König im Krieg und Frieden mit Aufgebot aller Kräfte. Das Vertrauen des Volkes erwarb sich Gustav Adolf, indem er die Verwaltung neu organisierte, ein tüchtiges, unterrichtetes Beamtentum schuf, die Rechtspflege durch eine neue Gerichtsorganisation und Prozeßordnung verbesserte, ein neues Stadtrecht gab, Kirchen- und Schulwesen, Handel und Schiffahrt hob und den Bergbau in Aufschwung brachte.
Mit dem Heer, das er durch ein Konskriptionssystem meist aus Landeskindern gebildet hatte, und das von schwedischen Edelleuten geführt wurde, und mit einer starken Kriegsflotte beendete er zunächst den Krieg mit Dänemark durch den Frieden von Knäröd (Januar 1613), durch den er Kalmar, Öland und Elfsborg zurückerhielt. Den Krieg mit Rußland führte er so erfolgreich, daß S. im Frieden von Stolbowa (Februar 1617) Karelien und Ingermanland erwarb. Im Krieg mit Polen erlangte S. im Waffenstillstand von 1629 den Besitz von Esthland, [* 37] Livland und Kurland, von denen es im Frieden von Stuhmsdorf (1635) Kurland wieder abtrat.
Gustav Adolf hatte damit den Grund zu einer schwedischen Großmacht gelegt, welche die Ostsee beherrschte, und nahm, um diese zu behaupten und zu vermehren, ferner um die Herrschaft seiner Dynastie gegen einen Versuch der polnischen Wasas, mit Hilfe des übermächtigen Katholizismus auf den Thron von S. zu gelangen, zu sichern, 1630 mit Zustimmung des Reichstags den Kampf gegen das katholische Habsburg in Deutschland [* 38] aus. Seine unerwarteten Erfolge erweckten in ihm den Gedanken, auch die deutschen Ostseeküsten zu erwerben und die evangelischen Stände des Deutschen Reichs zu einem Bund unter schwedischer Hegemonie zu vereinigen. Sein Heldentod bei Lützen [* 39] machte letzterm Plan allerdings ein Ende.
Aber auch unter seiner Nachfolgerin, der fünfjährigen Christine (1632-54), wurde durch Oxenstiernas weise Leitung der auswärtigen Politik und die Tüchtigkeit der schwedischen Feldherren und Truppen das schwedische Machtinteresse gewahrt. Im Innern freilich begünstigten die vom Reichstag eingesetzte vormundschaftliche Regierung (bis 1644), die neue Verfassung vom und der durch Christinens Freigebigkeit und die Kriegskosten notwendig gewordene Verkauf der Domänen, der nur an Edelleute erfolgen durfte, das Emporkommen des Adels.
Torstenssons Siege vergrößerten im Frieden von Brömsebro (1645) S. auf Dänemarks Kosten durch Jemtland u. Herjeådalen, die Inseln Gotland und Ösel, sowie Halland (auf 30 Jahre) und befreiten die schwedischen Schiffe [* 40] von dem Sundzoll. Der Westfälische Friede aber verschaffte S. 1648 Vorpommern und Rügen mit den Odermündungen, Wismar, [* 41] die Stifter Bremen [* 42] und Verden [* 43] mit den Mündungen der Elbe und Weser, die deutsche Reichsstandschaft und das Recht der Garantie des Westfälischen Friedens. S. wurde hierdurch der Beherrscher der Ostsee und neben Frankreich der mächtigste Militärstaat Europas. Der Dreißigjährige Krieg hatte die allerdings noch geringe Bevölkerung [* 44] (kaum 2 Mill.) wenig geschwächt, die ungeheure aus Deutschland fortgeschleppte Beute den Adel außerordentlich bereichert, freilich auch Eigennutz und Habgier in ihm erweckt, so daß der sittliche Schwung, den Gustav Adolf der Nation eingeflößt, bald wieder verloren ging.
Die Regierung der Könige aus dem Haus Pfalz-Zweibrücken.
Nachdem Christine im Juni 1654 die Krone zu gunsten ihres Vetters Karl X. Gustav (1654-60), Pfalzgrafen von Zweibrücken, [* 45] niedergelegt hatte, verwickelte dieser das Land 1655 zunächst in einen Krieg mit Polen, dessen König aus dem Haus Wasa, Johann Kasimir, Karls X. Thronbesteigung nicht anerkennen wollte, drang tief in Polen ein, siegte 28.-30. Juli 1656 im Bund mit Brandenburg [* 46] über das polnische Heer bei Warschau, [* 47] ward dann aber auch von Rußland und Dänemark angegriffen. Letzteres zwang er durch den kühnen und denkwürdigen Zug über das Eis der Belte 1658 zum Frieden von Roeskilde, in welchem S. Schonen, Halland, Blekinge, Bohuslän und Trondhjemlän sowie die Inseln Hven und Bornholm erwarb, womit es in den vollen Besitz seines Kontinents gelangte. Während des von ¶
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neuem ausgebrochenen Kriegs starb Karl X. und die darauf für seinen unmündigen Sohn Karl XI. (1660-97) eingesetzte vormundschaftliche Regierung schloß mit Polen den Frieden von Oliva, in welchem der König von Polen seine Ansprüche auf die schwedische Krone aufgab, mit Dänemark 26. Juni den Frieden von Kopenhagen, [* 49] in welchem Drontheim und Bornholm an Dänemark zurückgegeben wurden, und mit Rußland 1661 den Frieden von Kardis, welcher den Frieden von Stolbowa bestätigte.
Die vormundschaftliche Regierung, an deren Spitze zwar die verwitwete Königin, Hedwig Eleonore von Holstein-Gottorp, stand, in welcher aber der Reichskanzler Graf Magnus de la Gardie und der Reichsdrost Graf Per Brahe den herrschenden Einfluß besaßen, verwaltete das Reich durchaus eigennützig: die Mitglieder suchten sich und dem Adel, dessen Macht und Übermut immer mehr stiegen, soviel wie möglich von den Einkünften des Reichs zuzuwenden und alle Abgaben von sich ab auf die nichtadligen Stände zu wälzen;
die Finanzen gerieten in größte Unordnung;
das Kriegsheer, die Flotte und die Festungen verfielen.
Die auswärtige Politik hing ganz von den Subsidien und Geschenken ab, welche die fremden Mächte zahlten, und nach einigen Schwankungen, nachdem S. 1668 mit England und den Niederlanden die Tripelallianz gegen Ludwig XIV. abgeschlossen, trat die Regentschaft ganz in den Sold Frankreichs, auf dessen Verlangen S. 1674 einen ganz unberechtigten Angriff auf Brandenburg unternahm und dadurch zur Teilnahme an dem großen Krieg auf seiten Frankreichs fortgerissen wurde. Im Kampf mit Brandenburg und Dänemark (1675-79) traten die Schäden und Mängel des Staatswesens, welche die Unfähigkeit und die Selbstsucht der Regentschaft verschuldet hatten, in so erschreckender Weise hervor, daß die schwedische Armee und Flotte Niederlage auf Niederlage erlitt, S. seinen Kriegsruhm verlor und vor empfindlichen Gebietsverlusten bei den Friedensschlüssen von St.-Germain und Fontainebleau auf beschämende Art nur durch seinen mächtigen Verbündeten bewahrt wurde. In jenen Tagen des Unglücks und der Demütigung reifte in dem jungen König, der 1672 die Regierung selbst angetreten hatte, der Entschluß, der aristokratischen Mißwirtschaft, welche S. an den Rand des Verderbens gebracht hatte, ein Ende zu machen und das Staatswesen auf starken und gesunden Grundlagen wieder aufzurichten.
Indem er sich von den Welthändeln möglichst zurückzog, widmete er seine ganze Kraft [* 50] der innern Verwaltung, wobei ihn der tüchtige Minister Gyllenstjerna unterstützte. Nachdem ihm die Reichstage von 1680 und 1682 fast unbeschränkte Macht erteilt hatten, forderte er die Vormünder zur Rechenschaft über ihre Verwaltung vor und zog durch die Reduktion, welche Claes Fleming leitete, die der Krone abhanden gekommenen Güter mit rücksichtsloser Strenge wieder ein, wodurch die Krone 3 Mill. Rthlr. jährliche Rente gewann, alle Lehnsgrafschaften und Baronien verschwanden und die Macht des Adels einen schweren Stoß erlitt.
Auch führte Karl 1683 die militärische Einrichtung der »Indelta« ein. Die Flotte wurde in guten Stand gesetzt und der Kriegshafen Karlskrona [* 51] angelegt. Dabei bezahlte Karl 29 Mill. Rthlr. Reichsschulden, verminderte außerdem durch eine gewaltsame Zinsreduktion und Anrechnung der gezahlten Zinsen den Rest der Staatsschuld auf die Hälfte und hinterließ dennoch einen Staatsschatz von 8 Mill. Angesichts dieser Erfolge erkannte der Reichstag von 1693 ausdrücklich die absolute Herrschergewalt des Königs an, der den Reichstag zu berufen und zu befragen nicht verpflichtet sei.
Als nach Karls XI. Tod sein erst 15jähriger Sohn Karl XII. (1697-1718), der aber schon im November 1697 von den Reichsständen für volljährig erklärt wurde, den Thron bestieg, glaubten die auf Schwedens Macht neidischen Nachbarn, Rußland, Polen und Dänemark, die Zeit gekommen, es seiner wichtigsten auswärtigen Provinzen zu berauben, und schlossen 1699 eine Koalition gegen S. Mit dem Angriff auf Kopenhagen, mit dem Karl XII. seinen Feinden zuvorkam, begann der Nordische Krieg (s. d.), welcher Schwedens Macht stürzen sollte.
Der Krieg begann glücklich für S., sowohl gegen Dänemark als gegen Rußland und Polen, und gab den schwedischen Waffen [* 52] ihren bei Fehrbellin [* 53] verlornen Ruf wieder, strengte aber die finanziellen und militärischen Kräfte der Nation übermäßig an. Von 1700 bis zur unglücklichen Schlacht bei Poltawa stellte S. 400,000 Mann ins Feld, und auch nach dieser Katastrophe vermochte es noch eine trefflich organisierte Armee von 70,000 Mann aufzubringen, da die dem schwedischen Nationalcharakter eigne Ausdauer und Treue das Volk zu so gewaltigen Anstrengungen fähig und geneigt machte.
Aber der Starrsinn des Königs, der 1709-14 hartnäckig in der Türkei [* 54] blieb, um diese zum Kriege gegen Rußland zu zwingen, während von allen Seiten feindliche Heere über die schwedischen Lande hereinbrachen, erschöpfte auch die unermüdliche Opferwilligkeit seines Volkes und vereitelte alle Bemühungen des Grafen Görz, [* 55] die Finanzen in Ordnung zu bringen und durch einen Separatfrieden mit dem mächtigsten Feind, Rußland, der übrigen Herr zu werden. Auf einem seiner planlosen Kriegszüge gegen Norwegen fand Karl XII. vor Frederikshald einen gewaltsamen Tod.
Die Adelsherrschaft.
Ein Rückschlag zu gunsten der lange Unterdrückten, aber keineswegs vernichteten Aristokratie war nach dem unglücklichen Verlauf des Kriegs unvermeidlich. Entschlossen, die absolute Königsgewalt zu beseitigen und die alte ständische Verfassung mit dem Übergewicht des Adels wiederherzustellen, erkannte der Adel das Reichsgesetz, nach welchem der Sohn der ältesten Schwester Karls, der Herzog Karl Friedrich von Holstein, den Thron erben sollte, nicht an und huldigte sogleich der jüngern Schwester Karls, Ulrike Eleonore, unter der Bedingung, daß sie durch eine Wahlkapitulation der unumschränkten königlichen Gewalt entsage und in die Änderung der Verfassung willige.
Diese wurde im Februar 1719 vom Reichstag unter dem Einfluß des Adels beschlossen und bestimmte, daß die höchste Gewalt an einen Reichsrat (Senat), in welchem die Krone nur zwei Stimmen und der Adel die Mehrheit hatte, und welcher allein dem Reichstag verantwortlich war, übergehen, dieser alle Ämter besetzen und sich auch ohne Zustimmung der Krone um die Rechte und Freiheiten des Reichs bekümmern solle. Nach Anerkennung der neuen oligarchischen Verfassung wurde Ulrike Eleonore zur Königin gewählt und auch ihrem Gemahl, dem Erbprinzen Friedrich von Hessen, [* 56] die Königswürde beigelegt. Nachdem der dem Adel verhaßte Minister Görz nach einem höchst willkürlichen Prozeß hingerichtet worden beeilte sich der Reichsrat, mit den Feinden Frieden zu schließen, wobei er vor allem auf Geldzahlungen bedacht war, damit dem Adel nicht Opfer für Herstellung der ¶