von der jedoch bloß ein
Auszug des
Justinus vorhanden ist. Von der umfänglichen historischen Litteratur
des 1. Jahrh.
v. Chr. hat sich nur eine geringe Anzahl von Werken gerettet, so von
Vellejus Paterculus ein kurzer Abriß der
römischen Geschichte, von
Valerius Maximus eine historische Anekdotensammlung (»Factorum
dictorumque memorabilium libri IX«),
beide ungefähr um 30
n. Chr. verfaßt, von
CurtiusRufus (vielleicht um 41) eine Geschichte
Alexanders d. Gr., von
JuliusFrontinus eine militärische Beispielsammlung (um 90 verfaßt), vornehmlich aber von
CorneliusTacitus größere
Abschnitte seiner Kaisergeschichte, der
Annalen und Historien, die zu den hervorragendsten Leistungen
nicht bloß der römischen, sondern der ganzen
Weltlitteratur gehören. Dem Anfang des 2. Jahrh. gehören an die zwölf Kaiserbiographien
des
Suetonius und die panegyrische
Darstellung der römischen Geschichte von
JuliusFlorus.
In der Folgezeit wurde nach dem Vorbild des Sueton vorzugsweise die
Hof- und Kaisergeschichte behandelt. Diese verlornen
Schriften bilden die Hauptquelle der unter dem
Titel:
»Scriptores historiae Augustae« auf uns gekommenen Sammlung
von Kaiserbiographien, kritiklosen und rohen, aber für die Geschichte der Zeit von
Hadrian bis Numerian (117-284) wichtigen
Kompilationen von sechs verschiedenen Verfassern aus dem Ende des 3. und Anfang des 4. Jahrh.
Bald nach der Mitte dieses
Jahrhunderts verfaßten
AureliusVictor eine kurze Kaisergeschichte u. a.,
Eutropius
und
Festus Abrisse (Breviaria) der ganzen römischen Geschichte, von denen der des Eutrop wegen seiner
Kürze, Einfachheit
und
Klarheit vielen Beifall bis in neuere Zeit fand. Weit über seinen Zeitgenossen steht der letzte römische Geschichtschreiber,
Ammianus Marcellinus, der als Fortsetzung des
Tacitus eine Geschichte von 96-378
n. Chr. in 31
Büchern schrieb,
von denen jedoch nur die letzten 18 erhalten sind. Auf ihn folgen die christlichen Darsteller der Geschichte, wie
SulpiciusSeverus (um 400) und
Orosius (um 417).
Die
Beredsamkeit bildet in der klassischen Zeit den
Mittelpunkt aller höhern
Bildung inRom.
[* 2] Ein tüchtiger
Redner war ein Mann vom größten Einfluß, und seine Wirksamkeit verbreitete sich durch alle
Kreise
[* 3] des politischen
Lebens.
Lange Zeit hindurch wurde aber
Beredsamkeit nur geübt als eine
Gabe der
Natur, zu deren
Ausbildung das öffentliche
Leben in
Rom
unaufhörlich
Anlaß gab. Der bedeutendste dieser naturalistischen Redner ist der alte
Cato, der auch schon
gehaltene
Reden, allerdings als politische Streitschriften, veröffentlichte und eine Anleitung zur
Beredsamkeit schrieb.
Erst als man mit griechischer
Rhetorik bekannt wurde, etwa seit 150
v. Chr., und griechische Rhetorenschulen entstanden, begann
kunstmäßiges
Studium der
Beredsamkeit. Die bedeutendsten Vertreter der neuen, natürliche
Anlage und
Kunst verbindenden
Richtung waren in der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. die beiden Gracchen, namentlich der
jüngere
Gajus, zu Anfang des 1. Jahrh. M.
AntoniusundL.LiciniusCrassus.
Ihre höchste
Blüte
[* 4] erreichte die römische
Beredsamkeit
durch M.
TulliusCicero, neben dem noch eine Anzahl älterer oder jüngerer Zeitgenossen Hervorragendes leisteten, wie
Q.
Hortensius, der ihm lange den Vorrang streitig machte, C.
ScriboniusCurio,
GajusLiciniusCalvus,
Julius Cäsar.
Als mit der
Monarchie die Gelegenheiten und
Stoffe für die öffentliche
Beredsamkeit sich verminderten, anderseits in demselben
Maß Hindernisse und
Schranken wuchsen, zog sich die
Beredsamkeit immer mehr in die
Schulen derRhetoren zurück,
wo sie als allgemeines Bildungsmittel in Übungsreden (declamationes: controversiae und suasoriae) über erdichtete, praktischen
Zwecken fern liegende Themata in ausschließlicher Rücksicht auf die Form getrieben wurde.
Ein anschauliches
Bild von dem
Treiben in den Rhetorenschulen gibt der
Rhetor Annäus
Seneca in seiner Sammlung von Übungsthemata,
wie sie in seiner
Jugend von den namhaftesten
Rhetoren behandelt wurden. Der Schulmanier entsprechend,
gestalteten sich auch die öffentlichen
Reden immer mehr zu bloßen
Deklamationen, trotz der Hinweisung eines Quintilian und
Tacitus (in seinem »Dialogus de oratoribus«) auf die klassischen
Muster. Neben letztern war ein hervorragender Redner der Zeit
Plinius der jüngere, dessenPanegyrikus auf Trajan (100
n. Chr.) das Vorbild für die spätern Panegyriker
geworden ist.
Unter den Antoninen blühte M.
CorneliusFronto, durch den die geschmackloseste Anwendung von Archaismen
Mode wurde, wie sie
sich auch in der
»De magia« betitelten
Rede des geistreichen
Apulejus zeigt. Seit dem Ende des 3. Jahrh. istGallien
mit seinen zahlreichen Rhetorenschulen der Hauptsitz der römischen
Beredsamkeit. Diese gallische
Beredsamkeit zeigt eine gewisse
Glätte und Korrektheit, behandelt aber als ausschließliches
Thema das
Lob der
Kaiser in pomphafter und schwülstiger
Darstellung.
Hauptvertreter dieser
Gattung sind elf
Reden von verschiedenen Verfassern aus dem Ende des 3. Jahrh. und dem 4. Jahrh.,
welche mit dem
Panegyrikus des
Plinius die Sammlung der »Panegyrici latini« bilden. Vertreten ist
die rhetorische Litteratur durch den sogen.
Auctor ad Herennium
(Cornificius?),
eine
ReiheSchriftenCiceros, unter denen die
»De oratore« betitelte den ersten
Rang einnimmt, das Schriftchen des
Rutilius Lupus (unter
Tiberius) über die rhetorischenFiguren,
Quintilians »Institutio oratoria«, die bedeutendste Leistung der Kaiserzeit
auf diesem Gebiet, und eine Anzahl von Schriftstellern der spätern Zeit, wie
AquilaRomanus,
Julius Rufinianus,
JuliusVictor
u. a.
Unter den philosophischen Werken der
Römer
[* 5] stehen die
Ciceros obenan, der sich um Einführung und Verbreitung griechischer
Philosophie in
Rom die größtenVerdienste erworben hat. Nächst ihm istL. Annäus
Seneca (4-65
n. Chr.)
der bedeutendste Schriftsteller in der
Philosophie. Einige philosophische
Schriften besitzen wir auch von dem schon genannten
Apulejus. Die letzte bedeutendere Leistung auf diesem Gebiet ist die
Schrift des
Boethius (geb. 470
n. Chr.):
»De consolatione
philosophiae«.
Von einer wissenschaftlichen Behandlung der
Mathematik und andrer damit verwandter
Disziplinen finden sich
erst kurz vor
AugustusSpuren. Zu
Ciceros Zeit war als
Mathematiker, Astronom und Astrolog berühmt P.
Nigidius Figulus, dessen
zahlreiche
Schriften aber untergegangen sind. Das einzige einigermaßen erhaltene Werk eines
Römers über
Geometrie ist das
des
Balbus unter Trajan. Aus dem 3. Jahrh. ist von Bedeutung die astronomische
Schrift des
Censorinus:
»De die natali«;
¶
mehr
aus dem 4. Jahrh. besitzen wir von Firmicus Maternus ein Werk über Astrologie,
[* 7] aus dem 6. Jahrh. des Boethius »Institutio arithmetica«.
Unter Augustus verfaßte M. Vitruvius Pollio sein noch erhaltenes Werk »De architectura«, um 97 n. Chr. S. JuliusFrontinus die
für die Kenntnis des römischen Wasserleitungswesens wichtige Schrift »De aquis«. Derselbe ist der erste
unter den sogen. Agrimensoren (s. d.), der Schriftsteller über die Feldmeßkunst, von deren Schriften noch eine Anzahl erhalten
sind, wie namentlich von Hyginus (Anfang des 2. Jahrh. n. Chr.),
unter dessen Namen auch eine kriegswissenschaftlich wichtige
Schrift über Lagerbefestigung (»De castrorum munitionibus«) geht. Über das römische Kriegswesen handelt
die »Epitoma rei militaris« des FlaviusVegetius (um 390). - Für die Geographie schuf den Römern die erste umfassende und zuverlässige
Grundlage die von Augustus durch Agrippa ausgeführte Vermessung und Beschreibung des ganzen römischen Reichs. Auf die von Agrippa
entworfene Weltkarte geht wahrscheinlich zurück die sogen. Tabula Peutingeriana.
Ein eigentliches Studium der Grammatik beginnt in Rom erst seit der Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. Der Hauptvertreter desselben
in der Zeit der Republik ist der mehrfach erwähnte Polyhistor M. Terentius Varro, von dessen zahlreichen vielbenutzten Schriften
über heimische Sprache,
[* 9] Litteratur und Altertümer sich nur Trümmer erhalten haben. Der bedeutendste
Überrest sind 6 Bücher »De lingua latina« von ursprünglich 25. Unter den Grammatikern der Augusteischen Zeit ragten hervor
Verrius Flaccus, dessen großes Werk »De verborum significatu«
nur noch im Auszug des Festus vorhanden ist, und Hyginus, der angebliche
Verfasser zweier mythologischer Schriften.
Einen besondern Zweig der römischen Litteratur bilden die Briefe. Von höchstem Wert für die Zeitgeschichte
ist die KorrespondenzCiceros, von der sich vier Sammlungen erhalten haben. Dagegen sind philosophische Abhandlungen in Briefform
die 124 Briefe des Seneca an seinen FreundLucilius. Auf die Veröffentlichung scheinen von Anfang an die Briefe des jüngern
Plinius berechnet gewesen zu sein. Seit dem 2. Jahrh. n. Chr. bildet sich der Brief zu einer eignen Stilgattung
aus, in welcher der Inhaltvor der Form oft sehr zurücktritt, wie in den Briefen des als Redner schon erwähnten Fronto, des
AureliusSymmachus, ApollinarisSidonius, Cassiodorus u. a. -
über die Jurisprudenz, das einzige Gebiet, welches sich bei den Römern von Anfang bis zu Ende rein national
entwickelt hat, s. Römisches Recht.
Vgl. F. A. Wolf, Vorlesungen über die Geschichte der römischen Litteratur (hrsg. von Gürtler, Leipz. 1832);
Bähr, Geschichte
der römischen Litteratur (4. Aufl., Karlsr. 1868-70, 3 Bde.,
mit 3 Supplementbänden: christliche Dichter und Geschichtschreiber, Theologen und Litteratur des karolingischen
Zeitalters);
Bernhardy, Grundriß der römischen Litteratur (5. Aufl., Braunschw.
1869);
Munk, Geschichte der römischen Litteratur (neu bearbeitet von Seyffert, Berl. 1876 bis 1877, 2 Bde.);
Teuffel, Geschichte der römischen Litteratur (4. Aufl., Leipz.
1882);
Nicolai, Geschichte der römischen Litteratur (Magdeb. 1879-81);
Ribbeck, Geschichte der römischen
Dichtung (Stuttg. 1887 ff.);
Ebert, Geschichte der christlich-lateinischen Litteratur bis zum ZeitalterKarls d. Gr. (Leipz.
1874-80, 2 Bde.).
Kürzere Grundrisse lieferten Kopp (5. Aufl., Berl. 1885) und Bender (Leipz. 1876).
Uncia etc., vorzugsweise aber aus Silbermünzen: Denaren, Quinaren und Sestertien, die seit 269 v. Chr. geprägt wurden. Goldmünzen
der Republik erscheinen im ganzen erst sehr spät, z. B. unter Sulla. Seit Augustus war die Kupferprägung das Recht des Senats;
Silber- und Goldmünzen (Aureus, später Solidus genannt, die gewöhnliche Goldmünze) prägte der Kaiser.
GroßeGold- und Silbermedaillons sind selten; Augustus prägte zuerst derartige große (nur in einem Exemplar erhaltene) Goldstücke,
Domitian große Gold- und Silberstücke; ungewöhnlich große Kupfermünzen, meist von ausgezeichnet schöner Arbeit, prägte
zuerst Trajan. Die Silbermünzen verschlechterten sich immer mehr, bis Diokletian den reinen Silberdenar wiederherstellte.
Seit Konstantin d. Gr. wurde der goldene Solidus als 1/72 des Pfundes ausgeprägt und mit der Zahl 72 oder
den griechischen Buchstaben OB (d. h. 72) bezeichnet.
Besonders zeichnen sich die großen Bronzemedaillons (nicht eigentliche Münzen) durch großartige, ideale
Behandlung der Köpfe wie durch vorzügliche, meist mythologische Rückseiten von weichem, rein griechischem Stil aus (besonders
unter Hadrian und den Antoninen). Durch ihre chronologische Notizen wie auch bisweilen durch ihre Typen sind die römischen
Münzen, namentlich für die Kaiserzeit, eine der wichtigsten, oft die einzige sichere Quelle,
[* 16] welche nur für
kurze Zeit (gegen Ende des 3. Jahrh.) fehlerhaft und unzuverlässig wird, in ihrer Gesamtheit
aber neben den Inschriften das bedeutendste Hilfsmittel für historische Forschungen bildet.
[* 11] Mythologie. Der älteste Götterglaube der Römer war derselbe wie der der stammverwandten VölkerItaliens,
[* 18] der sogen. Italer (Latiner, Volsker, Folisker, Sabiner, Umbrer, Osker, Kampaner, Lukaner, Bruttier u. a.),
und zwar war derselbe jedenfalls eine einfache Naturreligion, wie sie den indogermanischen Völkern in einer Zeit eigen war,
wo sie Viehzucht,
[* 19] Acker- und Weinbau trieben und in Gehöften oder Dörfern wohnten. Im Fortschritt der Gesittung wurde dieselbe
mehr ethisch und politisch.
Wie die Römer aber den Griechen an Phantasie und poetischer Begabung nachstanden, so scheinen sie auch
im ganzen weniger mythenbildenden Trieb als Sinn für Religiosität und Kultus besessen zu haben. So erklärt sich sowohl, daß
ihre Gelehrten keine Neigung zur Sammlung der alten Sagen und Märchen besaßen, als auch, daß die nationale Mythologie bei der
Berührung mit dem Griechentum von der Mythologie des letztern fast ganz überwuchert wurde. Es wurden nicht allein die heimischen
Götter nach den griechischen umgebildet, sondern auch sehr viele griechische Götter und Sagen neu aufgenommen. In diesem Zustand
zeigt sich uns die in der römischen
Litteratur. Geringer war der von den Etruskern ausgeübte Einfluß;
endlich drangen auch vorderasiatische, ägyptische und syrische Kulte und Mythen ein. Weiteres s. Römisches Reich (S. 938)
und Mythologie.
Recht.In dem ältesten römischen Recht ist das Privatrecht mit dem öffentlichen auf
das engste verbunden und steht mit diesem unter religiöserWeihe; die Priester sind nach der Überlieferung zugleich Kenner
und Bewahrer des Rechts und Richter in Privatrechtsstreitigkeiten, deren Verhandlung mit Beobachtung religiöser Vorschriften
mannigfach zusammenhängt. Die Rechtsbildung erfolgte auf dem Weg der Gewohnheit. Die Leges regiae, welche
noch die Zeitgenossen des Pomponius im 2. Jahrh. n. Chr. citierten, sind von den Priestern gesammelte gewohnheitsrechtliche
und priesterliche Satzungen, die man auf die Könige zurückführte.
Das erste umfassende Werk der Rechtsgesetzgebung waren die sogen. zwölf Tafeln, eine kurze, aber vollständige Zusammenstellung
des ganzen geltenden Rechts, welche dazu mit Vollgewalt bekleidete Dezemvirn auf Andringen der Plebejer
(451 v. Chr.) verabfaßten, um der Willkür und Rechtsunsicherheit ein Ende zu machen, die aus der Handhabung lediglich gewohnheitsrechtlicher
Normen durch patrizische Konsuln und Priester notwendig sich ergeben hatten (s. Zwölf Tafeln). Im weitern Verlauf der zweiten
Periode (bis zum Untergang derRepublik) wurde das streng nationale, dem römischen Volk eigentümliche Recht
(jus civile) teils durch Gesetze, teils durch Gewohnheitsrecht, welches die Juristen an die zwölf Tafeln durch ihre Interpretation
derselben anzuknüpfen suchten, fortgebildet.
Daneben eröffnet sich in den Edikten der Magistrate, besonders der Prätoren, eine neue Rechtsquelle (jus honorarium), durch
welche das altherkömmliche starre Recht den Bedürfnissen der Zeit gemäß fortgebildet, aber auch neues Recht geschaffen
wurde. Die Gesetzgebung ward teils vom ganzen Volk in den Centuriatkomitien, teils seit der LexHortensia (286 v. Chr., 468 d.
St.) von der Plebs in den Tributkomitien geübt. Der Senat erlangte zwar gegen Ende dieser Periode eine
der Gesetzgebung analoge Gewalt, wandte sie aber auf dem Gebiet des Privatrechts nur selten an. Die Fortbildung des Rechts durch
Auslegung der Gesetze¶
mehr
und Fixierung des Gewohnheitsrechts fiel den Juristen zu. Ihre Thätigkeit war, obwohl gegen das Ende dieser Periode einige als
Schriftsteller auftraten, nicht wissenschaftlicher, sondern rein praktischer Art. Sie bestand in schriftlicher Abfassung
von Rechtsgeschäften, in der Belehrung der Parteien und in deren Unterstützung vor Gericht. Hauptsächlich aber wurde eine
neuen Bedürfnissen entsprechende und doch stetige Fortbildung des Rechts durch die Edikte der Prätoren
erzielt, welche, an sich nur auf das Amtsjahr des Prätors gültig, insoweit sich ihre Bestimmungen bewährt hatten, von dem
Amtsnachfolger wiederholt wurden und so zuletzt eine ausgedehnte, in der Hauptsache unveränderliche Sammlung von Rechtssätzen
bildeten. In denEdikten wurden im Gegensatz zu den nationalen (jus Quiritium) die allgemeinen Rechtsideen
(naturalis ratio, jus gentium), welche der Ausbreitung des Verkehrs zwischen römischen Bürgern und Nichtrömern ihre Entstehung
verdankten, zur Anerkennung und formellen Geltung gebracht.
In der dritten Periode, bis auf Konstantin d. Gr., bestehen anfangs die republikanischen Einrichtungen dem Scheine
nach fort; daher werden noch Gesetze, Senatsschlüsse und Edikte des Prätors erlassen. Indessen wurde das Edikt unter Hadrian
(132 n. Chr.) von dem Prätor SalviusJulianus neu redigiert und damit im wesentlichen abgeschlossen, und die jetzt zahlreichern
und bedeutungsvollern Senatsschlüsse waren bald nur die Form, um den Willen des Alleinherrschers zur
Geltung zu bringen.
Daneben erlangten die Anordnungen des Princeps in ihren verschiedenen Formen (edicta, mandata, decreta, rescripta) Gesetzeskraft
und wurden, nachdem auch die Form des Staats monarchisch geworden, die alleinige Quelle der Gesetzgebung. Die bedeutungsvollste
Fortbildung erfuhr aber das Recht durch die Juristen. Weniger als heutzutage mit einem schwerfälligen gelehrten
Apparat überladen, durch die Sitte, überall ihres Rats sich zu bedienen, in steter praktischer Thätigkeit erhalten, und,
da das Richteramt noch eine gemeine bürgerliche Pflicht, das Geschäft des eigentlichen Sachwalters aber den Anfängern überlassen
war, von mechanischen Arbeiten frei, schufen die römischen Juristen eine Rechtswissenschaft, welche als mustergültig angesehen
werden konnte und den eigentlichen Wert des römischen Rechts für die Geschichte begründet hat.
Sie haben es gleichmäßig verstanden, die Rechtssätze sowohl bis in die letzten Konsequenzen streng durchzuführen und gleichsam
mit ihren »Begriffen zu rechnen«, als auch die kleinsten thatsächlichen Umstände bei der Behandlung eines Rechtsfalles zu
berücksichtigen, den Anforderungen des praktischen Lebens gerecht zu werden und ihren Gedanken den schärfsten
und passendsten Ausdruck zu geben. Wesentlich verstärkt wurde der Einfluß der Juristen dadurch, daß die ausgezeichneten
unter ihnen das Recht erhielten, ex auctoritate principis Rechtsgutachten (responsa) zu erteilen, welche, wenn sie übereinstimmten,
von dem Richter befolgt werden mußten.
Vgl.
Huschke, Jurisprudentiae antejustinianae quae supersunt (5. Aufl., Leipz.
1886).
In der
vierten Periode, bis zu Justinian (550 n. Chr.), ist das Übergewicht Roms und Italiens völlig verschwunden. Mit dem
Untergang der römischen Volkstümlichkeit in dem weiten Weltreich erstarb auch die Wissenschaft des Rechts.
Man beschränkte sich auf Kompilationen aus den Schriften der frühern Zeit, auf Auswendiglernen der Rechtsregeln in den Rechtsschulen
und auf deren gedankenlose Anwendung in den Gerichten. Ohne jede Prüfung folgte man blindlings der Autorität der Juristen der
vorigen Periode.
Das sogen. Citiergesetz Kaiser Valentinians III. (426) erkennt geradezu den Grundsatz an, die juristischen
Schriften wie Gesetze aufzufassen, und verweist den Richter bei abweichenden Ansichten an die Mehrheit der Stimmen. Das Volk ist
von jeder Beteiligung an der Bildung des Rechts wie von dessen Anwendung ausgeschlossen. Letztere liegt allein in den Händen
der kaiserlichen Beamten, und die kaiserlichen Konstitutionen bilden die einzige Rechtsquelle. Durch Justinian
endlich ward das geltende Recht kodifiziert.
Nachdem nach dem Vorausgang einiger Privatarbeiten schon Theodosius II. 438 eine offizielle Sammlung der kaiserlichen Konstitutionen
veranstaltet hatte (CodexTheodosianus), ließ Justinian 528-534 eine gleiche Sammlung der noch gültigen Konstitutionen (Codex),
eine Zusammenstellung von Exzerpten aus den bedeutendsten juristischen Schriften (Digesta, Pandectae)
sowie ein kurzes Lehrbuch des Rechts (Institutiones) nach dem Muster desjenigen des Gajus bearbeiten und versah das Ganze mit
Gesetzeskraft, indem er zugleich alle in diese Arbeiten nicht aufgenommenen ältern Bestimmungen außer Kraft
[* 24] setzte.
Diese drei Arbeiten bilden mit den spätern Gesetzen Justinians (Novellae) das »Corpus juris civilis«, in
welcher Gestalt das römische Recht auf die Gegenwart gekommen ist. Das Gesetzeswerk Justinians umfaßt das ganze Rechtsgebiet,
das Staats-, Kirchen-, Straf- und Prozeßrecht sowie das Privatrecht. Dasselbe ist jedoch weniger ein Gesetzbuch nach dem Begriff
der Neuzeit als eine Sammlung von Materialien für ein solches oder für ein Lehrbuch des Rechts. Aber
gerade in seiner eigentümlichen Zusammensetzung liegt sein großer Wert, indem es die rechtswissenschaftlichen Leistungen
der römischen Juristen, man darf wohl annehmen, in ihrem bedeutungsvollsten Teil in sich aufgenommen und der Nachwelt erhalten
hat und die geschichtliche Entwickelung des Rechts bei einem Volk zu verfolgen erlaubt, welches für dessen
Ausbildung in hohem Maß befähigt war. Mit Justinians »Corpus juris« ist das römische Recht als nationales Recht abgeschlossen;
indes fand in Byzanz, abgesehen von einzelnen Konstitutionen späterer Kaiser, unter BasiliusMacedo und dessen Sohn Leo VI. eine
Umarbeitung dieses Rechtsbuches in griechischer Sprache statt, welche unter dem NamenBasiliken (Imperatoriae
Constitutiones) erhalten ist.
In den germanischen Staaten, welche aus den Trümmern des weströmischen Reichs sich erhoben, blieb das römische Recht für
die eingebornen Provinzialen fortwährend in Geltung. Wegen der Unmöglichkeit, dasselbe in seinem ganzen Umfang zu beherrschen,
veranstalteten die germanischen Fürsten kurze Zusammenstellungen, in welchen einige Bruchstücke kaiserlicher
Konstitutionen und juristischer Schriften erhalten sind. Zu diesen Zusammenstellungen gehören das »Edictum
Theodorici« für das ostgotische Reich (um 500),
die »Lex Romana Visigothorum« oder das »Breviarium Alaricianum« (506) und die
»Lex Romana Burgundionum« (517-524). In Italien
[* 25] publizierte Justinian nach dem Sturz des
¶
mehr
ostgotischen Reichs seine Gesetzsammlung außer den Novellen, und dieselbe kam dort, wie der sogen. »Brachylogus« und einige
andre Schriften aus dem 9., 10. und 11. Jahrh. zeigen, nie ganz in Vergessenheit.
Gewissermaßen eine Neubelebung erfuhr aber das römische Recht, als dasselbe seit dem 12. Jahrh.,
nachdem man vollständige Handschriften des »Corpus juris« wieder aufgefunden, auf der Rechtsschule zu Bologna von Irnerius und
seinen Schülern, den sogen. Glossatoren, zum Gegenstand ihrer Vorlesungen gemacht wurde (s.
Glosse).
Die Glossatoren beschränkten sich zwar auf eine fortlaufende Erklärung (Glosse) des Textes des »Corpus juris«;
allein ihre Thätigkeit ermöglichte es erst, über den ausgedehnten Stoff Übersicht und Herrschaft zu gewinnen, und ihre
Erklärungen, welche Accursius in der sogen. »Glossa ordinaria« zusammenstellte, sind noch jetzt von wissenschaftlichem und
praktischem Wert.
Als das wissenschaftlich ausgebildete Recht eines hochgebildeten Volkes kam das römische Recht den Anforderungen
entgegen, welche von der gestiegenen Kultur, dem entwickelten Verkehr und von der neuerwachten wissenschaftlichen Regung an
das Recht gestellt wurden, von den national-germanischen Rechten aber, unausgebildet wie sie waren, nicht befriedigt werden
konnten. Aus allen gesitteten LändernEuropas strömten daher zahlreiche Schüler zu den berühmten italienischen
Rechtslehrern und brachten die dort erlangte Rechtskenntnis zurück in ihre Heimat.
Wie dem Mittelalter die Lehren
[* 28] des Aristoteles für untrüglich galten, und wie man die römische und griechische Kunst und Litteratur
als mustergültig, »klassisch«, ansah, so erschien das römische Recht
als das schlechthin vernünftige Recht, als »geschriebene Vernunft« (raison écrite) und erlangte deshalb
wenn nicht gesetzliche Kraft, doch verbreitete Anwendung; dies wurde noch dadurch befördert, daß die Geistlichkeit überall
nach römischem Recht lebte und dasselbe in ihren damals mit so ausgedehnter Zuständigkeit ausgestatteten Gerichten mit denjenigen
Modifikationen zur Anwendung brachte, welche das kanonische Recht teils aus kirchlichen Rücksichten,
teils um den Bedürfnissen der Zeit Rechnung zu tragen, vorgenommen hatte.
An der Bearbeitung des römischen Rechts haben daher, außer England und Skandinavien, wo es am wenigsten Fuß faßte, alle europäischen
Kulturvölker der Reihe nach einen hervorragenden Anteil genommen. Die Postglossatoren (Odofredus, Bartolus, gest. 1357, Baldus,
gest. 1400, u. a.), welche in weitschweifigen
Kommentaren die Scholastik auch in der Jurisprudenz zur Geltung brachten, durch Modernisierung aber und Einflechtung des neuen
Gewohnheitsrechts die Anwendbarkeit des römischen Rechts beförderten, gehören meist noch Italien an. Die französische Schule,
in welcher Cujacius als scharfsinniger Exeget, Donellus (gest. 1591) als Systematiker hervorragen, suchte, unterstützt von
den fortgeschrittenen humanistischen Studien und durch neu aufgefundene Quellen des ältern römischen wie des byzantinischen
Rechts, mit Glück das römische Recht frei von neuerer Zuthat zu erfassen, in seinen Geist einzudringen und es zu rekonstruieren.
Der französischen Schule folgte, im ganzen die gleiche Bahn, jedoch mit geringerm Erfolg einschlagend und
sich mehr ans einzelne haltend, im 17. und 18. Jahrh. die holländische Schule (HugoGrotius, Schulting u. a.), welcher die
gleichzeitigen Spanier (Perez, Suarez u. a.) sich
anschlossen. In der zweiten Hälfte des 18. und im 19. Jahrh.
bildet Deutschland
[* 29] den Mittelpunkt des Studiums des römischen Rechts. Hatte man im 17. Jahrh. sich bestrebt,
das römische Recht den praktischen Bedürfnissen anzupassen, in welcher Richtung besonders Struve (gest. 1692), S. Stryk (gest.
1700), Schiller (gest. 1705) thätig waren, im Beginn des 18. Jahrh.
aber auf Anregung des Thomasius eine strenge Scheidung der einzelnen juristischen Disziplinen eingeführt, so machte sich nunmehr
wiederum das Streben geltend, das römische Recht selbst als solches, getrennt von dem deutschen, aus
welchem man eine besondere Disziplin gebildet hatte, zu erforschen, zugleich aber es selbständiger zu erfassen und eine bessere
Systematik anzustreben. Unter den zahlreichen Bearbeitern mögen hier nur Heineccius (gest. 1741), Hellfeld (gest. 1782), Hofacker
(gest. 1793), Schömann (gest. 1814), Haubold (gest. 1824), Glück (gest. 1831), Hasse (gest. 1831), E. Spangenberg
(gest. 1831), Göschen (gest. 1837), Mühlenbruch (gest. 1843), dann als Vertreter einer rationellen Richtung und als gefeierte
LehrerThibaut (gest. 1840) und Heise (gest. 1851) genannt werden. Die Erforschung der Geschichte des Rechts und damit eine genauere
Kenntnis des geltenden Rechts selbst ward von Hugo (gest. 1844), vor allen aber von Savigny (gest. 1861)
angebahnt und gefördert, an welche Männer sich die sogen. historische Schule anschloß.
Teils dieser angehörig, teils wieder mehr auf die systematische Behandlung und zum Teil auf eine kritische Behandlung des
römischen Rechts gerichtet sind Puchta (gest. 1846), Löhr (gest. 1851), Arndts (gest. 1878), v. Bethmann-Hollweg
(gest. 1877), Böcking (gest. 1870), Brinz (gest. 1887), Fein (gest. 1858), Francke (gest. 1873), Jhering, Keller (gest. 1860),
Kierulff, v. Scheurl, Sintenis (gest. 1868), v. Vangerow (gest. 1870), Wächter (gest. 1880), Windscheid u. a.
In Deutschland hat das römische Recht nicht allein als Vernunftrecht, sondern auch als positives, unmittelbar
anwendbares Recht Geltung erlangt. Die Rezeption des römischen Rechts in dieser Ausdehnung
[* 30] ward außer von den bereits hervorgehobenen
allgemeinen Gründen begünstigt teils durch den Zustand des einheimischen Rechts, welches, unzureichend und bei den verschiedenen
Stämmen, ja von Stadt zu Stadt verschieden, der Organe zu einer einheitlichen und den Bedürfnissen genügenden
Fortbildung entbehrte, teils dadurch, daß die deutschen Kaiser als Nachfolger der römischen Cäsaren, die Gesetze der letztern
mithin gewissermaßen als einheimische galten, und daß jene die Geltung des ihnen vielfach günstigen römischen Rechts zu
befördern bemüht waren.
Während der »Sachsenspiegel« (um 1230) vom Einfluß des römischen Rechts noch frei ist, zeigt der »Schwabenspiegel« (um 1275)
schon Spuren desselben und verrät die steigende Autorität der römischen »Meister«. Von nachhaltiger Wirkung
war die »populäre« Litteratur des römisch-kanonischen Rechts (vgl. darüber besonders die Monographie von Stintzing, Leipz.
1867). Im 15. Jahrh. wurde das römische Recht von den rechtsgelehrten Doktoren in den höhern Gerichten, in welchen sie Platz
fanden, trotz des Widerstrebens der Schöffen zur Geltung gebracht. Schon im Reichsabschied von 1342 hatte
KaiserLudwig der Bayer bestimmt, daß das kaiserliche Hofgericht »nach kunig und keisern, seiner vorfaren an
¶
mehr
dem römischen riche, gesetzen und ire geschrieben Rechten« richten sollte, und die Reichskammergerichtsordnung (1495) erkannte
die Rezeption an, indem sie die Richter auf »des Reichs und gemeine Rechte«, jedoch auch auf Statuten und Gewohnheiten verwies.
Aber erst im 16. und 17. Jahrh., als auch die Untergerichte überall mit Rechtsgelehrten besetzt
waren, war die Rezeption vollendet.
Vgl. A. Stölzel, Die Entwickelung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien (Stuttg.
1872, 2 Bde.).
Die Anwendung des römischen Rechts auf einheimische Rechtsverhältnisse, welche auf ganz andrer sittlicher Auffassung, auf
andern Gewohnheiten und wirtschaftlichen Bedingungen beruhen, rief viele und oft nur zu begründete Klagen und
teilweise heftigen und zähen Widerstand hervor. Es hat denn auch das römische Recht weder das einheimische deutsche ganz
zu verdrängen, noch sich selbst von dem Einfluß des letztern frei zu erhalten vermocht. Einmal ist es nur insoweit rezipiert,
als es in dem »Corpus juris civilis« enthalten und soweit dieses von den Glossatoren glossiert ist.
Sodann sind nicht anwendbar diejenigen Bestimmungen, welche sich auf das Staatsrecht oder auf solche Einrichtungen beziehen,
die in Deutschland nicht vorhanden sind, oder welche dem hier geltenden öffentlichen Recht widerstreiten. Es ist daher das
heutige römische Recht wesentlich von demjenigen unterschieden, welches unmittelbar in dem »Corpus juris«
enthalten ist, und man kann, genau genommen, nicht den Inhalt des letztern, sondern die in den gangbaren Lehrbüchern vorgetragenen,
in den Gerichten anerkannten Lehren als das geltende römische Recht ansehen.
Seit der Mitte des 18. Jahrh. machte sich eine Gegenströmung gegen das römische Recht bemerkbar.
Aus derselben sind das schon seit dem Regierungsantritt Friedrichs II. ins Auge
[* 33] gefaßte allgemeine preußische
Landrecht von 1794, welches das römische Recht nur als Aushilfsrecht bestehen ließ, und das schon von Maria Theresia beabsichtigte
österreichische Gesetzbuch von 1811 hervorgegangen. Infolge der französischen Revolution ward das römische Recht am linken
Rheinufer und in Baden
[* 34] vom französischen Recht, resp. von einer Nachbildung desselben verdrängt. 1815 mahnte
Thibaut eindringlich an eine allgemeine deutsche Gesetzgebung, und obwohl SavignysAnsicht, welcher der Gegenwart den Beruf dazu
absprach, zunächst die Oberhand behielt, fuhr man doch fort, neue Strafgesetzbücher und neue Straf- und Zivilprozeßordnungen
zu erlassen, welche das römische Recht wenigstens auf diesem Gebiet mehr und mehr verdrängten. 1863 trat
in Sachsen
[* 35] ein neues bürgerliches Gesetzbuch in Kraft, welches das römische Privatrecht vollständig beseitigte. In umfassendster
Weise ist endlich die Gesetzgebung des neuen DeutschenReichs dem Streben nach nationaler Rechtseinheit und Loslösung vom römischen
Recht gerecht geworden (s. Deutsches Recht).
Mit dem Inkrafttreten des allgemeinen deutschen Zivilgesetzbuchs wird dem römischen Recht nur noch ein
wissenschaftlicher Wert und eine Bedeutung als juristisches Bildungsmittel zuerkannt werden können.
Die Angehörigen dieser Tribus waren die einzigen Vollbürger (Patrizier, patricii) und bildeten das ursprüngliche römische
Volk (Populus Romanus Quirites oder Quiritium, s. Quiriten); neben ihnen gab es in der ältesten Zeit nur noch Klienten, d. h.
Hörige, welche, obgleich nicht unfrei, doch in persönlicher Abhängigkeit von einzelnen Vollbürgern
standen (s. Klientel), und Sklaven. Weil die Vollbürger den Klienten einen väterlichen Schutz zu gewähren hatten, so hießen
sie Patrone (patroni). Zu diesem Kern der ältesten römischen Bürgerschaft kamen aber schon unter den Königen, hauptsächlich
unter dem vierten derselben, Ancus Marcius, zahlreiche Einwohner der benachbarten, hauptsächlich latinischen, Städte
hinzu, welche nach Unterwerfung ihrer Städte in das römische Bürgerrecht aufgenommen wurden und wohl persönlich vollkommen
frei waren, aber an dem Stimm- und Ehrenrecht der Vollbürger keinen Anteil hatten.
Einen besondern Bestandteil der Bürger bildeten endlich noch die Freigelassenen (libertini), welche den übrigen Bürgern in
mehrfacher Beziehung nachstanden. Alle diejenigen, welche nicht zu einer dieser Klassen gehörten, wurden
Fremde (peregrini, in ältester Zeit auch hostes) genannt. Nachdem in dem bis ins 3. Jahrh.
v. Chr. fast ununterbrochen fortgesetzten Kampf die politischen Vorrechte der Patrizier so gut wie völlig aufgehoben worden
waren, bildete sich allmählich aus den Familien derer, welche vorzugsweise im Besitz der Ehrenstellen
und großen Reichtums waren, ein neuer bevorrechteter Stand, die sogen. Nobilität; zwischen sie und die große Masse des Volkes
trat der Ritterstand (ordo equester), welcher ohne alle Beziehung zum Kriegsdienst alle diejenigen umfaßte, welche ein bestimmtes
Vermögen besaßen, und in der letzten Zeit der Republik nicht ohne politische Bedeutung war. In der Kaiserzeit
nahm die Gesamtheit derjenigen Familien, deren Angehörige im Senat saßen oder gesessen hatten, immer mehr den Charakter eines
eignen Standes, des Ordo senatorius, an.