man inPersien
[* 2] oder
Zentralasien
[* 3] sucht. Ende des 17. Jahrh. kam ein
Exemplar nach
Warschau,
[* 4] 100 Jahre später ein männliches
Exemplar nach
Wörlitz (aus der
Lombardei), und von diesem stammen alle deutschen
Exemplare ab. Man kennt in ganz
Deutschland
[* 5] nur acht weibliche
Bäume. Anfänglich in fürstlichen
Anlagen gern benutzt, wurde sie später namentlich
Alleebaum; wegen der den benachbarten
Äckern schädlichen
Ausläufer und des vielen auf ihr vorkommenden Ungeziefers aber
wird sie in neuerer Zeit weniger angepflanzt.
Die kanadische (Pappel canadensis Mnch.,
Pappel moniliferaAit.) wird 30 m hoch, bildet eine längliche
Krone, hat mehr oder weniger eckige, in derJugend
von Korkrippen kantige
Zweige, beim Entfalten klebrige
Knospen,
[* 6] rautenförmige, in der
Jugend am
Rand behaarte
Blätter, völlig
unbehaarte Blattstiele, stammt aus
Nordamerika
[* 7] und kam erst im vorigen
Jahrhundert nach
Frankreich, von wo sie sich sehr schnell
verbreitete. Sie ist ungemein schnellwüchsig und gewährt viel höhere
Erträge als die Schwarzpappel.
Sie hat letztere bei uns stark zurückgedrängt und ist für
Alleen und Parkanlagen sehr empfehlenswert. III.
TacamahacaSpach,
Zweige und
Knospen klebrig,
Blätter rundlich oder länglich; Blattstiele kurz, rundlich, 20-30
Staubgefäße.
[* 8] Die Balsampappel
(Pappel balsamifera.L.) ist ein in
Nordamerika,
Sibirien und Nordchina heimischer und dort eine
Höhe von 25 m
erreichender
Baum mit länglicher oder eirund-länglicher
Krone, rundlichen oder eckigen, braunroten
Zweigen, sehr veränderlichen,
eirunden oder herzförmigen, mit verlängerter
Spitze versehenen, auch länglichen, gesägten, auf der Unterseite weißlichen,
in der
Jugend mehr oder weniger behaarten Blättern.
Sie wird in mehreren
Varietäten kultiviert und wurde früher viel an Wegen angepflanzt, während man
sie jetzt der vielen
Ausläufer halber nur noch wenig benutzt. Die Pappeln haben vor allem einen hohen landschaftlichen (italienische
Pappel, Silberpappel) und wegen der schnellen und reichlichen Holzproduktion auch praktischen Wert. Das
Holz
[* 9] ist weich, leicht,
regelmäßig spaltbar, nur im
Trocknen dauerhaft und wird zu manchen
Zwecken als
Nutzholz, namentlich auch
in der Papierfabrikation
[* 10] und zu Zündhölzern, benutzt. Die
Knospen der Schwarzpappel und andrer
Arten sind sehr balsamisch
und dienen zur Bereitung der
Pappelsalbe. Die Pappeln sind nicht wählerisch in Bezug auf den
Boden und gedeihen fast überall,
sie sind unter allen
Bäumen am raschwüchsigsten und eignen sich deshalb gut zu
Deckpflanzungen und als
Mittelpunkt größerer
Gruppen. Sie vertragen auch das
Köpfen gut (am wenigsten Pappel alba, tremula und balsamifera) und machen
leicht
Stockausschlag.
Stadt im bayr. Regierungsbezirk
Mittelfranken, Bezirksamt
Weißenburg,
[* 11] an der
Altmühl und der
LinieMünchen-Bamberg-Hof
der Preußischen Staatsbahn, 405 m ü. M., ist Hauptort der Herrschaft Pappenheim (183
qkm) und hat 2
Schlösser, ein ehemaliges Augustinerkloster mit der Familiengruft der
Grafen von eine Burgruine,
eine wertvolle Petrefaktensammlung, ein
Amtsgericht, Bierbrauereien,
eine Kunstmühle und (1885) 1790 meist evang.
Einwohner. - Pappenheim erhielt 1288 durch König
Rudolf die
Rechte der Stadt
Weißenburg. Pappenheim ist der Stammsitz des reichsgräflichen
Geschlechts von Pappenheim, das ursprünglich nach der Herrschaft Kalden (bei
Kempten)
[* 12]
Kalindin (Calatin) hieß
und schon im 10. Jahrh. urkundlich vorkommt.
Mit Bezug auf das
Reichsamt und die
Lehen bestand in der
Familie seit 1473 ein
Seniorat; doch führte jeder
Graf von Pappenheim den
TitelReichserbmarschall. Außerdem besaß die
Familie Pappenheim das Reichsforst- und Jägermeisteramt im Nordgau. Erst 1618 ließ
sie sich wegen der Landgrafschaft Stuhlingen ^[richtig:
Stühlingen], mit der
GrafKonrad 1582 belehnt war,
in das schwäbische Grafenkollegium einführen, und seitdem schrieben sich ihre
Glieder
[* 14]
Grafen und
Herren zu Pappenheim 1806 kam die
Herrschaft unter bayrische
Hoheit. 1807 bewilligte der König von
Bayern
[* 15] der
Familie die Standesherrlichkeit.
Für den Verlust des Reichserbmarschallamtes wurde das
Haus Pappenheim 1815 durch Besitzungen im bisher französischen Saardepartement
entschädigt, überließ dieselben jedoch für
Geld an
Preußen.
[* 16] Ein
Dekret des
Königs von
Bayern vom ernannte
das jedesmalige
Haupt der
Familie zum erblichen
Reichsrat mit Sitz und
Stimme in der bayrischen
Kammer der
Reichsräte, und ein
andres verlieh 1831 dem jedesmaligen
Chef des
Hauses das
Prädikat
»Erlaucht«. Von den vier
Linien des
Hauses
Pappenheim, die im 15. Jahrh. entstanden, erloschen die zu
Gräfenthal, Algöw und Treutlingen schon früher; dagegen blüht die von
Altzheim noch in dem protestantischen
Zweig.
Haupt desselben ist gegenwärtig
GrafMaximilian von Pappenheim, geb. bayrischer
Reichsrat, Sohn des
GrafenLudwig von Pappenheim (geb. gest.
Geometer, lebte (nach Usener und Hultsch) im 3. Jahrh. n. Chr. in Alexandria. Sein Hauptwerk, die »Mathematischen
Sammlungen«, welches eine Hauptquelle für unsre Kenntnis der Geometrie der Alten bildet, enthält die zerstreuten Entdeckungen
andrer Mathematiker und vieles dem Pappos Eigentümliche. Man trifft darin unter anderm Sätze über Doppelverhältnisse,
Involutionen, Kegelschnitte,
[* 39] deren Tragweite erst eine viel spätere Zeit erkannt hat; auch die von dem JesuitenGuldin (1577-1633)
aufs neue entdeckte zentrobarische Regel zur Bestimmung des Inhalts und der Oberfläche von Rotationskörpern findet sich schon
bei
Pappos. Von den acht Büchern der »Mathematischen Sammlungen« sind nur noch die sechs letzten und der Schluß
des zweiten Buches handschriftlich vorhanden (in lateinischer Übersetzung, Pesaro 1588 u. 1602, Bologna 1660),
eine Charaktermaske des altitalischen Volkslustspiels, s. Atellane. ^[= (fabula Atellāna), altital. Volkslustspiel mit stehenden Charaktermasken (wie die commedia ...]
Indes ist diese Begründung der römischen Hierarchie erst später aufgekommen. Ihre wahren Grundlagen liegen in den Umständen,
unter welchen sich die christliche Kirche in dem Römerreich ausbreitete, und in der Stellung, welche Rom und seine Bischöfe
dabei einzunehmen durch örtliche und zeitliche Verhältnisse veranlaßt und befähigt wurden. Roms alter
Ruhm und seine überwiegende Weltstellung gingen auf die in Rom frühzeitig entstandene Christengemeinde über, und hierzu
gesellten sich noch neue, kirchengeschichtlich bedingte Vorzüge.
Die Gemeinde in Rom war im Abendland die einzige, welche sich apostolischen Ursprungs und ebendarum auch des Besitzes der allein
wahren Lehrüberlieferung rühmen konnte. Der ApostelPaulus hatte an sie geschrieben, sie besucht, in
ihrer Mitte den Tod gefunden, und schon im 2. Jahrh. findet sich die Angabe, daß auch das Haupt der zwölf Apostel, Petrus,
den Grund des römischen Christentums gelegt habe. Hier mußten jedenfalls die innern Gegensätze und Kämpfe des
ursprünglichen Christentums zur Ausgleichung und Entscheidung kommen.
Frühzeitig waren daher die Blicke aller abendländischen Kirchen vorzugsweise auf Rom gerichtet, und von dorther entnahmen
die Gemeinden in Italien, Gallien, Spanien, Britannien, Afrika
[* 42] etc. die Normen ihres eignen Verhaltens um so lieber, als auch gerade
von Rom aus das meiste für Verbreitung des Christentums im Westen und Norden
[* 43] geschah. Dazu kam, daß gerade
in den ersten christlichen Jahrhunderten viele durch glänzende Talente und politischen Scharfblick ausgezeichnete Männer den
römischen Stuhl innehatten. Der Gedanke der Herrschaft über die gesamte Kirche ward von ihnen früh erfaßt und weise und
konsequent verfolgt. Was einer erwarb an Gütern, Ehren oder Macht, vermehrte das Erbe des heil. Petrus und
gab dem Nachfolger die Mittel zu weiterm
¶
Die Geschichte des Papsttums läßt sich in acht Perioden zerlegen. Die erste Periode umfaßt die drei ersten
Jahrhunderte der Kirche. Hier ist die Succession bis in die Hälfte des 2. Jahrh. nicht mehr ganz bestimmt zu ermitteln. Die
Papstkataloge gehen von dem angeblichen Primat des ApostelsPetrus aus, schwanken dann in der Reihenfolge der drei Namen Linus,
Anacletus (Anencletus oder Cletus) und Clemens I. und zählen dann folgendermaßen weiter:
Im ganzen windet sich die Geschichte der römischen Bischöfe ziemlich dürftig durch diese Jahrhunderte des Druckes; indes
erhoben doch einige unter ihnen, wie namentlich Viktor I., schon jetzt mit mehr oder minder Glück Ansprüche auf
einen kirchlichen Primat, und die zentrale Bedeutung Roms ward schon von Irenäus im Abendland anerkannt.
Die zweite Periode begreift die drei folgenden Jahrhunderte (300-600), von Silvester I. bis Gregor I.; sie ist die Zeit der weitern
Durchbildung der hierarchischen Ideen und ihrer praktischen Verwirklichung in einem großen Teil des Römerreichs
und bei mehreren germanischen Völkern. Wie der Übertritt des kaiserlichen Weltbeherrschers zur christlichen Kirche, so kam
auch die gleichzeitige Verlegung der kaiserlichen Residenz nach Konstantinopel
[* 46] dem römischen Patriarchen sehr zu statten, indem
sie ihn aus der dem Aufblühen seiner Macht nicht günstigen Atmosphäre der Hofluft befreite.
Bald war das Urteil des römischen Bischofs auch in Glaubensstreitigkeiten kaum mehr zu umgehen. Unter den
römischen Bischöfen finden wir keine spekulativen Köpfe, selbst nur wenige Gelehrte; desto mehr praktischen Takt und strenge
Konsequenz besaßen sie. Rom kehrte sich nie an Theorien, sondern hielt sich an das Bewährte, Sichere; was auf einer
allgemeinen Synode entschieden war, das war für Rom fast ausnahmslos Glaubensnorm,
und es hatte dabei fast immer den Ruhm der
Orthodoxie für sich.
Bei dem Eindringen der germanischen Stämme wußte der römische Bischof das ganze Gewicht geltend zu machen, wodurch jemals
geistliche Würde der Unkultur imponiert hat. Attilas Abzug von Rom, durch Leos d. Gr. Zureden bewirkt, galt
bald als Wunderbeweis für die päpstliche Macht. Den Goten gegenüber schloß sich das italienische Volk nur noch enger an den
einheimischen Machthaber an, der am sichersten gegen die fremden, dazu arianischen Eroberer Schutz verhieß.
Eine Einbuße an Ansehen erlitt der römische Stuhl erst infolge der Unterwerfung Italiens
[* 47] unter die oströmische
Herrschaft durch Belisar, so daß zu Ende des 6. Jahrh. der Papst seiner politischen Bedeutung nach
in der That nur Vasall des griechischen Kaisers und seines Stellvertreters, des Exarchen zu Ravenna, war. Mehr als einmal haben
byzantinische Kaiser, wie Justinian, über römische BischöfeGericht gehalten, Absetzungsurteile, Verbannungen
und andre Strafen ausgesprochen.
Trotzdem blieb man im Abendland daran gewöhnt, von Rom aus den ersten Rang in Anspruch nehmen zu hören; schon ein Dekret Valentinians
III. vom Jahr 445 hatte den dortigen Bischof für die letzte Instanz der Bischöfe erklärt und ihm den unbedingten Primat
zuerkannt. Ließ sich derselbe auch noch lange nicht faktisch durchführen, erhoben namentlich auch unter den abendländischen
Bischofsitzen die wichtigsten, wie Mailand,
[* 48] Ravenna, Aquileja, von Zeit zu Zeit gegen die Einmischung des Papstes in ihre Angelegenheiten
Protest, so überzeugte man sich doch immer allgemeiner davon, daß, wenn die Kirche eine Einheit bilden
solle, das dieselbe repräsentierende Oberhaupt in Rom residieren müsse (s. Hierarchie).
Manche Einzelheiten der Praxis verraten, zu welcher Bedeutsamkeit der apostolische Stuhl in dieser Periode nach und nach gelangte.
So drückt die Anstellung von Vikaren des römischen Bischofs in entlegenen Ländern die Idee aus, daß dort, wohin das päpstliche
Auge
[* 49] selbst nicht blicken könne, ein Vertreter dafür gehalten werden müsse. Ebenso wurde es jetzt schon als notwendig
angesehen, das bischöfliche Pallium
[* 50] von Rom zu holen. Die Päpste der zweiten Periode umfassen die folgenden 33 Namen:
Die beiden bedeutendsten Päpste in dieser Reihe sind unstreitig Leo I. (s. d.) und Gregor I. (s. d.), welche beide das Prädikat
»der Große« erhalten haben. Beide übersahen mit scharfem Blick ihre Zeiten und redeten gleichsam im Vorgefühl der künftigen
Papstwürde. Bezeichnend für die Praxis des christlichen Rom, welches sich als direkte Nachfolgerin der
heidnischen Weltherrscherin faßte, ist, daß beide auch den TitelPontifex maximus oder Summus pontifex
¶
mehr
annahmen. Zu derselben Zeit kamen auch die Ausdrücke auf: »apostolischer Herr«, »apostolischer Sitz« etc. Den Ehrentitel Papst, den
in der griechischen Kirche alle Kleriker führten, gebrauchte in der lateinischen zuerst der römische BischofSiricius zur Bezeichnung
seiner Stellung. Auch unter den übrigen römischen Bischöfen dieser Periode ist noch mancher staatskluge
und charakterstarke Mann. Liberius, zuerst wegen seiner Opposition gegen den Arianismus von Constantius exiliert, erwarb 358 durch
Übertritt zum Semiarianismus seinen Bischofstuhl wieder, den seit 355 der Arianer Felix II. eingenommen hatte, wodurch die
OrthodoxieRoms zum erstenmal befleckt erschien. Übrigens sind diese beiden ketzerischen Päpste von spätern Päpsten heilig
gesprochen worden.
Dieses Beispiel entschied auch für Frankreich, wohin gleichfalls Bonifacius, um die desorganisierten kirchlichen
Verhältnisse zu ordnen, berufen ward. Gleichzeitig trennte der Bilderstreit (s. Bilderdienst und Bilderverehrung) die Päpste,
welche hier ganz offen als Feinde der byzantinischen Kaisermacht auftraten, und Rom auf die Dauer von der letztern. Das Exarchat
fiel zwar zunächst den Langobarden zu, aber eben gegen diese ging nun das Papsttum einen dauernden Bund
mit den Karolingern in Frankreich ein. So wurde es vorbereitet, daß Pippin die fränkische Krone aus der Hand
[* 52] des Papstes sich
geben ließ und zum Gegendienst diesen dafür von den Langobarden befreite u. mit einem ansehnlichen Land
belieh, welches Karl d. Gr. nachmals noch bedeutend erweiterte. So kam das Land zwischen Ravenna und Ancona
[* 53] unter päpstliches
Regiment.
Die weltliche Herrschaft des Bischofs von Rom war begründet (s. Kirchenstaat). Die Landeshoheit zwar behielt sich Pippin unter
dem Titel eines Patriziers der Stadt Rom vor, und auch sein großer Sohn betrachtete und behandelte fortwährend
den Papst als seinen Vasallen; indem er aber aus den HändenLeos III. die römische Kaiserkrone empfing, räumte er dem apostolischen
Stuhl eine Ehre ein, die bald nachher als Recht von den Päpsten beansprucht und geltend gemacht wurde, und in welcher die nachmalige
Erhebung des Papstes über den Kaiser selbst vorgebildet war.
Erstreckte sich die Gewalt des Papstes auch nur auf Sachen des Dogmas und des religiösen Zeremoniells, da der Kaiser das eigentliche
Kirchenregiment selbst übte, Bischöfe ernannte, Synoden berief, kirchliche Gesetze bestätigte und ihnen durch Aufnahme in die
Kapitularien erst verbindende Kraft
[* 54] verlieh: so ließ doch jene Stellung den römischen Bischof als den ersten
Mann nächst dem Kaiser erscheinen und schon die Möglichkeit ahnen, daß der Papst einem schwachen Kaiser gegenüber als der
absolute Gebieter der Christenheit auftreten könne. Jetzt erst war sein Primat nicht mehr bloß ein Primat des Ranges. Aber
der Ruhm der Rechtgläubigkeit wurde auch in dieser Periode schwer kompromittiert durch Honorius I., welchen
das sechste ökumenische Konzil 680 und Papst Agatho selbst als Ketzer verdammt hatten. Die Päpste der dritten Periode (im Verzeichnis
der Päpste 65-108) sind:
Durch die Aufnahme von vielen der neuen Dekretalen in die Rechtsbücher der Kirche gingen jene allmählich
in das gemeine Recht über. Päpsten aus den frühsten Jahrhunderten werden hier die entsprechenden Worte in den Mund gelegt
und so eine andre Vergangenheit dem damaligen Zustand untergeschoben. Mit dem Ausdruck eines Episcopus ecclesiae universalis
werden Rechte und Befugnisse in Verbindung gesetzt, wodurch die kollegialische Gleichheit aller Bischöfe
nach der Cyprianischen Idee völlig vernichtet ward.
Der Inhaber dieses Stuhls heißt das von Gott eingesetzte Haupt, von dem die ganze Kirchenregierung ausgeht, auf dessen Veranstaltung
und unter dessen Autorität nur Synoden gehalten werden dürfen, dem höchste Jurisdiktion zukommt etc. Was in den abgelaufenen 800 Jahren
nicht hatte errungen werden können, das galt jetzt auf einmal als bestätigt durch das Zeugnis einer
ehrwürdigen Vergangenheit, und keine Kritik enthüllte eine so ungeheure Täuschung. Die Päpste nahmen gern an, was ihnen
das Zeitalter bot.
Nikolaus I., einer der ersten Päpste, die sich krönen ließen, war ganz der Mann, Vorteil aus dem
neuen Privilegienbuch zu ziehen. Er zwang den König Lothar II. von Lothringen, seine verstoßene Gemahlin wieder anzunehmen,
bot, die Dekretalen in der Hand, dem ganzen französischen Klerus unter seinem FührerHinkmar von Reims die Spitze, kassierte die
in bester Form schon vollzogene Absetzung des Bischofs Rothad von Soissons und setzte die Bischöfe von
Köln
[* 57] und Trier
[* 58] ab. Sein Nachfolger Hadrian II. gab zwar dieses ganze Gebiet wieder preis; dagegen gelangte Johann VIII., nachdem
er Karl dem Kahlen die Kaiserkrone zugewendet hatte, wieder zur
¶
mehr
ausgedehntesten Herrschaft über die französische Kirche. Die Schwäche der letzten Karolinger gab der päpstlichen Politik
eine treffliche Gelegenheit, sich bei allen wichtigern Angelegenheiten einflußreich zu beweisen; indes hatte dieselbe Schwäche
der regierenden Häupter auch die Folge, daß in Italien, ja in Rom selbst, Bürgerkriege ausbrachen, in denen der Papst mehrmals
das Geschick der besiegten Partei teilen mußte. Römische
[* 60] Adelsfamilien, an ihrer SpitzeTheodora und Marozia, konnten es versuchen,
das Papsttum ganz zu einer nationalen Macht und zu einem weltlichen Besitztum umzugestalten.
Mit Sergius III. begann die Zeit des sogen. Hurenregiments (Pornokratie), welchem erst das Einschreiten der deutschen Kaiser
ein Ende machte; aber jetzt ruhte die Hand der Ottonen schwer auf den Italienern. Die völlige Unterordnung
der päpstlichen unter die Kaisergewalt war nie entschiedener als unter diesen sächsischen Kaisern. Aber die Kaiser befreiten
zugleich das Papsttum von der Herrschaft des römischen Adels und stellten seine moralische Autorität wieder her.
Heinrich III. selbst beseitigte 1046 drei sich streitende Päpste und setzte fromme, kirchlich eifrige
Männer in die päpstliche Würde ein. Daher nahm das Papsttum im 11. Jahrh. gleichzeitig mit der Zunahme streng religiösen
Eifers in der Christenheit einen mächtigen Aufschwung. Die Pseudo-IsidorischenDekretalen kamen jetzt zu vollster Geltung, und
der Papst erntete für die Handhabung der ihm darin übertragenen Macht den Dank der Mitwelt.
Überall war er der Unterstützung des Volkes gewiß, wenn er unwürdige Geistliche absetzte und auf Synoden ziemlich willkürlich
verfuhr. Es galt ja der Regeneration der Kirche, und in Betracht des allgemeinen Wohls fragte man nicht nach der Quelle,
[* 61] aus welcher Rom seine reformatorische Befugnis ableitete.
Selbst seine während der Pornokratie verloren gegangene lokale Unabhängigkeit und Würde gewann der päpstliche Stuhl zurück
durch das von Nikolaus II. auf Betrieb Hildebrands 1059 erlassene Dekret über die Papstwahl. Dasselbe übertrug letztere dem
Kardinalkollegium, brach dadurch den Einfluß, den das römische Volk und der Adel darauf geübt hatten,
und hob das Recht der Bestätigung auf, welches bisher dem Kaiser zustand. Seitdem nimmt der Papst in dem allgemeinen Bewußtsein
der westeuropäischen Christenheit den höchsten Rang ein.
Die Kaiser mußten sich damit begnügen, die Lehnsherrlichkeit der Päpste abzulehnen; sie waren zu schwach, um noch
die Staatshoheit über die Päpste geltend machen zu können. Gleichfalls auf Hildebrand läuft die enge Verkettung der Ordensgeistlichen
mit den päpstlichen Interessen zurück. Die neuen Ordensstiftungen seit dem Anfang des 11. Jahrh., wodurch
die alte Benediktinerregel stets geschärft ward, bis endlich die Bettelmönche im Anfang des 13. Jahrh. auftraten, verstärkten
die Zahl ergebener Diener des päpstlichen Interesses; von Rom mußten sie ihre Anerkennung, die Bestätigung ihrer Regeln und
Privilegien erbitten, und dafür waren sie die natürlichen Verbündeten des Papstes bei allem, was er gegen Volk, Weltgeistliche
und Fürsten ins Werk setzte.
Die
fünfte Periode reicht von Gregor VII. bis zur Verlegung des päpstlichen Stuhls nach Avignon, vom Ende des 11. bis zum Anfang
des 14. Jahrh., und zeigt uns das Papsttum, dessen weltlicher Besitz durch die Erbschaft der Gräfin Mathilde
vermehrt ward, auf dem Gipfel seiner Macht und seines Glanzes. Jene neuorganisierte Papstwahl, welche Nikolaus II. unter bloß
scheinbaren, auch nicht lange mehr gültigem Vorbehalt der kaiserlichen Rechte angeordnet hatte, sicherte der römischen Kirche
den Besitz talentvoller Häupter und erleichterte die konsequente Durchführung eines und desselben Plans.
Die Idee, welche sich Gregor VII. vom Papsttum gebildet hatte und die in vieler Beziehung auch schon von Pseudo-Isidor ausgesprochen
worden war, hat eine doppelte Seite, eine politische und eine kirchliche. Nur die erstere ist fast ganz die ErfindungGregors.
Alle frühern Verherrlicher des Papsttums wollten den römischen Bischof nur zum Primas der Kirche erheben;
nach GregorsPlan aber sollte derselbe als RepräsentantGottes auf der Erde erscheinen, von dem nicht bloß die kirchlichen,
sondern auch die weltlichen Gewalten abhängen, dem nicht bloß die bischöfliche Autorität, sondern auch die Majestät der
Könige ihren Ursprung verdanke. Es ist die Idee einer alles umfassenden Theokratie, an deren Spitze der
Papst steht, eines großen Lehnsverbandes, der allen kirchlichen und weltlichen Besitz umschließt, und dieser Idee gemäß handelten
Gregor VII. und seine Nachfolger, wenn sie Fürsten bannten und absetzten, über Kronen
[* 62] verfügten und Länder verschenkten.
Den ersten Schritt zum Kampf gegen die weltliche Macht that Gregor in der Aufnahme des Investiturstreits.
Es handelte sich um das wichtige Kronrecht, wonach der Landesherr dem neuerwählten Bischof die Temporalien seiner Pfründe durch
Belohnung mit Ring und Stab
[* 63] zu verleihen hatte. Was Gregor hier freilich nur anbahnen konnte, das setzte Innocenz III.
zuletzt siegreich durch, und statt der alten feudalen Belohnung blieb dem Kaiser nichts als ein Empfehlungsrecht. Der zweite
Hauptzweck, die Unterwerfung des geistlichen Standes und aller kirchlichen Autoritäten unter die Alleingewalt des Papstes,
wurde bereits von Gregor VII. vollständig erreicht. Die Geistlichkeit wurde durch den Glaubenseid, durch den Cölibat etc.
¶
mehr
von allem Verband
[* 65] mit Staat und Familie abgelöst und zu einem großen Heer von päpstlichen Beamten umgewandelt. Der Papst ist
nicht bloß die höchste, sondern auch die einzige ordentliche Würde in der Kirche, alle übrigen sind nur ein Ausfluß
[* 66] von
ihm; er ist also nicht bloß Nachfolger des Petrus, sondern Stellvertreter Christi auf Erden. Von dieser
Unterwürfigkeit legten alle Kirchenbeamten gleich bei ihrer Einführung Zeugnis ab: die Erzbischöfe holten in Rom das Pallium,
die Bischöfe erhielten von Rom ihre Konfirmation, und während ihrer Amtsführung ward ihnen das Unterthänigkeitsverhältnis
dadurch stets ins Gedächtnis zurückgerufen, daß alle einzelnen Rechte des Bischofs und Erzbischofs auch
vom Papst in ihrem Sprengel ausgeübt wurden, er sich als Ordinarius, sie aber als Delegierte hinstellte.
Die höchste Entscheidung in kirchlichen und Ehesachen wohnte fortan dem römischen Stuhl bei. Was sonst jedem Bischof in seiner
Diözese freistand, und zwar nur ihm allein: von Verbrechen zu absolvieren, von Strafen zu dispensieren,
die niedern Pfründen und Benefizien zu verleihen, Heilige zu kanonisieren, kirchliche Auflagen auszuschreiben, dies geschah
jetzt ebenfalls nur kraft von Rom erhaltenen Auftrags. Durch die Aussendung von päpstlichen Legaten mit allgemeiner Vollmacht
zur Visitation der Kirche setzte Gregor VII. seiner hierarchischen Autokratie die letzte Spitze auf.
Die sechste Periode reicht von der Verlegung des päpstlichen Stuhls nach Avignon bis zur Reformation (1305-1517) und bezeichnet
die Zeit des tiefsten Verfalls des Papsttums. Clemens V. war durch französische Unterstützung zum Papst erhoben
worden und stand fortwährend unter französischer Gewalt, so daß er, wie seine Nachfolger, nur gegen andre Mächte, namentlich
gegen den Kaiser, die alte Papstsprache anwenden konnte. Der Papst wurde zum Werkzeug der Eifersucht, die Frankreich gegen Deutschland
nährte, herabgewürdigt; seine ganze Stellung aber ward noch verächtlicher dadurch, daß das Streben
der päpstlichen Kurie im Grund nur noch auf Geldgewinnung gerichtet war.
Nach der Entfernung von Rom hörte bald der Zuschuß aus dem dortigen PatrimoniumPetri auf, und die kostspielige Hofhaltung
war allein auf Finanzspekulationen bei den Gläubigen angewiesen. Die geistlichen Benefizien und Pfründen wurden jetzt von
den Päpsten ebenso verhandelt, wie es unter der Herrschaft der von den Kaisern und Fürsten geübten Simonie
geschehen war. Unter stets neuen Vorwänden (Ablaß von Sünden, Steuer zum Türkenkrieg, Taxen und Annaten, Spolien, Zehnten, Vakanzen)
wurde das Abendland vom Papst gebrandschatzt.
Das Abendland zerfiel in zwei Hälften, und auch nach dem Absterben der Rivalenwar an keine Vereinigung zu denken; denn sofort
beeilte sich jede Kardinalpartei, durch die Wahl eines Nachfolgers sich einen neuen Stützpunkt zu verschaffen. So kam es,
daß 40 Jahre lang kein allgemein anerkannter Papst zu finden war, und ebenso lange vernahm man
die Bannflüche des einen Papstes gegen den andern. Gleichzeitig konsolidierten sich die Staatsgewalten, besonders in Frankreich,
immer selbstbewußter und stieg zugleich die Autorität der weltlichen Wissenschaften.
Nur schwer vermochten sich jetzt die Päpste in ihrer Herrschermacht mehr zu behaupten. Eine Krise nahte;
man rief nach »Reform an Haupt undGliedern«, und bald fand man, nach dem Vorgang der UniversitätParis,
[* 71] nur in einem allgemeinen
Konzil die Möglichkeit der Rettung (s. Episkopalsystem und Konzil). Zwar zu Pisa
[* 72] 1409, wo man einen neuen Papst in der PersonAlexanders V. einsetzte, noch ehe man die allgemein ersehnte Reform der Kirche in Angriff genommen hatte, gewann man, da auch
die abgesetzten Päpste nicht von ihren Posten¶