nach der Spitze fortleitet. Häufig enthält der Oberkiefer jederseits nur einen einzigen großen, durchbohrten Giftzahn;
die Furchenzähne treten selten in größerer Zahl auf und sitzen entweder ganz vorn im Oberkiefer oder hinter einer Reihe
von Hakenzähnen am hintersten Ende des Oberkiefers. Während aber die Furchenzähne in der Regel stark und
unbeweglich befestigt sind, richten sich die durchbohrten Giftzähne samt dem Kiefer, welchem sie aufsitzen, beim Öffnen des
Rachens auf und werden beim Biß in das Fleisch der Beute eingeschlagen.
Gleichzeitig fließt das Sekret der zuweilen weit nach hinten und selbst bis in die Bauchhöhle sich erstreckenden Giftdrüse,
durch den Druck der Schläfenmuskeln ausgepreßt, in die Wunde und veranlaßt, mit dem Blut in Berührung
kommend, oft fast augenblicklichen Tod. Die Gefährlichkeit des Schlangenbisses richtet sich nach der Art und Größe der Schlange,
[* 3] nach der besondern Beschaffenheit und Stärke
[* 4] des verwundeten Individuums wie auch nach der Jahreszeit und dem Klima.
[* 5] Auf Warmblüter
wirkt das Gift viel schneller und heftiger als auf Amphibien und Fische,
[* 6] in heißern Gegenden intensiver als in gemäßigten
Klimaten und an kühlern Tagen (vgl. Schlangengift).
Die innere Organisation der S. hat sich überall der langgestreckten Körperform anpassen müssen. Der lange, dehnbare, dünnhäutige
Schlund führt in den sackförmig erweiterten Magen;
[* 7] die Luftröhre ist sehr lang, die linke Lunge
[* 8] meist
ganz rudimentär, während die um so mächtiger entwickelte rechte an ihrem Ende ein schlauchförmiges Luftreservoir bildet.
Dem Gehörorgan fehlen schallleitende Apparate, dem oft sehr kleinen Auge
[* 9] bewegliche Lider. Der Augapfel mit der meist länglichen,
vertikalen Pupille wird von einer durchsichtigen, uhrglasförmigen Haut
[* 10] bedeckt; die Nasenöffnungen liegen
meist ganz an der Spitze oder am Seitenrand der Schnauze; die gabelig gespaltene, hornige Zunge dient als Tastorgan und steckt
in einer Scheide, aus der sie selbst bei geschlossenem Rachen durch einen Einschnitt der Schnauzenspitze weit vorgestreckt werden
kann.
Die S. bewegen sich vornehmlich durch seitliche Krümmungen der hierzu außerordentlich befähigten Wirbelsäule,
stützen sich jedoch hierbei auf die Rippenenden. Sie nähren sich ausschließlich von lebenden Tieren, die sie meist durch
Umschlingen und Ersticken oder durch den Biß mit dem Giftzahn töten und ohne Zerstückelung unter gewaltigen Anstrengungen
ihrer Muskeln
[* 11] verschlingen, selbst wenn sie denDurchmesser ihres eignen Körpers um das Mehrfache übertreffen.
Dabei ergießen die Speicheldrüsen ein reichliches Sekret, welches die Beute schlüpfrig macht; der weit nach vorn gerückte
Kehlkopf
[* 12] stülpt sich zwischen den Kieferästen zur Unterhaltung der Atmung hervor, und die Zähne
[* 13] haken sich, abwechselnd fortschreitend,
immer weiter in die Beute ein, so daß sich gewissermaßen Rachen und Schlund allmählich über diese hinziehen.
Nach Vollendung des Schlinggeschäfts tritt eine bedeutende Abspannung ein, und während einer Zeit träger Ruhe erfolgt die
langsame, aber vollständige Verdauung.
Die Nieren sind langgestreckt; die Harnleiter münden in die Kloake ein; eine Harnblase fehlt. Das Männchen hat zwei schlauchförmige,
in der Ruhe im Körper liegende Ruten und vollführt damit die Begattung; später legen die Weibchen meist
wenig zahlreiche, große Eier
[* 14] mit derber, lederartiger Schale, in denen die Embryonalentwickelung mehr oder minder weit vorgeschritten
ist; einzelne Formen (Süßwasser- und Giftschlangen) gebären lebendige Junge. Nur in seltenen Fällen brütet das
Weibchen die
Eier aus.
Die S. sind am meisten in den Tropen verbreitet und nehmen an Zahl und Größe der Formen nach den Polen zu sehr rasch ab. Sie
leben auf der Erde, besonders in waldigen Gebirgsgegenden, halten sich unter Steinen, Laub und Moos verborgen und gehen zum Teil
häufig ins Wasser. Andre leben auf Bäumen, in flachen, sandigen Gegenden oder im Meer. In kalten Zonen verkriechen
sich die S. im Winter und halten einen Winterschlaf, in heißen Gegenden fallen sie während der trocknen Sommer teilweise in
Erstarrung und entfalten erst während der Regenzeit ein regeres Leben. S. auch Schlangendienst.
Fossile Reste von S. finden sich in geringer Menge in der Tertiärformation;
[* 15] sie gehören meist zu den Pythoniden
(Riesenschlangen), doch trifft man auch Zähne von Giftschlangen an. Die Mosasaurier (s. Reptilien, S. 738) werden von einigen
als Vorfahren der S. angesehen, von andern jedoch und zwar mit mehr Recht als schwimmende Eidechsen
[* 16] betrachtet.
Jedenfalls sind die S. von einer ausgestorbenen GruppeReptilien abzuleiten, bei denen noch vier Extremitäten vorhanden waren.
Man unterscheidet von lebenden S. etwa 250 Gattungen mit gegen 1000 Arten, bringt sie in 25 zum Teil sehr kleine Familien und
ordnet diese zunächst nach der Weite des Rachens in zwei Abteilungen: A. Engmäuler (Stenostomata), mit
unbeweglich verbundenen Gesichtsknochen;
kleine, wurmförmige Tiere mit sehr kurzem Schwanz, ohne Giftzähne, häufig mit Rudimenten
von Hinterbeinen;
leben in selbstgegrabenen Gängen oder unter Steinen;
Hierher die Minierschlangen (Typhlopidae) u. a. B. Weitmäuler (Eurystomata), mit beweglich verbundenen
Gesichtsknochen und daher sehr erweiterungsfähigem Rachen, die eigentlichen S. Sie zerfallen nach Bau und
Anordnung der Zähne in 1) giftlose Nattern (Colubrina innocua, Colubriformes, Aglyphodontia und Opisthoglypha), fast ausnahmslos
ohne Giftzähne (zuweilen im Oberkiefer ein gefurchter Zahn ohne oder in Verbindung mit einer Giftdrüse). Hierher die Tigerschlangen
(s. d., Pythonidae), Riesenschlangen (s. d., Boidae) und Rollschlangen (Erycidae),
alle mit Fußstummeln (daher auch Stummelfüßer, Peropoda, genannt), ferner die Nattern (s. d., Colubridae; über die ganze
Erde verbreitet), Süßwasserschlangen (Homalopsidae, Asien,
[* 19] Amerika),
[* 20] Baumschlangen (Dendrophidae; Tropen), Wüstenschlangen
(Psammophidae; Asien, Afrika) u. a.;
(Karlsthaler Bad),
[* 28] Badeort im preuß. Regierungsbezirk Wiesbaden,
[* 29] Untertaunuskreis, in einem schönen,
waldreichen Thal
[* 30] des Taunus, 310 m ü. M., hat (1885) 403 Einw.
Die Heilquellen von S. bestehen in neun wasserreichen, indifferenten Thermen (Wildbädern) von 28-32,5°
C., deren Hauptbestandteile kohlensaures und salzsaures Natron sind; sie werden in Bädern gegen Krämpfe, Lähmungen, Hysterie,
Neuralgie, Hautkrankheiten,
[* 31] Rheumatismen, Gicht und schleichende, entzündliche Vorgänge in den Unterleibsorganen sowie gegen
Gebrechen des Alters angewendet. Zur Trinkkur dienen die sogen. Schlangenquelle und die Marienquelle.
Den Namen hat S. von der dort vorkommenden Äskulapnatter (Coluber flavescens).
(Schlangenanbetung, Schlangenkultus, Ophiolatrie), die Verehrung der Schlangen, eine über alle Weltteile
mit Ausnahme des schlangenlosen Australien verbreitete Kultusform, bei welcher man in gewissen einheimischen Schlangenarten
entweder die Verkörperung der Gottheit überhaupt oder besonderer Erd-, Feuer-, Wasser- und Heilgötter
oder des Genius loci, des Volksstammvaters und namentlich des bösen Prinzips vermutete. Am häufigsten scheint der Schlangenkultus
einerseits aus der Verehrung der Unterweltsgottheiten und anderseits aus dem ehemals weitverbreiteten Feuerdienst hervorgegangen
zu sein, indem man die züngelnde, zischende, beißende Flamme
[* 32] als Schlange personifizierte, daher die
Darstellung der indischen, ägyptischen, persischen und griechischen Feuergottheiten als Schlange oder mit Schlangenfüßen.
Sofern diese Götter häufig bei einem Umsturz des alten Religionssystems zum bösen Prinzip erklärt wurden, ging dieselbe
Auffassung meist auf dieses über, daher die Darstellung des indischen aus dem Himmel
[* 33] gestürzten Feuergottes
Ahi, des persischen Ahriman, der griechischen Titanen, des altnordischen Loki, des christlichen Lucifer etc. als »alte« Schlange,
und deshalb treten auch so viele alte Heroen und selbst christliche Heilige als Drachentöter auf. In manchen Kirchen wurde
die Drachenfigur, z. B. der Grauouilli (s. d.) in Metz,
[* 34] bis zur neuern Zeit aufbewahrt und das Fest seiner
Tötung mit kirchlichen Aufzügen gefeiert.
Indessen wurde aber auch anderseits die Schlange vielfach als wohlthätiger Dämon verehrt, als Genius der Heilquellen und Personifikation
des Äskulap (eines Sohns des Feuergottes bei Ägyptern, Phönikern und Griechen). Doch mischten sich auch andre durch die
abweichende Gestalt und Bewegungsweise sowie durch die geheimnisvolle Wirkung des Gifts angeregte Vorstellungskreise
ein, und somit liegt hier eine so vielfache Symbolisierung von Naturkräften und religiösen Vorstellungen vor, daß die mehrfach
versuchte Zurückführung auf Eine dem gesamten S. zu Grunde liegende Idee notwendig scheitern mußte.
Besonders berühmt durch ihren S. waren die Ophiten (s. d.), welche davon ihren Namen erhielten. Zur Zeit
der EntdeckungAmerikas wurde der S. bei den Indianern des Nordens, bei den Mexikanern und in Peru
[* 35] allverbreitet gefunden; heute
blüht er insbesondere noch in manchen LändernAfrikas und namentlich in einzelnen DistriktenOstindiens, wo besondere Schlangenfesttage
mit großartigen Tempelfütterungen unzähliger
Brillenschlangen abgehalten werden. Sogenannte Schlangenzauberer
und Giftdoktoren tragen in allen diesen Ländern viel zur Erhaltung des abergläubischen Nimbus der Schlange bei. Die Lösung
des sich hierin darbietenden Rätsel- und Sagenknäuels haben (oft in sehr einseitiger Richtung!) versucht: Fergusson, Tree
and serpent worship;
mythology and art in India (Lond. 1868, Hauptquellenwerk);
die von den Giftdrüsen gewisser Schlangen abgesonderte, farblose oder schwach gelbliche, geruch- und
geschmacklose, etwas schleimige Flüssigkeit, welche, in den Blutstrom eines andern Tiers gebracht, alsbald heftige Vergiftungserscheinungen
hervorbringt, während sie im Magen sich völlig unschädlich erweist. Über die chemische Beschaffenheit
des Schlangengifts ist wenig bekannt, doch scheint seine Wirkung auf Gegenwart von fermentartigen Substanzen zu beruhen.
An der gebissenen Stelle zeigen sich sehr bald Anschwellung, dunkelbläuliche Rötung und heftige Schmerzen, dann treten Schwindel,
Atemnot, Krämpfe, Betäubung ein, und oft erfolgt der Tod in kurzer Zeit. Die Behandlung hat vor allem den
Übergang des Gifts aus der Wunde ins Blut zu verhindern. Umschnüren des Gliedes oberhalb der Wunde, festes Aufbinden eines platten
und glatten Gegenstandes auf die Wunde, Aussaugen derselben (wobei der Aussaugende auch nicht die kleinste Wunde an den Lippen
oder im Mund haben darf), Ausbrennen, Ätzen mit Ätzkali, Ammoniak, Karbolsäure ist am geratensten. Auch
wird wiederholtes Einspritzen einer filtrierten 1proz. Lösung von übermangansaurem Kali unter die Haut in der nächsten Umgebung
der Wunde empfohlen. Besonders aber haben sich sehr starke Alkoholgaben bewährt (vgl. Kreuzotter).
ein aus drei zusammengewundenen Schlangenleibern bestehendes altgriech.
Bronzedenkmal auf dem Atmeidanplatz zu Konstantinopel,
[* 39] ursprünglich der Untersatz eines goldenen Dreifußes, welchen die griechischen
Staaten nach dem Sieg bei Platää (479 v. Chr.) als Weihgeschenk in Delphi stifteten.
Auf den Windungen liest man die Namen der
beteiligten Staaten.
Die Schlankaffen bewohnen Südasien, Ceylon
[* 45] und die indischen Inseln, leben gesellig in Wäldern in der Nähe der Flüsse
[* 46] und
der Dörfer und nähren sich von Pflanzenteilen aller Art. Der Hulman (Huneman, Mandi, Marbur, S. EntellusWagn., s. Tafel »Affen II«),
[* 47]
60 cm lang, mit 97 cm langem Schwanz, gelblichweiß, an den nackten Stellen dunkelviolett, im Gesicht,
an Händen und Füßen, soweit sie behaart sind, schwarz, über den Augen mit einem steifen, schwarzen Haarkamm, ist überall
gemein in Niederindien, wird abgöttisch verehrt, geschützt und gepflegt, und seiner Unverschämtheit
werden keine Schranken gesetzt. Er ist in der Jugend ein kluges, anziehendes Tier, wird aber im Alter stumpf, einsiedlerisch
und tierischer. Der Budeng(S. maurusDesm.) ist mit dem Schwanz 1,5 m lang, ganz schwarz, mit eigentümlicher Haarmütze, bewohnt
in Scharen die WälderJavas, wird hier und da im halbwilden Zustand von den Eingebornen gehegt, aber auch
des Felles wegen gejagt. In der Gefangenschaft zeigt sich der Budeng äußerst gutmütig, ernst und ruhig.
(ältere Formen Slûderaffe, Slûraffe, Schlauraffe, mit schludern, nachlässig arbeiten,
zusammenhängend), gedankenloser Müßiggänger, ist ein seit dem 15. Jahrh., besonders in
den Fastnachtspielen, häufig nachweisbares Schimpfwort. Im Anschluß hieran bezeichnet Schlaraffenland ein fingiertes Land
lächerlicher Vollkommenheit, in welchem dem Menschen ohne jede geistige oder körperliche Anstrengung alle materiellen Güter
und Genüsse zu teil werden.
Das »Märchen vom Schlaraffenland«, welches seine Analoga unter fast allen Nationen hat, ist nichts andres
als eine Parodie auf die Vorstellung von den paradiesischen Zuständen der Urzeit. Den Beweis, daß die Volksphantasie in der
That hier anknüpfte, liefern die Griechen. Dichter der altattischen Komödie (5. Jahrh. v. Chr.) geben eine ins Komische
übertriebene Beschreibung von dem goldenen Zeitalter unter der Herrschaft des Kronos, die sich vielfach mit Zügen unsers Märchens
berührt.
Auch hier fließen Bäche von Milch, Honig und Wein, Suppenströme führen gleich die Löffel mit sich, die Fische kommen ins Haus
und braten sich selbst, gebratene Vögel
[* 49] und Backwerk fliegen den Leuten in den Mund, auf den Bäumen wachsen
Bratwürste etc.; sogar das »Tischchen, deck dich«
fehlt nicht. Ähnliches erzählte man dann von dem Leben der Frommen nach dem Tod (vgl. Lukianos' Beschreibung der Insel der Seligen
in den »Verae historiae«. II, 11 ff.) oder von fernen Ländern, besonders von Indien. Im Mittelalter war
das Märchen bei den romanischen Völkern bereits vollständig entwickelt und einem eigens dazu erfundenen fabelhaften Land
zugewiesen, das lat. Cucania, ital. Cuccagna, franz.
Coquaigne oder Cocagne etc. hieß, ein Name, der wahrscheinlich zum lat. coquere (kochen) zu stellen ist.
Besungen wurde dieses Land seit dem 13.
Jahrh. in französischen, italienischen,
englischen und niederländischen Gedichten, auch in einer spanischen Romanze, welche das Märchen nach einer Isla de Jauja (»Goldinsel«)
verlegt. Über die mit dem Land Cuccagna in engem Zusammenhang stehende neapolitanische Fastnachtsbelustigung gleiches Namens
s. Cocagna. Von Frankreich her scheint sich das Märchen in Deutschland
[* 50] eingebürgert zu haben, wo sich die
ersten Spuren desselben kurz vor dem 16. Jahrh. finden, und während es seine Entstehung und
bisherige Erhaltung nur der Freude am Komisch-Wunderbaren verdankte, gesellte sich hier die moralisierende Tendenz dazu, der
Jugend zur Warnung und Ermahnung zu dienen.
Allbekannt ist der Schwank vom »Schlauraffenland« von HansSachs, weniger ein andrer Schwank von ihm: »Der
Sturm des vollen Bergs«, dessen Handlung ebenfalls im Schlauraffenland spielt. Für die große Beliebtheit des Gegenstandes
sprechen zahlreiche Gedichte auf fliegenden Blättern des 16. und 17. Jahrh. und Anspielungen bei verschiedenen Schriftstellern.
Außer dem Namen Schlauraffenland kam seitThomasMorus für die Faulenzerwelt der NameUtopia (s. d.) in
Gebrauch. Eine humoristisch-allegorische »TabulaUtopiae oder Schlauraffenland« veröffentlichte gegen Ende des 17. Jahrh. der
österreichische General Schrebelin, die zu ihrer Zeit als eine ausgezeichnete Satire gegolten haben soll; vermutlich ist es
dieselbe, welche als komischer Anhang in den Homann-HübnerschenAtlas
[* 51] aufgenommen worden ist.
in der Schweiz,
[* 55] s. v. w. Klamm (s. d.). ^[= # (die), in den Bayrischen u. Österreichischen Alpen Bezeichnung für Bergspalte, Felsenschlucht, ...]
Auch bearbeitete er die Eläagneen für DeCandolles »Prodromus«. Außerdem war er Herausgeber der »Linnäa«
(Halle, seit 1826) und mit H. v. Mohl der »BotanischenZeitung« (Berl. u. Leipz.,
seit 1843).
Dorf im preuß. Regierungsbezirk Breslau,
[* 71] KreisNeurode, in einem tiefen Thal des Neuroder Gebirges, hat eine
kath. Kirche, ein Krankenhaus,
[* 72] Steinkohlenbergbau, Glasfabrikation,
[* 73] Sandsteinbrüche und Steinhauerei, Weberei,
[* 74] eine Lumpensortieranstalt,
Bierbrauerei und (1885) 3593 meist kath. Einwohner.
in allen seinen dramatischen Versuchen
war ein noch unentwickelter Keim zu wirklich dramatischer Gestaltung vorhanden.
Höher noch als seine Dichtungen stand seine
Einsicht in das Wesen des Dramas; er war der erste, welcher auf Shakespeare wieder im Sinn aufrichtiger Verehrung
hinzudeuten wagte. Seine Werke erschienen in 5 Bänden (Leipz. 1761-1770), seine »Ästhetischen
und dramaturgischen Schriften« in neuer Ausgabe von Antoniewicz (Heilbr. 1887).
3) JohannHeinrich, dän. Geschichtschreiber, Bruder der vorigen, geb. 1724 zu Meißen, studierte in Leipzig die
Rechte und Geschichte, ward Sekretär
[* 81] in der Kanzlei zu Kopenhagen, dann königlicher Historiograph und Professor der Geschichte
daselbst und starb hier Er schrieb unter anderm eine »Geschichte der
Könige von Dänemark
[* 82] aus dem oldenburgischen Stamm« (Kopenh. u. Leipz.
1777, 2 Bde.), übersetzte mehrere Stücke von Thomson und andern englischen Dramatikern und gab die Werke
seines BrudersJohannElias S. heraus.
»Codex juris Islandorum antiquissimus, qui nominatur Grágás« (Kopenh.
1829, 2 Bde.).
5) AugustWilhelm von, ausgezeichneter Kritiker, Sprachforscher und Dichter, Sohn von S. 2), geb. zu Hannover, woselbst
er das Gymnasium besuchte, begann 1786 in Göttingen
[* 85] das Studium der Theologie, wandte sich jedoch bald ausschließlich der Philologie
und schriftstellerischen Thätigkeit zu. Als Mitglied des Heyneschen philologischen Seminars schrieb er 1787 eine
lateinische Abhandlung über Homerische Geographie, im nächsten Jahr ein Register zu HeynesAusgabe des Vergil; auch beteiligte
er sich seit 1789 als Mitarbeiter an den »Göttinger gelehrten Anzeigen«.
Wesentlichen Einfluß auf ihn in ästhetischer Richtung gewannen Bürger, der ihm befreundet ward und in einem
Sonett Schlegels Dichterberuf proklamierte, und Bouterwek, der ihm Vorliebe für romanische Poesie einflößte. Seit 1787 veröffentlichte
S. im »GöttingerMusenalmanach« und in der »Akademie der schönen Redekünste« (beide damals von Bürger redigiert) einzelne
Dichtungen. Nach beendigten akademischen Studien bekleidete er drei Jahre lang eine Hofmeisterstelle im Haus des Bankiers Muilman
zu Amsterdam
[* 86] und ließ sich, nachdem er im Herbst 1795 nach Deutschland zurückgekehrt war, im folgenden Frühjahr in Jena nieder.
Hier betrieb er mit Vorliebe orientalische, namentlich indische, Studien, die ihn zu wiederholten Malen nach Frankreich und 1823 nach
England führten und ihn zur Gründung einer Druckerei mit Sanskrittypen in Bonn veranlaßten. Während eines längern Besuchs
in Berlin 1827 hielt er Vorlesungen über die Theorie und Geschichte der bildenden Künste. Eine zweite
Ehe, die er mit der Tochter des KirchenratsPaulus 1819 geschlossen, wurde noch rascher als die erste wieder getrennt. Er starb inBonn. Schlegels eignes poetisches Schaffen erscheint gegenüber seiner sonstigen vielseitigen Produktivität unbedeutend. Bei
aller formellen Virtuosität hat er es kaum zu einer wahrhaft lebensvollen dichterischen Schöpfung gebracht;
seiner Lyrik fehlt die Herzenswärme, und so gelangen ihm eigentlich nur Epigramme oder Sonette, in denen die geistreiche Pointe
und die durchgebildete Form die Hauptsache sind. Sein dramatischer Versuch »Jon« (Hamb. 1803) gehört der reflektierten
Philologenpoesie an. Unübertrefflich und unvergänglich dagegen ist, was S. als poetischer Übersetzer
geschaffen.
Daß die deutsche NationShakespeare wie einen Dichter des eignen Volkes ansehen kann, verdankt sie Schlegels Übertragung der
Shakespeareschen Dramen, welche jedoch nur 16 Stücke umfaßt (Berl. 1797-1810, 10 Bde.;
vgl. Bernays, Zur Entstehungsgeschichte des Schlegelschen Shakespeare, Leipz. 1872). Mit gleicher Meisterschaft
übertrug S. fünf DramenCalderons (»SpanischesTheater«,
[* 93] Berl. 1803-1809, 2 Bde.)
und andre romanische Dichtungen (»Blumensträuße italienischer, spanischer und portugiesischer
Poesie«, das. 1803). Als Ästhetiker eröffnete S. mit seinem Bruder den Reigen der deutschen Romantik (s. Deutsche Litteratur,
[* 94] S. 751 f.). Er war mit feinfühliger Urteilskraft für Dinge der Kunst begabt, ging aber freilich teilweise
von falschen Prinzipien aus. Die mit seinem Bruder gemeinsam herausgegebenen kritischen Schriften und Aufsätze (»Charakteristiken
und Kritiken«, Königsb. 1801) und die von ihm allein verfaßten (gesammelt als »KritischeSchriften«, Berl. 1828, 2 Bde.)
enthalten vieles von dauerndem Wert, freilich auch viel gehässige Polemik.
Letztere verfeindete ihn nicht nur mit zahlreichen und einflußreichen jüngern Schriftstellern,
z. B. mit Kotzebue (der ihn mit Garlieb Merkel im »Freimütigen« bekämpfte und dafür von S. in »Ehrenpforte und Triumphbogen
für den Theaterpräsidenten v. Kotzebue bei seiner gehofften Rückkehr ins Vaterland« und im »Paradiesgärtlein
für Garlieb Merkel« witzig gegeißelt wurde),
sondern auch mit Wieland und Schiller und endlich mit Goethe.
Dagegen entfaltet S. in den »Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur« (Heidelb. 1805-11, 3 Bde.)
und »Über Theorie und Geschichte der bildenden Künste« (Berl. 1827) die ganze Feinheit und den großen Überblick seines
kunsthistorischen und ästhetischen Urteils.
Unter seinen philologischen Arbeiten verdienen die »Observations
sur la langue et la littérature provençale« (Par. 1818),
die
Ausgaben des »Bhagavad-Gitâ« (das. 1823) und des »Râmâyana« (das. 1829-1846) Auszeichnung, durch welch letztere Werke eine
wissenschaftliche Behandlung der indischen Litteratur in Deutschland zuerst eingeführt wurde. Eine treffliche Gesamtausgabe
seiner deutschen Schriften hat Böcking veranstaltet (Leipz. 1846-47, 12 Bde.),
der sich die von demselben redigierten »Œuvres écrites en français« (das. 1846, 3 Bde.)
und die »Opuscula quae latine scripta reliquit« (das.
1848) anschließen. Eine Auswahl der »Gedichte« Schlegels erschien zu Leipzig 1854.
Nach dem verhängnisvollen Friedensschluß im Herbst 1809 versank er mit dem gesamten Metternich-GentzschenKreis in resignierten
Pessimismus, schloß sich demnächst immer inniger und gegen Andersdenkende unduldsamer an die Kirche an, wie aus den vielbesuchten
historischen und litterarhistorischen Vorlesungen hervorgeht, die er in den Wintern 1810 und 1812 zu Wien
hielt. 1814 ward S. zum Ritter des päpstlichen Christusordens erhoben; 1815-18 war er als Legationsrat bei der österreichischen
Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt
[* 98] thätig, widmete sich dann in Wien wieder ausschließlich litterarischen Arbeiten und gab
unter anderm die Zeitschrift »Concordia« heraus, deren Tendenz auf die Zurückführung aller Konfessionen
[* 99] in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche gerichtet war.
Dabei gab er sich der »Philosophie des Lebens« in der wachsenden Lust an der Gourmandise hin. 1827 hielt er wieder in Wien Vorlesungen
»zur Philosophie der Geschichte«, kam im Herbst 1828 nach Dresden, wo er Vorlesungen »über Philosophie der Sprache und
des Wortes« zu halten begann und starb. S. zeigte in seiner ganzen litterarischen Erscheinung mannigfache Verwandtschaft
mit seinem jüngern BruderAugustWilhelm, mit dem er während der ersten Hälfte seines Lebens getreulich zusammenwirkte. In
seinen produktiven Anläufen war er aber noch unglücklicher als jener. Seine »Gedichte«
(Berl. 1809) enthielten nur wenige wirklich aus der Seele klingende Töne und unendliche Formspielereien.
Der halb lüsterne, halb kalt reflektierte Roman »Lucinde« (1. Teil, Berl. 1799; unvollendet)
erwies trotz einiger interessanter Momente¶