Unterwerfung zu zwingen. Die
Führer der ständischen
Opposition,
JohannesRoth, der Schöppenmeister von
Königsberg,
[* 2] und die
beiden
Kalckstein, wurden verhaftet, einer der letztern 1672 wegen
Hochverrats hingerichtet. Die brandenburgische Herrschaft
ward hiermit in
Preußen
[* 3] erst dauernd begründet, und dieses bildete fortan ein
Glied
[* 4] des
StaatsPreußen (s. d.).
Der
Krieg von 1806 bis 1807 legte
Preußen wiederum große
Opfer auf; aber das Land bewährte sich als
Kern
des
Staats, dem es den
Namen gegeben. Die glorreiche
Erhebung des preußischen
Volkes 1813 ging von Ostpreußen aus; die ostpreußischen
Stände gingen mit der
Organisation derLandwehr voran, welche sich auf dem Schlachtfeld den größten
Ruhm erwarb. Doch brachte
die Neugestaltung der politischen Verhältnisse 1815
Preußen, das mit die größten
Opfer gebracht hatte,
nicht nur keinen
Lohn, sondern erhebliche Nachteile.
Während die 1813 von den
Korporationen und
Gemeinden für den
Staat gemachten
Schulden nicht von diesem übernommen wurden,
sondern jenen zur
Last blieben, schadete die Abtretung ganz
Polens an Rußland, das sich nun kommerziell abschloß, dem preußischen
Handel außerordentlich, und die aus Rücksicht auf die neuerworbenen westlichen
Lande in
Preußen eingeführten
Schutzzölle,
besonders auf
Eisen
[* 9] und
Zucker,
[* 10] vernichteten fast völlig die mit ausländischen Rohprodukten arbeitende preußische
Industrie. 1824 wurden
Ost- und
Westpreußen zu Einer
Provinz, dem
KönigreichPreußen, vereinigt, aber wieder getrennt.
Von der letztern
Kette (Puigmal, 2909 m hoch) zweigen sich wieder mehrere Gebirgszüge ab, welche gegen
N. tief in das Land hineinstreichen, darunter insbesondere der das Gebiet zwischen
Tet und
Tech ausfüllende Gebirgsstock des
Canigou (2785 m). Zwischen diesen teilweise mit ewigem
Schnee
[* 17] bedeckten Bergketten liegen schöne, fruchtbare
Thäler, und den
Nordosten des
Departements nimmt die weite, von zahlreichen
Kanälen durchschnitten Alluvialebene von
Perpignan
ein.
Längs der
Küste befinden sich mehrere
Seen, darunter
Etang de Leucate,
Etang de St. Nazaire, und viele
Sümpfe. Die Hauptflüsse
sind die bereits erwähnten Küstenzuflüsse des
MittelländischenMeers: Agly,
Tet und
Tech, von denen jedoch keiner schiffbar
ist;
(Ungarisch-Ostra), Stadt in der mähr. Bezirkshauptmannschaft Ungarisch-Hradisch, auf einer Insel der March, an der
EisenbahnUngarisch-Hradisch-Straßnitz, umfaßt die Christenstadt, eine Judengemeinde und die Vorstadt, mit zusammen (1880) 3030 Einw.,
ist Sitz eines Bezirksgerichts, mit Schloß, Zuckerfabrik, Bierbrauerei
[* 26] und Weinbau.
1) (Mährisch Ostrau) Stadt in der mähr. Bezirkshauptmannschaft
Mistek, im sogen. Kuhländchen, an der Ostrawitza (Grenze gegen Österreichisch-Schlesien), 4 km von der preußischen Grenze,
an der Ferdinands-Nordbahn, von der hier eine Flügelbahn nach Friedland abzweigt, Sitz eines Bezirksgerichts, mit 2 kath.
Kirchen, einer protest. Kirche und einer Synagoge, Oberrealschule, Privatbergschule, Fabriken für Paraffin
[* 27] und Petroleum, Kerzen
und Seifen, Metallwaren, Rum und Rosoglio, Rauchfleischwaren, Dampfmühlen, Zinkwalzwerk, bedeutendem Steinkohlenbergbau
(bei einer Anzahl von 3250 Arbeitern wurden 1886: 7,5 Mill. metr.
Ztr. gefördert), Kokserzeugung, Hochofen (750,000 metr. Ztr. Roheisenproduktion), Ziegelbrennerei,
Gasanstalt etc. und (1880) 13,448 (1869 erst 6881) Einw.
In der Nähe sind einige bedeutende metallurgische Werke und Industrie Etablissements, so zu Witkowitz (2591
Einw.) ein großes Eisenwerk (Produktion gegen 700,000 metr. Ztr. Roheisen) mit Bessemerhütte,
Gießerei
[* 28] und Maschinenwerkstätte, zu Prziwoz (3698 Einw.) ein Walzwerk
[* 29] und eine chemische Fabrik.
Vgl. »Monographie des Ostrau-Karwiner
Steinkohlenreviers« (Teschen 1885, 2 Bde.). -
2) (Polnisch-Ostrau) Marktflecken in Österreichisch-Schlesien, Bezirkshauptmannschaft Freistadt, an der Ostrawitza, gegenüber
Mährisch-Ostrau gelegen, mit ergiebigem Steinkohlenbergbau, großer Koksanstalt, Sandsteinbrüchen, Bierbrauerei und (1880) 9049 (1869
erst 4620) Einw. -
(griech. Ostrakismos, Scherbengericht), ein Volksgericht bei den alten Griechen, hauptsächlich zu Athen,
[* 30] aber auch in Argos, Megara, Milet und Syrakus,
[* 31] wo es Petalismos (»Blättergericht«) hieß, welches Männer, die ein
die Freiheit des Staats gefährdendes Ansehen erlangt hatten oder durch ihre Opposition die ruhige Entwickelung des Gemeinwesens
störten, verbannte, ohne daß sie jedoch an Ehre und Vermögen dadurch geschädigt wurden. In Athen wurde der Ostrazismus 509 v. Chr.
durch Kleisthenes eingeführt.
Das Volk ward alljährlich zu einer Abstimmung darüber abgefordert, ob der Ostrazismus vorzunehmen sei oder nicht.
Wurde die Frage bejaht, so gab in der nächsten, von den neun Archonten und dem Rat der Fünfhundert geleiteten Volksversammlung
jeder Bürger seine Stimme, auf ein Ostrakon (Scherbe, irdenes Täfelchen) geschrieben, ab, und wenn einer 6000 Stimmen gegen
sich hatte, mußte derselbe auf zehn, später auf fünf Jahre das Land verlassen; doch konnte er durch
Volksbeschluß auch früher zurückgerufen werden. Der erste vom Ostrazismus Betroffene war Hipparchos, des Charmos Sohn. Aber auch
Kleisthenes selbst wurde wegen eines Bündnisses mit Persien
[* 32] durch den Ostrazismus verbannt (507), ferner Aristeides (483), Themistokles
(470), Kimon (459), Thukydides,
des Melesias Sohn (444); der letzte war der DemagogHyperbolos (417), nach
dessen Verbannung der Ostrazismus in Mißkredit kam und nicht mehr angewandt wurde.
Vgl. Lugebil, Über das Wesen des Ostrazismus (Leipz. 1861).
2) Helszka (Elisabeth), Fürstin von, Enkelin des vorigen, durch ihre Schönheit berühmt, wurde Nonne, aber 1554 von
dem Fürsten Sangusko entführt, mit dem sie sich vermählte. Nach der Ermordung ihres Gemahls gab sie der polnische König
SiegmundAugust dem Grafen Gorka zur Gemahlin, der ebenfalls bald starb, worauf sie in Wahnsinn verfiel.
3) Konstantin Basili, Fürst von, einer der mächtigsten Fürsten seiner Zeit, fiel 1500 in dem Kampf der
Polen gegen die Russen in die Gefangenschaft des ZarenIwan Wasiljewitsch, ward später vom polnischen König Siegmund I. zum
Großhetman von Litauen und nach seinem glänzenden Sieg über die Russen bei Orsza zum Woiwoden von Troki erhoben;
starb 1533.
4) Konstantin, Herzog von, Enkel des vorigen, ein ebenso eifriger Anhänger des griechisch-christlichen
Glaubens wie heftiger Gegner der Jesuiten und der Union der griechischen und römischen Kirche, suchte dagegen auf der Synode
zu Thorn
[* 46] eine Vereinigung mit den Reformierten in Polen herbeizuführen. In seiner Residenzstadt Ostrog gründete er eine hohe Schule
und eine Buchdruckerei, wo die Ostroger Bibel
[* 47] gedruckt wurde (s. Ostrog, Stadt); starb 1608. Durch die
Fürstin Anna Aloiza von Ostrog fanden die
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Jesuiten Eingang in Ostrog und gründeten hier 1629 ein sehr ansehnliches Kollegium. Nach dem Erlöschen der männlichen Linie
der Fürsten von Ostrog (1673) mit dem FürstenAlexander gingen die großen Güter an die Fürsten Sangusko über.
(beim Volk auch Rübna), Kreisstadt im russ. GouvernementWoronesh, an der Tichaja Sosna,
hat 10 steinerne Kirchen, eine Stadtbank, 3 Jahrmärkte, regen Handel mit Cerealien und Vieh, Talg und Wachslicht, Seifen und Tabaksfabriken
und (1885) 8608 Einw. In der Nähe befindet sich die 1765 angelegte große deutsche Kolonie Ribensdorf. Ostrogóshsk wurde 1652 gegründet.
Dieser war der eigentliche Regent, während Arcadius (395-408) nur den Namen eines solchen führte. Nachdem
Rufinus noch in demselben Jahr (27. Nov.), wahrscheinlich im geheimen Auftrag Stilichos, von Gainas, dem Führer der gotischen Hilfsschar
in den römischen Legionen, ermordet worden war, trat an seine StelleEutropius, das Haupt der Eunuchen. Der byzantinische Staat
nahm mehr und mehr die Formen des Orients an; mit der Zeit wurde die griechische Sprache, im Verkehr die
herrschende, auch zur Amtssprache erhoben und damit das letzte Band
[* 56] zerrissen. Statt vereint die Einbrüche der Barbaren abzuhalten,
blickte jedes der Reiche mit Schadenfreude auf die Unfälle des andern und forderte die Barbaren zu Einfällen in das
Gebiet desselben auf. Eutropius erlag nach vierjähriger schmachvoller Regierung den von Gainas angezettelten Ränken (399),
der indes selbst schon im nächsten Jahr die Hauptstadt verlassen mußte und Arcadius unter dem Einfluß seiner ränkevollen
Gemahlin Eudoxia zurückließ.
Ihm folgte sein Schwiegersohn Zeno der Isaurier (474-491), zuerst als Mitregent seines SohnsLeo II., dann nach dem verdächtigt
raschen Hinsterben des letztern (November 474) im eignen Namen. Er wurde zwar 476 durch seine Schwiegermutter
Verina vertrieben und an seiner Stelle deren BruderBasiliscus auf den Thron erhoben, er kehrte aber schon im nächsten Jahr,
nachdem Basiliscus einer Verschwörung zum Opfer gefallen war, zurück und rächte sich grausam an seinen Gegnern. Nur Verina
entging seiner Hand
[* 60] und beharrte bis an ihr Ende in fruchtloser Empörung. Als Gemahl seiner WitweAriadne
folgte Anastasius I. (491-518), diesem Justinus I. (518-527), ein alter Kriegsmann, der Sohn eines Bauern, von schwachem, ungebildetem
Geist, welcher, selbst kinderlos, seinen NeffenJustinianus I. adoptierte und als Mitregenten annahm.
Die innere Ruhe wurde durch eine Empörung der Zirkusparteien zu Konstantinopel (den sogen. »Nikaaufstand«, s. d.)
gestört, welche endlich von BelisarsTruppen nach Niedermetzelung von 30,000 Menschen unterdrückt wurde (19. Jan. 532). Nachdem
Justinian die Grenzen
[* 61] des Reichs im Norden
[* 62] gegen die Bulgaren, Avaren und Slawen durch eine Reihe von mehr als 80 befestigten Plätzen
an der Donau und im Innern der Balkanhalbinsel,
[* 63] im Osten teils durch Verschanzungen und Bündnisse, teils
durch Beendigung eines Perserkriegs vermittelst Erkaufung des »ewigen«
Friedens gesichert glaubte, unternahm er die Wiederherstellung des alten römischen Reichs. Er ließ durch Belisar das Vandalenreich
(533-534) und nach einem 20jährigen, durch
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Belisar begonnenen, durch Narses beendeten Krieg das Ostgotenreich in Italien
[* 65] erobern (555). Diese Erfolge erregten die Furcht
des Perserkönigs Chosru I. Nuschirwan, welcher 540 den Krieg erneuerte, in Syrien einfiel, Antiochia verbrannte und schon Palästina
[* 66] und die heilige Stadt Jerusalem
[* 67] bedrohte, als Belisars Erscheinen ihn zum Rückzug bewog. Nach langen Unterhandlungen,
welche durch Streitigkeiten über den Besitz der östlichen Küstenländer am SchwarzenMeer (Lazica und Kolchis) unterbrochen
wurden, kam endlich 561 ein neuer Friede zu stande, der die Grenzen beider Reiche im wesentlichen so ließ, wie sie vor dem
Krieg bestanden hatten. Auch in die Verhältnisse des Westgotenreichs griff Justinian ein, indem
er, von Athanagild, dem Anstifter einer Empörung, eingeladen, eine Flotte und ein Heer nach Spanien sandte (554), den Westgotenkönig
schlug und ihm eine Anzahl von Seestädten abnahm, die indessen zum Teil schon unter Justinian selbst, zum Teil unter seinen
Nachfolgern wieder verloren gingen.
Der Glanz, den Justinian dem oströmischen Reich verliehen, erlosch bald. Schon unter seinem nächsten Nachfolger,
seinem NeffenJustinus II. (565-578), begannen die Eroberungen der Langobarden in Italien (568), erneuerte Chosru den Krieg mit
der Eroberung von Dara, der wichtigsten Stadt Mesopotamiens (572), so daß der Kaiser, um eine Stütze zu haben, den Befehlshaber
der Leibwache, Tiberius, zu seinem Mitregenten und Nachfolger ernannte. Dieser, ein edler Fürst von sittenreinem
Leben, 578-582 regierend, kämpfte glücklich gegen Chosru, den sein Feldherr Justinian 579 bei Melitene in Syrien besiegte,
worauf er ihn bis in das Innere seines Reichs verfolgte und sich schon seiner Hauptstadt näherte, als der greise König
starb.
Dem Tiberius folgte dessen auf seinem Sterbebett zum Nachfolger ernannter tapferer Feldherr und Schwiegersohn Maurikios (582-603);
gegen ihn wurde auf einem Feldzug gegen die Avaren von den meuterischen Soldaten ein unbekannter Hauptmann, NamensPhokas, zum
Kaiser ausgerufen (Oktober 602) und von der Bevölkerung der Hauptstadt mit Jubel begrüßt. Seine Regierung
(603-610) ist erfüllt von Akten unmenschlicher Grausamkeit: 603 wurde Maurikios mit seinen fünf Söhnen ermordet, kurz darauf
seine Gemahlin Konstantina nebst drei schuldlosen Töchtern;
selbst der tapfere FeldherrNarses, welcher unter Maurikios glücklich
gegen die Perser gekämpft hatte, mußte auf dem Markte der Hauptstadt den Feuertod erleiden.
Verschiedene von ihm verübte Frevel, wie die Ermordung seines BrudersTheodosius (660), reizten das Volk so gegen ihn auf, daß
er 661 die Hauptstadt verließ und nach Sizilien
[* 71] ging, wo er in Syrakus (668) ermordet wurde. In die Regierung
seines Sohns und Nachfolgers Konstantin IV. (668-685), mit dem Beinamen Pogonatos (»der Bärtige«),
fällt die erste Belagerung
Konstantinopels durch die Araber (668 bis 675), das nur durch das griechische Feuer gerettet wurde. Zehn Jahre lang ertrugen
die Unterthanen die Grausamkeiten seines Sohns Justinian II., dessen erste Regierungsperiode von 685 bis 695 reicht,
da erregte Leontios, ein Feldherr von Ruf, einen Aufstand, Justinian wurde verstümmelt (davon sein Beiname »Rhinotmetos«)
und verbannt und Leontios (695-698) auf den Thron erhoben. Er wurde gestürzt und verstümmelt von Apsimar, der an seine Stelle
trat und unter dem NamenTiberius III. regierte (698-705). Nach zehnjähriger Abwesenheit kehrte Justinian
II. an der Spitze eines bulgarischen Heers von 15,000 Reitern nach Konstantinopel zurück und nahm den Thron seiner Vater wieder
ein. Diese zweite Regierungsperiode (705-711) ist eine sechsjährige Tyrannei, wie Rom und Byzanz noch keine erlebt, die erst
mit der Ermordung des Kaisers endigte.
In rascher Reihenfolge regierten dann der Armenier Bardanes unter dem Namen Philippicus (711-713), Anastasius II. (713-716)
und Theodosius II. (716-718), bis mit Leo III., dem Isaurier (718-741), ein neues Herrschergeschlecht auf den Thron kam. Nachdem
dieser 718 einen neuen Angriff der Araber auf seine Hauptstadt glücklich abgeschlagen hatte, veranlaßte
er durch das Verbot der abgöttischen Bilderverehrung 726 den langwierigen und verderblichen Bilderstreit, der das Volk in die
zwei Parteien der Bilderdiener (Ikonodulen) und Bilderstürmer (Ikonoklasten) spaltete und über ein JahrhundertReich und Thron
erschütterte.
Eine Folge jenes Verbots war der Verlust des Landstrichs von Ravenna und Ancona,
[* 72] dessen Bewohner sich lieber
unter die Herrschaft der Langobarden stellten (728), als dem Bilderdienst entsagten; vergeblich war der Versuch des Kaisers,
das Land mit Waffengewalt zurückzuerobern (733). Ein ebenso heftiger Gegner des Bilderdienstes wie Leo war sein Sohn und Nachfolger
Konstantin V. Kopronymos (741-775), der zwar von dem Vorwurf der Grausamkeit nicht freizusprechen
ist, aber mit Ehren und Tapferkeit das Reich gegen innere und äußere Feinde schützte; so unterdrückte er mit kräftiger
Hand einen Aufstand, den sein Schwager Artavasdes in Konstantinopel erregt hatte, als er selbst auf einem Feldzug gegen die Sarazenen
begriffen war (742), und kämpfte glücklich gegen diese sowie gegen die Bulgaren. Ihm folgte sein Sohn
Leo IV. (775-780), diesem dessen zehnjähriger Sohn Konstantin VI. Porphyrogennetos, bis 792 unter der Vormundschaft seiner herrschsüchtigen
MutterIrene, welche durch die zweite Synode von Nikäa (September und Oktober 787) auf kurze Zeit die
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Bilderverehrung wiederherstellte, von da bis 797, wo er auf Befehl seiner Mutter geblendet wurde, selbständig. Als Wiederherstellerin
des Bilderdienstes von den kirchlichen Schriftstellern gepriesen, regierte Irene noch fünf Jahre lang (797-802), bis sie durch
den Großschatzmeister Nikephoros gestürzt wurde, der neun Jahre lang den Thron behauptete (802-811) und, nachdem er
mehrere unglückliche Feldzüge gegen die Araber unternommen hatte (802-807), 811 in einem Kriege gegen die Bulgaren getötet
wurde.
Nach der Regierung des schwachen Michael I. Rhangabe (811-813) folgte Leo V., der Armenier (813-820), ein tapferer Kriegsmann.
Nachdem er die Bulgaren, welche unter ihrem König Krum schon bis Konstantinopel vorgedrungen waren und
die Vorstädte geplündert und zerstört hatten, durch eine Niederlage im April 814 zum Abschluß eines 30jährigen Friedens
gezwungen hatte, hob er die Beschlüsse der zweiten Synode von Nikäa auf (815), wurde aber schon 820 durch die erbitterte
Priesterschaft aus dem Wege geräumt.
Nach Theophilos' Tod führte seine Gemahlin Theodora über 13 Jahre lang (842-856) unter dem Beistand ihres tapfern Oheims Manuel
und ihres Kanzlers Theoktistos mit Geschick die Herrschaft über das Reich und ihren unmündigen Sohn Michael; 856 wurde sie
von ihrem Bruder Bardas gestürzt, und dieser führte nun die Regierung für Michael III., welcher sich
ganz dem Sinnengenuß überließ. Die Araber bedrohten das Reich von neuem und drangen tief in Kleinasien vor, und ein neuer
Feind entstand dem Reich in den Russen, deren Flotte 865 im Hafen der Hauptstadt ankerte, die nur durch einen
Sturm gerettet wurde, der die feindlichen Schiffe
[* 74] zerstreute oder versenkte. Michael wurde 24. Sept. 867 von Basilius dem Makedonier,
seinem Günstling seit dem Sturz des Bardas (866), ermordet, und Basilius bestieg nun den Thron als der Stifter der makedonischen
Dynastie, die mit geringen Unterbrechung gegen zwei Jahrhunderte regierte (bis 1056).
Basilius I. (867-886) regierte mit Kraft und Weisheit; kämpfte glücklich gegen die Araber und die Paulicianer, eine religiöse,
mit jenen im Bund stehende Sekte in Armenien (873), und vererbte den Thron auf seinen Sohn Leo VI. (886-911), der die von seinem
Vater begonnenen Basiliken, eine Umarbeitung des Codex Justinianeus, vollendete. Er erwarb sich durch seine
Liebe zu den Wissenschaften den Beinamen des Philosophen, konnte aber, in Unthätigkeit und Weichlichkeit versunken, die Angriffe
der Bulgaren unter ihrem König Simeon und der Araber nicht abwehren, welch letztere 904 Thessalonich, die zweite Stadt des
Reichs, eroberten und plünderten.
Zu noch größerer Macht stieg das Reich unter seinem Sohn Manuel I. (1143-80), dessen Person wegen seiner ritterlichen Tapferkeit
mit ähnlichem Glanz derRomantik umgossen ist wie die seines Zeitgenossen Richard Löwenherz. Doch schon in seinen letzten
Jahren verließ ihn das Glück, und mit seinem Tod begann für das Reich eine Periode von Verwirrung
und Greueln, wie die
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Weltgeschichte kaum eine zweite aufzuweisen hat. Manuels unmündiger Sohn Alexios II. wurde nach einer kurzen Regierung (1180-83)
von seinem ruchlosen Vormund Andronikos ermordet, welcher nach einem Leben voll mannigfaltiger Abenteuer selbst den Thron bestieg,
aber schon 1185 nach grausamer Herrschaft durch die Empörung des IsaakAngelos vom Thron gestürzt wurde,
den dieser nun selbst als Isaak II. bestieg. Er war ein charakterloser Schwächling, der den Abfall der Bulgaren und den Verlust
Cyperns nicht verhindern konnte, und wurde 1195 von seinem BruderAlexios III. entsetzt, geblendet und ins Gefängnis geworfen.
Zwar ließen sich die Kreuzfahrer und die Venezianer in dem sogen. vierten Kreuzzug bewegen, den gestürzten
Kaiser, den Schwiegervater des deutschen KönigsPhilipp, mit seinem Sohn Alexios IV. als Mitregenten wieder auf den Thron zu
setzen (1203); da er jedoch die gemachten Versprechungen nicht erfüllen konnte, sein Sohn Alexios auf Anstiften eines frühern
Günstlings, des AlexiosDukas Murtzuphlos, von seinen eignen Unterthanen getötet wurde, er selbst aber
aus Gram und Schrecken starb (Februar 1204), so setzten die Franken und Venezianer den Krieg gegen die Griechen fort.
Die innere Einrichtung des lateinischen Kaisertums war nach dem Vorbild der früher im KönigreichJerusalem eingeführten
Lehnsverfassung geordnet, die Macht der Kaiser durch die Vasallen sehr beschränkt. BalduinsRegierung war eine sehr kurze: er
verlor 1205 bei Adrianopel gegen die Bulgaren, die furchtbarsten Feinde des neuen Reichs, Schlacht und Freiheit,
und seine immer ohnmächtigern Nachfolger (Heinrich 1206-16, Peter vonCourtenay 1216-19, Robert bis 1221 unter Vormundschaft
seiner Mutter Jolanthe, bis 1228 selbständig, Johann von Brienne 1228-37, Balduin II. 1237-61) wurden von dem kräftigen und
einsichtsvollen Johannes Vatatzes, Kaiser von Nikäa (1222-54), der auch dem Königreich Thessalonich ein
Ende machte (1246), fast auf die Hauptstadt beschränkt. Michael Paläologos, aus einem alten, dem Kaiserhaus verwandten Geschlecht,
welcher sich 1259 der Vormundschaft über den jungen Sohn des Vatatzes, Theodor II., bemächtigt hatte, machte, mit den auf
Venedig eifersüchtigen Genuesen verbündet, durch die EroberungKonstantinopels 1261 dem lateinischen Kaisertum
ein Ende.
Michael VIII. (1261-82) regierte mit Kraft und Umsicht, vermochte aber nicht alle Länder des griechischen Kaisertums wieder
zu vereinigen, indem sich nicht allein der Fürst von Epirus gegen ihn behauptete, sondern auch viele
abendländische Herrschaften
im eigentlichen Griechenland
[* 78] fortbestanden. Die Verbindung der griechischen Kirche mit Rom, welche Michael
aus Haß gegen den feindlich gesinnten PatriarchenArsenius, den Vormund und Beschützer des gestürzten und geblendeten Theodor
II., angestrebt und 1274 auf dem Konzil von Lyon
[* 79] zu stande gebracht hatte, wurde durch den Widerstand des byzantinischen Klerus
und den Fanatismus der Bevölkerung wieder zerrissen und veranlaßte nur verderbliche innere Spaltungen
und Zerrüttungen. Im Norden bedrängten Bulgaren und Serben das Reich, im Osten die Osmanen, deren erster Schwarm sich 1282 zu
Karahissar in Kleinasien niederließ, während es im Innern durch Hofintrigen und Bürgerkriege geschwächt wurde, die Erschöpfung
der Finanzen aufs höchste stieg, zumal der Handel fast ganz in den Händen der Genuesen war.
Michaels Sohn und Nachfolger Andronikos II. wurde 1328 von seinem eignen gleichnamigen Enkel gestürzt (gest. 1332),
der nun selbst als Andronikos III. den Thron bestieg. Er ernannte vor seinem Tod (1341) seinen erprobten FreundJohannesKantakuzenos
zum Reichsverweser und Vormund seines 19jährigen SohnsJohannes. Ihn suchten der Großadmiral Apokaukos
und die Kaiserin-MutterAnna zu verdrängen, und dies veranlaßte ihn, den Purpur anzunehmen (1341); indes hatte sein Unternehmen
keinen Fortgang, er erlitt bei Thessalonich eine Niederlage und floh zuerst zu den Serben, dann zu dem Türkenfürsten Umurbeg.
Es kam zu neuen Bürgerkriegs, die endlich, nach der Ermordung des Apokaukos (1345), im Januar 1347 mit
einem Vertrag endigten, wonach JohannesKantakuzenos als Mitkaiser anerkannt wurde.
Sein Nachfolger Manuel II. (1391-1425) wurde von den Osmanen mehrere Jahre in seiner Hauptstadt eingeschlossen,
hatte dann aber infolge der Besiegung SultanBajesids durch den Mongolenfürsten Timur (1403) einige Jahre. Ruhe. Doch schon
in seiner letzten Zeit erneuten sich die Kämpfe. Sein Nachfolger Johannes VII. Paläologos (1425-48) versuchte vergeblich durch
die Union der griechischen mit der römischen Kirche, zu deren Abschließung er sich selbst 1439 auf dem
Konzil von Florenz
[* 81] einfand, die Hilfe des Abendlandes zu erhalten. Unter seinem Nachfolger Konstantin XI. Dragades Paläologos
erreichte das Reich durch die EroberungKonstantinopels durch SultanMohammed II. bei welcher der letzte Kaiser tapfer
kämpfend fiel, sein Ende. Das Kaisertum Trapezunt hatte 1461 dasselbe Schicksal.