endlich ganz in den
Dienst des Sinnengenusses und hat zum
Verfall der
Sitten nicht wenig beigetragen, daher sie von dem erstarkenden
Christentum mit besonderer Heftigkeit bekämpft wurde.
Gleichwohl sollte die
Kirche die Wiege einer neuen
Kunst werden. Aus den kirchlichen Wechselgesängen der
Liturgie entwickelten
sich allmählich die geistlichen
Schauspiele oder
Mysterien (s. d., S. 956). Sie wurden anfangs (etwa seit
dem 11. Jahrh.) nur von
Geistlichen,
Chorknaben,
Mönchen und
Klosterbrüdern aufgeführt; später beteiligten sich auch
Laien
daran. Durch die dagegen gerichteten Verbote ging ihre
Pflege nach und nach an bestimmte
Gesellschaften, Verbrüderungen und
Genossenschaften über.
Letztere, die einen teils gelehrten, teils höfischen
Charakter hatten, waren vornehmlich an den
Höfen und in den
Häusern der
Großen beliebt, wogegen erstere, die von einem volkstümlichen
Charakter waren, auch selbst an das
Volk übergingen und lange
von Handwerkern gepflegt wurden. Natürlich beeinflußten aber diese verschiedenen
Formen einander, so
daß bald jede von ihnen
Bestandteile der andern mit
in sich aufnahm. Die
Mysterien mußten zuletzt den
Moralitäten und
Schäferspielen,
die letztern den volkstümlichen
Possen und
Schwänken, die
Genossenschafts- und Zunftschauspieler den Berufsschauspielern weichen,
welche damals sämtliche in der Zeit verlaufende
Künste
(Musik,
Schauspiel,
Tanz, das
Fechten und
Springen)
in sich vereinigten.
Doch scheinen sich erst unter dem Einfluß und unter der Anregung des antiken
Dramas höhere
Formen eines neuen weltlichen
Dramas entwickelt zu haben. Nur in
Spanien
[* 2] und
England gewann diese
Entwickelung an der
Hand
[* 3] großer Dichter
(Lope deVega
und
Shakespeare) einen wahrhaft nationalen
Charakter und eine nie wieder erreichte
Blüte,
[* 4] welche in das letzte
Viertel des 16. und
in die erste Hälfte des 17. Jahrh. fiel, wogegen in
Italien
[* 5] und
Frankreich die nationalen
Anläufe des
Dramas jenem Einfluß
fast völlig, besonders in der
Tragödie, erlagen und nur in den niedern
Formen des
Lustspiels demselben
zu widerstehen vermochten. Es ist aber, wie das nationale
Drama der
Spanier beweist, doch mehr die
Neigung des romanischen
Geistes
zur
Ausbildung der Form auf
Kosten des lebendigen, individuellen Empfindungsausdrucks als der Einfluß des antiken
Dramas gewesen,
was bei den romanischen Völkern zu einer im
Dienst und
Zwang von
Regeln stehenden, formalistischen Darstellungsweise
hingeführt hat, wogegen der
Geist der germanischen
Völker zur Ausprägung des individuellen
Charakters, der individuellen
Empfindung, zu einer mehr ausdrucks- und stimmungsvollen Darstellungsweise hindrängte.
Bei der
Wechselwirkung, in welcher die Kulturentwickelung der verschiedenen
Völker zu einander steht, hat es nicht fehlen
können, daß diese beiden Darstellungsweisen, welche sich bei jedem
Volk zu eigentümlichen
Formen ausgebildet haben und bald
mit dem
Namen der klassischen und romantischen, bald mit dem der idealistischen und realistischen bezeichnet worden sind,
einander wechselseitig beeinflußten,
bekämpften und verdrängten. In
Italien, wo das antike
Drama zuerst unter dem Einfluß
von
Gelehrten und
Akademien wieder auflebte, dachte man auch zuerst wieder an die
Aufnahme der Bühnendekoration, von welcher
die altspanische und altenglische
Bühne ganz abgesehen hatten.
Auch führten die
Versuche, die
Musik der Alten wiederherzustellen, zu der
Entwickelung der
Oper. In dieser, der Maskenkomödie
und dem Stegreifspiel, der
Commedia dell' arte, haben die
Italiener immer das
Höchste geleistet.
ItalienischeSänger und Stegreifspieler verbreiteten sich über ganz
Europa.
[* 6] Das
Trauerspiel, welches romantischen Einflüssen zuweilen
zugänglich war, fand bei ihnen fast durchweg eine formalistische Darstellungsweise, wogegen das
Lustspiel, besonders das
bürgerliche, seinem
Charakter nach auf Naturwahrheit drang. In
Frankreich kämpfte schonMolière zu gunsten
der
Natur gegen die formalistische Darstellungsweise der klassischen
Tragödie, doch vergeblich.
Erst mit der sogen.
Comédie larmoyante und unter dem Einfluß
Rousseaus und der
Engländer gelangte der
Ausdruck natürlicher
Empfindungen auch in dem ernsten
Drama zu größerm
Recht, um unter dem Kaiserreich ganz wieder zurückgedrängt zu werden.
Erst mit dem Aufblühen der romantischen
Schule in
Frankreich trat die realistische Darstellungsweise aufs
neue hervor und drängte das klassische
Drama mehr und mehr in den
Hintergrund, dessen seltene Aufführungen auf dem
Théâtre-Français
in
Paris,
[* 7] der Musterbühne
Frankreichs, sich auch jetzt noch an die klassische
Überlieferung anschließen, während im modernen
Schau- und
Lustspiel die
Natur als das höchste Vorbild gilt.
Außer dem
Lustspiel reagierte hier aber sehr bald das Rührstück zu gunsten einer allerdings nur schwächlichen Natürlichkeitsrichtung,
bis durchGarrick sowie später durch
KembleShakespeare, wenn auch verstümmelt, wieder in
Aufnahme kam.
Die beiden
Kean, welchen in neuerer Zeit
Irving und E.
Booth (letztere vorzugsweise in
Amerika
[* 8] thätig) folgten, übten ebenfalls
als
Shakespeare-Darsteller eine umfassende Wirksamkeit aus. Doch hat die neueste Zeit, in welcher die
DramenShakespeares mit
größtemPomp in
Szene gesetzt und fast als Ausstattungsstücke behandelt werden, die
Anläufe zu einer
edlern Auffassung der S. wieder zurückgedrängt. In modernen Volksstücken und
Possen tritt das mimische
Element so stark
in den
Vordergrund, daß diese Art von Aufführungen bereits an die
Pantomime streift.
Der lebhafteste und wechselvollste
Kampf zwischen naturalistischer und formalistischer, zwischen realistischer
und idealistischer Darstellungsweise fand in
Deutschland
[* 9] statt, wo die
Pflege des
Dramas im 15. und 16. Jahrh. fast ganz an
die
Handwerker übergegangen war. Die von
HansSachs so glücklich eingeschlagene
Richtung mußte dem von den Humanisten begünstigten
Schuldramen (s. d.) weichen, bis auch diese wieder dem
Einfluß der aus
Holland und
England eingewanderten Komödiantentruppen erlag, durch welche ein mit bombastischem
¶
mehr
Schwulst untermischter krasser Naturalismus ins Leben gerufen wurde. Doch sollten unter diesem Einfluß gerade aus ihr die ersten
Keime einer deutschen S., die ersten deutschen Berufsschauspieler, hervorgehen. Studenten bildeten lange Zeit den Stamm und
das Hauptkontingent derselben. Unter ihnen ragte MagisterVelthen vor allen hervor, welcher an die Spitze einer
Schauspielergesellschaft trat, in der auch zum erstenmal FrauenAufnahme fanden. Er erwarb sich besonders durch eine bessere
Übersetzung der Molièreschen Stücke große Verdienste, förderte aber zugleich die Hanswurstiaden, das Stegreifspiel und
die sogen. Haupt- u. Staatsaktionen (s. d.), welche jedoch
erst Ende des Jahrhunderts herrschend wurden.
Daneben zeigte sich aber auch schon ein von den Höfen und den hier unterhaltenen französischen Schauspielern
ausgehender Einfluß des regelmäßigen Dramas, welcher in den 20er Jahren des 18. Jahrh. die Gottsched-Neubersche Bühnenreform
ins Leben rief. Wieder waren es fremde und zwar englische Einflüsse, welche eine auf Naturwahrheit dringende Gegenströmung
bedingten. Ackermann, Ekhof, Schröder sind als die Schöpfer einer wahrhaft nationalen deutschen S. zu
bezeichnen, der aber doch erst ein geistiger Führer wie Lessing zu dauerndem Sieg verhalf.
Hamburg,
[* 11] wo die drei genannten Künstler wirkten, und Mannheim,
[* 12] wo Freiherr v. Dalberg das Hoftheater leitete, und wo Iffland seine
Laufbahn begann, waren im letzten Viertel des 18. Jahrh. die Hauptsitze der deutschen S., denen sich
gegen Ende des JahrhundertsWeimar
[* 13] und Berlin
[* 14] anreihten. In Weimar machte sich unter dem Einfluß Goethes, welcher an die Spitze
des dortigen Hoftheaters trat, zunächst eine Reaktion gegen den überhandnehmenden Naturalismus zu gunsten der künstlerischen
Form geltend.
Sie war in ihren Anfängen nicht gegen die Natur, sondern nur gegen das Unkünstlerische der Auffassung
derselben gerichtet; sie wollte der Natur zu ihrem reinsten und höchsten, aber doch zu einem durchaus künstlerischen Ausdruck
verhelfen. Gleichwohl standen diese Antriebe zu sehr unter dem Einfluß des romanischen Kunstprinzips, um nicht mit der Zeit
in einen immer leerer werdenden Formalismus auszuarten. Demnach versteht man unter der »WeimarerSchule«,
als deren Hauptvertreter in der Goetheschen und in der unmittelbar auf Goethe folgenden Zeit Unzelmann, P. A. Wolff und Frau,
Graff, Genast, Malcolmi, KarolineJagemann zu erwähnen sind, die akademisch-idealistische Richtung der S. im Gegensatz zu der realistischen,
welche um dieselbe Zeit vorzugsweise in Berlin, wo 1786 durch die Truppe des Schauspieldirektors Döbbelin
(s. d.) das königliche Nationaltheater gegründet wurde, das 1796-1814 unter der Leitung Ifflands stand, und in Wien,
[* 15] wo seit
der Mitte der 60er Jahre das (seit 1814 so genannte) Hofburgtheater der Mittelpunkt einer ersprießlichen Bühnenthätigkeit
geworden war, eine Pflegestätte fand.
Diese realistische Richtung beförderte aber auch das Hervortreten einzelner besonders begabter oder willenskräftiger Künstler
aus der Gesamtheit, deren einheitliches Zusammenwirken von Goethe als das Hauptziel eines Theaterleiters, der zugleich Erzieher
sein will, betrachtet wurde. Goethe erkannte auch bereits die Gefahren des Virtuosentums, dessen Hauptvertreter zu seiner Zeit
Iffland war, der seine Kunst in den Dienst unwürdiger Rollen
[* 16] stellte, um seine Persönlichkeit in ein desto helleres Licht
[* 17] zu
rücken.
Auch das Hoftheater in Dresden
[* 20] war in den 40er, 50er und 60er Jahren eine Hauptpflegestätte der deutschen
S., an welcher B. Dawison, Karl und EmilDevrient, KarolineBauer, FrauBayer-Bürck, FrauSeebach u. a. thätig waren. In den 70er Jahren
haben sich dort Dettmer (Heldenspieler) und PaulineUlrich besonders hervorgethan. Das Virtuosentum ist in neuester Zeit, gehoben
durch das Gastspielwesen, die am meisten charakteristische Eigentümlichkeit der modernen S. geworden, wozu freilich auch
die Freigebung des Theatererwerbs beigetragen hat, durch welche die künstlerischen Interessen völlig in den Hintergrund gedrängt
und den geschäftlichen des Geldgewinns geopfert worden sind.
Unter der Konkurrenz der Privattheater haben auch die subventionierten Hoftheater zu leiden, welche bei
dem beständigen Wechsel des Personals nicht mehr im stande sind, auf eine systematische Pflege und Weiterentwickelung der S.
hinzuwirken. Am meisten wird noch das Hofburgtheater in Wien dieser Verpflichtung gerecht, wo freilich die Natürlichkeitsrichtung
unumschränkt herrscht. Die Herrschaft der letztern ist in Deutschland noch weiter durch Gastspielreisen
fremder Virtuosen (Rossi, Salvini, E. Booth, die Ristori) befestigt worden.
Vgl. (L. Hahn,)
[* 21] Das deutsche Theater
[* 22] und seine Zukunft (anonym, 2. Aufl., Berl. 1880).
Eine Reaktion gegen das Virtuosentum ist seit dem Beginn der 70er Jahre durch die Bestrebungen des Meininger Hoftheaters (s.
Meininger) eingetreten, welche auf Einordnung der einzelnen Mitwirkenden in den Organismus der gesamten
Darstellung abzielen und damit die Erreichung strengster Naturwahrheit auch in allen Äußerlichkeiten (Kostümen, Requisiten,
Dekorationen etc.) verbinden. In letzterer Richtung sind die Meininger für alle bessern Bühnen vorbildlich geworden.
Vgl. E.
Devrient, Geschichte der deutschen S. (Leipz. 1848-74, 5 Bde.);
Friedrich von, Abgeordneter, geb. zu München, studierte daselbst, in Erlangen
[* 26] und Heidelberg
[* 27] die Rechte,
trat 1857 als Appellationsgerichtsaccessist zu Freising
[* 28] in den bayrischen Staatsdienst, ward 1859 Staatsanwaltssubstitut in
München, dann in Kronach, 1863 Rechtsanwalt in München, 1871 Direktor der Süddeutschen Bodenkreditbank daselbst
und ist seit 1869 liberales Mitglied des bayrischen Abgeordnetenhauses. Seit 1871 nationalliberales Mitglied des deutschen
Reichstags, schied er 1879 als Anhänger der Bismarckschen Wirtschaftsreform aus der nationalliberalen Partei aus, der er sich
erst 1885 wieder anschloß, ohne jedoch wieder in den Reichstag gewählt zu werden.
im Mittelmeer gebräuchliches Fahrzeug mit oben breitem Rumpf, scharf gebautem und über Wasser weit vorspringendem
BugundHeck. Die Takelage besteht aus drei Masten, die stark nach vorn überneigen, und an denen lateinische
(dreieckige) Segel geführt werden.
Früher trugen die Schebecken auch Kanonen, etwa 20-30 Zwölfpfünder aller Art.
Agnese, Opernsängerin, geb. zu Wien, machte ihre Studien unter Leitung von Mieksch in Dresden, begann
daselbst ihre künstlerische Laufbahn am Hoftheater erst als Choristin, dann in kleinern Partien und wurde 1833 als
erste Sängerin in Pest engagiert, wo sie bis 1836 blieb. Später gastierte sie auf verschiedenen BühnenDeutschlands
[* 30] bis 1841,
wo
sie sich mit dem bekannten Schriftsteller DavidStrauß
[* 31] verheiratete und sich von der Bühne zurückzog.
Nach einigen Jahren von diesem geschieden, lebte sie meist in Stuttgart,
[* 32] wo sie starb. Bei beschränkten
Stimmmitteln verdankte sie ihre Bühnenerfolge weniger ihren gesanglichen Leistungen als vielmehr ihrer schauspielerischen
Fähigkeit, welche sie im Verkehr mit der Sängerin Schröder-Devrient und nach deren Muster ausgebildet hatte. Auch als Schriftstellerin
hat sie sich bethätigt und veröffentlichte als solche: »Rede und Gebärde, Studien über den mündlichen
Vortrag« (Leipz. 1861) und ihre Selbstbiographie unter dem Titel: »Aus dem Leben einer Künstlerin« (Stuttg. 1857).
(entstanden aus Jacke, engl. jacket), Name eines eng anliegenden Untergewandes, welches im 14. Jahrh. in Deutschland
gebräuchlich wurde und dem französischen Pourpoint (s. d.) entsprach.
Anfangs lang getragen, schrumpfte es
gegen Ende des 15. Jahrh. zu einer äußerst knappen Ärmeljacke ein, welche teils mit kurzen,
an den Seiten und vorn offenen Schößen, teils ohne alle Schöße getragen wurde.
[* 46] (Tungstein, Schwerstein), Mineral aus der Ordnung der Wolframiate, kristallisiert tetragonal, findet sich auf-
und eingewachsen, in knospenförmigen Gruppen und Drusen,
[* 47] auch derb, ist farblos, meist grau, gelb, braun, fettglänzend, durchscheinend
bis kantendurchscheinend, Härte 4,5-5, spez. Gew. 5,9-6,2,
besteht aus wolframsaurem Kalk CaWO4 mit 80,55 Proz. Wolframsäure, enthält aber auch Kieselsäure und
Eisenoxyd, bisweilen Kupfer
[* 48] und Fluor.
Eine Reihe von Abhandlungen sind der Verteidigung des von ihm
aufgestellten, von andrer Seite scharf angegriffenen polymeren Isomorphismus gewidmet, andre der Entstehung des Gneises, Granits,
Dolomits etc.
»Achtzehn Töchter« (Bresl. 1847) und die gegen
das moderne Konventikelwesen gerichtete pikante Novelle »Die Sibylle von Mantua«
[* 59] (Hamb. 1852).
Schefers Novellen sind lyrisch-epische
Dichtungen in Prosa; sie führen den Leser nach China,
[* 60] Kanada, Konstantinopel,
[* 61] auf die GriechischenInseln, nach
Rom, Venedig
[* 62] etc. und fesseln durch ein ebenso glänzendes wie treues Kolorit, originelle Erfindung und die lebendigste Phantasie,
die, von den eingehendsten Studien fremder Länder und Sitten unterstützt, uns das Fernste in seinem eigensten Schmuck vor
die Seele zaubert. Daneben bekunden sie große Gemütstiefe; beinahe überall aber ist die Charakteristik verschwimmend, der
Zusammenhang der Handlung allzu lose, die Motivierung der geschehenden Dinge oft dunkel, die Entwickelung ganzer Partien traumhaft,
ja visionär. In späterer Zeit wandte sich S. vorzugsweise der lyrischen und didaktischen Poesie zu. So erschienen
von ihm: »Kleine lyrische Werke« (Frankf. 1828);
worin sich das anakreontisch
Spielende der althellenischen Liebespoesie mit der didaktischen Richtung und der Bilderpracht des Orients vereinigt, und der
»Koran der Liebe nebst kleiner Sunna« (das. 1855),
¶
mehr
die Fortsetzung des »Hafis«, voll schalkhafter Epigramme, leichtfüßiger Dithyramben, erotischer Legenden und Parabeln von höchst
abgerundeter Form. Manches Fremdartige in diesen Produkten erklärt sich aus Schefers Vorliebe für den Orient und die religiös-sittlichen
Ansichten des Mohammedanismus, die besonders stark in »Mahomets türkischen
Himmelsbriefen« (Berl. 1840) hervortritt. Seine letzten Publikationen waren: »SchneekönigsKinder«, komisches
Epos (Düsseld. 1857),
und »HomersApotheose« (Lahr
[* 65] 1858), ein Gedicht, in welchem mit der Verherrlichung des Dichters die des
vollen, gesunden, ausgereiften Menschendaseins gegeben werden sollte. Seine musikalische Begabung machte der Dichter in späterer
Zeit in einer Oper: »Sakontala«, und mehreren von ihm komponierten Quartetten geltend. Er starb in
Muskau. Aus seinem Nachlaß gab Gottschall »Für Haus und Herz. LetzteKlänge« (Leipz. 1867) und Moschkau »Das
Buch des Lebens und der Liebe« (das. 1877, 3. Aufl. 1887) heraus. »Ausgewählte
Werke« Schefers erschienen in 12 Bänden (2. Aufl., Berl. 1857).
in Württemberg
[* 68] = 177,226L. Der nach Einführung des metrischen Maßsystems in Deutschland
zur Anwendung kommende »Neuscheffel« hat 50L. = 5 Faß à
[* 69] 10L. = ½ hl, wurde 1884 wieder abgeschafft.
S. heißt auch ein Ackermaß gleich einer Fläche, zu deren Besäung 1 S. Frucht oder Aussaat gehört. Vgl. Hohlmaße.
Allein immer unwiderstehlicher wurde er von seinen poetischen Neigungen zur litterarischen Laufbahn geführt,
und er folgte dem innern Drang um so leichter, als die günstigen Verhältnisse seiner Familie eine sorglose Entwickelung seines
Talents gestatteten. Die Reise, welche er im Mai 1852 nach Rom antrat, sollte über seinen Beruf zur Landschaftsmalerei entscheiden,
entschied aber in Wahrheit über seine poetische Zukunft, da er in Italien der Stärke
[* 72] u. Eigenart seines
Dichtertalents gewiß ward. Er trat nunmehr mit dem köstlichen Erstlingswerk »Der
Trompeter von Säckingen, ein Sang vom Oberrhein« (Stuttg. 1854; 77. Aufl., das.
1880) hervor, welchem schon kurze Zeit später der historische Roman »Ekkehard« (Frankf. 1857; 100. Aufl.,
Stuttg. 1888) folgte.
Sowohl die kleine epische Dichtung als der Roman, eine Geschichte aus dem 10. Jahrh., ließen in S. auf der Stelle einen durch
Originalität, die prächtigste Frische und einen seltenen Humor ausgezeichneten Dichter erkennen, dem aus der Fülle innerer
Anschauung und lebendig gewordener Studien noch dazu die reichsten Farben für Schilderung verschiedener
Zeiten
und Zustände zu Gebote standen. Nachdem der Dichter eine Zeitlang in München, dann 1858-59 als Bibliothekar des FürstenEgon von Fürstenberg in Donaueschingen gelebt hatte, ließ er sich dauernd in seiner Vaterstadt Karlsruhe nieder, wo der 50. Geburtstag
des inzwischen berühmt Gewordenen in besonders festlicher Weise begangen, S. aber durch den Großherzog
von Baden
[* 73] in den erblichen Adelstand erhoben ward. Unter den spätern Produktionen Scheffels fanden die humoristischen Lieder
und Balladen, die in »Gaudeamus« (Stuttg. 1867; 50. Aufl., das.
1887) gesammelt erschienen, um ihrer geistreichen Frische, ihres kecken studentischen Tons willen außerordentlichen Beifall.
In »FrauAventiure. Lieder aus Heinrich vonOfterdingens Zeit« (Stuttg. 1863; 15. Aufl., das.
1887) sowie in der Erzählung »Juniperus. Geschichte eines Kreuzfahrers« (das. 1868, 4. Aufl. 1883) überwogen die
zum Erweis gründlicher Studien dienenden Einzelzüge die warme Darstellungskraft und siegende Lebendigkeit zwar nicht, aber
sie nahmen diesen Dichtungen doch die volle Unmittelbarkeit.
Beide Dichtungen waren gleichsam Splitter eines geplanten großen historischen Romans, welche die Entstehung des Nibelungenlieds
und den Sängerkrieg auf der Wartburg schildern sollte, aber leider unausgeführt blieb. Scheffels letzte Produktionen sind
die »Bergpsalmen« (Stuttg. 1870, 4. Aufl.
1883); das lyrische Festspiel »Der Brautwillkomm auf Wartburg« (Weim. 1873); »Waldeinsamkeit«,
Dichtung zu zwölf landschaftlichen Stimmungsbildern von Jul. Marak (Stuttg. 1880, 5. Aufl. 1888); »Der
Heini von Steier«, Dichtung (Münch. 1883),
und »Hugideo. Eine alte Geschichte« (Stuttg.
1884, 5. Aufl. 1886). Zu einer Anzahl seiner Werke hat Anton v. Werner (s. d.) treffliche Illustrationen geliefert. Nachdem
S. die letzten Jahre seines Lebens auf einer Besitzung zu Radolfzell am untern Bodensee zugebracht hatte,
starb er in Karlsruhe. Nach seinem Tod erschienen noch: »FünfDichtungen« (Stuttg. 1887);
»Reisebilder« (hrsg. von
J. ^[Johannes] Prölß, das. 1887) und »Gedichte« (das.
1888).
1) Ary, franz. Maler, geb. zu Dordrecht,
[* 75] Sohn des Malers JohannBaptist S. aus Mannheim, eines SchülersTischbeins, ging mit 18 Jahren nach Paris, wo er sich bei P. Guérin ausbildete, und malte dann eine lange
Reihe von religiösen, historischen und Genrebildern aus dem Volksleben, welch letztere sich durch Einfachheit und Wahrheit
der Empfindung auszeichneten, bis das Auftreten der Romantiker bestimmend auf ihn einwirkte und er sich ihren Bestrebungen
anschloß.
Endlich schuf S. auch Bildnisse berühmter Zeitgenossen. Er starb in Argenteuil bei Paris. Die empfindsame, krankhafte
Richtung, welche S. vertrat, kam der allgemeinen Zeitstimmung so sehr entgegen, daß er einer der
gefeiertsten Künstler seiner Zeit war. Doch hat sein Ruhmvor der Nachwelt nicht Stich gehalten.
Vgl. Mrs. Grote, A memoir of
the life of A. S. (2. Aufl., Lond. 1860).
1) Hermann, Mechaniker, geb. zu Braunschweig,
[* 94] studierte auf dem Carolinum daselbst, ging 1846 zum
Staatseisenbahndienst über, ward 1853 Mitglied der herzoglichen Eisenbahndirektion und 1871 Direktionsmitglied
der braunschweigischen Eisenbahngesellschaft. Er übersetzte aus dem Englischen Moseleys »Mechanische Prinzipien der Ingenieurkunst
und Architektur« (Braunschw. 1845, 2 Bde.)
und schrieb: »Die Prinzipien der Hydrostatik
[* 95] und Hydraulik« (das. 1847, 2 Bde.);
Hauptort des ehemaligen Chanats gleiches Namens in Turkistan, besteht aus zwei durch
den Ak-Darja getrennten Städten, Kitab und Schehr, welche von Einer jetzt halbzerstörten Mauer umgeben
sind. Schehr hat an 90 Moscheen und an 20,000, Kitab 15,000 Einw. (fast sämtlich Uzbeken); zwischen beiden ziehen sich ausgedehnte
Gärten hin. Am Anfang des 14. Jahrh. befand sich an der Stelle von S. das Dorf Kesch, in welchem 1333 Tamerlan
geboren wurde. Derselbe wollte hier die Hauptstadt seines Reichs gründen und errichtete viele große, jetzt meist verfallene
Bauten; von seinem Palast Ak-Serai, einem der sieben Wunder der Welt, sind heute nur noch Trümmer übrig. Das Chanat S. stand 1868 auf
seiten des Emirs von Bochara gegen die Russen, wurde aber 1870 nach tapferm Widerstand und Einnahme der Hauptstadt
durch den General Abramow erobert und von den Russen dem Emir von Bochara übergeben. Das Gebiet ist reich an Getreide, Tabak,
[* 99] Baumwolle,
[* 100] Hanf, Früchten und Gemüsen sowie Eisen
[* 101] und Salz.
[* 102]