Flüssigkeiten stets vorkommenden
Schizomyceten schwer zu unterscheiden. Für eine
Reihe von Krankheitsformen, wie
Milzbrand,
Tuberkulose,
Cholera, ist die Abhängigkeit derselben von bestimmten
Spaltpilzen sicher nachgewiesen (s.
Bakterien). Zwischen
den Pilzarten, die an einen bestimmten
Organismus gebunden sind (obligate
S.), und den rein saprophytischen
Pilzen gibt es zahlreiche
Übergänge in Pilzformen, welche nur unter besondern Umständen parasitär auftreten (fakultative S.).
Besonders die auf
Warmblütern vorkommenden Pilzschmarotzer scheinen der letztern
Kategorie anzugehören. Der
Parasitismus tritt
im
Pflanzenreich auch in
Formen auf, bei denen die beteiligten
Wesen sich nicht wohl als Wirt und
S. in dem
Sinn wie in den bisher
erwähntenFällen unterscheiden lassen (Wohnparasiten). So leben
Algen
[* 2] in gewissen Teilen höherer
Pflanzen
eingeschlossen, besonders eine Art von
Nostoc ausnahmslos in den Blättern gewisser
Moose,
[* 3] gleichsam als gehörte sie zu diesen,
an denen sie auch keinen schädlichen Einfluß hervorbringt; ähnlich findet sich ein Scytonema in den innern
Geweben des
Stammes vonGunnera scabra, eine
Protokokkacee, Chlorochytrium
Lemnae, im
Laub der
Lemna trisulca etc.
Noch
merkwürdigere
Fälle bieten die
Flechten,
[* 4] wo sich zwischen
Pilzen (der eigentlichen
Flechte) und
Algen
(Gonidien) eine Art parasitisches
Verhältnis gebildet hat, welches ohne Analogon in der ganzen übrigen
Schöpfung ist, indem hier beide Teile auf wechselseitige
Ernährung angewiesen sind, in ihrer Vereinigung sich fortpflanzen
(Soredien) und nur noch wie
Organe eines
einfachen
Individuums erscheinen.
(Argulidae),
Krustentiere aus der
Ordnung der
Ruderfüßer
(Copepoda), bei welchen ein
PaarFühlhörner
und ein oder einige
Paare der
Kieferfüße zu Klammerorganen umgebildet sind und die als Stechwerkzeuge dienenden
Kiefer in
einer
Saugröhre liegen. Sie leben parasitisch, namentlich von
Fischen, welche sie zum Teil freiwillig nicht verlassen können.
Solche seßhaft gewordene S. erleiden dann oft (wenigstens die Weibchen) eine Umbildung des
Körpers,
welcher weich und wurmförmig
wird und oft die abenteuerlichsten Gestalten annimmt. Die Karpfenlaus (Argulus foliaceusL.,
s. Tafel
»Krebstiere«),
[* 10]
0,4cm lang, mit scheibenförmigem Vorderkörper, verkümmertem, zweilappigem
Hinterleib, zwei großen,
zusammengesetzten
Augen und vier
Paar langgestreckten, gespaltenen
Schwimmfüßen hinter den Mundteilen
und
Kieferfüßen, lebt auf
Karpfen.
(Tátrafüred),
Bad
[* 27] im ungar.
KomitatZips, am Südabhang der
HohenTátra (1014 m ü. M.), in wildromantischer
Gegend inmitten von Fichtenwaldungen gelegen, einer der besuchtesten klimatischen
KurorteUngarns, mit drei Säuerlingsquellen,
Kaltwasserheilanstalt und den angrenzenden neuen Badeorten Neuschmeks (Uj-Tátrafüred), klimatischer
Kurort u. Wintersanatorium für Lungenkranke, und Unterschmeks (Alsó-Tátrafüred) mit
Moorbädern und einem
Säuerling.
Probeschule und gründete 1808 eine Privatanstalt in Basel.
[* 32] Nach den Freiheitskriegen, an denen er als bayrischer Freiwilliger teilnahm,
widmete er sich vorzugsweise dem Studium der bayrischen Mundarten und veröffentlichte die Ergebnisse desselben in den Schriften:
»Die MundartenBayerns, grammatisch dargestellt« (Münch. 1821) und »BayrischesWörterbuch, mit urkundlichen Belegen« (Stuttg.
1827-36, 4 Bde.; 2. Aufl.
von Fromman, 1868-77). Diese ausgezeichneten Arbeiten legten durch ihre strenge Methode, die namentlich in der sehr eingehenden
und genauen Behandlung der Lautlehre hervortritt, den Grund zu wissenschaftlichen Forschungen über die deutschen Dialekte überhaupt,
die in den letzten Jahrzehnten einen bedeutenden Aufschwung genommen haben. S. wurde 1827 Professor am
Kadettenhaus zu München, 1828 außerordentlicher Professor der ältern deutschen Litteratur an der Universität daselbst, 1840 zugleich
Unterbibliothekar an der Staatsbibliothek und 1846 ordentlicher Professor. Er starb Außer den genannten Hauptwerken
sowie zahlreichen Abhandlungen veröffentlichte er die von ihm »Hêliand« betitelte altsächsische Evangelienharmonie (Stuttg.
1830);
die althochdeutsche Übersetzung der sonst dem Tatian, von ihm aber dem Ammonius zugeschriebenen
»Evangelienharmonie« (Wien
[* 33] 1841);
Merkwürdig ist, daß der Schmelzpunkt mancher Metallgemische (Legierungen) niedriger ist als derjenige
eines jeden ihrer Bestandteile (Schnelllot, Rosesches Metall, WoodsMetall). AlleKörper sind bei genügend hoher Erhitzung schmelzbar,
falls
sie nicht, wie z. B. das Holz,
[* 39] schon vorher durch die Hitze chemisch zersetzt werden. Nur Kohle hat bisher nicht geschmolzen
werden können. Solange das S. dauert, behält der schmelzende Körper die Temperatur seines Schmelzpunktes
unverändert bei.
Stellt man an einem kalten Wintertag ein Gefäß
[* 40] voll Schnee,
[* 41] welcher unter den Gefrierpunkt, z. B. auf -6°, erkaltet ist,
mit einem Thermometer
[* 42] darin auf den warmen Ofen, so steigt das Thermometer nach und nach auf 0°, bleibt
dann aber unverändert stehen, bis der Schnee völlig zerschmolzen ist und sich in Wasser von 0° verwandelt hat. Alsdann steigt
das Thermometer wieder, indem sich das entstandene Wasser erwärmt. Obgleich von dem Ofen unausgesetzt Wärme in das Gefäß übergeht,
so findet doch, während der Schnee schmilzt, keine Erwärmung statt, sondern alle während des Schmelzvorganges
zugeführte Wärme wird dazu verbraucht, den Schnee von 0° in Wasser von 0° zu verwandeln, und sie verschwindet daher sowohl
für unser Gefühl als für das Thermometer.
Diese Wärmemenge, welche, indem sie Fesseln des Zusammenhanges zwischen den Teilchen des festen Körpers brach, eine Arbeit
leistete und in dieser Arbeit aufging, nennt man die Schmelzwärme des Körpers oder auch, weil sie sich
gleichsam mit dem Körper verbunden oder in der entstandenen Flüssigkeit versteckt zu haben scheint, die gebundene oder latente
Wärme. Um die Schmelzwärme des Eises zu bestimmen, vermischen wir rasch 1 kg trocknen Schnee von 0° mit 1 kg
Wasser von 80° C.; wir erhalten, nachdem der Schnee völlig geschmolzen ist, 2 kg Wasser von 0°. Demnach wird alle Wärme,
welche 1 kg Wasser abgibt, indem es von 80° C. auf 0° erkaltet, dazu verwendet, 1 kg Schnee von 0° in 1 kg Wasser von
ebenfalls 0° zu verwandeln, oder, mit andern Worten, zur bloßen Schmelzung von 1 kg Eis
[* 43] wird ebensoviel Wärme verbraucht,
als nötig ist, um 1 kg Wasser von 0° auf 80° zu erwärmen.
Die Wärmemenge, welche erfordert wird, um 1 kg Wasser um 1° C. zu erwärmen, nennt man eine Wärmeeinheit.
Die Schmelzwärme des Eises beträgt demnach 80 Wärmeeinheiten. Man kann hieraus ermessen, welch ungeheure Wärmemengen im
Frühjahr zur Schmelzung der im Winter aufgehäuften Eis- und Schneemassen in Anspruch genommen werden und daher für die Entwickelung
des Pflanzenlebens verloren gehen. Stellt man ein Glas
[* 44] Wasser, in welches ein Thermometer eingesenkt ist,
in einer sehr kalten Winternacht ins Freie, so sieht man das Thermometer sinken, bis es 0° erreicht hat; nun beginnt die Eisbildung,
und das Thermometer bleibt nun längere Zeit unverändert auf 0° stehen, bis seine Kugel ganz von Eis umhüllt ist.
Obgleich also dem Gefäß fortwährend Wärme entzogen wird, sinkt doch während der Dauer des Erstarrens
die Temperatur nicht, was nur dadurch möglich ist, daß beim Festwerden des Wassers sich Wärme entwickelt, welche, indem sie
in jedem Augenblick die nach außen abgegebene Wärmemenge ersetzt die Temperatur 0° aufrecht erhält; indem nämlich die
zwischen den Wasserteilchen thätigen Anziehungskräfte dieselben wieder in ihre festen Gleichgewichtslagen
zurückführen, leisten sie eine Arbeit, welche derjenigen, die beim S. zur Überwindung dieser Kräfte angewendet werden mußte,
genau gleich ist und nun als Wärme, d. h. als lebhaftere Schwingungsbewegung der kleinsten Teilchen, sich offenbart.
Beim Erstarren wird also die beim S. gebundene Wärmemenge wieder frei. Wasser von 0° gefriert, wenn man
ihm Wärme entzieht, Eis von 0° schmilzt, wenn man ihm Wärme zuführt; die Erstarrungstemperatur (der Gefrierpunkt) fällt
also mit dem Schmelzpunkt zusammen. Unter besondern
¶
bei einer Erschütterung aber erstarrt
die ganze Masse plötzlich, und das Thermometer steigt infolge der frei gewordenen Wärme auf 0°. Die meisten Körper dehnen
sich beim S. aus und zwar manche ganz plötzlich;
der Phosphor z. B. vergrößert beim S. seinen Rauminhalt
plötzlich um 3,4 Proz. Einige Körper aber, wie Eis und Wismut, nehmen im geschmolzenen Zustand einen geringern Raum ein als
im starren;
aus 1000 ccmEis von 0° erhält man durch Schmelzung nur 910 ccmWasser von 0°. Bei diesen letztern wird
der Schmelzpunkt durch äußern Druck erniedrigt, bei jenen erhöht.
Gefäße aus verschiedenem Material zur Ausführung von Schmelzungen, müssen hohe Temperaturen ertragen,
ohne zu sintern und zu schmelzen, dürfen bei schroffem Temperaturwechsel nicht reißen und müssen hinreichende
Widerstandsfähigkeit gegen Asche und gewisse Flußmittel, wie Bleiglätte etc., besitzen. Von thönernen Schmelztiegeln sind
bei uns die hessischen am bekanntesten. Diese werden hauptsächlich von Großalmerode und Abterode in Kurhessen in den Handel
gebracht und aus einem sehr fetten, eisen- und kalkfreien Pfeifenthon, der mit 1/3-½ grobem Quarzsand
vermischt wird, gefertigt.
Sie sind feuerfest, vertragen starke Temperaturwechsel, sind aber für manche Operationen zu porös und grobkörnig, werden
auch von Alkalien, Bleioxyd etc. leicht durchlöchert. Viel feuerfester sind die Stourbridgethontiegel, welche
man aus 2 Teilen Stourbridgethon, mit 1 Teil Koks gemengt, fertigt. Sie kommen ungebrannt in den Handel
und werden unmittelbar vor dem Gebrauch mit Koks erhitzt, indem man sie mit der Mündung nach unten in einen Ofen stellt, ganz
mit Koks umgibt und diese entzündet.
Ist
der Tiegel gebrannt, so wird er umgekehrt und ist nun zur Beschickung fertig. Man benutzt die Stourbridgetiegel
namentlich in den Messingfabriken in Birmingham.
[* 48] Zu metallurgischen Versuchen eignen sich besonders die CornwalliserTiegel,
von denen die kleinern große Temperaturunterschiede ertragen, die größern indes selbst bei vorsichtigem Anwärmen reißen.
In der Weißglut werden sie weich. Am besten von allen Thontiegeln widerstehen die Londoner S. dem Bleioxyd, doch reißen
dieselben sehr leicht.
Sie werden aus einem Gemisch von Graphit mit feuerfestem Thon gefertigt und kommen ungebrannt in den Handel. Auch die größten
von ihnen ertragen die plötzlichsten Temperaturveränderungen und stehen sehr gut im Feuer, bis sie endlich durch langsames
Verbrennen des Graphits dünnwandig werden. Man überzieht sie deshalb von außen mit einem Brei aus Thon
und Boraxlösung. Sehr wertvoll ist ihre Glätte, infolge deren sie sehr reinen Guß liefern. Die besten Graphittiegel kommen
aus Nürnberg,
[* 51] Oberzell und Hafnerzell bei Passau,
[* 52] Achenrain in Tirol
[* 53] und aus High Holborn und Battersea in England.
Porzellantiegel dienen zu chemischen Operationen, werden glasiert und unglasiert angewandt, widerstehen
den meisten chemischen Agenzien, springen aber leicht und werden vorteilhaft mit Magnesia in hessische S. eingebettet. Alkalische
Massen, welche Thontiegel zu stark angreifen, schmelzt man in gußeisernen Tiegeln. Zur chemischen Analyse benutzt man Silber-
und Platintiegel, die hohe Temperatur ertragen, aber vorsichtig behandelt werden müssen, weil sie von manchen
Substanzen stark angegriffen werden.
(Cobitis L.), Gattung aus der Ordnung der Edelfische und der Familie der Karpfen (Cyprinoidei), Fische mit langgestrecktem
Körper, kleinem, bis zur engen Kiemenspalte von einer zusammenhängenden, schuppenlosen Haut überzogenem Kopf, von wulstigen
Lippen und Barteln umgebenem Mund, mit zahlreichen spitzigen Zähnen einreihig besetztem Schlundknochen,
den Bauchflossen gegenüberstehender Rückenflosse, kurzer Afterflosse und kleinen Schuppen.
Der Schlammbeißer (Schlammpitzger, Wetterfisch, Bisgurre, Moorgrundel, CobitisfossilisL.), bis 30 cm lang, mit sehr gestrecktem,
vorn walzenförmigem, hinten komprimiertem, schwärzlichem, gelb und braun gestreiftem, unterseits hellerm, schwarz getüpfeltem,
sehr beweglichem und schlüpfrigem Körper, zehn Barteln am Mund und kleinen Flossen, von denen Rücken-
und Schwanzflosse schwarzbraun gefleckt sind, findet sich weitverbreitet in Flüssen und SeenEuropas mit schlammigem Grund,
verbirgt sich winters im Schlamm und, wenn das Wasser austrocknet, auch sommers, da es ihm vermöge eigentümlicher Darmatmung
möglich wird, lange außerhalb des Wassers zu leben.
Vor Ausbruch eines Gewittersist er sehr unruhig und wird deshalb als Wetterprophet in Gefangenschaft gehalten.
Er nährt sich von allerlei Gewürm, Fischlaich und vermoderten Pflanzenteilen, laicht im April und Mai, pflanzt sich aber
nicht sehr stark fort, obgleich die Zahl der Eier 140,000 beträgt. In der Gefangenschaft hält er sich sehr gut.
Der Steinpitzger (Dorngrundel, C. taeniaL.), 10 cm lang, orangegelb mit schwarzen Flecken und Linien, bewohnt Mitteleuropa von der
Ost- und Nordsee bis Dalmatien, von Großbritannien
[* 57] bis Rußland, ist überall seltener als die S., laicht im April bis Juni;
sein Fleisch ist wenig geschätzt.
Die S. (C. barbatulaL., s. Tafel »Fische I«,
[* 58] Fig. I), bis 15 cm lang, mit wenig gestrecktem, walzenförmigem
Körper und sechs Bartfäden, ist auf dem Rücken dunkelgrün, an den Seiten gelblich, unterseits hellgrau, auf Kopf, Rücken
und an den Seiten braunschwarz gefleckt und gestreift, an Rücken-, Schwanz- und Brustflosse gefleckt. Sie findet sich weitverbreitet
in Europa,
[* 59] besonders in Sachsen,
[* 60] Brandenburg,
[* 61] Hessen,
[* 62] in der Schweiz
[* 63] und Tirol, in seichten, schnell fließenden
Bächen mit sandigem Grund, ruht am Tag unter Steinen verborgen und geht nachts ihrer Nahrung nach, welche aus Würmern, Insekten,
[* 64] Laich und Pflanzenstoffen besteht; sie laicht im März und April, und das Männchen hält bei den
in einer Grube abgelegten EiernWache. Die Vermehrung ist unter Umständen sehr stark. Sie ist außer dem Wasser äußerst hinfällig.
Ihr Fleisch ist sehr wohlschmeckend, wenn es sofort nach dem Tode des Tiers zubereitet wird, und man züchtet sie deshalb in
kleinen Wasserlöchern mit beständigem Zu- und Abfluß.
Anton, Ritter von, österreich. Staatsmann, geb. zu
Wien, studierte daselbst die Rechte, trat 1829 als Auskultant in den Staatsdienst, ward 1842 zum Rat und 1846 zum Appellationsrat
ernannt. Da er sich schon bei den niederösterreichischen Ständen, denen er durch seine Geburt angehörte, durch
freisinnige und geschickte Vertretung der Interessen des Bürger- und Bauernstandes ausgezeichnet hatte, ward er als Gegner
des Metternichschen Systems, besonders durch seine Teilnahme an der Märzbewegung von 1848, sehr populär und deshalb von dem
neuen Ministerium nach Frankfurt
[* 66] gesandt, um hier als
Vertrauensmann den Beratungen über einen neuen Verfassungsentwurf für
Deutschland
[* 67] beizuwohnen.
Nach Colloredos Rücktritt übernahm er für die letzten Wochen der Bundesversammlung das Präsidium. In das deutsche
Parlament gewählt, schloß er sich hier der Partei der konstitutionellen Monarchie an und wußte als Mitglied mehrerer Ausschüsse
die InteressenÖsterreichs mit Umsicht und Gewandtheit wahrzunehmen. Am 15. Juli zum Reichsminister ernannt,
verwaltete er anfangs das Innere und Äußere, behielt aber nachher nur das letztere bei. Da er jedoch seinen großdeutschen,
österreichischen Standpunkt energisch vertrat und von der preußischen Hegemonie nichts wissen wollte, entzweite er sich
mit den meisten seiner bisherigen Parteigenossen und legte sein Ministerium nieder.
Als österreichischer Bevollmächtigter bei der Zentralgewalt nach Frankfurt zurückgesandt, arbeitete er nun dem preußischen
Erbkaisertum eifrig entgegen. Nachdem dennoch die preußische Partei die Oberhand behalten, schied er Ende April
aus der Versammlung und ging wieder nach Wien, wo er als Justizminister ins Kabinett trat und
der Schöpfer der Geschwornengerichte wurde. Mit der vom MinisteriumSchwarzenberg verfolgten reaktionären Politik nicht einverstanden,
nahm er Anfang 1851 seinen Abschied und ward bald darauf Senatspräsident des obersten Gerichtshofs und 1858 Präsident des
Oberlandesgerichts in Wien. Am zum Staatsminister ernannt, arbeitete er die Staatsgrundgesetze für
die Reichs- und die Landesvertretungen vom aus.
War diese Verfassung schon unvollkommen, so that S. auch nichts Wesentliches, sie zu verwirklichen, und nahm besonders Ungarn
[* 68] gegenüber eine ganz unfruchtbare, rein abwartende Haltung ein, welche sich in seinem bekannten Ausspruch: »Wir können warten!«
aussprach. Die kirchlichen Mißstände ließ er unberührt. SeinEifer für das Großdeutschtum, welches
Deutschland zum VasallenÖsterreichs zu machen bestimmt war, veranlaßte ihn, zum Verderben Österreichs in preußenfeindlichem
Sinn in die auswärtige Politik einzugreifen.
Sein mit so großen Hoffnungen begrüßtes Ministerium endete daher mit allseitiger Enttäuschung und der Sistierungspolitik
Belcredis. Auf sein Nachsuchen wurde er seines Ministerpostens enthoben und zum ersten
Präsidenten des obersten Gerichtshofs ernannt. Von seiten der Böhmen
[* 69] zum Abgeordneten für den Reichsrat erwählt, ward er
infolge kaiserlicher Ernennung vom lebenslängliches Mitglied des österreichischen Herrenhauses, dessen erster
Vizepräsident er wiederholt war, und in welchem er seit 1879 Führer der Opposition gegen das Taaffesche
System ist. Seinem politischen Liberalismus ist S. ebenso treu geblieben wie seiner gut österreichischen Gesinnung. - Sein
jüngerer Bruder, Joseph, Ritter von S., geb. 1807, lange Zeit österreichischer Militärbevollmächtigter in Frankfurt a. M.,
dann im Kriegsministerium, 1868 Mitglied des Herrenhauses, 1878 als Feldzeugmeister verabschiedet, starb
(Dolor), die abnorme Erregung oder abnorm vermehrte Thätigkeit der sensibeln Nerven,
[* 70] das wichtigste subjektive
Symptom zahlloser Krankheitszustände. Der S. ist keineswegs eine spezifische Empfindung; denn teils wird er durch ganz heterogene,
ja selbst durch entgegengesetzte Eindrücke erregt, teils hängt er von der Größe der gleichzeitig affizierten
¶
mehr
Flächeab. Der S. gehört vielmehr zu den sogen. Gemeingefühlen, also zu denjenigen Empfindungen, welche in dem Bewußtsein
das ganz allgemeine Gefühl des körperlichen Wohl- und Unwohlbefindens hervorrufen. Die Schmerzempfindung sowohl als die Schmerzensäußerung
ist nach Intensität, Art etc. in hohem Grad abhängig vom Alter, Geschlecht und von der ganzen Individualität
des betreffenden Menschen. Den Sitz des Schmerzes zu bestimmen, verursacht häufig große Schwierigkeit. Im allgemeinen kann
der S. seinen Sitz in jedem Organ oder Gewebe
[* 72] haben, welches sensible Nerven besitzt, und zwar ist derselbe um so lebhafter,
je nervenreicher dasselbe ist.
Der S. ist verschieden zunächst nach den schmerzmachenden Ursachen, wobei auffällig ist, daß die am
schnellsten wirkenden Ursachen, z. B. Nervendurchschneidung, ebenso wie die ganz chronischen Veränderungen
der Nerven häufig fast schmerzlos sind. Der Grad der Schmerzen ist ferner verschieden nach der Erregbarkeit des Individuums:
Gesunde ertragen S. besser als Rekonvaleszenten, Erwachsene besser als Kinder. Die Aufmerksamkeit steigert den
S. Ein heftiger und kurz dauernder S. ist dem Kranken oft lieber als ein gleichmäßig und länger fortdauernder S. von geringem
Grad.
Von wissenschaftlicher Bedeutung ist die Unterscheidung des lokalen, des exzentrischen und des irradiierten Schmerzes. Der
S. ist bei weitem am häufigsten eine wirklich lokale Erscheinung, d. h. die Stelle, an welcher er empfunden
wird, ist auch diejenige, wo die abnorme Erregung der Nerven stattfindet. Der lokale oder peripherische S. ist dadurch charakterisiert,
daß er auf Druck, Bewegung und örtliche Reize aller Art zunimmt, daß er an seiner Stelle bleibt, nicht herumspringt und meist
auch keine Unterbrechungen zeigt.
Seltener ist der S. eine exzentrische Erscheinung, d. h. er hat seine Ursache an einem andern Ort als da,
wo er empfunden wird. Störungen, welche die Nervenzentralorgane oder irgend eine Stelle im Verlauf eines Nervs betreffen,
verursachen uns S., welcher dem Bewußtsein als an den peripherischen Enden der betreffenden Nervenfasern erregt erscheint.
Charakteristische Kennzeichen des exzentrischen Schmerzes sind, daß er auf Druck, Bewegung und andre Reize
des schmerzenden Organs nicht zunimmt.
Häufig finden sich gleichzeitige Funktionsstörungen des schmerzenden Teils, oder es bestehen Kopf- und Rückenschmerzen daneben.
Nicht selten zeigt sich der exzentrische S. über eine größere oder viele zerstreute Stellen verbreitet und ist
manchmal wandernd. Irradiiert ist der S., wenn sich die Erregung von einer sensibeln Faser auf andre nicht unmittelbar betroffene
überträgt (Mitempfindung). Irradiierte Schmerzen können in großer Entfernung von der kranken Stelle vorkommen und heißen
dann sympathische Schmerzen (z. B. Knieschmerz bei Hüftgelenksentzündung, Schulterschmerz
bei Leberabscessen). Zu den irradiierten Schmerzen gehören besonders manche Formen des Kopf- und Zahnschmerzes.
Der S. kann zeitweise fehlen, d. h. nicht empfunden werden, bei Abwendung der Aufmerksamkeit, durch örtliche Einwirkung der
Kälte, bei gehemmter Leitung durch die Nerven (z. B. nach Nerven- oder Rückenmarksdurchschneidung) und bei gehinderter Perzeption
durch das Gehirn,
[* 73] z. B. im Rausch oder der Narkose. In den betreffenden Nerven hinterläßt der S. keine Folgen;
nach dem Aufhören des Schmerzes ist der Nerv wieder normal erregbar. Im Gehirn werden Empfindungen andrer Art während und
nach dem S. entweder gar nicht oder doch nur unvollständig wahrgenommen;
häufig finden Reflexbewegungen statt: Verziehen des Gesichts, Schreien, Zuckungen, veränderte
Herz- und Atmungsbewegungen.
Die gewöhnlichste Folge und Äußerung des Schmerzes besteht im Weinen. Veränderung der Ernährung
findet nur bei sehr heftigen und bei lang anhaltenden Schmerzen statt. Bei der Behandlung der Schmerzen werden sehr verschiedene
Wege eingeschlagen. Sie geht bald darauf hinaus, die Ursache des Schmerzes zu entfernen (Abwendung äußerer
Schädlichkeiten, Anwendung der Kälte, der Blutentziehungen), zumal bei peripherischen Schmerzen, bald darauf, die Leitung
des abnorm erregten Nervs zu unterbrechen (Ausschneidung eines Stückes aus dem Verlauf des Nervs), bald endlich darauf, die
Perzeptionsfähigkeit des Gehirns herabzusetzen oder zeitweilig ganz aufzuheben (örtlicher und allgemeiner Gebrauch der Narkotika,
Einatmen von Chloroform- und Ätherdämpfen). - Dem gewöhnlichen körperlichen, physischen S. steht gegenüber der Seelenschmerz,
der psychische, ein bis zum Affekt gesteigertes geistiges Gefühl, welches entsteht durch gewisse Vorgänge in der geistigen
Sphäre, im Gebiet der Vorstellungen, sei es, daß dieselben mehr intellektueller oder mehr moralischer Natur sind, so bei
großem Verlust, Reue, Trauer etc. Ist der Seelenschmerz dauernd und tief, so macht er allmähliche Übergänge
zur Melancholie; ist er heftig und plötzlich, so kann er sich ebenso wie der körperliche zu Exaltationszuständen steigern.
Entschädigung, die früher für erlittene Körperverletzung der Verletzte neben
dem Ersatz der Vermögensnachteile an Kurkosten, entgangenem Arbeitsverdienst u. dgl.
vom Thäter fordern konnte. Das deutsche Strafgesetzbuch kennt ein besonderes S. nicht mehr; es bestimmt nur (§ 231), daß
bei Körperverletzungen auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an denselben zu erlegende Buße bis zum Betrag
von 6000 Mark erkannt werden kann, welche die Geltendmachung eines weitern Entschädigungsanspruchs ausschließt.
Dagegen ist der Anspruch auf S. im preußischen, österreichischen und sächsischen Recht anerkannt.
ernannt, war S. eifrig bemüht, die wissenschaftlichen Unternehmungen derselben, besonders im Fach der Erdkunde,
[* 86] zu befördern.
Er starb in Berlin.
[* 82] (Lepidoptera, Schuppenflügler, hierzu Tafeln »Schmetterlinge
I u. II«),
Ordnung der Insekten, umfaßt Kerbtiere mit saugenden Mundteilen, unbeweglichem, ringförmigem Prothorax, häutigen,
dicht farbig beschuppten Vorder- und Hinterflügeln und vollkommener Metamorphose. Der frei beweglich
eingelenkte, dicht behaarte Kopf trägt vielgliederige, faden- oder borstenförmige, häufig keulenförmige, auch gesägte
oder gekämmte Fühler, große, halbkugelige Facettenaugen und zuweilen zwei Punktaugen. Die Mundteile (s. Fig.) bestehen aus
einer verkümmerten Oberlippe, ebensolchen Oberkiefern und verlängerten Unterkiefern, welche zu zwei Halbrinnen umgewandelt
sind und sich zu dem spiralig aufgerollten Rüssel (Rollzunge) dicht zusammenlegen.
Letzterer ist bisweilen bedeutend länger als der Körper, in andern Fällen sehr kurz, gewöhnlich aber mit feinen, gezähnelten
Dörnchen zum Aufritzen der Nektarien besetzt und zum Aussaugen des Blütensafts eingerichtet. Die drei Brustringe sind miteinander
verschmolzen und gleich dem übrigen Körper dicht behaart. Die nur ausnahmsweise (bei den Weibchen gewisser
Gattungen) verkümmerten Flügel sind teilweise oder vollständig mit dachziegelförmig sich deckenden, schuppenartigen Haaren
bekleidet, welche die äußerst mannigfache Färbung, Zeichnung und Irisierung der Flügel bedingen.
Die Schüppchen sind meist fein gerippt und gezähnelt und stecken mit stielförmiger Wurzel
[* 93] in Poren der Flügelhaut. Beide
Flügel sind häufig miteinander verbunden, indem am vordern Rande der Hinterflügel Dornen oder Borsten
in ein Bändchen der Vorderflügel eingreifen. Die Beine sind zart und schwach, ihre Schienen mit ansehnlichen Sporen bewaffnet,
ihre Tarsen allgemein fünfgliederig. Der Hinterleib endet nicht selten mit einem stark hervortretenden Haarbüschel.
Die Geschlechter sind
oft an Größe, Färbung und Flügelbildung sehr verschieden, und zwar zeigen sich
dann die Männchen mit lebhaftern und prachtvollern Farben geschmückt und sollen bisweilen um den Besitz des Weibchens kämpfen.
Mitunter gehören derselben Art zwei oder drei verschieden gestaltete Weibchen an, welche vor der Kenntnis dieses Verhältnisses
als Varietäten oder gar als verschiedene Arten beschrieben worden sind; andre Arten zeigen nach der Jahreszeit
sehr verschiedene Färbungen.
Mehrfach ist Parthenogenesis beobachtet worden. Von den innern Organen ist der Bauchstrang des Nervensystems gewöhnlich lang
und mit 2-3 Brust- sowie 5 Bauchknoten versehen. Am Ende der Speiseröhre befindet sich an besonderm Stiel ein Kropf, der sogen.
Saugmagen. Die Larven, gewöhnlich Raupen genannt, sind durch lebhafte, oft sehr schöne Färbung und durch
Bekleidung ihrer Oberfläche mit Haaren, Dornen, Stacheln, Hörnern ausgezeichnet; nur die im Holz, in Wurzeln etc. vom Licht
[* 94] abgeschlossen
lebenden Arten sind meist vollständig farblos und glatt. An ihrem großen, hornigen Kopfe finden sich beiderseits nach
unten 5-6 Punktaugen und dicht neben dem Mund sehr kurze Fühler.
Die beißenden Mundteile sind vollständig wie diejenigen der Käferlarven gebildet. Überall folgen auf die drei Fußpaare
der Brustringe noch 2 oder 5 Paar Afterfüße. Die Larven leben meist von Pflanzenteilen, Blättern und Holz; sie befestigen
sich vor derVerpuppung an geschützten Orten oder spinnen mit dem Saft ihrer zwei großen Spinndrüsen (s. d.)
Kokons und verwandeln sich in Puppen, bei denen die Gliedmaßen des künftigen Insekts dem Körper dicht anliegen und mit ihm
zusammen von einer harten, hornigen Hülle umgeben sind.
Manche S. fliegen zuzeiten aus unbekannten Ursachen in großen Schwärmen, so z. B. Plusia gamma, Vanessa cardui etc. Durch massenhaftes
Auftreten werden die Raupen den Pflanzen oft sehr schädlich, sind jedoch auch in ausgedehntem Maß Verfolgungen
durch andre Insekten (Schlupfwespen etc.) ausgesetzt. Die Zahl der existierenden Arten wird auf viel mehr als 100,000 geschätzt,
doch ist davon erst ein geringer Teil genau bekannt. Fossile S. sind schon in der Steinkohlenformation aufgefunden worden.
[* 85]
^[Abb.: Mundteile: a von Zygaena (von der Seite), h von Noctua (von oben). A Antenne, Lr Oberlippe, Lt Lippentaster, Md Mandibel, Mx Maxilla, Mxt Maxillartaster, O Auge.]
[* 95]
¶