Saraki,
Stadt in Nupe, 50 km südlich vom linken Nigerufer, an der Straße von Rabba nach Ilorin, hat nach Rohlfs 40,000 Einw. Die Umgebung ist vortrefflich angebaut und bringt reiche Ernten von Baumwolle, [* 2] Getreide, [* 3] Erdnüssen und Yams.
Stadt in Nupe, 50 km südlich vom linken Nigerufer, an der Straße von Rabba nach Ilorin, hat nach Rohlfs 40,000 Einw. Die Umgebung ist vortrefflich angebaut und bringt reiche Ernten von Baumwolle, [* 2] Getreide, [* 3] Erdnüssen und Yams.
Negerstamm, s. Serechule. ^[= (Soninke, Serrakolet), Negerstamm an den Ufern des mittlern Senegal, der wahrscheinlich ...]
(Ssaransk), Kreisstadt im russ. Gouvernement Pensa, an der Insara, hat Segeltuchfabriken, Seifensiedereien, große Gerbereien und (1885) 13,921 Einw.
ägypt. Gott, s. Serapis. ^[= ägypt. Gott, Beherrscher der Unterwelt und der abgeschiedenen Seelen, hieß eigentlich ...]
(Ssarapul), Kreisstadt im russ. Gouvernement Wjatka, an der Kama, auf den Trümmern einer alten Tatarenstadt erbaut, hat 24 Fabriken (meist Gerbereien), Fischerei, [* 4] Holzhandel und (1885) 12,367 Einw. In der Nähe die Hüttenwerke Ishew mit großer Gewehrfabrik und Kamskowotka mit Ankerfabriken.
Martin Meliton, auch Pablo de S. genannt, Violinspieler und Komponist, geb. zu Pamplona in der spanischen Provinz Navarra als Sohn eines höhern Militärs, erhielt seine Ausbildung am Pariser Konservatorium durch Alard (Violine) und Reber (Komposition) und errang daselbst 1857 den ersten Preis für Violinspiel. Nach Beendigung seiner Studien unternahm er größere Konzertreisen durch Frankreich, England, den Orient und Amerika [* 5] und erntete überall, namentlich aber in Deutschland, [* 6] wo er im Winter 1876/77 zum erstenmal auftrat, reichen Beifall. In seinem Spiel vereinigt sich eine vollendete Technik mit einer gediegenen, überall den gründlichen Musiker bekundenden Geschmacksrichtung. Die letztere zeigt sich auch in den Programmen seiner Konzerte, auf welchen neben dem brillanten Genre stets die klassischen Meister älterer und neuerer Zeit vertreten sind. Als Komponist weniger hervorragend, hat er bis jetzt nur Werke im leichten Stil veröffentlicht.
in der ind. Litteratur der heilige Grenzstrom des großen brahmanischen Priesterstaats gegen W., ein kleines Flüßchen zwischen Jamunâ (heute Dschamna) und Sutudrî (heute Satledsch), an den Vorketten des Himalaja entspringend und im Sande der Wüste sich verlaufend, heute Kaghar. Im Rigweda wird mit dem Namen S. ein gewaltiger Strom bezeichnet, nach Roth wahrscheinlich der Indus. In der brahmanischen Götterlehre ist S. die Gemahlin des Brahma, Göttin der Ordnung, der Poesie, Musik, Beredsamkeit und Sprache, [* 7] überhaupt der klaren Erkenntnis. Jährlich wird ihr ein Fest gefeiert, an dem sie die Schulkinder um guten Verstand für Erlernung von Künsten bitten und ihr Früchte opfern. Abgebildet wird sie mit einem Buch oder Musikinstrument in der Hand. [* 8]
Springs, besuchter Badeort im nordamerikan. Staat New York, in einer nichts weniger als reizenden Gegend, mit zahlreichen jod- und eisenhaltigen Quellen, unter welchen die 1792 entdeckten Congreß Springs die geschätztesten sind, großartigen Gasthöfen und Badehäusern und (1880) 8421 Einw., welche zur Zeit der Saison (Juli und August) bis auf 30,000 anwachsen. 10 km entfernt liegt der Badeort Ballston-Spa (s. d.). In der Nähe wurden die Engländer unter Bourgoyne geschlagen und mußten sich 17. Okt. dem General Gates ergeben.
(Ssaratow), russ. Gouvernement, grenzt nördlich an die Gouvernements Pensa und Simbirsk, östlich an Samara (durch die Wolga davon getrennt), südlich an Astrachan, südwestlich an das Land der Donischen Kosaken, westlich an Woronesh und Tambow und umfaßt 84,492 qkm (1534,46 OM.). Das Land ist im O. hügelig, besonders am Ufer der Wolga, wo es schroff zum Strom abfällt. Der Boden ist meist sehr gut; nur im Süden dehnen sich wasserlose, salzige und sandige Steppen aus.
Der Hauptfluß ist die Wolga, die hier mehrere große Inseln und Sandbänke bildet und die Terischka aufnimmt; im W. fließen der Choper, die Medwjediza und Ilowlja dem Don zu, welch letzterer sich jedoch nur der Grenze des Gouvernements nähert. Das Klima [* 9] ist ganz kontinental. Die Einwohner, an Zahl (1885) 2,222,000 (26 pro QKilom.), sind Russen, Tataren, Mordwinen, Tschuwaschen und über 120,000 deutsche Kolonisten, die in mehr als 100 an der Wolga gelegenen Dörfern wohnen.
Jene bekennen sich meist zur griechisch-russischen Kirche, die Kolonisten sind meist evangelischer Konfession. Haupterwerbsquellen sind: Ackerbau, Gartenbau und Viehzucht. [* 10] Hauptprodukte sind: Getreide, Runkelrüben, Tabak [* 11] und Obst, Pferde, [* 12] Rinder, [* 13] Schafe, [* 14] Fische [* 15] und Bienen. Vom Gesamtareal entfielen auf Ackerland 57 Proz., auf Wiesen und Weiden 20, auf Wald 13, auf Unland 10 Proz. Die Ernte [* 16] war 1885: 10,8 Mill. hl Roggen, 2,8 Mill. hl Hafer, [* 17] 1,2 Mill. hl Weizen und 700,000 hl Kartoffeln;
außerdem Gerste, [* 18] Erbsen, Spelz, Buchweizen und Hirse [* 19] in geringen Mengen.
Der Viehstand belief sich 1883 auf 535,749 Stück Rindvieh, 978,387 grobwollige und 450,532 feinwollige Schafe, 533,857 Pferde, 139,690 Schweine [* 20] und 21,001 Ziegen. Die Industrie ist nur auf einigen Gebieten rege entwickelt. Der Wert der in 1300 Fabriken betriebenen Produktion wird 1884 auf 30,829,000 Rubel angegeben. Hervorragend sind: Branntweinbrennerei (12½ Mill. Rub.), Getreidemüllerei (10 Mill.), Ölschlägerei (1,8 Mill.), Schnapsfabrikation (1½ Mill. Rub.). Erheblich sind außerdem Lederindustrie, Tuchweberei, Tabaksindustrie, Fabrikation von Wachskerzen, Holzsägerei, Bierbrauerei, [* 21] Baumwollweberei.
Der Handel wird durch die Lage des Landes sehr begünstigt, insofern es durch den Don mit dem Asowschen Meer und durch die Wolga mit Nishnij Nowgorod und dem Kaspischen Meer verbunden ist. An Lehranstalten gab es 1885: 775 mit 102,491 Schülern, nämlich 752 Elementarschulen, 18 Mittelschulen und 5 Fachschulen (darunter 2 Priesterseminare, ein Lehrerseminar, eine landwirtschaftliche und eine Handwerkerschule). Das Gouvernement zerfällt in zehn Kreise: [* 22] Atkarsk, Balaschow, Chwalinsk, Kamyschin, Kusnezk, Petrowsk, S., Serdobsk, Woljsk, Zarizyn. - Die Hauptstadt S., an der Wolga und der Eisenbahn Tambow-S., hat 27 Kirchen, eine Moschee, 2 Gymnasien, 2 Priesterseminare, 2 Theater, [* 23] eine Bibliothek, wichtige Industrie in Tuch, Seife- und Lichtefabrikation, Talgschmelzerei, Eisen- und Glockengießerei und (1885) 122,829 Einw., welche starken Handel mit Getreide und mit Salz [* 24] aus dem Eltonsee treiben. Im Oktober und November wird hier ein Jahrmarkt gehalten.
Bei der Stadt wird wichtige Fischerei und in der Umgegend starker Obstbau betrieben. S. ist Sitz eines griechischen Bischofs und eines evangelischen Konsistoriums. Es wurde 1592 gegen die Einfälle nomadischer Stämme auf dem linken Ufer der Wolga gegründet. Nach sechs Jahren aber hatten letztere die Stadt völlig zerstört, und die Einwohner zogen sich auf das rechte Ufer zurück. Der Kosak Stenka Rasin beunruhigte oft S. und eroberte schließlich die Stadt (1671). Der erste Schritt zur Erweiterung des Orts geschah 1700 durch Ansiedelung hierher gesandter ackerbautreibender Soldaten. Am wurde die Stadt durch Pugatschew geplündert und 1781 von der Kaiserin ¶
Katharina II. zum Sitz eines Statthalters erhoben. Im 19. Jahrh. wurde sie durch Schadenfeuer fünfmal fast ganz vernichtet.
Christian Friedrich Konrad, Militärschriftsteller, geb. zu Kopenhagen, [* 26] studierte erst Philologie, dann Rechtswissenschaften, trat 1848 als Freiwilliger in ein schleswig-holsteinisches Jägerkorps und wurde bald Offizier. Nach der Auflösung der schleswig-holsteinischen Landesarmee wurde er in das holstein-lauenburgische Bundeskontingent versetzt und mit diesem 1852 der dänischen Armee einverleibt, welcher er (seit 1864 als Kapitän) bis 1872 angehörte.
Seitdem widmete er sich ausschließlich litterarischen Arbeiten und machte zu diesem Zweck mehrere Reisen. Seit 1874 stand er mit dem Nachrichtenbüreau des französischen Generalstabs in Paris [* 27] in Verbindung, leitete schließlich den französischen Spionendienst in Deutschland und lieferte viele Berichte und Aktenstücke, die er sich durch Bestechung von Beamten und Militärpersonen verschafft hatte, an die französische Regierung aus. Deshalb ward er 1885 in Berlin [* 28] verhaftet, vom Reichsgericht wegen Landesverrats zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, aber im Juli 1887 begnadigt. Er schrieb: »Das russische Reich in seiner finanziellen und ökonomischen Entwickelung seit dem Krimkrieg« (Leipz. 1873);
»Die russische Heeresmacht« (das. 1875);
»Der russisch-türkische Krieg 1877-78« (das. 1878);
Landschaft auf der Nordwestküste der Insel Borneo, ca. 90,000 qkm (1634,5 QM.) groß mit 200,000 Einw., bildete früher einen Bestandteil des Reichs Brunei, ward aber 1841 vom Sultan von Brunei dem Engländer Sir James Brooke (s. d.) für mannigfache geleistete Dienste [* 29] als unabhängiges Fürstentum überlassen und letzterer zum Radscha des Landes ausgerufen. Brooke wußte Ackerbau und Handel zu heben, steuerte dem Unwesen der Seeräuberei, rottete die Sitte des Kopfabschneidens aus und brachte überhaupt einen Grad von Bildung und Kultur hervor, welcher bis dahin in ganz Borneo vergeblich gesucht worden war.
Nach Brookes Tod (1868) ging die Herrschaft auf einen Neffen desselben über und soll nach dem Erlöschen der männlichen Deszendenz an die britische Krone fallen. 1888 wurde S. unter englischen Schutz gestellt. Die Hauptstadt S. (auch Kutsching genannt) liegt, wenige Stunden vom Meer entfernt, an dem bis zur Stadt für große Schiffe [* 30] befahrbaren Fluß S. und hat 12,000 Einw. Der sehr lebhafte Handel ist fast ganz in den Händen der Chinesen. Missionäre haben daselbst Schulen gegründet und Bildung verbreitet.
ein von Ammianus Marcellinus (XIV, 4) erwähntes Volk im N. des Glücklichen Arabien, dessen Name fälschlicherweise mit Sara in Verbindung gebracht wird und bereits im frühen Mittelalter von den christlichen Schriftstellern auf die gesamten Araber, dann auch auf die Mohammedaner überhaupt übertragen wurde.
Hirse, s. Sorghum. ^[= Pers. (Mohrenhirse), Gattung aus der Familie der Gramineen, in wärmern Ländern heimische große, ...]
Matthias Kasimir (latinisiert Sarbievius), neuerer latein. Dichter, geb. 1595 auf dem väterlichen Landgut Sarbiewo in Masovien, ward Lehrer am Jesuitenkollegium zu Wilna [* 31] und ging 1623 nach Rom, [* 32] wo ihn Papst Urban VIII. zum Dichter krönte und mit Anfertigung von Hymnen für das verbesserte Brevier beauftragte. Nach seiner Rückkehr wurde er Hofprediger des Königs Wladislaw IV. und starb in Warschau. [* 33] Die beste Ausgabe seiner Oden, Epoden, Dithyramben und andern Dichtungen, die ihm den Namen des »polnischen Horaz« erwarben, erschien zu Antwerpen [* 34] 1632; eine Ausgabe mit deutscher Übersetzung von Friedemann in der »Bibliotheca poetarum latinorum aetatis recentioris«, Bd. 2 (Leipz. 1840).
Vgl. Kolanowski, De M. C. S. (Berl. 1842).
(spr. schar-), Markt im ungar. Komitat Weißenburg, [* 35] Station der Budapest-Fünfkirchener Bahn, mit (1881) 3873 Einw., Weberei [* 36] und Steueramt.
der Oberlauf des Mincio (s. d.). ^[= (spr. minntscho), Fluß in Oberitalien, entspringt als in der Presanellagruppe in Südtirol, ...]
(spr. ssarssäh), Francisque, franz. Schriftsteller, geb. zu Dourdan (Seine-et-Oise), besuchte die Pariser Normalschule, war dann Gymnasiallehrer in Chaumont, Rodez und Grenoble, [* 37] bis er infolge von Reibungen mit der Schulbehörde seinen Abschied nahm und sich in Paris der Litteratur widmete. Er schrieb zunächst für den »Figaro« und die »Revue européenne«, wirkte seit 1859 als Theaterkritiker an der neugegründeten »Opinion nationale«, seit 1867 im »Temps« und hat sich in dieser Stellung vermöge seines unabhängigen Urteils, seines warmen Interesses an der Sache, trotz eines gewissen Mangels an geläutertem Kunstgeschmack, zu einer anerkannten Autorität emporgeschwungen.
Daneben war er ein Hauptmitarbeiter am »XIX. Siècle«, in welchem er vorwiegend die Unterrichts- und religiösen Fragen als entschiedener Freidenker behandelte. Von seinen Büchern hatte den bedeutendsten Erfolg die »Histoire du siége de Paris« (1.-30. Aufl. 1871, deutsch 1871),
ein Tagebuch aus der Belagerungszeit, das, lebhaft und anschaulich geschrieben, der Außenwelt das erste genauere Bild des Pariser Lebens in jener tragischen Epoche bot. Außerdem nennen wir: »Le [* 38] nouveau seigneur du village« (Novelle, 1862);
»Le mot et la chose« (philosophische Plaudereien, 1862);
»Étienne Moret« (ein halb autobiographischer Roman, 1875);
»Le piano de Jeanne« (1876);
»Comédiens et comédiennes« (1878-84);
Goods., Pilzgattung aus der Ordnung der Schizomyceten, charakterisiert durch ungefähr kugelige Zellen, welche infolge regelmäßig kreuzweise erfolgender Teilung zu je 4 in kubische, aus 4, 8, 16 etc. Zellen bestehenden Familien von der Form kreuzweise geschnürter Pakete geordnet sind.
S. ventriculi Goods. (Merismopoedia punctata Meyen) bildet meist vierzellige, grünliche bis rötlichbraune Familien von 0,003 mm Durchmesser, findet sich in dem Erbrochenen bei Magenerweiterung, in der eiterigen Flüssigkeit bei Mykosis der Lunge [* 39] und im Harn. Vgl. Pilze, [* 40] S. 69, [* 25] Fig. 1 d.
Schmeißfliege, s. Fliegen, ^[= # die Ortsbewegung von Tieren in der Luft. Das F. ist an eine besondere Organisation des Tierkörpers ...] [* 41] S. 373.
Sandfloh, s. Flöhe. ^[= (Pulicidae), Insektenfamilie aus der Ordnung der Zweiflügler, welche durch die Gliederung der ...]
s. Milben;
Sarcoptidae (Lausmilben), Familie aus der Ordnung der Milben (s. d.).
Kondor. ^[= (span. condór Dum.), Gattung aus der Ordnung der Raubvögel und der Familie der ...]
(Sardachat), Karneol, s. Chalcedon. ^[= # nach der gleichnamigen Stadt in Kleinasien benanntes Mineral aus der Ordnung der Anhydride, ...]
(Saardam), Stadt, s. Zaandam. ^[= (Saardam), Stadt in der niederländ. Provinz Nordholland, Bezirk Haarlem, an der Mündung der ...]
nach der Sage, die uns Ktesias (bei Diodor, II) überliefert hat, der 30. und letzte König des assyrischen Reichs, durch seine Üppigkeit, Schwelgerei und Weichlichkeit sprichwörtlich geworden. Fern von allen Regierungsgeschäften, verkehrte er nur unter Weibern, kleidete sich wie diese und spann Wolle mit ihnen. Als der medische Statthalter Arbakes 883 v. Chr. seine Hauptstadt Ninive angriff, verbrannte sich S. mit seinen Weibern und Schätzen auf einem hohen Scheiterhaufen, der 15 Tage brannte. Die Sage, medisch-persischen Ursprungs wie die von ¶
Semiramis, stellte diesem Mannweib am Anfang der assyrischen Geschichte am Ende einen weibischen Mann gegenüber, dessen Charakter sie, wie den der Semiramis in der Göttin Istar oder Derketo, in dem semitischen Gott vorfand, welcher sein Wesen mit der ihm zur Seite gestellten Göttin tauscht, Frauenkleider trägt und von Priestern in Weibergewändern verehrt wird. Der wirkliche letzte König von Assyrien hieß vermutlich Assarhaddon und verbrannte sich erst 606 bei der Eroberung Ninives, während S. eine Veränderung des Namens Assurpanibal (s. d.), des letzten mächtigen Königs von Assyrien, ist. Sardanapals Tod behandelte Lord Byron in einem Drama.
gesalzene Anschovis (Engraulis encrasicholus L.), welche des bitter schmeckenden Kopfes und der Eingeweide [* 43] beraubt in den Handel kommen. Am bedeutendsten ist der Sardellenfang an der Küste der Bretagne. In Norddeutschland konsumiert man meistens Brabanter Sardellen, welche an den Küsten von Holland und Belgien [* 44] gefangen und besonders von Amsterdam [* 45] aus in den Handel gebracht werden. Bisweilen kommen als Sardellen auch junge Pilcharde in den Handel, welche an der gedrungenern Gestalt, etwa noch vorhandenen Kielschuppen und daran erkannt werden, daß die Bauchflossen unter der Rückenflosse stehen. Man bevorzugt Fische mittlerer Größe und frischen Fang, da die Sardellen sich zwar 4-5 Jahre halten, aber an Güte sehr verlieren. Man genießt die S. auf Brot [* 46] oder Semmel, als Salat oder gebacken, benutzt sie aber hauptsächlich zu Saucen, Farcen, Salaten, zur Bereitung der Sardellenbutter und zum Garnieren.
die berühmte Hauptstadt des alten Lydien, Residenz des Krösos sowie später der persischen und seleukidischen Satrapen, lag, von einer Burg geschützt, in einer fruchtbaren Ebene am nördlichen Abhang des bis 1800 m ansteigenden Tmolos und an beiden Ufern des goldführenden Paktolos, ward 500 v. Chr. durch die Ionier, dann 215 durch Antiochos d. Gr. verwüstet, erholte sich zwar wieder, litt aber zur Zeit des Tiberius sehr durch Erdbeben [* 47] und wurde endlich im 14. Jahrh. von Timur zerstört. Xerxes residierte vor seinem griechischen, der jüngere Kyros vor dem Feldzug gegen seinen Bruder in S. Reste beim heutigen Dorf Sart. Die nördlich vom Hermos am Gygäischen See gelegene Nekropole (mit zahllosen größern und kleinern konischen Grabhügeln) wurde neuerdings von Spiegelthal untersucht.
des Kopfes und der Eingeweide beraubte, schwach gesalzene und in Öl gesottene Pilcharde (S.), kommen besonders an der atlantischen Küste Frankreichs in den Handel. Junge Heringe aus der westlichen Ostsee, viel schlanker von Gestalt, in gleicher Weise zubereitet, bilden die deutschen S. Russische [* 48] S. sind ebenfalls des Kopfes und der Eingeweide beraubte kleine Heringe, meist Strömlinge aus der östlichen Ostsee, werden in Essig mit scharfen Gewürzen mariniert und namentlich auch in Hamburg [* 49] in großer Menge zubereitet. Amerikanische S. (Menhaden), s. Forelle.
[* 42] (ital. Sardegna, franz. Sardaigne), eine zum Königreich Italien [* 50] gehörende Insel im Mittelländischen Meer, unter 38° 54'-41° 18' nördl. Br. und 7° 8'-9° 50' östl. L. v. Gr., im Süden der Insel Corsica, [* 51] von der sie durch die 11 km breite Straße von Bonifacio getrennt ist, gelegen, 185 km vom Kap Argentaro des italienischen Festlandes entfernt. Ihrer Gestalt nach wurde die Insel von den Alten mit einer Fußsohle verglichen; sie bildet ein Rechteck von 278 km Länge (von Norden [* 52] nach Süden) und einer Breite [* 53] von 101-144 km, das an der Nord- und Südseite durch sich schräg gegenüberliegende Busen eingerissen und von 44 größern und kleinern Gestadeinseln begleitet ist.
Der Flächengehalt beträgt 24,342, nach Strelbitsky 23,842 qkm (433,02 QM.). An der Südküste sind die Vorgebirge Carbonara, Spartivento und Teulada sowie die Golfe von Cagliari und Palmas, an der Nordküste die Kaps Falcone und Testa, die Insel Asinara und der Golf von Asinara erwähnenswert. Die Ostküste, deren östlichster Punkt das Kap Comino, ist steil, buchten- und hafenarm; sie enthält an der Nordostseite die Inseln Maddalena (welche in neuester Zeit mit starken Befestigungen versehen wird), Caprera, Mortorio, Tavolara u. a. Die Westküste ist sanfter und mehr eingebuchtet; an ihr sind besonders der Busen von Oristano und das Kap Caccia (mit Stalaktitengrotte) sowie die Gestadeinseln Sant' Antioco und San Pietro bemerkenswert.
Das Innere von S. ist durchaus gebirgig, doch nehmen die höchsten Granitgebirge nur die östliche Hälfte ein. Etwa in der Mitte zwischen Norden und Süden liegen, der Ostküste näher, der 1918 m hohe Brunca und der 1865 m hohe Monte Gennargentu (Janua argenti); im nördlichen Teil der ebenfalls granitische, 1319 m hohe Monte Limbara. Das Nordende von S. zeigt eine zertrümmerte tertiäre Kalkformation, welche mit der von Corsica völlig identisch ist. In der Mitte der Insel lehnt sich westlich ein bis zu 380 m hohes tertiäres Bergland an, aus welchem
[* 42] ^[Abb.: Karte von Sardinien.] ¶
sich der 1050 m hohe erloschene Vulkan Monte Ferru erhebt, der bis an die Westküste vordringt; in seinem Krater [* 55] liegt das Dorf San Lussurgiu. Weiter nördlich, in dem zerrissenen Bergland an den Quellen des Temo, des Rio [* 56] di Porto Torres und des Ozieri erheben sich zahlreiche kleinere trachytische Vulkankegel. Der südwestliche gebirgige Teil, der ebenfalls über 1000 m (Linas 1242 m) ansteigt, wird durch eine von NW. nach SO. ausgedehnte Tiefebene vom übrigen Gebirgsland getrennt; es ist das durch seine Fruchtbarkeit berühmte Campidano, das von Cagliari bis Oristano reicht.
Eine andre kleine Tiefebene trennt im nordwestlichsten Teil die Gebirgsgruppe von La Nurra ab. Hier mündet an der Nordküste der Rio di Porto Torres, einer der wenigen Flüsse [* 57] der Insel, deren Wasser im Sommer nicht ganz versiegt. Die bedeutendsten der zahlreichen Flüsse und Bäche sind: der Flumendosa (Saprus), der am Gennargentu entspringt und an der Ostküste ins Meer fällt, der Coghinas an der Nordküste, der Tirso und Temo im Westen und der Samassi im Süden.
S. hat ein mildes Klima; die Mitteltemperatur des Jahrs beträgt in den Küstenlandschaften 17-18° C., die des Winters 11° C., des Sommers 24° C., und bei der vom Meer und den zahlreichen Flüssen hinreichend feucht erhaltenen Luft ist die Vegetation eine reiche und üppige. Es gedeihen alle Kulturgewächse der südlichen Mittelmeerländer, die Zwergpalme ist heimisch und häufig, auch der Dattelpalme begegnet man nicht selten, und Agrumen finden sich, im großen gezogen, bei Milis nördlich von Oristano in ganzen Wäldern.
Auch der Ölbaum gedeiht vortrefflich (1885 Ertrag 35,160 hl Olivenöl), ebenso der Weinstock, der den spanischen ähnliche Weine liefert (1886: 767,900 hl). An Weizen wurden 1886: 782,000, an Gerste 1885: 288,216, an Hülsenfrüchten 1883: 54,028 hl geerntet. Doch steht die Bodenkultur auf niederer Stufe, Gestrüpp oder Unland, im günstigen Fall Wald (5980 qkm) bedeckt die im Altertum angebaut gewesenen Striche. Dieser Rückgang der Bodenkultur und die Vernachlässigung der Wasserläufe, welche zu Anfang des Sommers zu stagnieren beginnen, haben S. außerordentlich ungesund gemacht: es herrscht die Malaria im Sommer nicht nur an den Küsten und in den Ebenen, sondern bis in die Gebirge und bringt den Fremden große Gefahr, während die Eingebornen sich durch Bekleidung mit Schafpelzen auch im Sommer zu schützen wissen.
Ehedem war der größte Teil des Bodens der Insel lehnbares Besitztum und mit einer Unzahl von Steuern und Lasten überbürdet, unter denen der Wohlstand der bäuerlichen Bevölkerung [* 58] erlag. Diese Lehen wurden seit den 30er Jahren von der Regierung abgelöst. Die Tierwelt hat manches Eigentümliche. Der Muflon, Wildschweine und Hirsche [* 59] sind in den Bergwäldern nicht selten. Viehzucht beschäftigt einen Teil der Bewohner, namentlich die Zucht grobwolliger Schafe, deren man 1881: 844,851 zählte, und die man hauptsächlich zur Käsebereitung benutzt, daneben die Zucht von Rindvieh (279,438 Stück), Ziegen (261,531) und Pferden (1876: 64,801). Thun- und Korallenfischerei an der Nord- und Südwestküste sind sehr ergiebig. Der Bergbau, [* 60] dessen Zentrum Iglesias ist, liefert namentlich Bleierze (1881: 436,000 metr. Ztr.), metallisches Blei [* 61] (16,000 metr. Ztr.), Zinkerz (924,600 metr. Ztr.), Eisenerz (126,400 metr. Ztr.), Silber, Mangan u. Braunkohlen. Sehr bedeutend (an 2 Mill. metr. Ztr.) ist der Ertrag der Salzgärten an den Küsten.
Die Einwohnerzahl betrug 1881: 682,002 und hat gegen 1861, wo man 588,064 Seelen zählte, um 18,7 Proz. zugenommen (sie wurde Ende 1887 auf 723,833 Seelen berechnet). Dennoch kommen auf 1 qkm erst 29 Einw. (in ganz Italien 99). Die Sarden sind ein Gemisch von verschiedenen Völkerschaften, nähern sich aber ihrem Wesen nach mehr den Spaniern, mit denen sie ja auch lange politisch vereinigt waren, als den Italienern. Italienisch wird auch nur in den großen Städten gesprochen.
Die Volksdialekte weichen stark voneinander ab, einige derselben liegen dem Spanischen, namentlich aber dem Lateinischen nahe. Der Sarde ist fast noch Naturmensch, von mittlerer Größe, regelmäßig gebautem, schlankem, aber kräftigem Körper, ruhig und gemessen, oft melancholisch in seinem Wesen, wie sich dies namentlich in seiner Volkspoesie ausprägt. Gastfreiheit wird heilig gehalten, aber auch die Blutrache ist noch nicht völlig verschwunden. Ein lederner Rock und ein Ziegen- oder Schafpelz sind die wichtigsten Stücke der Nationaltracht.
Von großem Interesse sind merkwürdige, noch ungenügend erklärte Altertümer, die sogen. Nurhags (s. d.), 10-20 m hohe Steinkegel mit mehreren Kammern übereinander. Es sind deren noch immer gegen 3000 vorhanden. Um die Volksbildung ist es noch schlecht bestellt; 83 Proz. der Gesamtbevölkerung können weder lesen, noch schreiben. Auch die Wissenschaften liegen trotz der zwei Universitäten (zu Cagliari und Sassari) ganz danieder. Industrie existiert bei den geringen Bedürfnissen der Sarden kaum, nur die Tabaksindustrie ist etwa zu nennen.
Der Handel ist trotz der günstigen Lage und der trefflichen Seehäfen der Insel unbeträchtlich. Die Hauptgegenstände der Ausfuhr sind: Blei-, Eisen- und Zinkerz, Seesalz, Käse, Wein, Häute, Vieh, Thunfische, Holzkohle, Getreide, Ölsaat etc.;
die der Einfuhr: Kaffee, raffinierter Zucker, [* 62] Petroleum, Seife, Baumwoll- und Wollwaren, Bauholz, Eisenwaren, Steinkohlen u. a. Der Schiffsverkehr belief sich 1886 in sämtlichen 16 Häfen der Insel (worunter die wichtigsten Cagliari, Carloforte, Terranova, Porto Torres und La Maddalena) auf je 5967 handelsthätig ein- und ausgelaufene Schiffe mit 1,186,787 Ton. Das bereits 1863 konzessionierte Eisenbahnnetz besteht gegenwärtig aus der Hauptlinie Cagliari-Sassari-Porto Torres mit den Abzweigungen Decimomannu-Iglesias u. Chilivani-Terranova-Olbianova (zusammen 427 km). In administrativer Beziehung zerfällt S. in 2 Provinzen: Cagliari und Sassari (s. d.). In kirchlicher Beziehung begreift die Insel 3 Erzbistümer (Cagliari, Oristano und Sassari) mit 8 Bistümern. Hauptstadt ist Cagliari.
Die ältesten Einwohner von S., die Sarden, waren vermutlich iberischen Stammes und wegen ihrer Bosheit und Trägheit berüchtigt (daher Sardi venales, feile Sarden). Die ersten fremden Ansiedler waren die Etrusker, seit dem 6. und 5. Jahrh. v. Chr. die Karthager, deren bedeutendste Niederlassungen Caralis (jetzt Cagliari) und Sulci auf einer Insel im Südwesten waren. Die Griechen gründeten Neapolis an der West- und Olbia an der Nordostküste, konnten aber ihre Unabhängigkeit gegen die Karthager nicht behaupten.
Von den empörten karthagischen Mietstruppen zu Hilfe gerufen, landeten 240 die Römer [* 63] auf der Insel und eroberten Olbia. Gajus Sulpicius schlug später eine vor S. stationierte karthagische Flotte und eroberte während des karthagischen Söldnerkriegs den größten Teil der Insel (238). Die Insel bildete fortan, mit Corsica vereinigt, eine römische Provinz. Aber erst um 120 gelang es den Römern, die Insel völlig zu unterwerfen. Im J. 40 ward die Insel von Menas, dem Freigelassenen ¶
des S. Pompejus, erobert und gegen die Triumvirn behauptet. Später übergab Menas die Insel Oktavian. Tiberius versetzte 4000 Juden und Ägypter hierher, und Nero benutzte S. als Verbannungsort. Im 5. Jahrh. bemächtigten sich die Vandalen der Insel und verpflanzten mehrere tausend Numidier dahin. Der Herrschaft der Vandalen machte der römische Feldherr Marcellinus ein Ende, und nach dem Sturz des Vandalenreichs in Afrika [* 65] (534) kam S. unter die Herrschaft der byzantinischen Kaiser und gehörte zur Präfektur Afrika. 720 besetzten die Sarazenen die Insel, wurden zwar bald wieder vertrieben, eroberten sie aber gegen Ende des 9. Jahrh. vollständig.
Nachdem 1004 der Papst Johann XVIII. die christlichen Mächte zur Eroberung Sardiniens aufgerufen und es im voraus demjenigen als Eigentum verliehen hatte, welcher die Sarazenen vertreiben würde, ging 1005 Pisa, [* 66] wohin zahlreiche Sarden nach der sarazenischen Eroberung geflüchtet waren, ans Werk der Eroberung, siegte aber völlig erst 1007. Bereits 1015 kehrten zwar die Sarazenen wieder und schlugen die Pisaner. Die Genuesen verbündeten sich jedoch sodann mit diesen, und 1022 war die Insel wieder im Besitz der Pisaner.
Die nun folgende tyrannische Regierung der pisanischen Richter sowie die Eifersucht der Pisaner und Genuesen, welche sich um die Oberherrschaft der Insel stritten, machten letztere zum Schauplatz blutiger Fehden. 1164 erhob Kaiser Friedrich I. S. zum Königreich, indem er einen angesehenen Sarden, Boruson, einen Günstling der Genuesen, zum König krönte, der sich aber nicht lange behauptete. 1190 eroberte mit Hilfe der Pisaner der Markgraf Wilhelm von Massa die Provinzen Cagliari und Arborea und gelangte trotz einer 1194 von den Genuesen erlittenen Niederlage allmählich in den Besitz der ganzen Insel. Seine Tochter Benedicta (gest. 1224) ward aber von Ubaldo Visconti verdrängt, der sich nun der Insel größtenteils bemächtigte. Er starb 1238. Seine Witwe Adelasia heiratete den natürlichen Sohn des Kaisers Friedrich II., Enzio, den sein Vater zum König von S. machte.
Als derselbe 1249 in die Gefangenschaft der Bologneser geraten war, machten sich die Pisaner wieder zu Herren von S. Der zwischen Pisa und Genua [* 67] bis 1299 dauernde Krieg endigte damit, daß den Genuesen von den Pisanern Sassari abgetreten wurde. Inzwischen hatte der Papst Bonifacius VIII. 1296 den König Jakob II. von Aragonien, welcher Sizilien [* 68] an den König Karl von Neapel [* 69] abtreten sollte, mit Corsica und S. belehnt. Nach mehreren Niederlagen huldigten endlich die Pisaner dem König von Aragonien als Herrn von S., nur die Herrschaft über Cagliari und Castro blieb ihnen gegen einen jährlichen Tribut. S. gehörte von jetzt an lange Zeit zu Aragonien. Im Frieden von Utrecht [* 70] fiel S. an Österreich, [* 71] welches aber 1720 Savoyen zwang, S. gegen Sizilien umzutauschen.
Seitdem machte S. mit Savoyen und Piemont die sardinische Monarchie aus. Doch spielte es als armes Land, obschon es die Ehre genoß, dem neuen Königreich seinen Namen zu geben, Piemont gegenüber immer die untergeordnete Rolle. Erst in neuester Zeit ward der Forderung der geistigen und materiellen Wohlfahrt der Insel mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Im März 1799 flüchtete der König nach S., auf dessen Besitz er bald beschränkt wurde, und konnte erst nach Napoleons I. Fall 1814 in seine Staaten zurückkehren. S. Sardinische Monarchie.
Vgl. Hörschelmann, Geschichte, Geographie und Statistik der Insel S. (Berl. 1828);
Lamarmora, Voyage en Sardaigne 1819-25; description statistique, physique et politique (2. Aufl., Par. 1837-1857, 5 Bde.; Bd. 4 u. 5 auch als »Itinéraire«, Tur. 1860, 2 Bde.);
Neigebaur, Die Insel S. (Leipz. 1853);
Boullier, L'île de Sardaigne (Par. 1865);
Maltzan, Reise auf der Insel S. (Leipz. 1869);
Roissard de Bellet, La Sardaigne à vol d'oiseau en 1882 (Par. 1884);
Tennant, Sardinia and its resources (Lond. 1885);
de Vico, Historia general de la isla et reyno de Cerdeña (Barcel. 1839, 2 Bde.);
Manno, Storia di Sardegna (bis 1773, Tur. 1825, 4 Bde.);
Derselbe, Storia moderna di Sardegna 1773-99 (Flor. 1858);
Rickenbach, Die Insel S. vor der Herrschaft der Römer (Brünn [* 72] 1882).
Monarchie, bis 1860 Bezeichnung eines Königreichs in Italien, das einesteils die Insel Sardinien, andernteils bedeutende Gebiete des oberitalischen Festlandes, nämlich das Herzogtum Savoyen, das Fürstentum Piemont, die Herzogtümer Aosta und Montferrat, die Grafschaft Nizza [* 73] und das Herzogtum Genua, umfaßte. Der Flächengehalt betrug 76,000 qkm (1377,31 QM.) mit (1857) 5,167,542 Einw. Vom jetzigen Königreich Italien begreift das Gebiet außer der Insel die Provinzen Alessandria, Cuneo, Genua, Novara, Turin [* 74] und den größten Teil von Pavia, während Savoyen und Nizza an Frankreich abgetreten sind. Residenz war Turin. Über Geographie und Statistik des Königreichs sind die Hauptwerke von Bartolomeis (Tur. 1840-47, 3 Bde.), Casalis (»Dizionario geografico-storico etc.«, das. 1843-51, 21 Bde.) und Stefani (»Dizionario«, das. 1855).
Nachdem der Herzog Viktor Amadeus II. von Savoyen den Königstitel angenommen und die ihm von Spanien [* 75] streitig gemachte Insel Sizilien gegen die Insel Sardinien ausgetauscht, bildeten Sardinien (s. d.) und Savoyen (s. d.) die s. M., welche von der neuerworbenen Insel den Namen, von Piemont, dem Hauptland, jedoch die Hauptstadt erhielt. 1730 trat der König die Regierung an seinen Sohn Karl Emanuel I. (III.) ab. Als er sich kaum ein Jahr später der Krone wieder bemächtigen wollte, ward er verhaftet und starb 1732 im Gefängnis. 1733 übernahm Karl Emanuel I. den Oberbefehl über die vereinigten französischen und sardinischen Truppen, schlug die Österreicher im polnischen Erbfolgekrieg bei Guastalla und 29. Sept. bei Parma [* 76] und nahm Mailand. [* 77]
In dem Wiener Frieden erhielt er 1738 von Mailand Novara und Tortona. Im österreichischen Erbfolgekrieg (1741-48) verbündete er sich in der Hoffnung, Mailand ganz zu bekommen, mit Frankreich; allein da dieses das fragliche Gebiet Spanien zuwenden wollte, trat er 1743 dem Vertrag von Turin und Worms [* 78] bei und stellte gegen englische Subsidien für Österreich ein Heer von 45,000 Mann auf, wofür ihm dieses die Grafschaft Anghiera mit Vigevano, die Herrschaft Bobbio und Piacenza und einen Teil des Fürstentums Pavia abtrat.
Ein spanisches Heer unter dem Infanten Don Philipp, welches bereits Chambéry erobert hatte, schlug der König im Bund mit den Österreichern bei Campo Santo. Zwei neue feindliche Heere, welche ihn aus seinen Verschanzungen bei Villafranca geworfen, konnte er aber nicht überwältigen; Piacenza, Alessandria, Valenza und Tortona gingen 1745 verloren, und 27. Sept. wurde er bei Bassignana geschlagen. Dagegen nahm er Asti und mehrere andre Städte und siegte 16. Juni bei Sant' Antonio. Savoyen wurde nun schnell von den Feinden gereinigt und sogar in ¶
die Dauphiné und Provence ein Einfall gemacht. Im Aachener Frieden 1748 ward ihm hierauf alles bewilligt, was Österreich versprochen. Auch um die Hebung [* 80] der innern Zustände seiner Lande bemühte sich Karl Emanuel, so durch Anlegung von Kanälen, Abschluß eines Handelsvertrags mit Mailand (1752) und Einführung des Corpus Carolinum, einer revidierten Sammlung der früher erlassenen allgemeinen Gesetze für Zivil- und Kriminalrecht, mit subsidiarischer Geltung des römischen Rechts. Er besteuerte die geistlichen Güter, besetzte alle Stellen selbst und unterwarf die päpstlichen Bullen seiner Bestätigung.
Ihm folgte 1773 sein Sohn Viktor Amadeus III., unter dessen Regierung die meisten Schöpfungen seines Vaters wieder verfielen. Der von diesem gesammelte Schatz wurde zwecklos vergeudet und dem Land noch eine Schuldenlast von 100 Mill. Frank aufgebürdet. Die große Armee diente nur zur Parade. Als Schwiegervater der Brüder Ludwigs XVI. von Frankreich begünstigte der König während der französischen Revolution die Emigranten und lehnte ein Bündnis mit Frankreich ab, worauf ihm dieses den Krieg erklärte.
Ohne Widerstand wurden Savoyen und Nizza von den Franzosen besetzt und der französischen Republik einverleibt. Zur Wiedererlangung seiner Lande schloß Viktor Amadeus nun mit England einen Subsidienvertrag, und nachdem es ihm gelungen, ein Heer von 50,000 Mann aufzustellen, wurden die Franzosen zurückgedrängt. Allein schon 1794 drangen sie aufs neue durch die Gebirgspässe, und obgleich sie mit Hilfe der Österreicher 1795 abermals zurückgeworfen wurden, so rückten Schérer und Kellermann mit zwei Kolonnen wiederum ein, schlugen 22. und 25. Nov. die Heere der Österreicher und Sardinier und bezogen Winterquartiere.
Nachdem 1796 Bonaparte den Oberbefehl über das französische Heer übernommen und bei Montenotte und Millesimo die verbündeten Heere fast vernichtet hatte, schloß Viktor Amadeus 26. April zu Cherasco einen Waffenstillstand und 15. Mai Frieden von Turin, in welchem er Savoyen und Nizza an Frankreich abtrat. Er starb und hatte seinen Sohn Karl Emanuel II. (IV.), einen bigotten, engherzigen Fürsten, zum Nachfolger. Derselbe befand sich ganz in den Händen der französischen Generale, mußte denselben in einem Vertrag vom alle seine Festungen einräumen und verzichtete, als das Direktorium ihm trotzdem den Krieg erklärte, 9. Dez. gegen freien Abzug von Turin auf seine festländischen Besitzungen. Er begab sich nach der Insel Sardinien, wo er in Cagliari seine Residenz aufschlug, trat die Krone an seinen Bruder Viktor Emanuel I. ab und starb als Jesuit 1819 in Rom.
Zivilbehörden und Militär wurden nun völlig nach französischem Zuschnitt umgeformt. Am erfolgte die förmliche Vereinigung Piemonts mit Frankreich und seine Einteilung in sechs Departements. Erst durch den Sturz Napoleons I. 1814 kamen die sardinischen Lande wieder unter ihren ehemaligen Herrscher zurück und wurden noch durch das Herzogtum Genua und die Souveränität über Monaco [* 81] vermehrt. Zu gleicher Zeit wurde auf dem Wiener Kongreß die Erbfolge dahin geregelt, daß nach dem Erlöschen des regierenden Mannesstamms die von Thomas Franz, dem jüngern Sohn des Herzogs Karl Emanuel I., gestiftete Linie Savoyen-Carignan zum Thron [* 82] gelangen sollte.
Am hielt Viktor Emanuel seinen Einzug in Turin. Er selbst, gutmütig, aber beschränkt, kümmerte sich nicht viel um die Regierung; um so eifriger aber waren sein Beichtvater, der Abbé Botta, und die Königin Maria Theresia, eine Österreicherin, bemüht, die alten Zustände wiederherzustellen und alles, was in den 16 Jahren 1798-1814 geschehen war, auszurotten. Die Jesuiten wurden zurückberufen und die Inquisition wieder eingeführt, neue Klöster erstanden; die Waldenser und übrigen Protestanten sowie die Juden wurden aufs äußerste beschränkt, die alte Rechtspflege ward wieder eingeführt und dabei das Volk durch hohe Abgaben und Zölle völlig ausgesogen.
Einem bestimmten, Österreich gegebenen Versprechen zufolge wurde dem Land keine Verfassung verliehen. Die französische Herrschaft hatte jedoch den politischen Ansichten, vorzüglich der gebildetern Stände, eine liberale Richtung gegeben, der selbst der Adel nicht fern blieb. Daher ward die Gärung bald allgemein, und eine Zweigverbindung der Karbonari bildete eine Verschwörung zur Proklamierung der spanischen Konstitution, in die selbst der Prinz Karl Albert von Savoyen-Carignan, der präsumtive Nachfolger des Thronerben Karl Felix, verwickelt war. So wurde die piemontesische Revolution vorbereitet. Am erhoben sich die Verschwornen zu Alessandria, Pignerol und Vercelli und proklamierten die spanische Konstitution und das Reich Italien. Am 11. März zogen sie in Turin ein, wo sie jubelnd empfangen wurden.
Entmutigt entsagte der König in der Nacht des 13. März zu gunsten seines Bruders Karl Felix dem Thron, ernannte den Prinzen von Carignan zum Regenten bis zu dessen Ankunft aus Modena, wo er sich aufhielt, und begab sich nach Nizza. Der Prinz proklamierte, die Trikolore in der Hand, die Annahme der spanischen Konstitution. Eine »im Namen des Königreichs Italien« handelnde einstweilige Giunta sowie ein neues Ministerium wurden sogleich gebildet, die Errichtung einer Nationalgarde dekretiert, und Karl Albert leistete der Verfassung sowie dem König Karl Felix den Eid der Treue.
Der neue König erließ jedoch 16. März ein Manifest, in dem er jede Verfassung ablehnte und erklärte, daß er im Notfall Österreichs und Rußlands Intervention anrufen werde. Bereits 19. März gab Karl Albert die liberale Sache auf und verließ Turin, und 7. April überschritten 20,000 Österreicher unter Bubna den Ticino. Eine kleine Schar Truppen, welche der Konstitution anhingen, wurde 8. April bei Novara nach tapferer Gegenwehr geworfen; 10. April besetzte della Torre mit königlichen Truppen die Hauptstadt, und Bubna rückte 11. April vor Alessandria, welches sich ebenfalls unterwarf.
Unter dem Schutz der österreichischen Bajonette, welche bis 1823 im Land blieben, begann nun die vollständigste Reaktion. Durch Hochverratsprozesse ohne Zahl wurden alle bei der Revolution nur einigermaßen Beteiligten verfolgt; die Jesuiten wurden zurückgeführt, und die Beförderung von Beamten ward von der strengsten Beobachtung der kirchlichen Zeremonien abhängig gemacht. Ein königliches Edikt von 1825 erlaubte unter anderm das Lesen- und Schreibenlernen nur denen, die ein Vermögen von 1500 Lire aufweisen konnten. Karl Felix starb und mit ihm erlosch der Mannesstamm der regierenden Linie.
Nach den Bestimmungen des Wiener Kongresses folgte ihm Karl Albert, Prinz von Savoyen-Carignan, der, nachdem er die Umkehr seiner Gesinnung dadurch bekundet hatte, daß er den Feldzug des Herzogs von Angoulême gegen Spanien 1823 mitmachte, als Statthalter nach Sardinien geschickt worden war und nach seinem Regierungsantritt durchaus das ¶