(Debilitas), in der
Medizin ein vieldeutiger
Ausdruck. Allgemeine Körperschwäche, welche auf mangelhafter
Ernährung und daher auch mangelhafter
Funktion aller
Organe beruht, kommt vor nach schweren fieberhaften
Krankheiten, bei vielen
erschöpfenden chronischen
Krankheiten und als einfache Alterserscheinung
(Altersschwäche). S. derMuskeln
[* 11] kann abhängig sein von mangelhafter
Ernährung und ungenügender Übung derselben oder von organischen Veränderungen ihres
Gewebes infolge lokaler Erkrankung oder von mangelhafter
Innervation von seiten der
Nerven
[* 12] und ihrer
Zentralorgane (s.
Nervenschwäche).
Auch von S. der
Haut,
[* 13] der
Schleimhäute, des
Magens etc. spricht man; doch ist mit diesem
Ausdruck kein scharfer
Begriff zu verbinden, wenigstens nicht der eines spezifischen Zustandes der genannten
Organe. S. des Denkvermögens, s.
Geistesschwäche;
allgemeine S. der
Kinder, s. v. w.
Pädatrophie (s. d.).
(Amblyopie),
Schwäche des Sehvermögens, geht in allen erdenklichen Abstufungen in die völlige
Blindheit
(Amaurosis,
schwarzer Star) über und besteht darin, daß infolge verschiedenartiger anatomischer
Störungen die Nervenhaut des
Auges für Lichteindrücke unempfindlich oder die Leitung im
Sehnerv unterbrochen oder das
Zentrum
des
Sehnervs innerhalb des
Gehirns unfähig geworden ist, Lichteindrücke
in sich aufzunehmen. Die S. ist also in der
Mehrzahl
der
Fälle nur ein
Symptom, welches sich zu den verschiedensten anatomischen
Störungen desAuges, des
Sehnervs
und des
Gehirns hinzugesellen kann.
Hierher gehört auch diejenige S., welche durch Nichtgebrauch des
Auges allein zu erklären ist, wie diejenige, welche man
fast immer bei dem schielenden
Auge
[* 14] findet (amblyopia ex anopsia). Dieses Übel unterscheidet sich von dem
Unvermögen, in der
Nähe feinere Gegenstände zu sehen, der sogen.
Weitsichtigkeit, welche im gewöhnlichen
Leben auch oft
als ein »Schwächerwerden der Sehkraft« betrachtet wird,
insofern, als
letztere durch optische Hilfsmittel
(Brillen) so verbessert werden kann, daß das Sehvermögen ganz normal wird, während
bei der eigentlichen S. optische
Mittel so wenig nützen, daß feinste Druckschrift nie damit gelesen werden kann.
Schwachsichtige sind sehr kurzsichtig und halten alle Gegenstände sehr nahe oder neigen das
Gesicht
[* 15] den Gegenständen zu,
die sie betrachten wollen.
Gräfe nennt dies
Kurzsichtigkeit aus S. (myopia ex amblyopia), die aber nie, wie die eigentliche
Kurzsichtigkeit, durch konkave, sondern im Gegenteil eher durch schwache konvexe
Linsen (Vergrößerungsgläser) korrigiert
wird. Die genaue Unterscheidung und zweckmäßige Behandlung muß einem Augenarzt überlassen werden.
Vgl.
Star, schwarzer.
Bei Grubenbränden entstehen infolge des Kohlenoxydgasgehalts höchst gefährliche Brandgase, und
in Steinkohlengruben entwickeln sich häufig die feurigen S. oder schlagenden
Wetter (s. d.).
(Affinität, Affinitas), das Familienverhältnis des einen zu den Verwandten des andern Ehegatten.
Den
Gegensatz bildet die
Verwandtschaft, das auf
Zeugung und Abstammung gegründete
Verhältnis (Blutsfreundschaft,
Blutsverwandtschaft).
Mit den Verwandten seines
Gatten ist jeder von beiden Ehegatten »verschwägert«, während die
Verwandten des einen Ehegatten selbst zu den Verwandten des andern Ehegatten in keinerlei Familienverhältnis
stehen, wenn man auch ihr
Verhältnis im gewöhnlichen
Leben nicht selten ebenfalls als S. zu bezeichnen pflegt. In Ansehung
der eigentlichen S. ist zu unterscheiden:
1) Die sogen.
Stiefverwandtschaft, das
Verhältnis zwischen dem einen Ehegatten und den
Deszendenten des andern
Gatten, welche
nicht zugleich auch
Deszendenten des erstern sind. Das
Kind meiner
Frau, welches nicht auch zugleich mein leibliches
Kind ist,
mein Stiefkind, ist mit mir nur verschwägert, nicht verwandt.
2) Die sogen.
Schwiegerverwandtschaft, das Verhältnisses einen Ehegatten (des Schwiegersohns oder der Schwiegertochter) zu
den
Aszendenten (dem Schwiegervater oder der Schwiegermutter) des andern Ehegatten.
3) S. im engern
Sinn, das
Verhältnis eines Ehegatten zu den Seitenverwandten des andern, namentlich zu dessen
Geschwistern.
Der
Bruder meiner
Frau ist mein
Schwager, ihre
Schwester meine Schwägerin. Die
Grade der S. werden den
Graden der
Verwandtschaft
(s. d.) analog berechnet. In demselben
Grad nämlich, in welchem eine
Person mit dem einen Ehegatten verwandt
ist, ist sie mit dem andern Ehegatten verschwägert. Die rechtliche Bedeutung der S. ist der
Verwandtschaft gegenüber eine
untergeordnete, indem die S. namentlich für das
Erbrecht und ebenso für das Vormundschaftsrecht ohne Einfluß ist. Dagegen
ist die
Schwiegerverwandtschaft und ebenso die
Stiefverwandtschaft in den nähern
Graden ein
Ehehindernis;
auch befreit
¶
mehr
dieselbe unter Umständen von der Zeugnispflicht, indem sie aber auch auf der andern Seite das Zeugnis eines mit einer Partei
Verschwägerten als ein nicht unverdächtiges erscheinen läßt. In Großbritannien
[* 20] ist die Ehe mit der Schwägerin, d. h.
mit der Schwester der verstorbenen Ehefrau, verboten. Ein auf Beseitigung dieses Verbots hinzielender Gesetzesvorschlag
(Deceased wife's sister bill) wurde wiederholt eingebracht, 1883 auch vom Unterhaus angenommen, jedoch vom Oberhaus verworfen.
(Hirundo L.), Gattung aus der Ordnung der Sperlingsvögel
[* 21] und der Familie der Schwalben (Hirundinidae), kleine,
breitbrüstige, kurzhälsige, plattköpfige Vögel
[* 22] mit kurzem, plattem, fast dreieckigem, an der Spitze des Oberschnabels etwas
gekrümmtem Schnabel, sehr weit gespaltener Rachenöffnung, kurzen, schwachen Füßen und Zehen, langen,
schmalen, zugespitzten Flügeln, in denen die erste Schwinge am längsten ist, und mehr oder weniger gegabeltem Schwanz, dessen
äußerste Federn die mittlern oft sehr beträchtlich überragen.
Die Schwalben sind über alle Erdteile verbreitet, in den Ländern mit wirklichem Winter Zugvögel, in wärmern Strichvögel.
Die deutschen Arten ziehen bis in die südlichsten LänderAfrikas; daß einzelne in Schlamm eingebettet
den Winter im Norden
[* 23] verbringen, ist Fabel. Die Schwalben fliegen reißend schnell, bäumen gern, gehen auf dem Boden sehr ungeschickt,
sind gesellig, heiter, mutig, singen zwitschernd, nähren sich von Insekten,
[* 24] welche sie im Flug erjagen, und trinken und baden
auch im Flug.
Sie fertigen ein kunstvolles Nest aus Lehm und ihrem klebrigen Speichel oder graben tiefe Löcher in steil abfallende Erdwände;
das Gelege besteht aus 4-6 Eiern, welche vom Weibchen allein bebrütet werden. Die meisten brüten wohl mehr als einmal. Die
Schwalben weilen gern in der Nähe des Menschen, und in den meisten Ländern bleiben sie unbehelligt und
werden mit Wohlwollen, ja mit einer Art Verehrung betrachtet. In Spanien
[* 25] und Italien
[* 26] werden aber auch Tausende für die Küche
gefangen.
Die Rauchschwalbe (H. [Cecropis] rusticaL.), 18 cm lang, 31 cm breit, mit tief gegabeltem Schwanz, oberseits blauschwarz, an
Stirn und Kehle braun, mit breitem, schwarzem Gürtel
[* 27] auf dem Kropf, unterseits rostgelb und mit weißen
Flecken auf den fünf äußersten Steuerfedern, bewohnt Europa
[* 28] und Asien,
[* 29] mit Ausnahme des höchsten Nordens, weilt bei uns von
Anfang April bis Oktober und geht im Winter bis Südafrika
[* 30] und zu den Sundainseln. Sie erbaut ihr Nest in
acht Tagen, am liebsten an Häusern aus schlammiger oder fetter Erde, welche klümpchenweise aufgeklaubt und mit Speichel überzogen
angeklebt wird.
Auch feine Halme und Haare
[* 31] werden eingelegt und das Innere des Nestes mit solchen ausgepolstert. Dasselbe Nest wird viele Jahre
benutzt und nur alljährlich ausgebessert und neu ausgekleidet. Das Weibchen legt im Mai 4-6 weiße,
grau oder braun punktierte Eier
[* 32] (s. Tafel »Eier I«),
beim zweiten Gelege im August weniger und brütet sie in 12, bei schlechter
Witterung oft erst in 17 Tagen aus. Die S. lebt hauptsächlich von Zwei- und Netzflüglern, Schmetterlingen und Käfern, erjagt
diese je nach Witterung und Tageszeit in höhern oder
tiefern Schichten der Luft, bedarf sehr viel und speit
die unverdaulichen Teile, zu Gewöllen geballt, wieder aus. Die Mehlschwalbe (Haus-, Fenster-, Giebel-, Dachschwalbe, H. [Chelidon]
urbicaBoie), mit seicht gegabeltem Schwanz, kräftigem, auf der Firste scharf gebogenem Schnabel und verhältnismäßig starken,
wie die Füße befiederten Läufen, 14 cm lang, 27 cm breit, oberseits schwarz, unterseits und auf dem Bürzel
weiß, bewohnt etwa dasselbe Gebiet wie die vorige, geht aber weiter nordwärts, trifft einige Tage später ein als jene und
verweilt, namentlich in Südeuropa, länger; sie kommt einzeln an, sammelt sich aber vor dem Herbstzug zu
großen Schwärmen und geht bis Innerafrika und Südasien.
Sie nistet gesellig in Städten und Dörfern, baut ihr Nest in 12-14 Tagen ähnlich wie die vorige unter einem schützenden
Vorsprung, mauert es aber bis auf ein kleines Flugloch zu. Sie legt 4-6 weiße Eier (s. Tafel »Eier I«) und brütet zweimal.
Das Weibchen zeitigt die Eier in 12-13 Tagen. Die Mehlschwalbe ist in ihrem Wesen der vorigen ähnlich und doch wohl von ihr
unterschieden. Sie erreicht im Flug, besonders bei Regenwetter, oft große Höhen und jagt dort, wie die Seglerarten, nach
Nahrung. Um ihr Nest besteht sie oft erbitterte Kämpfe mit dem Sperling, der sie gern aus demselben vertreibt.
Die Uferschwalbe (Erd-, Sand-, Wasserschwalbe, H. [Cotyle] ripariaBoie), mit seicht gegabeltem Schwanz, verhältnismäßig langem,
flachem Schnabel, über das Schwanzende reichenden Flügeln und zarten Füßen mit schwächlichen Zehen, 13 cm lang, 29 cm breit,
oberseits aschgraubraun, unterseits weiß mit graubraunem Band
[* 33] in der Brustgegend, findet sich weitverbreitet
in Europa und Asien, besonders an steilen Uferwänden, nistet gesellig, höhlt in 2-3 Tagen 4-6 cm weite, bis 2 m lange, etwas
aufsteigende Löcher in dem festen Erdreich aus, erweitert dieselben am hintern Ende, füttert sie hier mit Halmen, Federn etc.
aus und legt 5-6 weiße Eier (s. Tafel »Eier I«); meist brütet sie nur einmal.
sie sind bei den beiden erstern mit goldenen oder silbernen Tressen (bei der Kavallerie schräg, bei den
übrigen Truppen gerade von oben nach unten), bei den Spielleuten mit wollenen Borten besetzt.
[* 36] (PapilioMachaon L.), Schmetterling
[* 39] aus der Familie der Tagfalter (Diurna), lebt in Europa, auf dem Himalaja
und in Japan,
[* 40] spannt bis 8 cm, hat gelbe, schwarz gezeichnete Flügel, auf den schmal geschwänzten Hinterflügeln
eine blau bestäubte Außenbinde, zeigt sich einzeln im Mai aus überwinterten Puppen, zahlreicher in zweiter Generation im
Juli und August. Das Weibchen legt seine Eier einzeln an Fenchel, Dill, Kümmel, Möhren, die Raupe ist grün mit schwarzen, rotgelb
gefleckten Querbinden und stülpt bei der Berührung aus dem Nacken einen roten, gabeligen Wulst von intensivem
Geruch hervor. Die grünlichgelbe, gelb gestreifte, etwas rauhe Puppe ist am Rücken gekielt, hat zwei stumpfe Spitzen am Kopf
und hängt an einem Zweig in einer Schlinge. Die der zweiten Brut überwintert. Der dem S. ähnliche Segelfalter(P. podaliriusL.) ist mehr auf das Hügelland beschränkt, und seine gelbgrüne, rot gepunktete, weiß gestreifte Raupe lebt
auf Schwarzdorn.
rechter Nebenfluß der Eder, entspringt im Großherzogtum Hessen
[* 47] am Vogelsberg, tritt bald nach dem preußischen
Regierungsbezirk Kassel
[* 48] über, fließt anfangs nördlich, dann östlich und nordöstlich und mündet oberhalb
Felsberg.
Der »Schwälmer Grund« ist schön und fruchtbar, mit reichen Getreidefeldern und stattlichen Herden;
(Eulenschwalben, Podarginae Scl.), Unterfamilie der Raken (Coraciadae) aus der Ordnung der Klettervögel,
[* 49] gestreckt
gebaute Vögel mit kurzem Hals, breitem, flachem Kopfe, verhältnismäßig kurzen, stumpfen Flügeln, langem
Schwanz und Zehen, kräftigem Fuß. Der Schnabel ist groß, platt, an der Wurzel
[* 50] sehr breit, tief gespalten, an der Spitze hakig
gebogen, das Gefieder düsterfarbig. Die S. leben in den Waldungen Südasiens und Australiens, auch auf den Inseln.
Der Riesenschwalm (Podargushumeralis Vig. et Horsf.),
von der Größe einer Krähe, dunkel graubraun mit hellern und dunklern Zeichnungen, Punkten etc., lebt in Neusüdwales, hockt
am Tag in tiefem Schlaf auf Bäumen, ist am Abend und in der Nacht sehr munter und gewandt und sucht seine Nahrung nach Art des
Spechts. Die Stimme ist laut und unangenehm. Das kleine, flache Nest steht niedrig auf einem Baumast, das
Weibchen legt vier weiße Eier, welche von beiden Geschlechtern ausgebrütet werden. Die halberwachsenen Jungen werden von
den Alten häufig in Baumhöhlen gebracht. NachGould und Verreaux scheint der Riesenschwalm eine Art von Winterschlaf zu halten,
jedenfalls zieht er sich bei fühlbarer Kälte zurück und verfällt in eine tiefere Schlafsucht.
Man findet bei den S. auf der innern Fläche der Lippen, auf der Zunge und dem Gaumen weißliche Pünktchen oder einen zarten,
reifähnlichen Beschlag, bei hohem Grad selbst käsige und schmierige Massen, deren Aussehen mit geronnener Milch viel Ähnlichkeit
[* 52] hat. Anfänglich lassen sich diese Massen leicht entfernen, später sitzen sie fest auf der Schleimhaut.
Vom Mund aus pflanzt sich der Schimmelbelag auf den Schlundkopf und die Speiseröhre fort, gelegentlich ist auch der Kehlkopf
[* 53] betroffen.
Die mikroskopisch kleinen Fäden, aus welchen der Soorpilz besteht, liegen oberflächlich in der Schleimhaut, können aber
auch in die tiefern Schichten derselben hineinwuchern. Kinder, welche an S. leiden, lassen fast immer erkennen,
daß ihnen das Saugen schmerzhaft ist. Auch Kranke, welche an Schwindsucht, Krebs u. dgl. zu Grunde gehen, klagen, wenn sich
bei ihnen S. entwickeln, über schmerzhaftes Brennen im Munde. Die S. werden hervorgerufen durch die zahlreich
in der äußern Luft oder in säuerlichen Speisen vorhandenen Sporen des hefenähnlichen Pilzes, welche in die Mundhöhle eindringen
und sich hier weiter entwickeln. Einen günstigen Boden finden dieselben durch Mundkatarrhe, durch das Verbleiben von Resten
schlechter Milch etc., wodurch sich abnorme Zersetzungen bilden,
¶
in deren Produkten die Pilze
[* 56] ein geeignetes Nährsubstrat finden. Die Pilze gedeihen also auf katarrhalischem Boden, anderseits
bedingen sie sekundär Mundkatarrhe. Die Behandlung hat zwei Aufgaben: die Entfernung des Pilzes und die Beseitigung des Mundkatarrhs.
Erstere muß auf rein mechanischem Wege geschehen, die S. müssen mit stumpfen Instrumenten, Pinsel, trockner
Leinwand etc. direkt abgekratzt werden; der Mundkatarrh wird durch große Reinlichkeit,
häufiges Ausspülen und Auswaschen der Mundhöhle mit desinfizierenden, nicht zuckerhaltigen Wässern, z. B. Boraxlösungen,
beseitigt. Bei Kindern ist namentlich darauf zu achten, daß sie unverdorbene Milch erhalten; die Saugpfropfen, oft die Träger
[* 57] der zersetzenden Stoffe, müssen nach dem Gebrauch durch Auskochen stets aufs sorgfältigste gereinigt
werden. S. Tafel »Halskrankheiten«,
[* 58] Fig. 6.
niedere Tiere aus dem Stamm der Cölenteraten (s. d.).
In seiner einfachsten Form besteht ein Schwamm aus einem Individuum, das wie ein offner Sack gestaltet ist. Die Wandung
desselben ist aus drei Schichten zusammengesetzt, nämlich aus einer zarten und dünnen äußern, dem Ektoderm oder Hautblatt,
einer mittlern, dem Mesoderm oder Mittelblatt, und einer innern, dem Entoderm oder Darmblatt. Das letztere wird von flimmernden
Zellen gebildet, welche in dem mit Wasser gefüllten Hohlraum eine Strömung in der Richtung nach der Öffnung
(osculum) des Sackes erzeugen.
Die Haut selbst ist zum Eintritt des Wassers von vielen verschließbaren Poren durchbohrt (daher der Name Poriferen). In dem Mittelblatt
bildet sich meist ein Skelett
[* 59] aus Kalk- oder Kieselnadeln, auch aus Hornfasern zur Stütze des Körpers aus. Die Nahrung wird
von den Zellen des Darmblattes, vielleicht auch von denen der beiden andern Schichten aus dem Wasser, welches
den Schwammkörper durchströmt, zurückbehalten und verdaut. Nerven und Muskeln sind wahrscheinlich vorhanden, ebenso Sinnesorgane.
Die Fortpflanzung ist teils geschlechtlich (die S. sind wahrscheinlich meist Zwitter), teils ungeschlechtlich. Bei der erstern
entstehen Eier und Samenfäden in den Zellen des Mittelblattes und entwickeln sich nach der Befruchtung
[* 60] gewöhnlich im Innern des Schwammes weiter, so daß erst die jungen Larven denselben verlassen. Übrigens sind die Eier anfänglich
noch ohne bestimmte Form und können sich wie eine Amöbe durch Ausstrecken von Fortsätzen im Muttertier bewegen.
Die bewimperten Larven schwärmen eine Zeitlang frei umher, setzen sich aber dann fest und bilden einen
neuen Schwammkörper. Die ungeschlechtliche Vermehrung geschieht entweder durch besondere Keimkörper (gemmulae) oder durch
Teilung; letztere führt vielfach nicht zur völligen Loslösung der Teilstücke, sondern zur Bildung von Kolonien, und so entstehen
jene oft äußerst komplizierten Formen, wie z. B. der Achsenschwamm, Axinella und Aplysina
[* 55]
(Fig. 4 u.
13). Auch durch Verschmelzung mehrerer dicht nebeneinander aufwachsender Individuen kann eine einheitliche Schwammkolonie
gebildet werden
[* 55]
(Fig. 9), die als solche nicht nur eine große Menge von Ausströmungsöffnungen (oscula) zeigt, sondern deren
Hautporen auch zuerst in ein langes Kanalsystem führen, mit dem die Magen
[* 61] der Individuen in Verbindung
stehen.
Solche größere Exemplare sind dann durch und durch von diesen das Wasser zuführenden und abführenden Kanälen durchzogen;
die ursprünglich vorhandenen
Oskula können aber zum Teil verschmelzen oder sich ganz schließen, so daß man aus ihrer
Menge nicht die Zahl der vereinigten Einzelschwämme ermitteln kann. Die S. wachsen entweder frei von ihrer
Unterlage (Steine, Pflanzen etc.) in die Höhe, oder liegen ihr dicht an und umschließen sie zuweilen von allen Seiten. So
werden z. B. Schneckenschalen, in denen Einsiedlerkrebse wohnen, häufig ganz und gar bis auf die kleine Öffnung, welche
sich der Krebs durch Ausstrecken seines Vorderkörpers frei erhält, überzogen.
Einige S. stecken auch völlig frei im Schlamm des Meeresbodens
[* 55]
(Fig. 11 u.
14). Überhaupt wissen sich die S. ihrer Umgebung oft so genau anzupassen, daß eine und dieselbe Art in einer Mannigfaltigkeit
von Formen auftritt und vielfach nur durch mikroskopisches Studium bestimmt werden kann. Eine große Wandelbarkeit
zeigen manche S. auch dadurch, daß die einzelnen Zellen eine bedeutende Selbständigkeit besitzen. Bei Spongilla verändert
nicht nur die äußere Haut, sondern auch das Innere des Tiers seine Form, Hautporen werden geschlossen, andre neu gebildet;
auch die Nadeln
[* 62] werden in ihrer gegenseitigen Lage verschoben, und so kommt sogar eine Art Ortsveränderung
zu stande, indem der ursprüngliche Befestigungsort unter langsamen Bewegungen der gewissermaßen von ihm wegfließenden Masse
verlassen und mit einem neuen vertauscht wird. Abgeschnittene Stücke des Schwammkörpers können weiterwachsen und mit andern
Stücken von derselben Art verschmelzen.
Mit Ausnahme der Familie der Spongillidae gehören die S. dem Meer an, wo sie unter sehr verschiedenen
Verhältnissen und in weiter Verbreitung angetroffen werden. Fossile Reste finden sich schon in den ältesten Schichten; ihre
größte Entwickelung erreichen sie während der Kreideperiode. Alle lebenden Hauptgruppen, soweit sie überhaupt versteinerungsfähig
sind, lassen sich bis in den Silur verfolgen und stehen unvermittelt einander gegenüber, so daß die
gemeinsamen Vorfahren in einer noch ältern Periode gelebt haben müssen.
Manche heutige S. der Tiefsee sind gewissen fossilen ganz besonders ähnlich. Merkwürdig erscheinen die Bohrschwämme (Vioa),
welche sich vielleicht lediglich durch ihre harten Kieselnadeln, vielleicht aber auch mit Hilfe chemisch wirkender Sekrete,
in Molluskengehäusen, Kalksteinen und Korallen
[* 63] Röhren
[* 64] und Kanäle graben und durch massenhaftes Auftreten
sehr wesentlich mit zu der eigentümlichen Gestaltung der aus Kalksteinen bestehenden Küste des Adriatischen Meers beitragen.
Die als Badeschwamm (s. d.) bekannten weichen, elastischen Hornschwämme finden technische
und fanden wegen ihres angeblichen Jodgehalts früher auch medizinische Verwendung.
Man teilt die S. in zwei große, unvermittelt nebeneinander stehende Gruppen:
1) Kalkschwämme (Porifera calcaria). Dies sind meist schmutzig weiße S. und Schwammstöcke, wie der Knollenkalkschwamm, Leucandra,
ferner Ascandra
[* 55]
(Fig. 5), Ascetta
[* 55]
(Fig. 8, 9, 10), mit einem Skelett aus Kalknadeln; im allgemeinen sind sie einfach gebaut
und auch nicht besonders zahlreich.
2) Nichtkalkschwämme (P. incalcaria), also alle S. ohne Kalkskelett. Entweder fehlt ihnen ein
Skelett völlig (Halisarcidae, Gallert- oder Fleischschwämme, hierher Oscarella,
[* 55]
Fig. 3), oder es sind hornige Erhärtungen
(Hornschwämme, hierher der Badeschwamm,
[* 55]
Fig. 2, u. Aplysina,
[* 55]
Fig.
13) oder verschieden gestaltete Kieselkörper (Kieselschwämme, s. Textfigur, S. 682), zugleich mit Hornfasern oder
¶
mehr
auch ohne solche vorhanden (hierher der Süßwasserschwamm, Spongilla, sowie der Lederschwamm, Chondrosia,
[* 65]
Fig. 7, Axinella,
[* 65]
Fig. 4 u. 12, Stylocordyla,
[* 65]
Fig. 14, Tragosia,
[* 65]
Fig. 1, Tentorium,
[* 65]
Fig. 6); bei andern Schwämmen werden die Kieselnadeln
durch verkieselte Umhüllungsschichten zu Kieselnetzen verbunden (Steinschwämme, s. Scyphia auf Tafel »Juraformation
[* 66] I« und
Siphonia auf Tafel »Kreideformation«).
[* 67] Endlich sind noch die Glasschwämme (Hexaktinelliden) zu nennen (z. B.
Hyalonema,
[* 65]
Fig. 11), mit einem Gitterwerk von sechsstrahligen Kieselnadeln; sie leben meist in großen
Tiefen und wurzeln mit einem aus spiralig zusammengedrehten Kieselnadeln bestehenden Schopf im Schlamm.
Wegen ihrer großen Zierlichkeit sind ihre Skelette in Japan Handelsartikel und galten bei den Zoologen
lange als Kunstprodukte.
Vgl. Schmidt, Die Spongien des Adriatischen Meers (Leipz. 1862-1868, 4 Tle.);
Derselbe, Grundzüge einer
Spongienfauna des atlantischen Gebiets (das. 1870);
in der Pflanzenanatomie ein lockeres, von zahlreichen Intercellularräumen durchzogenes Gewebe,
[* 68] das für die Durchlüftung der Pflanze von Bedeutung ist.
(Cygnus L.), Gattung aus der Ordnung der Schwimmvögel
[* 70] und der Familie der Schwäne (Cygnidae), große Vögel mit
gestrecktem Leib, sehr langem Hals, mittelgroßem Kopf, geradem, gleich breitem Schnabel von Kopfeslänge, der an der Wurzel
nackt oder höckerig aufgetrieben, an der Spitze flach gewölbt ist und in einen rundlichen Nagel ausgeht,
niedrigen, starken, weit nach hinten gestellten Beinen, großen Schwimmhäuten und kleiner, hoch eingelenkter Hinterzehe, finden
sich in allen Erdteilen, besonders im Norden, auf Seen, Flüssen und Sümpfen.
Die Schwäne gehören besonders der gemäßigten und kalten Zone der nördlichen Halbkugel an. AlleArten
wandern, aber die in gemäßigten Ländern brütenden streichen oft im Winter nur umher. Sie nisten gern in süßen Gewässern,
nach der Brutzeit aber halten sie sich im Meer auf. Sie sind ausschließlich Tagtiere, gehen und fliegen wenig, schwingen
sich nur vom Wasser auf und lassen sich auch nur auf dieses herab. Sie nähren sich von allerlei Pflanzenstoffen,
Kerbtieren, Würmern, Muscheln,
[* 71] Fischen, kleinen Lurchen etc. und erreichen ihre Nahrung
durch Gründeln.
IhreSchönheit und Anmut nehmen sehr für sie ein; sie bekunden aber oft genug Herrschsucht, Rauflust, Tücke und Bosheit gegen
Tiere und Menschen. Nur die Schwäne einer und derselben Art bilden größere Gesellschaften. Männchen
und Weibchen halten treu zu einander und sind sehr zärtlich gegeneinander. Das Weibchen brütet allein, aber das Männchen
beschützt es und beteiligt sich an der Brutpflege. Der Höckerschwan (Cygnus olorL.), 1,8 m lang, 2,6
m breit, rein weiß, in der Jugend grauweiß, mit kopflangem, gelbrotem Schnabel mit schwarzem Höcker,
lebt in Nordeuropa und Ostsibirien, zieht im März und September durch Mitteleuropa, überwintert in Italien und auf den Inseln
des Mittelmeers,
[* 72] erscheint im Herbst häufig an der Ostsee, nistet am Ufer und legt 6-8 grünlichweiße, blaugrau gefleckte Eier
(s. Tafel »Eier II«). Er soll sehr alt werden und wird allgemein gezähmt und halbgezähmt auf Teichen
und Flüssen (Spree und Havel) gehalten.
1,6 m lang, 2,5 m breit, von gedrungener Gestalt, mit kürzerm,
dickerm Hals und gelbem, an der Spitze schwarzem, höckerlosem Schnabel, ist rein weiß, bewohnt Nordeuropa,
Nordasien und Nordamerika,
[* 74] geht im Winter bis Nordafrika, erscheint im Oktober an der Ostsee und durchfliegt Deutschland im November
und Dezember sowie im Februar und März. Er hat eine laute, besonders aus der Ferne wohlklingende Stimme, welche er auch im Flug
und in der Not, z. B. im Winter, wenn die Untiefen mit Eis
[* 75] bedeckt sind und ihm dadurch die Nahrung verschlossen
ist, anhaltend hören läßt.
Verfallen die Schwäne hier, am Weiterziehen durch Ermattung verhindert, nach und nach dem Hungertod, so erschallen doch
bis ans Ende ihre melancholischen Töne. Sie sind sehr heftig, zanksüchtig und vertreiben den Höckerschwan,
jung eingefangene werden aber leicht zahm. Sie nisten im hohen Norden und in Griechenland,
[* 76] bauen große, auf kleinen Inseln
feststehende oder schwimmende Nester und legen im Mai 5-7 gelblichweiße oder bräunlichgelbe Eier. Man jagt die Schwäne im
Norden besonders des Fleisches halber und erschlägt sie in ihren Brutteichen während der Mauser mit Stöcken;
auch die Federn werden verwertet, und die mit den Federn gegerbten Häute geben ein kostbares Pelzwerk
[* 77] (Schwan, Schwanpelz).
Bei den alten Griechen galt der S. als der heilige Vogel des Apollon,
[* 78] von dem er selbst die Gabe der Weissagung empfangen haben
sollte. Im mythischen Hesperien, am Eridanos und an der Küste des Ligyerlandes sollen die Schwäne ihren
Tod durch schönen klagenden Gesang vorausverkündigt haben; daher der AusdruckSchwanengesang für das letzte Lied eines Dichters.
Erblickten die Schiffer Schwäne, so galt dies als günstiges Omen. Jupiter genoß die Umarmung der Leda in Gestalt eines
¶
mehr
Schwans. In der germanischen Mythologie stand der S. in engster Beziehung zu den in Luft und Wasser waltenden Lichtgottheiten
und ebenfalls im Ruf derWeissagung; daher die noch jetzt zur Bezeichnung einer Vorahnung üblichen Ausdrücke: »es schwant
mir« oder »mir wachsen Schwanenfedern«. Auf Rügen vertritt der S. den Storch, er bringt die Kinder. Der
S. ist wie die Wasservögel, Gans, Ente, Eisvogel,
[* 80] Augurium des Endes der regnerischen, winterlichen Jahreszeit.
Stirbt der S., so kehrt die Sonne,
[* 81] der Frühling, der junge Held zurück. Kommt der Held von dem S. gezogen zu dem schönen Mädchen,
so darf ihn niemand fragen, woher er kommt, der S. würde ihn sonst in das Reich des Todes zurückführen
(Sage vom Schwanenritter, s. d.). Gewisse göttliche Wesen, namentlich die Walküren, die Wald- und Wasserfrauen, liebten es, Schwansgestalt
anzunehmen (s. Schwanjungfrauen).
Stadt im preuß. Regierungsbezirk Magdeburg,
[* 99] KreisOschersleben, am Limbach und am Fuß des Huywaldes, hat
eine Zuckerfabrik, Spiritus-, Ziegel- und Kalkbrennerei, Gipsfabriken und
(1885) 3207 meist evang.
Einwohner.
[* 79] (Berliner Eisen),
[* 100] Fangeisen für Wölfe, Füchse, Otter, Marder
[* 101] etc., bei welchem die an der Erde verdeckt
liegenden und von einer hufeisenförmigen Feder emporgeschnellten Bügel (s. Figur) um den Hals des vorher mit Kirrbrocken an den
Fangplatz angekirrten Raubtiers schlagen, sobald dasselbe den an einer Schnur befestigten Brocken (Totenbrocken)
berührt. Der Fang in solchen Eisen
[* 102] ist deshalb sicherer als der in Tritt- oder Tellereisen
[* 103] (s. d.), weil aus dem Schwanenhals
das gefangene Tier nicht entkommen kann, während es von ersterm nur am Laufe festgehalten wird und sich nicht selten befreit.
nach niederrhein. Sage ein Ritter, der auf einem von einem Schwan gezogenen Kahn aus unbekanntem Land
kommt, eine Fürstentochter von einem ihr verhaßten Bewerber errettet und sich mit ihr vermählt, dann
sie aber wieder verlassen muß, weil sie ungeachtet seines Verbots sich nach seiner Abstammung erkundigt. Die Sage ist mythischen
Ursprungs und wurde im Mittelalter mehrfach poetisch behandelt, aber auch nach Willkür geändert. So z. B. in dem französischen,
dem 12. Jahrh. angehörenden »Roman du chevalier au cygne« (hrsg. von Reiffenberg, Brüssel
[* 108] 1846-48, 2 Bde.),