Odessa (Kirchen etc., Bevölkerung, Gewerbe und Handel)
mehr
und die Sabanskibrücke bemerkenswert, von welchen erstere über eine der erwähnten Wasserrinnen führt. Seit 1873 wird
Odessa
[* 2] durch großartige, von einer
LondonerAktiengesellschaft erbaute
Wasserwerke am
Ufer des
Dnjestr bei
Majaki (40 km westlich)
mit gutem und reichlichem
Wasser versorgt.
Odessa zählt 28 orthodoxe
Kirchen, außerdem eine katholische, eine evangelische, eine reformierte, eine
englisch-presbyterianische und eine
armenische Kirche, ein
Bethaus der
Raskolniken, 2 Klöster, 2 israelitische Hauptsynagogen
nebst vielen Betsälen und eine karaitische
Synagoge. Sehenswert sind: der 5000
Menschen fassende Sobor
(Kathedrale), 1802 gegründet, 1849 in
jetziger Gestalt vollendet, mit schöner
Kuppel und einer 364 metr. Ztr. schweren
Glocke sowie dem
Grabmal
des
FürstenWoronzow; die Troizkikirche mit dem Grabstein des 1826 von den
Türken ermordeten
Patriarchen von
Konstantinopel,
[* 3] Gregor V., und die im Innern mit großer Pracht ausgestattete
katholische Kirche mit dem
Grab des
GrafenLangeron.
Unter den öffentlichen Gebäuden sind hervorzuheben: die
Börse mit schönem
Saal und Säulenfassade, 1834 vollendet;
die
Universität mit
Bibliothek, astronomischen
Kabinett, chemischem
Laboratorium,
[* 4] mineralogischer Sammlung, physikalisch-meteorologischem
Kabinett, botanischer Sammlung (17,000 Nummern), zoologischem, technologischem und agronomischem
Kabinett sowie einer
Münzsammlung
(2000 Nummern);
das an
Stelle des 1873 abgebrannten errichtete neue Stadttheater;
das historische und Altertumsmuseum mit zahlreichen
Statuen, Geräten,
Waffen
[* 5] und andern
Antiquitäten, namentlich aus den hellenischen, genuesisch-venezianischen und mongolisch-tatarischen
Epochen der südrussischen
Küste;
das Gebäude des
Instituts der adligen
Fräulein und die Sabanskikaserne.
Die industrielle Thätigkeit Odessas hat sich erst in neuester Zeit gehoben und unterliegt jeweilig bedeutenden Schwankungen.
Nach dem
Bericht des Odessaer
Komitees für
Handel und
Gewerbe belief sich der gesamte Produktionswert derselben
im J. 1883 auf 25,8 Mill., im J. 1884 auf 27,3 Mill., im J. 1885 dagegen
nur auf 22,9 Mill.
Rubel. Die hauptsächlichsten Industriezweige sind: Getreidemüllerei (1885) in 15 Dampfmühlen
4,4 Mill.
Rub., Zuckerraffinerie (eine im J. 1879 eröffnete
Fabrik, die zu
den größten im ganzenReiche
gehört) 7 Mill.,
Ölschlägerei (5
Fabriken) 1,4 Mill.
Rub. Außerdem werden fabriziert:
Leder,
Bier, Zuckerwaren, Schreibpapier,
Oleo-Margarin,
Essig,
Stärke,
[* 8]
Maccaroni und
Nudeln,
Hüte,
Korke,
Chemikalien,
Seifen und
Lichte,
Tabak
[* 9] u. a. m. Der
Handel Odessas,
meistens in griechischen, jüdischen und deutschen
Händen, hat sich namentlich in den letzten drei Jahrzehnten stark entwickelt.
Der Wert des gesamten Außenhandels bezifferte sich 1886 in der Ausfuhr auf 88,169,000, in der Einfuhr auf
66,107,000
Rub. Von Jahr zu Jahr wächst die Bedeutung Odessas. Der Wert seiner Ausfuhr betrug in
Prozenten der ganzen russischen
Ausfuhr über die europäische
Grenze 1880: 8,9, 1881: 9,4, 1882: 10,5,
1883: 14,1, 1884: 16,4, 1885: 20, 1886: 20,1
und ebenso günstig gestaltete sich seine Einfuhr. Der Wert derselben betrug vom
Werte der ganzen russischen Einfuhr über
die europäische
Grenze 1880: 8,3 Proz., 1881: 10,4,
1882: 10,4, 1883: 8,5, 1884: 9,5, 1885:
12,6, 1886: 17,2 Proz. Unter den Gegenständen
der Ausfuhr spielt die größte
RolleGetreide.
[* 10] Von diesem sowie an
Mehl,
[* 11]
Grütze und
Erbsen wurden ausgeführt
1886: 1,020,000
Ton., 1885: 1,239,000
T. (à 1000 kg) und zwar im einzelnen:
Manufakturwaren (Konfektionsartikel), optische Instrumente, Uhren
[* 22] und Nähmaschinen
[* 23] eingeführt. Der Hafen Odessas besteht aus
einer Reede und zwei Häfen, dem sogen. Praktitscheski für die Küstenschiffahrt und dem Quarantänehafen
für den auswärtigen Verkehr. Die Reede mit einem Flächenraum von 2124 Hektar, auf welchem ca. 1000 Schiffe
[* 24] sich frei bewegen
können, gehört zu den offenen und gefährlichen. Bei südwestlichen und nordwestlichen Winden
[* 25] entsteht
starker Wellenschlag, und die Schiffe laufen Gefahr, an das Ufer geworfen zu werden.
Der Praktitscheskihafen hat drei Molen: die Kriegs- (Wojennoy-) Mole
[* 26] (399 m lang), die Androssow-Mole (441 m lang) und die Potapow-Mole
(277 m lang). Zwischen der Wojennoy- und der Potapow-Mole befinden sich die Thore zum Eingang in den Hafen,
im ganzen nur 67 m breit, was bei Wind und Wellenschlag für Segler den Eingang unmöglich und für Dampfer gefährlich macht.
Die Hafenfläche umfaßt 32 Hektar, die Tiefe ist bei der Einfahrt 3⅓ m. Für den lebhaften Verkehr reichen
die Molen nicht aus.
Der Quarantänehafen ist größer und tiefer als der Praktitscheski; seine Fläche umfaßt 42 Hektar. Die größte Tiefe ist
6,4 m. Er hat zwei Molen, die Karontinny-Mole, welche den Hafen gegen den gefährlichsten aller hier wehenden Winde,
[* 27] den Südost,
abschließt, und die Platonow-Mole. Die letztere dient nur zur Beladung der Lichterschiffe, welche die
Waren nach den auf der Reede befindlichen Schiffen bringen. Der Eingang in den Hafen, an sich genügend breit, verengert sich
durch zwei Sandbänke am Ende der Karontinny-Mole.
Auch hier ist der Stand der Fahrzeuge durchaus nicht ruhig und gefahrlos. Beide Häfen, besonders der Quarantänehafen,
sind beständiger Versandung ausgesetzt. Mit Eis
[* 28] sind die Reede und der Quarantänehafen selten bedeckt, und dasselbe ist gewöhnlich
so dünn, daß der Verkehr nicht gehemmt wird. Mit dem Bahnhof der Odessaer Eisenbahn steht der Hafen durch eine Zweigbahn in
Verbindung; daneben ermöglicht ein Viadukt in Holzkonstruktion, der die Kais entlang bis zum weit hinausragenden
Ende des äußern Hafendamms führt, die Verladung unmittelbar vom Waggon in das Schiff.
[* 29]
Die Schiffahrtsbewegung von und nach dem Ausland ergab 1886: 1126 Schiffe mit 1,137,998 Ton. im Eingang und 1132 Schiffe mit
1,158,002 T. im Ausgang. Unter den erstern waren 379 mit 403,890 T. in Ballast, unter den letztern waren 156 mit
113,134 T. unbeladen. Von den ausgelaufenen Schiffen mit Ladung segelten 203 Schiffe mit 212,422 T. unter russischer Flagge.
Die Küstenschiffahrt wies 1886: 3517 Fahrzeuge mit 628,638 T. im Eingang (darunter 248 mit 94,200 T. unbeladen) und 3474 mit
620,388 T. im Ausgang (darunter 1535 mit 196,498 T. unbeladen) auf.
Für die Pflege des wissenschaftlichen Lebens sowie für Erziehung und Unterricht sorgen zahlreiche Anstalten, vor allen das
frühere LyceumRichelieu (gegründet 1817), seit 1864 kaiserliche neurussische Universität (mit drei Fakultäten: der historisch-philologischen,
der physikalisch-mathematischen und der juristischen; die Gründung einer medizinischen steht in Aussicht; Zahl der Zuhörer
1886: 588). Ferner bestehen an öffentlichen Schulen: ein geistliches Seminar, 4 Gymnasien (darunter eins
für Mädchen), 2 Progymnasien, eine Realschule, eine Kreisschule, 24 Volksschulen, die jüdische Kreisschule;
außerdem 13 Pfarrschulen
der verschiedenen nichtorthodoxen Bekenntnisse und eine griechische Unterrichtsanstalt.
Von Fachschulen
sind zu erwähnen: die Junker- (Unteroffizier-) Schule, die Kommerzschule (seit 1862), die Zeichen- und die Musikschule der
Gesellschaft der schönen Künste, die Musikschule der Gesellschaft der Musikfreunde und die Handwerkerschule der jüdischen
Gesellschaft »Trud«. Odessa besitzt mehrere Theater:
[* 38] das Stadttheater, das Russki (für russische Oper und Schauspiel),
das Zirkustheater Suhr (auch Eremitage genannt, für russische und italienische Oper) und das Marientheater (für französische
Operette).
Unter den wissenschaftlichen und gemeinnützigen Vereinen sind zu erwähnen: die Gesellschaft für Geschichte und Altertümer
(1839 gegründet);
Die Mittelpunkt des deutschen Vereinslebens sind die Harmonia (gegründet 1859) und
der Deutsche Handwerkerverein. Von den zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten sind zu nennen: das Stadtkrankenhaus mit 1200 Betten;
die Wohlthätige Gesellschaft
der Odessaer Damen (gegründet 1829) mit einem Waisenhospiz, einem Versorgungshaus für weibliche Gebrechliche, einem Armenschutzkomitee;
ferner ein Gebärhaus, ein Taubstummeninstitut
(1843 gegründet), das Haus derBarmherzige Schwestern mit einem Frauenspital und mehreren Nachtherbergen,
Waisen- und Findelhäuser.
Das litterarische und artistische Treiben Odessas wird durch 10 Buchhandlungen (darunter 2 deutsche
und eine französische), zahlreiche Buch- und Steindruckereien unterstützt. Die öffentliche Bibliothek (gegründet 1829)
enthält 30,000 Bände (darunter seltene Werke und Handschriften, z. B. der älteste russische Typendruckversuch,
ein Neues Testamentin Folio, 1581 in der bekannten Offizin des FürstenKonstantin Ostroshski zu Ostrog gedruckt). Zeitungen erscheinen 5 russische,
eine deutsche und eine französische. Odessa ist Sitz des Erzbischofs von Cherson und Odessa, eines Militärbezirks, des
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Kommandos des 8. Armeekorps, eines Stadtgouverneurs, des Gerichtshof für Südrußland, eines Kreis- und eines Handelsgerichts
sowie andrer Gerichtsbehörden, eines Lehrbezirks, einer Zensurbehörde, eines Zoll- und eines Acciseamtes, eines Steuerkontrollamtes,
eines Hafenkapitäns, der Konsuln sämtlicher Handelsstaaten Europas und Amerikas und einer Telegraphenstation, welche auch
Annahmestelle der europäisch-indischen Telegraphenlinie ist.
Gegen Ende des 18. Jahrh. lag in der Gegend des heutigen Odessa ein tatarisches
Dorf, und da, wo sich jetzt der Boulevard erstreckt, erhob sich eine türkische Burg (Hadschibej), die von den Russen
unter dem GeneralmajorJoseph de Ribas mit Sturm genommen wurde. Dank seiner günstigen Handelslage begann
der kleine Ort bald aufzublühen und sich in eine Stadt umzuwandeln, welche auf Befehl Katharinas II. den Namen Odessa (nach
der im Altertum in der Nähe gelegenen griechischen Kolonie Odessos) erhielt.
Seitdem ist das Generalgouvernement aufgehoben. Von 1811 bis 1857 genoß Odessa Zollfreiheit, eine Vergünstigung,
welche bei der ohnehin bevorzugten geographischen Lage und der Fruchtbarkeit des Hinterlandes nicht verfehlte, der Stadt einen
Aufschwung zu geben, der ohne Unterbrechung bis in die jüngste Zeit andauerte und Odessa zum Hauptausfuhr-
und Stapelplatz für Südrußland machte. Auch der Krimkrieg vermochte Odessa nicht zu schädigen, obgleich die Stadt von der vorbeisegelnden
englischen Flotte beschossen wurde. Eine traurige Berühmtheit erlangte Odessa durch die wiederholt auftretende
Choleraepidemie, welche 1866 von hier nach Deutschland verschleppt wurde, und durch die 1859 und 1871 von der griechischen
Bevölkerung angestifteten Judenhetzen. Seit 1876 ist Odessa durch eine Anzahl Küstenbatterien
[* 41] befestigt, welche
den Zweck haben, die Stadt gegen eine Beschießung von der See aus sicherzustellen.
(griech. Odeion), ursprünglich jede zu musikalischen Wettkämpfen der Rhapsoden und Musiker
gewählte Stätte; später insbesondere das Gebäude, welches man eigens zu diesem Zweck und zwar zuerst in Athen
[* 42] errichtete.
Die Odeen waren im Äußern den Theatern, aus denen sie hervorgingen, ähnlich, nur viel kleiner, und bildeten mit einem kreisförmigen
Dach
[* 43] versehene, auf Säulen
[* 44] ruhende Rotunden. Auch die innere Einrichtung unterschied sich nicht wesentlich
von der der Theater; nur war die Bühne den akustischen Zwecken angemessen gebaut, wie denn z. B. die Bühne in drei unter stumpfen
Winkeln aneinander stoßenden Wänden endigte.
Das erste Odeum erbaute Perikles um 445 v. Chr. zu Athen (s. d., S. 998); zwei andre, prachtvollem ließ
Herodes Atticus in der Nähe der Akropolis
[* 45] zu Athen (das prächtigste des Altertums) und zu Korinth
[* 46] errichten; ein viertes zu Paträ
ward aus der Beute ausgeführt, welche die Einwohner von Paträ gemacht hatten, als sie den Ätoliern gegen die Gallier beistanden.
Bald verbreiteten sich diese Odeen über
ganz Griechenland
[* 47] und von da nach Rom,
[* 48] wo Domitian und andre Kaiser
dergleichen erbauten. Außerhalb Rom war das zu Catana in Sizilien
[* 49] das berühmteste. In neuerer Zeit pflegt man mit dem Namen
Odeum größere, der Musik, dem Theater und Tanz, überhaupt dem gesellschaftlichen Vergnügen gewidmete Gebäude zu benennen. Bekannt
ist das PariserOdéon, ein 1782 erbautes Theater, auch le second Théâtre Français genannt, weil es bis
zur Einführung der Theaterfreiheit mit diesem das Privileg, klassische Stücke aufführen zu dürfen, teilte.
(nord. Odhinn, althochd. Wuotan, sächs. Wodan), ein allen germanischen Völkern gemeinsamer Gott, Herrscher über
Himmel
[* 54] und Erde. Er ist zwar nicht Schöpfer der Welt, aber ihr Ordner und Lenker. Er wird Allvater (Alfadur)
und Vater der Zeit genannt; als Sonne
[* 55] gedacht, führt er den Beinamen des Feueräugigen, alles Verbrennenden; Vater der Erschlagenen
heißt er, weil er die in der Schlacht gefallenen Helden bei sich in Walhalla (s. d.) aufnimmt. Er ist der
Gott des Kriegs, insbesondere des Siegs, der Erfinder der Runen
[* 56] und damit jeglicher Wissenschaft sowie der Weissagung und der
Dichtkunst, der Einführer der Opfer, der Gesetzgeber, der Kenner der Religionsgeheimnisse, überhaupt der weiseste unter den
Asen, seitdem er aus MimirsBrunnen
[* 57] getrunken, wofür er (nach der ältern Edda) ein Auge
[* 58] zum Pfand einsetzen
mußte, weshalb er einäugig erscheint (s. Mimir). Er führt gegen 200 Beinamen, sämtlich Bezeichnungen seines verschiedenen
Wesens und Wirkens.
Von ihm und seiner Gemahlin Frigg (s. d.) stammt das Asengeschlecht. SeinWohnsitz ist zu Asgard, wo er von seinem prächtigen
Palast Hlidskialf aus die ganze Welt überschaut. Seine RabenHugin (»Gedanke«) und Munin (»Gedächtnis«) fliegen
jeden Tag über das Erdenrund und bringen ihm Nachricht von allem, was sie wahrgenommen. Zwei Wölfe, Geri und Freki, verzehren
in Walhalla alle dem Odin vorgesetzte Speisen, während er selbst nur Wein genießt. Zu seinen merkwürdigen Besitztümern gehören
der achtfüßige Sleipner, das beste aller Rosse, der wunderbare Speer Gungner und der Armring Draupner.
Odin geht zugleich mit der Welt unter, indem er mit dem WolfeFenrir kämpft und von diesem verschlungen wird (s. Götterdämmerung).
Schon in der jüngern Edda erscheint ein schwankendes und unklares Bild von Odin; in der christlichen Zeit
lebt er in der Sage stellenweise als Teufel fort. Eine große Rolle spielt Odin als Stammvater der nordischen Königsgeschlechts.
Später erklärte man die Göttersagen menschlich. So stellt Snorri Sturleson Odin als einen klugen Mann dar, der es durch Zauberkünste
dahin gebracht habe, daß man ihn als einen Gott verehrte. Nach ihm war Odin Beherrscher von Asaland
mit der Hauptstadt
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mehr
Asgard. Nach vielen siegreichen Kämpfen hätte er vor den Römern weichen müssen und sei nach mannigfache Zügen nach Schweden
[* 60] gekommen, wo er zu Sigtuna einen Tempel
[* 61] gebaut, den Opferdienst und überhaupt die religiösen Einrichtungen nach der Sitte
der Asen gestaltet hätte und Gesetzgeber und Vater der Kultur geworden wäre. Vgl. Wodan.
Als später eine PestTheben heimsuchte und der König wegen eines Rettungsmittels nach Delphi schickte,
befahl das Orakel, den Mörder des Laios aus Theben zu entfernen. Infolge der Nachforschungen nach demselben kam es denn an den
Tag, daß Ödipus selbst seines VatersMörder und zugleich der Gatte seiner Mutter sei, worauf er sich in der
Verzweiflung, nachdem sich Iokaste erhängt hatte, das Augenlicht zerstörte. Aus seiner Vaterstadt vertrieben, durchzog er in
Begleitung seiner Tochter Antigone als Bettler das Land und ging schließlich nach Athen, wo er im Hain derEumenidenRuhe fand
und starb.
Die Sage findet sich in ihren Hauptzügen schon bei Homer, Hesiod und den Kyklikern; von den Dramatikern
wurde sie in der Folge vielfach erweitert und umgestaltet. Sophokles behandelte sie in seinen drei noch erhaltenen Meistertragödien:
»König, »Ödipus auf
Kolonos« und »Antigone«, und auch Äschylos und Euripides haben sie als Gegenstand von Tragödien gewählt.
Vgl. Fr. Hermann, Quaestionum
Oedipodearum capita tria (Marb. 1837);
Von seinem Heer zum König von Italien ausgerufen und als römischer Patricius anerkannt, herrschte Odoaker nun über Italien mit
Kraft
[* 71] und Weisheit. Er überwies zwar den Söldnern, die ihn auf den Thron
[* 72] erhoben hatten, ein Drittel des Grundbesitzes in
Italien, achtete aber die GesetzeRoms, ehrte den Senat und überließ die Verwaltung, Rechtspflege und Steuererhebung einheimischen
Beamten; obwohl Arianer, übte er doch gegen den römischen Klerus Duldung. 481 unternahm er einen Feldzug nach Dalmatien, um
die Mörder des KaisersNepos zu bestrafen und diese Provinz dem Reich zu sichern, 487 einen gleichfalls glücklichen
gegen die Rugier an der Donau. Dagegen zog 489 auf Anstiften des Rugierfürsten Friedrich der Ostgotenkönig Theoderich, vom
griechischen KaiserZeno zum kaiserlichen Feldherrn ernannt, gegen Odoaker nach Italien. Am Sontius (Isonzo)
[* 73] bei Aquileja, zum zweitenmal
bei Verona
[* 74] und zum drittenmal an der Adda(11. Aug. 490) besiegt, mußte sich Odoaker nach Ravenna zurückziehen,
von wo aus er drei Jahre lang gegen die Ostgoten kämpfte, welche in der Nähe der Stadt ein festes Lager
[* 75] bezogen hatten. Endlich
zwang ihn Hungersnot, die tapfer verteidigte Stadt 27, Febr. 493 vertragsmäßig zu übergeben. Aber bald nach dem Einzug
Theoderichs, 5. März 493, ward Odoaker bei einem Gastmahl durch Theoderich selbst niedergestoßen. Sein Sohn und
viele seiner Freunde teilten dieses Schicksal.
Oedogonium capillare Ktz.,
häufig in Gräben und stehenden Gewässern wachsend, bildet mit einigen Konfervaceen, wie Cladophora fracta Ktz.,
wenn das Wasser verschwindet, das sogen. Meteorpapier, eine filz- oder watteartig verwebte und verblichene
Masse, welche oft ausgetrocknete Teiche und überschwemmt gewesene Wiesen bedeckt (Wiesentuch, Wiesenleder, Oderhaut).
(in Österreich
[* 78] O'Donel), eins der ältesten GeschlechterIrlands, dem die heutige GrafschaftDonegal, die alte Landschaft Tyrconnel, gehörte, nachweisbar seit dem 11. Jahrh., war während des Mittelalters fortwährend
in Streitigkeiten teils mit den Engländern, teils mit andern irischen Dynastengeschlechtern, namentlich den O'Neals, verwickelt.
Seit im Anfang des 17. Jahrh. die katholische Kirche in Irland hart verfolgt wurde, sank die Macht des
Hauses; Roderich O'Donnell, das Haupt desselben, mußte 1607 auf den Kontinent flüchten. Bei der irischen Erhebung von 1689 und 1690 spielte
Balderik O'Donnell eine hervorragende Rolle, allein nach
¶
3) JosephHeinrich O'Donnell, Graf von Abispal, geb. 1769 in Spanien,
[* 90] trat jung in die spanische Garde und nahm an dem KriegSpaniens gegen
die Franzosen 1795 teil. In dem spanischen Insurrektionskrieg gegen Napoleon I. 1810 stieg er zum General
auf und erhielt den Oberbefehl in Katalonien. Durch einen Sieg bei La Bispal erwarb er sich den Titel eines Grafen von Abispal,
wurde aber dann mehrmals geschlagen, so 23. April bei Levido und bei Vich. Im Streit mit den Cortes
Anfang 1814 ward er eingekerkert.
Rossa, irischer Agitator, geb. als der Sohn eines armen Pachters in Roß-Carbery bei Skibbereen in der
GrafschaftCork, ernährte sich seit seinem 16. Jahr als Krämer in seinem Heimatsdorf und trat 1856 in
Skibbereen in den Fenierbund ein, zu dessen eifrigsten Mitgliedern er bald gehörte. 1869 wurde er zum erstenmal verhaftet;
zwar ward er bald wieder auf freien Fuß gesetzt, allein sein Geschäftwar in der Zwischenzeit zu Grunde gegangen. Nun widmete
sich O'Donovan gänzlich der politischen Agitation, wurde der fanatischte, rücksichtsloseste und vor keinerlei
Gewaltthat zurückbebende Gegner der englischen Herrschaft in Irland und einer der Hauptorganisatoren der dieselbe bekämpfenden
Geheimbünde.
Seit 1863 gab er die Zeitschrift »IrishPeople« heraus, die unablässig gegen die »blutigen Sachsen«
[* 97] hetzte, und in deren Redaktionsbüreau
die Fäden der revolutionären Bewegung zusammenliefen. Eine hier 1865 vorgenommene Haussuchung lieferte
die geheimen Papiere des Bundes in die Hände der Regierung; O'Donovan wurde abermals verhaftet und zu lebenslänglicher Zwangsarbeit
verurteilt. Seine Wahl zum Parlamentsmitglied durch einen irischen Wahlbezirk ward 1869 von dem Unterhaus für nichtig erklärt,
O'Donovan aber 1870 in Freiheit gesetzt. Er wanderte nun nach Amerika
[* 98] aus und trat hier an die Spitze der extremsten
Richtung der Fenier. SeinOrgan »Irish World« predigte die Bekämpfung Englands durch Dynamit und Brandstiftung; er ist der Begründer
des sogen. Scharmützelfonds, der zum Zweck dieses Kampfes geschaffen wurde. Eine überspannte Engländern, FrauDudley, verwundete den
Verschwörer leicht durch einen Pistolenschuß.
(griech.), Apparat zum Vorzeichnen der Zahnkurven bei Zahnrädern auf Papier oder auf dem Holzmodell. Der
bisher allein gebräuchliche Odontograph von Willis, welcher in England sehr verbreitet ist, dient zur leichten
Aufsuchung der Mittelpunkte von Kreisen, welche die genauen Zahnprofile ersetzen sollen. Neuerdings kommt der Odontograph von Robinson
in Aufnahme, im wesentlichen ein nach einer logarithmischen Spirale gekrümmtes, aus Messing gefertigtes Kurvenlineal mit Involute,
welches durch eine zugehörige Tabelle nutzbar gemacht wird, um zur Aufzeichnung der Cykloiden- oder Evolventenzähne
zu dienen. Die Annäherung der genauen Zahnprofile ist eine für die Praxis vollkommen genügende.
(Ichthyornithen), ausgestorbene Vogelgruppe der nordamerikanischen Kreide
[* 102] mit im allgemeinen dem der Vögel
[* 103] analogem Skelettbau, wenn auch in den Details der Organisation noch mit zahlreichen Reptilieneigentümlichkeiten.
Odontotormae, kleine Vögel mit ausgezeichnete Flugvermögen,
bikonkaven Wirbeln, mehr oder weniger pneumatischen Knochen und in Gruben stehenden Zähnen(IchthyornisMarsh). Vgl. Marsh, Odontornithes (1880).
Stadt in Österreichisch-Schlesien, Bezirkshauptmannschaft Troppau,
[* 105] an der Oder, nahe der mährischen Grenze,
Sitz eines Bezirksgerichts, mit altem Schloß, Fabrikation von Tuch, Seidenzeug, Gummiwaren und Holzpfeifen und (1880) 3706 Einw.
mächtige thrakische Völkerschaft, wohnte auf beiden Seiten des Artiskos, gründete aber
nach Beendigung der Perserkriege unter König Teres ein großes Reich, das sich von Abdera bis zur Mündung des Ister und im Innern
des Landes von Byzantion bis zum Strymon erstreckte und nach dem Tode des letzten Königs, Kotys (358 v. Chr.), unter die Botmäßigkeit
der Makedonier, dann der Römer
[* 106] geriet.
(spr. odýnjez),AntonEdward, poln. Dichter, geb. 1804 auf dem väterlichen Gut Giejstuny in Litauen, studierte
1821-23 Jurisprudenz in Wilna,
[* 113] wo er sich mit Mickiewicz und dessen Kreis befreundete, und wurde ein eifriger Vertreter der Romantik.
Er begann seine litterarische Thätigkeit mit einer trefflichen Übersetzung von Bürgers »Lenore« und
ließ dann 2 BändeDichtungen (»Poezye«, Wilna 1825) erscheinen, die vom Geist echtester Romantik durchhaucht waren.
Von 1826 bis 1829 in Warschau
[* 114] lebend, trat er dort mit Brodzinski, Slowacki, Bohdan Zaleski u. a. in freundschaftliche Beziehungen,
vertrat in den vornehmen Salons die neue Richtung mit Eifer und Geschick und gab eine bald vielgelesene Zeitschrift:
»Melitele«, heraus, an welcher die bedeutendern jüngern Dichter Mitarbeiter
waren. Nachdem er 1829-30 in Begleitung von Mickiewicz eine Reise nach Deutschland und Italien unternommen, auf der auch Goethe
ein Besuch abgestattet wurde (vgl. Bratranek, Zwei Polen in Weimar,
[* 115] Wien 1870), lebte er eine Zeitlang in Dresden,
[* 116] dann in Leipzig,
[* 117] wo er seine vorzüglichen Übersetzungen aus Byron, Moore und W. Scott veröffentlichte, und kehrte darauf nach
Wilna zurück, um die Redaktion des amtlichen »Kurjer Wilenski« zu
übernehmen (1840-60). Auf dem dramatischen Gebiet, das er bereits 1829 mit dem romantischen Sittendrama »Izora«
betreten hatte, ließ er während dieser Zeit »Felicyta«
(1849),
»Barbara Radziwillowna« (1858) und »Jerzy Lubomirsky« (1860)
folgen. Nach dem Aufstand von 1863 siedelte er nach Warschau über, wo er starb. Großes Aufsehen hatte er in den
letzten Jahren durch die Veröffentlichung seiner interessante Reisebriefe (»Listy
z podrózy«, Warsch. 1875-78, 4 Bde.)
erregt. Seine lyrischen Gedichte, Balladen und Legenden erschienen gesammelt Warschau 1874.
Durch eine List entdeckte jedoch Palamedes die Verstellung des Odysseus, und nun weigerte sich derselbe nicht
länger. Er führte die zwölf Schiffe, welche von den Inseln des IonischenMeers aus gegen Troja
[* 119] zogen, und zeichnete sich während
der Belagerung der Stadt durch List, Gewandtheit und Rednergabe aus. Er nahm teil an der Gesandtschaft,
welche an Priamos wegen Auslieferung der Helena geschickt wurde, versöhnte Agamemnon mit Achilleus und ging als Kundschafter in
das Lager der
¶