der Hauptabfluß des
Bruches seit der
Korrektion durch die
Faule Obra oder den Obrzyckofluß erfolgt, der bei Tschicherzig in
Brandenburg
[* 2] rechts in die Oder mündet und vom Rudensee ab 30 km schiffbar ist. Die
Faule Obra entspringt nördlich von
Brätz.
(spr. -witj),Dositheus, verdienstvoller serb. Schriftsteller und Gelehrter, geb. 1739 zu
Tschakowo im
Banat, trat 1753 heimlich in das
Kloster Opowo in
Syrmien ein, wo er sich in asketische
Bücher vertiefte und zum
Diakon geweiht wurde, führte dann viele Jahre ein Wanderleben in
Dalmatien, auf dem
BergAthos und in
Smyrna, wo er drei Jahre
lang die Vorlesungen des Griechen Hierotheos hörte, in
Albanien,
Korfu,
[* 3]
Wien,
[* 4]
Italien
[* 5] und
Konstantinopel,
[* 6] überall als
Erzieher und
Lehrer thätig und sich mit den
Sprachen und
Litteraturen des
Altertums wie der neuern
Zeiten bekannt
machend.
Als er 1783 als
Erzieher zweier
Rumänen nach
Halle
[* 7] kam, hörte er selbst noch fleißig
Philosophie,
Ästhetik undTheologie
und gab sein interessant geschriebenes
Buch
»Leben und
Abenteuer« (»Život i priključenija«, Leipz.
1783) heraus, dem bald »Ratschläge des gesunden Menschenverstandes« (»Sověti
zdravago razuma«, das. 1784) und »Die
Fabeln des Äsop« (das. 1788) folgten. Obradovic hatte inzwischen auch
England besucht, lebte
dann mehrere Jahre in
Wien, seit 1802 inVenedig
[* 8] und siedelte 1806 nach
Belgrad
[* 9] über, wo er zum
Senator
und Unterrichtsminister ernannt wurde und starb.
Obradovićs
Schriften, unter denen noch die »Sammlung moralischer
Sachen«
(»Sobranie nravoučitelnych veščej«,
Wien 1793) hervorzuheben
ist, waren grundlegend und epochemachend für die serbische Litteratur, weil in ihnen zum erstenmal die wirkliche
serbische Volkssprache (statt der bisher üblichen kirchenslawischen Büchersprache) zur Anwendung kam und ein moderner,
auf
Humanität und
Wissenschaft beruhender
Inhalt geboten wurde. Obradovic genießt daher als der erste wirkliche Volksschriftsteller
der
Serben hohes Ansehen. Die beste
Ausgabe seiner Werke ist die von G. Vozarović veranstaltete
(Belgrad 1833-45, 10 Bde.).
serb. Fürstenfamilie, begründet von
Milosch Obrenowitsch I. (s. d.), Sohn Teschos, der die
WitweObrens von Brusnizza
geheiratet hatte;
Milosch nahm 1810 den
Namen Obrenowitsch an, regierte als
Fürst 1817-39, worauf ihm seine
SöhneMilan Obrenowitsch II. (1839)
und
Michael Obrenowitsch III. (1839-42) folgten.
Letzterer ward von den
Serben vertrieben, welche die
FamilieKarageorgiewitsch
auf den
Thron
[* 10] beriefen. 1858 kehrten die Obrenowitsch aus der
Verbannung zurück, und
Milosch regierte wieder von 1858 bis 1860,
Michael
von 1860 bis 1868; diesem folgte sein.
VetterMilan Obrenowitsch IV. (s. d.), der 1882 den Königstitel annahm.
(spr. o-breien), 1)
SirLucius O'Brien,
Lord Inchiquin, geb. wurde 1843
Lord Lieutenant in
Clare und gehörte
als Parlamentsmitglied für
Clare von 1826 bis 1830 und 1847-52 zu den standhaftesten Anhängern konservative und protektionistischer
Grundsätze. Infolge des am erfolgten Ablebens eines Seitenverwandten, des
Marquis von Thomond,
erbte O'Brien die irische Baronie von Inchiquin und trat als irischer Repräsentativpeer ins
Oberhaus. Er starb
2)
WilliamSmith,
Bruder des vorigen, geb. zu Cahirmoyle, wurde 1826 für
Ennis und 1832 für
Limerick ins
Unterhaus gewählt und beteiligte sich seit letzterm Jahr aufs entschiedenste an der irischen Repealbewegung.
In seiner
Schrift »Reproductive employment«
(Dublin
[* 11] 1847) entwickelte er
Ansichten über die Maßregeln, die zur Beseitigung
der materiellen
Leiden
[* 12]
Irlands getroffen werden müßten. Als 1848 die
Unruhen in
Irland einen gefährlichenCharakter
annahmen und O'Brien im Mai das irische
Volk zum
Aufstand gegen
England aufforderte, wurde ein Verhaftsbefehl gegen ihn und andre
Häupter des
JungenIrland erlassen.
Der von O'Brien gesammelte
Haufe ward in die
Flucht gejagt, O'Brien selbst ergriffen und 9. Okt. als
Hochverräter zum
Tod verurteilt, aber von der
Regierung zu lebenslänglicher
Deportation nach
Australien
[* 13] begnadigt, wohin er sich im Juli 1849 einschiffte. 1854 erhielt er vollständige
Begnadigung, kehrte zwei Jahre darauf nach
Irland zurück und starb in
Bangor.
Nikolai Nikolajewitsch, russ.
General, geb. 1829, trat 1848 in die
Armee ein, widmete sich von Anfang an
mit besonderm
Eifer und Erfolg den
Militärwissenschaften und veröffentlichte bereits 1850 seine erste
Schrift:
»Versuch
einer Geschichte der
Kriegskunst in Rußland«. 1852 wurde er zur weitern wissenschaftlichen
Ausbildung zur
Nikolai-Akademie
des
Generalstabs kommandiert, gab 1853 eine »Übersicht über die handschriftlichen
und die gedruckten
Denkmäler, die sich auf die Geschichte der
Kriegskunst bis zum Jahr 1725 beziehen« heraus, wurde 1856 zum
Professoradjunkten und 1857 zumProfessor der Militärstatistik an der
Nikolai-Akademie und 1861 zum Mitglied
des gelehrten Militärkomitees ernannt. 1866 erhielt er unter Beförderung zum
Generalmajor das
Amt eines Vorsitzenden dieses
Komitees und hatte an der Armeeorganisation, der Redaktion des
Reglements für die
Wehrpflicht und der Ausarbeitung der Bestimmungen
über die Reichslandwehr und die
Ersatz-, Lokal- und Reservetruppen hervorragenden
Anteil. 1871 wurde er
Generalà la suite des
Kaisers und 1873
Generalleutnant. Im russisch-türkischen
Krieg 1877 ward er dem
Generalstab der Kaukasusarmee
unter dem
GroßfürstenMichael zugeteilt und führte durch seine
Anordnung der von
Lazarew ausgeführten Umgehungsbewegung den
Sieg am
Aladja Dagh(15. Okt.) herbei. 1878 ward er zum Generaladjutanten und 1881 zum
Chef des
GroßenGeneralstabs
ernannt. Sehr wertvoll ist das von Obrutschew 1874 herausgegebene statistische Werk »Wojenno-statistischeskij
Obornik«.
Syrt (ObtschejSyrt), flacher Höhenzug, welcher sich bei seinem höchsten
Punkte, dem Kujan
Tau, vom Uralgebirge
abzweigt und in der
Richtung nach
SW., die russischen
GouvernementsUfa,
Orenburg und
Samara durchstreichend,
bis zur
Wolga reicht. Er bildet die
Wasserscheide zwischen
Wolga und
Ural und nicht nur die nördliche
Grenze der aralo-kaspischen
Niederung, sondern zugleich ein
Stück der natürlichen Grenzlinie zwischen
Europa
[* 14] und
Asien
[* 15] (s.
Europa, S. 920). Seine
Höhe steigt
von
SW. nach
NO. von 100 bis über 500 m. Während der südliche Abhang den asiatischen
Steppencharakter trägt, ist der nördliche von schönen Laubwäldern bedeckt. Bekannt ist sein
Reichtum an
Kupfer,
[* 16] besonders
¶
Julius, röm. Historiker, lebte wahrscheinlich im 4. Jahrh., verfaßte ein aus einem Auszug des Livius geschöpftes
Verzeichnis der Prodigien (d. h. Wundererscheinungen) der Jahre 505-742
d. St. (hrsg. von Oudendorp, Leid. 1720; Kapp, Hof
[* 18] 1772, und Jahn, Leipz. 1853).
(lat.), Herkommen, Regel, welche stillschweigend durch längere Befolgung und Übung anerkannt und deshalb
auch fernerhin für die Beteiligten verbindlich ist. Namentlich bei Gemeinden und andern Körperschaften
kommen gewisse observanzmäßige Gepflogenheiten vor, insbesondere in Fragen der Organisation, der Benutzung von Gemeindevermögen
u. dgl., welche gleich rechtlichen Satzungen beibehalten und beobachtet werden. Eine besonders ausgezeichnete Art von Observanzen
bilden die Gerichtsobservanzen, deren Inbegriff das Wesen des Gerichtsgebrauchs (s. d.) ausmacht. Im Handelswesen ist statt
Observánz die Bezeichnung Usance oder Handelsbrauch (s. d.) üblich.
fleischige und saftige Früchte, die als Nahrungsmittel
[* 31] oder Würze, zur Bereitung von Wein,
bisweilen auch zu andern Zwecken dienen. Die Bedeutung des Obstes nimmt im allgemeinen in dem Grad zu, in welchem man sich
dem Äquator nähert, und in den tropischen und subtropischen Klimaten ist das Obst vielfach allgemeines Nahrungsmittel (Datteln,
Bananen). In höhern Breiten spielt nur das Beerenobst eine größere Rolle. Nach der Form der Frucht unterscheidet
man verschiedene Arten. Zu den Steinfrüchten (Steinobst) gehören Pfirsiche, Aprikosen, Zwetschen, Pflaumen und Kirschen, dann
beispielsweise die Tahitiäpfel (Spondias dulcis), die ostindischen Mangopflaumen (Mangifera), die brasilischen und westindischen
Abacatas (Persea gratissima), die Datteln und Oliven.
Reich an Fett sind nur die Oliven. Das Aroma des Obstes wird bald durch ätherische Öle,
[* 36] bald durch eigentümliche Ätherarten
(s. Fruchtäther) bedingt. Diese mögen wohl unter Mitwirkung flüchtiger fetter Säuren entstehen, von denen bisher Baldriansäure
in den Beeren von Viburnum Opulus und Buttersäure im Johannisbrot gefunden worden ist. Der weiche Glanz der
Obstschalen wird durch Wachsarten hervorgebracht, über welche wir aber ebensowenig wissen wie über die Farbstoffe mancher
andern Obstarten.
Der Gehalt an eiweißartigen Körpern ist bei allen Obstarten gering. Unreifes Obst enthält reichlich Stärkemehl, welches mit
fortschreitender Reife in Zucker verwandelt wird. Dieser verdeckt dann auch die Säure, welche sich in den
unreifen Früchten durch den Geschmack viel bemerkbarer macht. Auch das Aroma entwickelt sich erst während des Reifens, und
die Veränderung der Konsistenz hängt hauptsächlich mit der Umwandlung der Pektinkörper, der Bildung des Zuckers aus dem unlöslichen
Stärkemehl etc. zusammen. Vgl. folgende Tabelle:
Der
Wert des Obstes als Nahrungsmittel (s. Taf. »Nahrungsmittel«) ist sehr gering. Um das Kostmaß eines
arbeitenden Mannes an eiweißartigen Stoffen, welches pro Tag auf 130 g berechnet wird, zu decken, müßte derselbe fast 15 kg
Obst genießen. Dagegen werden 500 g Stärkemehl (2,75 kg Kartoffeln) ersetzt durch etwa 2,75 kg Trauben,
3,5 kg Kirschen, 3,5 kg Äpfel, 4 kg Rotbirnen, 4 kg Zwetschen, 6 kg
Erdbeeren etc., und diese Quantitäten würden auch ungefähr nötig sein, um das tägliche Kostmaß eines arbeitenden Mannes
an stickstofffreien Substanzen zu decken. Nur Bananen, Kastanien und Brotfrüchte sind reich an Stärkemehl und besitzen wie
das zuckerreiche Johannisbrot bedeutend höhern Nahrungswert als unser Obst, bei dessen Genuß in übergroßer
Menge der nachteilige Einfluß der Säure auf den Magen
[* 37] sich leicht bemerklich macht. Dasselbe kann hauptsächlich nur zur Erquickung
dienen, und es
¶
Das Obst zerfließt um so schöner im Mund, je ärmer es an Cellulose und Pektose ist, und die Güte des Obstes
wächst daher mit dem Gehalt desselben an löslichen Substanzen. Durch die Kultur des Obstes nimmt der Zuckergehalt zu, der
Gehalt an freier Säure und unlöslichen Substanzen ab (Wald- und Gartenhimbeere). Ein ähnliches Verhältnis zeigt sich zwischen
schlechten und guten Jahrgängen desselben Obstes. Im Beerenobst findet sich durchschnittlich mehr freie Säure
als im Stein- und Kernobst, und der saure Geschmack tritt um so entschiedener hervor, als das Beerenobst wenig Gummi und Pektin
enthält.
Um das Obst möglichst lange und unverändert aufbewahren zu können, muß man es an trocknen Tagen und nicht in der Mittagshitze
abnehmen; Sommerobst nimmt man am besten kurz vor der vollständigen Reife ab, weil es sonst sehr schnell
verdirbt; Winterobst, welches erst auf dem Lager
[* 40] genießbar wird, muß dagegen möglichst lange auf dem Baum bleiben und ganz
besonders vor Verletzung geschützt werden. Zur Aufbewahrung dient eine frostfreie, kühle, luftige Obstkammer oder ein guter,
nicht dumpfiger Keller; man legt das Obst auf trocknes Stroh, am besten so, daß sich die einzelnen Stücke
nicht berühren und jedenfalls nicht drücken.
Einzelne verderbende Früchte müssen sofort entfernt werden. Hartes, nicht beschädigtes Obst kann man inMieten aufbewahren,
oder man schichtet es auch mit gesiebter trockner Asche oder Sand in Fässer, die an einem trocknen Ort stehen
müssen. Alles Obst, welches nicht in frischem Zustand verwendet werden soll, wird am besten getrocknet und gibt dann das
Backobst (Dörrobst, Trockenobst), welches ca. 30 Proz. Wasser enthält und in seiner Zusammensetzung gewöhnlich nicht vollkommen
reifem Obst entspricht, weil sehr allgemein Fallobst gebacken wird.
BestesBackobst erhält man nur aus ganz reifem Obst Teiges und fleckiges, angestoßenes Obst gibt schlechte Ware. Rein saure und
rein süße Früchte eignen sich nicht gut zum Dörren, die meisten Süßäpfel bleiben zäh und kochen sich lederartig; Äpfel
müssen geschält und vom Kernhaus befreit werden, sind dann aber, am besten in Scheiben zerschnitten,
sofort zu dörren; Pflaumen läßt man am Baum etwas welk werden. Lucas empfiehlt, beim Dörren anfangs eine Temperatur von
60-80° R. zu geben, bis sich das Obst ohne besondere Mühe mit einem Strohhalm durchbohren läßt, und dann bei 45-50°
R. weiter zu dörren. Zu langsames Dörren und niedrige Temperatur geben saures Obst. Niemals darf das Obst im
Ofen erkalten, es muß heiß ausgeschüttet werden und einige Tage
an der Luft liegen.
Mehrmaliges Dörren und schnelles Erkalten befördern gewöhnlich die Süßigkeit. Beim Dörren darf das Obst nicht in hoher
Schicht liegen und muß lebhaftem Luftwechsel ausgesetzt sein. Man benutzt deshalb vorteilhaft besondere
Darröfen, auch (transportable) Obstdarren, in welchen das Obst auf Horden liegt. Die schönsten Resultate erhält man mit den
amerikanischen Obstdarren, welche z. B. die fast weißen Ringäpfel liefern. Eine von Uslar modifizierte Obstdarre für mäßigen
Betrieb zeigt beistehende
[* 38]
Figur. A ist ein Füllofen mit Mantel B u. äußerer Umhüllung C. Zwischen B und
C steigt die Luft auf, erwärmt sich u. setzt die horizontal liegende Flügelscheibe D in Bewegung, so daß eine vollkommen
gleichmäßig Verteilung der Wärme
[* 41] erzielt wird. E ist das Ofenrohr.
Über dem Ofen wird ein viereckiges Gestell angebracht, welches zur Führung der einzuschiebenden Horden
G mit WinkeleisenF und Bandeisen H versehen ist. Die flachen Horden haben einen Boden aus verzinktem Eisendrahtgeflecht und
besitzen vier kleine Häkchen I, an denen die Ketten K zum Aufziehen der Horden befestigt werden. Die geschälten und vom Kernhaus
befreiten Äpfel werden in 5-7 mm dicke Scheiben geschnitten und diese nebeneinander auf eine Horde gelegt,
welche man sofort auf den Ofen stellt.
Ist nach 6-8 Minuten eine zweite Horde gefüllt, so hebt man die erste Horde mit der Kette und schiebt die zweite unter. Nach
weitern 6-8 Minuten wird die dritte Horde unter die zweite geschoben u. s. f., bis 18 Horden auf dem Ofen
stehen. Dann liest man auf der obersten Horde das hinreichend getrocknete Obst aus und schiebt die Horde wieder unten ein, so
daß sie allmählich wieder emporrückt. Birnen, welche nur in zwei Hälften zerschnitten werden, trocknen langsamer. In 12 Stunden
verbrennt man für etwa 20-25 Pf. Koks und erhält 7,5-10 kg Backobst.
Schnitte aus reifen Äpfeln verändern nur wenig ihre Farbe, wenn sie sofort nach dem Schälen und Schneiden auf die Horden gebracht
werden. Auf einem ähnlichen Apparat wird das nordamerikanische Aldenobst hergestellt. Für Pflaumen eignet sich dieser Apparat
nicht, da dieselben ein langsameres Trocknen verlangen. Die Prunellen erhält man aus geschälten sehr
feinen Pflaumen. Man bewahrt das Backobst in Kasten oder Säcken an einem trocknen Ort auf oder verpackt es flach gedrückt in
Schachteln oder Blechkasten. Obst wird auch in verschiedener Art eingemacht, entweder nur mit Zucker zum Teil in Blechbüchsen
[* 42] und Gläsern nach Appertschem Verfahren oder mit Rum, Kognak, Senf.
Besonders feine Obstsorten werden kandiert, so daß sie sich, stark mit Zucker imprägniert, trocken aufbewahren lassen. Für
häusliche Zwecke kocht man zerriebene Äpfel, Birnen, Pflaumen und Kirschen zu Mus ein, und in obstreichern Gegenden bilden
Pflaumen- und Kirschenmus nicht unbedeutende Handelsartikel. In Westfalen
[* 43] dagegen ist das Kraut (Apfelkraut,
Birnkraut, Seim, Apfelbutter, Obsthonig, Obstgelee) ein noch viel gebräuchlicheres Präparat. Die Fruchtsäfte werden eingekocht,
auf Sirupe, Liköre, Obstwein, Obstbranntwein und Obstessig verarbeitet. Unreifes
und gefallenes Obst ist, gekocht und mit anderm Futter gemengt, ein treffliches Nahrungsmittel für Schweine
[* 45] und Rindvieh; aus
unreifen Äpfeln kann man Stärkemehl auf gewöhnliche Weise gewinnen. Obst wird in rohem, gekochtem und getrocknetem Zustand
genossen. Rohes Obst wird bei uns in der Masse der Bevölkerung
[* 46] meist als Zuspeise zu Brot
[* 47] genossen. Feines
Obst ziert als Nachtisch die Tafel der Wohlhabenden, u. es wird damit von jeher ein großer Luxus, namentlich in den großen
Städten, bei uns aber sehr viel weniger als in Frankreich, getrieben.
Schon bei den Griechen und Römern fehlte Obst, namentlich Oliven, Weintrauben und Feigen, niemals beim Nachtisch,
wurde auch zum Frühstück, dann aber meist in getrocknetem Zustand genossen. In Paris
[* 48] und Petersburg
[* 49] zahlt man gegenwärtig
für Obst, Pfirsiche, Birnen, auch feine Äpfel in besonders schönen Exemplaren, sehr hohe Preise. Solche Exemplare werden selbst
vermietet, um bei Diners als Schaustücke in den Fruchtschalen zu dienen.
Vgl. Lucas, Anleitung zum Obstdörren
(5. Aufl., Stuttg. 1881);
Fischer, Handbuch der Obstkultur und Obstverwertung (Leipz. 1886);
Lämmerhirt, Die Obstverwertung
(Berl. 1885);
Böttner, Lehre
[* 50] der Obstkultur und Obstverwertung (Oranienburg 1885-86, 3 Bde.);
Gaerdt, Die Aufbewahrung frischen
Obstes etc. (Frankf. a. O. 1886).
(Ars obstetricia), Entbindungskunst (s. Geburtshilfe). ^[= (franz. Accouchement). Der Inbegriff aller bei der Behandlung der Schwangern, Gebärenden und ...]
Abteilung des Nutzgartens, in welcher Obstarten angepflanzt und gepflegt werden. Hochstämmige Kronenbäume
vertragen sich mit keinem andern Kulturgewächs, müssen also stets in besondern Gärten angepflanzt werden, weil sie dem
Erdboden Sonne
[* 51] und Luft entziehen, ohne welche namentlich Gemüse nicht gedeihen. Dagegen können Zwergobstbäume
und Beerensträucher mit Vorteil auch im Gemüsegarten gezogen werden. Die Anzucht der Obstbäume geschieht in der Baumschule
(s. d.) durch Wildlinge (s. d.) und deren Veredelung (s. Impfung);
[* 52] von dort verpflanzt man sie in kräftigen Exemplaren in den
Obstgarten Derselbe soll gegen Stürme einigermaßen geschützt sein, aber der freie Luftzug darf in keiner Weise
gehindert sein.
Jedenfalls ist der Obstgarten gegen unberufene Eindringlinge zu schützen und durch Drainierung von stehender Nässe
oder zu hohem Grundwasser
[* 53] zu befreien. Die Obstarten wählt man in der Hauptsache nach dem vorhandenen Boden: im lehmigen Sandboden
mit ähnlichem Untergrund gedeihen alle Obstarten gut, im sandigen Lehm besonders Äpfel, im fruchtbaren,
tiefgrundigen, nicht nassen SandBirnen, Walnüsse und Maronen, Süßkirschen im warmen, sandigen Gerölle von Kalkstein oder
auf ähnlichen Bergen, ebenso Sauerkirschen, die aber schon mehr fetten Boden vertragen, zur Not auch im magersten Boden noch
einigen Ertrag liefern; Pflaumen mit ihren nicht tiefgehenden Wurzeln kann man noch auf verhältnismäßig
feuchtem, flachem Boden pflanzen.
Äpfel-, Birnen-, Süßkirschen- und Walnußbäumen in hochstämmiger Kronenform gebe man 6-8 m Zwischenraum unter sich, den
Walnußbäumen, wenn sie allein stehen, noch mehr, weil sie groß und sehr alt werden können. Sauerkirsch- und Pflaumenbäume
begnügen sich mit 4-5 m Zwischenraum, den größten stets in gutem, den kleinern in schlechtem Boden,
weil sie in ersterm größer werden; der Raum zwischen den Zwergobstbäumen und Beerensträuchern richtet sich nach der
Bedeutung
der Zwischenkulturen, die mit ihnen gleichzeitig gebaut werden.
Zieht man die regelmäßige Form im O. vor, dann pflanze man die Bäume in Reihen und in »Verband«,
[* 54] d. h.
die Bäume der einen mitten zwischen die der andern Reihe; man pflanze in hartem Klima,
[* 55] auf nassem, nicht entwässertem Boden
und nicht ganz harte Baumarten im Frühjahr, in allen andern Fällen aber im Herbst, am besten bald nach Abschluß des Wachstums,
im September, wobei aber die Blätter entfernt werden müssen, weil sie die im Baum befindliche Feuchtigkeit,
seine Säfte, verdunsten, ohne daß solche durch die Wurzeln ersetzt werden könnten, welche ihre Thätigkeit erst beginnen,
wenn sie neue Spitzen gebildet haben.
Dies geschieht allerdings im Frühherbst sehr bald, während im Frühjahr gepflanzte Bäume erst gleichzeitig mit der
Entwickelung der Blätter sich von neuem bewurzeln. Auf bindigem oder nassem Boden, der aus irgend einer Ursache nicht entwässert
werden konnte, pflanzt man am besten nach der Manteuffelschen Methodeoben auf die Erde. Gewöhnlich aber pflanzt man inGruben
von 1-1,3 m Durchschnitt und 0,6-1 m Tiefe (näheres s. Baumsatz). Außer den Wurzeln wird auch, im Frühjahr,
die Krone beschnitten; diese besteht aus der Fortsetzung des Stammes in der Mitte und aus 4-5 von diesem ausgehenden Mutter-
oder Leitästen; was sich außer diesen noch am Stamm befindet, schneidet man weg.
Die Nebenzweige der Leitäste verkürzt man, die Spitzen der letztern aber läßt man unberührt, denn
sie entwickeln aus ihren Endaugen die ersten Blätter, und diese tragen bedeutend zur schnellen Wurzelbildung und damit zum
sichern und schnellen Anwachsen des Baums bei. Ende Juni sind auch die Leitäste um ein Drittel zu verkürzen; der sogen.
zweite Trieb entwickelt kräftige Triebe, durch welche die normale Weiterbildung der Krone gesichert wird.
Über den neubepflanzten Obstgarten legt man vorteilhaft eine Karte an, auf der jeder Baum aufzufinden und mit einer Nummer versehen
ist, die auf dieselbe Nummer des Buches verweist, das Namen, Herstammung, Zeit der Pflanzung und der jährlichen Tragbarkeit
nachweist, und in dem man die Eigenschaften der Sorte: Reifezeit, Güte, Anwendung (ob für Tafel oder Haushalt),
Haltbarkeit der Frucht, Zeit und Widerstandsfähigkeit der Blüte
[* 56] etc., notiert.
Nur durch allgemein fortgeführte Aufzeichnungen solcher Art im Buche gelangt man zur Kenntnis und Verbreitung unsrer guten
Obstsorten. In Beziehung auf den Schnitt werden die Kronenbäume in den ersten Jahren ganz wie die unten
behandelten Pyramiden behandelt, wegen regelmäßiger Fortbildung der Krone und zur Erzielung baldigen Blütenansatzes. Später
werden nur dürre und zu dicht stehende Äste herausgeschnitten, wonach die Wunde zu glätten und mit Baumwachs (s. Impfung)
zu bedecken ist.
Bei großen Wunden thut auch Steinkohlenteer gute Dienste;
[* 57] sogen. Wasserreiser und Wurzeltriebe sind zu entfernen.
Die lose Rinde, Moos, Flechten
[* 58] sind abzubürsten, der Stamm und die Hauptäste jeden Herbst mit in Wasser aufgelöster schwarzer
Seife zu waschen und mit Kalkmilch zu überziehen. Im Sommer, hauptsächlich im Juni, müssen die Bäume gegossen werden, stets
aber in möglichste Tiefe und im Umkreis der Krone, zu welchem Zweck man mit dem Locheisen 6-20 Löcher in
den Erdboden stößt und diese wiederholt mit überschlagenem Wasser füllt, dem zur Düngung Kloakendung und bei schlechtem
Untergrund, der die Blütenbildung nicht zuläßt, Superphosphat und schwefelsaures Kali zugesetzt werden. Diese Düngung ist
im
¶
mehr
August und September zu wiederholen, und je nach der Größe des Baums wendet man ¼-¾ kg von jeder Dungart an. Alte, sonst aber
noch gesunde Bäume kann man durch Abwerfen der Äste nach und nach innerhalb dreier Jahre, stets aber im Frühjahr, verjüngen.
Die bald darauf erscheinenden jungen Triebe sind so auszulichten, daß nur wenige an geeigneten Stellen
stehen bleiben und die Krone neu bilden. Ist der Baum von schlechter Sorte, so kann er gleichzeitig mit einer bessern versehen
(»umgepfropft«) werden.
Die Zwergobstbäume zeigen gewöhnlich ein schwächeres Wachstum und reichlichen Blütenansatz. Ihre Behandlung durch den Schnitt
(Formbäume) ist folgende: Die Pyramide soll in der Mitte einen kräftigen Stamm haben, von dem in der Entfernung
von 35 cm untereinander die Leitäste sich entwickeln;
diese werden, von unten angefangen, im Frühjahr so kurz geschnitten,
daß jedes Auge
[* 60] zum Austreiben kommt, der Stamm über einem Auge, das verspricht, denselben gerade nach oben
fortzusetzen, die obern Leitäste kürzer als die untern, so daß schon dadurch die Pyramidenform hergestellt wird.
Sollte
sich irgendwo eine Lücke zeigen, so kann durch einen Einschnitt bis ins Holz
[* 61] über einem in der Lücke befindlichen Auge der
fehlende Zweig hervorgelockt werden. Zu stark treibende Organe können durch Herabbinden oder durch kurzen
Schnitt, also über einem schwachen Auge, zu mäßigem Wachstum gezwungen werden. Ende Mai werden sämtliche Augen ausgetrieben
haben; die Seitentriebe der Leitäste werden nach und nach entspitzt (pinziert), die obern kurz, die untern etwas länger,
ebenso die jungen Triebe des Stammes, die werdenden Leitäste, um die Pyramidenform festzuhalten und dadurch
den Saft in die untern Organe zu leiten; die jungen Triebe zur Fortsetzung des Stammes und der Leitäste werden nicht entspitzt.
Die entspitzten Triebe werden nun 1-2 Seitentriebe bilden; um diese zu gunsten der zu Blütenknospen bestimmten untern Augen
zu schwächen, werden ihnen Anfang Juni bis Ende Juli 3, 4, 5 Blätter genommen, je nachdem sie weiter
wachsen, aber niemals die Spitze, weil deren Verlust ein drittes Austreiben verursachen würde. Während im Frühling die Leitzweige
wie im vorigen Jahr verkürzt werden, schneidet man die Seiten- (Blüten-) Zweige über dem untersten kräftigen Auge des jüngsten
Triebes; mit dem Entspitzen, bez. Entblättern wird
wie im vorigen Jahr verfahren.
Die Flügel- und Kronpyramide wie auch der Trauerbaum werden an Draht
[* 62] gezogen, ebenso der Spalierbaum; er unterscheidet sich
von der Pyramide durch die Stellung seiner Äste, welche nicht in einer Spirallinie um den Stamm stehen, sondern paarweise, möglichst
einander gegenüber rechts und links die möglichst wagerechten Leitäste bilden, während auch hier
die Fortsetzung des Stammes eine gerade Richtung annehmen soll; die Entfernung der Astpaare unter sich soll hier 25-30 cm betragen.
Der Frühjahrsschnitt der Leitzweige ist ähnlich wie bei den Pyramiden: die untern lang, die obern kürzer, bis sie ihre
Grenzen
[* 63] erreicht haben und dann miteinander durch Impfung vereinigt werden können. Die Frühjahrstriebe
dürfen dagegen hier beinahe gleich lang entspitzt werden, weil deren Wachstum bei der wagerechten Richtung der Äste ein ziemlich
gleichmäßiges sein wird. Die Anwendung dieser Regeln auf die Schnurbäumchen (horizontale Guirlanden) ergibt sich von selbst.
Die Sommerbehandlung der Pfirsichspaliere, nach ihnen auch der Aprikosen und
andrer Steinobstspalierbäume
sollte etwas sorgfältiger ausgeführt werden, ist aber ganz einfach: Die Frühjahrstriebe der Seitenaugen entspitze man
baldigst auf drei Augen;
von den daraus wachsenden zwei Sommertrieben wird der untere auf drei, der obere auf fünf Augen entspitzt,
was zur Folge haben wird, daß ersterer nicht mehr, letzterer aber an der Spitze noch einmal austreiben
und auf seiner ganzen Länge Doppel-,
[* 64] d. h. Blüten- und Blattknospen bilden wird.
Etwanige dritte Triebe werden im nächsten
Frühjahr über dem Astring abgeschnitten und der untere Zweig mit seinen drei Augen wie der vorjährige behandelt; während
der obere, nachdem er seine Früchte gereift hat, weggeschnitten wird. Walnuß- und Maronenbäume werden
nur so viel beschnitten, als zur Bildung der Krone nötig.
Die Obstbaumzucht in Kübeln und Töpfen liefert die köstlichsten Früchte mit größerer Sicherheit, wenn auch nicht in gleicher
Menge wie im O. Man pflanzt hierzu zweijährige oder schon tragbare, auf schwach treibende Unterlagen
veredelte Bäumchen in mäßig große Töpfe (20-30 cm oberer Weite), später in größere, selbst in Kübel mit einer Mischung
von Mistbeet- und Lauberde mit Ziegel- und Kalksteinstückchen, Holzkohlen und Sand zur Lockerung, auf welche zur Zeit des Wachstums
Kuhfladen gelegt werden, oder die durch Gießen
[* 65] mit vergornem Dungwasser (Abtrittsdung, Hornspäne, Knochenmehl,
Guano u. a. in Wasser) genügend Nahrung erhält.
Während des Sommers stehen die Bäumchen, bis an den Rand der Töpfe im Erdboden oder in Asche versenkt, auf einem sonnigen,
vor starken Winden
[* 66] geschützen Platz und werden im übrigen, namentlich beim Beschneiden, wie Zwergobstbäume
behandelt (s. oben). Im Winter stellt man sie an einem vor Temperaturwechsel geschützen Ort auf, im Keller, in einer Eisgrube,
auch im Freien, bedeckt aber in letzterm Fall die Töpfe mit Laub; bis nach der Blütezeit bleiben sie auf einem gegen starke
Sonne, Winde
[* 67] und Nachtfröste geschützen Ort oder müssen durch andre Mittel vor diesen verwahrt werden.
Den Krankheiten der Obstbäume muß man zuvorzukommen suchen, denn sie zu heilen, ist schwer, wenn nicht
unmöglich. Dem Frostschaden an empfindlichen Baumarten beugt man vor bei den Spalierbäumen durch Decken mit Stroh oder Fichtenreisig
¶