Stadt im preuß. Regierungsbezirk
Minden,
[* 19]
Kreis
[* 20]
Höxter, hat eine evangelische und eine kath.
Kirche, ein
Amtsgericht,
eine Dampfziegelei,
Gerberei, Käsebereitung und (1885) 1719 meist kath.
Einw.
Während des italienischen
Feldzugs 1859 zeichnete er sich als
Kommandant des 4. französischen
Armeekorps bei
Magenta, besonders
aber bei
Solferino,
[* 26] wo
er den rechten
Flügel befehligte, so aus, daß er noch im Juni d. J. zum
Marschall vonFrankreich ernannt wurde. Im
August 1859 erhielt er das
Kommando in
Toulouse.
[* 27] Als
Napoleon III. nach 1866 zu einer Reorganisation
der
Armee schreiten mußte, wurde Niel zum Kriegsminister ernannt und brachte trotz der starken
Opposition, welche
die
Erhöhung der
Opfer an
Geld und
Menschen beim
GesetzgebendeKörper fand, das neue Armeegesetz, allerdings
nicht ohne bedenkliche Änderungen, durch. Auch führte er in der
Ausrüstung, im Exerzitium etc. durchgreifende Neuerungen
ein, beschaffte das Chassepotgewehr in kürzester
Frist, ergänzte die Vorräte und erweiterte die
Befestigungen von
Metz.
Ehe
er aber noch die Reorganisation des
Heers vollendet hatte, starb er an den
Folgen einer
Operation.
Diese
Bestandteile sind wiederholt zusammenzuschmelzen, bis die beim Erkalten in Kügelchen zerfallende
schwarze
Masse gleichmäßiges Gefüge zeigt. Dann wird sie zerstoßen und das zu niellierende
Metall, welches durch
Wasser
mit ein wenig
Borax
[* 31] angefeuchtet wurde, gänzlich damit bedeckt. Über glühenden
Kohlen wird nun das Niëllo aufgeschmolzen, nach
dem Erkalten aber weggeschabt, so daß bloß die vertieften
Stellen der
Platte noch davon erfüllt bleiben.
Endlich wird das Ganze abgeschliffen und poliert.
Galvanoplastisches Niëllo erzeugt man auf die
Weise, daß man die Metallgegenstände mit
Ätzgrund überzieht, in letztern
Zeichnungen
graviert und diese durch
Ätzen vertieft. Man bringt dann den Gegenstand in den galvanoplastischen
Apparat,
bis durch das niedergeschlagen
Kupfer die
Züge ausgefüllt sind, wäscht den
Ätzgrund ab und schleift und poliert die Oberfläche.
Das Niëllo war besonders im
Mittelalter beliebt, ein hervorragender
Meister war
Finiguerra (s. d.) in
Florenz
[* 32] um 1450. Da die Goldschmiede
von solchen Gravierungen
Abdrücke aus
Schwefel oder
Papier nahmen, um den Fortschritt
¶
mehr
des Ätzens zu kontrollieren, sollen die in verschiedenen Kupferstichsammlungen aufbewahrten Niellen, welche man mit der
Vorgeschichte der Kupferstecherkunst (s. d.) in Verbindung bringt, auf diese Weise entstanden sein; doch sind diese Niellen
meist verdächtig, und es handelt sich wohl nur um spätere Abdrücke von Kupferplatten, deren Gravierungen sich von schwarzem
Grund abheben. Ein wirkliches Niëllo, eine Gravierung in Gold, war der sogen. Degenknopf KaiserMaximilians von
A. Dürer.
Die Niellen sind dadurch kenntlich, daß sie Abdrücke von der Gegenseite sind.
Vgl. Duchesne, Essai sur les nielles, gravures
des orfèvres florentins du XV. siècle (Par. 1826).
Gegenwärtig hat die Nielloarbeit ihren Hauptsitz im Innern von Rußland. Am bekanntesten sind die in
Tula verfertigten silbernen Tabaksdosen, vorzügliche aber sind die Fabrikate von Wologda und Ustjug Weliki. Eine besondere Anwendung
findet das Niëllo zur schwarzen Ausfüllung der Ziffern und Teilstriche des Minutenkreises auf metallenen Uhrzifferblättern sowie
zur Emaillierung goldener Uhrgehäuse. S. auch Tafel »Ornamente
[* 34] IV«,
[* 35] Fig. 10. - Nielleur (spr. -lör),
Niellierer, Verfertiger von Nielloarbeiten.
Auf dem Konstanzer Konzil genoß er großes Ansehen und beförderte die Herstellung der kirchlichen Einheit.
Er starb in Maastricht.
[* 38] Niem schrieb: »De Schismate libri III«, die Geschichte der Päpste 1378-1410 (Nürnb. 1532, 1592 u.
öfter),
die von der päpstlichen Mißwirtschaft ein lebhaftes Bild entwirft und daher vom römischen Stuhl verboten wurde;
den »Nemus unionis«, einen an wichtigen Aktenstücken reichen Traktat (mit dem vorigen Werk in der Ausgabe
von Schard, Basel
[* 39] 1566, vereinigt);
»Historia de vita Joannis XXIII.« (zuerst Frankf. 1628, dann in »Rer.
germ. hist.«, Bd. 1, und von Hardt, »Concilium Constantiense«, Bd. 2, das.
1700, hrsg.) u. a. m., während seine Autorschaft bei
andern Schriften, wie: »De necessitate reformationis ecclesiae in capite et in membris«, »De difficultate
reformationis in capite et in membris«, zweifelhaft und die ihm zugeschriebenen »Vitae pontificum romanorum a Nicolao IV.
usque ad Urbanum V. et inde ab anonymo usque ad annum 1418 continuatae additis imperatorum gestis« (als »Continuatio
chronici Martini Poloni« von Eccardus in »Corp. hist. med.
aev.«, Bd. 1, hrsg.)
vermutlich ältern Ursprungs sind.
Seit 1866 gehört er der königlichen Bühne in Berlin an. Niemanns Spezialität sind die Heldengestalten der Wagnerschen Opern,
für welche sich seine imposante, echt deutsche Erscheinung und sein trotz des hellen Klanges männlicher Tenor vorzüglich
eignen. Wie sein Gesang, so zeugt auch sein Spiel von einem außerordentlichen dramatischen Talent. Zahlreiche
Gastspiele an den bedeutendsten BühnenDeutschlands
[* 47] verschaffen Niemann die allgemeinste Anerkennung, namentlich aber hat er sich
durch seine Mitwirkung bei den PariserTannhäuser-Aufführungen 1861, in denen er die Titelrolle sang, sowie bei den BaireutherFestspielen 1876 einen Ehrenplatz in der Künstlerwelt gesichert. 1859 vermählte er sich mit der
Schauspielerin MarieSeebach (s. d.), von welcher er 1868 wieder geschieden wurde; später ging
er eine zweite Ehe mit der Schauspielerin HedwigRaabe (s. d.) ein.
vonStrehlenau,Nikolaus, gewöhnlich nur mit seinem Dichternamen NikolausLenau genannt, ausgezeichneter Dichter,
geb. zu Czatad in Ungarn,
[* 48] studierte zu Wien
[* 49] Jurisprudenz und wandte sich dann der Medizin zu,
ohne jedoch zur Ausübung der letztern zu gelangen. Von früh auf eine eigentümliche, zu gleicher Zeit feurige und melancholisch
gestimmte Natur, deren innerste poetische Ideale mit der umgebenden Wirklichkeit in Konflikt gerieten, der Bewegung und Gärung
der Zeit mit hoffendem Blick zugewandt und doch zu elegischer Trauer über den verlornen Frieden harmloser
Tage gestimmt, leidenschaftlich und wiederum von krankhafte Weichheit der Empfindung, sprach Lenau die wechselnden Stimmungen
seines Innern in lyrischen und lyrisch-epischen Dichtungen aus. Die beabsichtigte Herausgabe seiner »Gedichte« (Stuttg.
1831, 4. Aufl. 1840) führte ihn nach Stuttgart, wo er im Kreis der schwäbischen Dichter große Sympathien
gewann und sich besonders eng an JustinusKerner, Schwab und K. Mayer anschloß.
Doch konnten zunächst weder die neuen Freunde noch die Aussichten auf litterarischen RuhmLenau bewegen, von der beabsichtigten
Reise nach Amerika
[* 50] abzustehen; er hoffte in den Urwäldern die Befriedigung zu finden, die ihm daheim selbst
die Einsamkeit der Alpen
[* 51] versagte. Er trat die Reise nach den Vereinigten Staaten
[* 52] 1832 an, kaufte dort etwas Land an, das er an
einen seiner Reisegefährten verpachtete, und bereiste zu Pferde
[* 53] den Westen der Union. Der Eindruck der amerikanischen Zustände
konnte auf eine tieflyrische Natur wie die Lenaus nur ein abstoßender sein; amerikamüde kehrte er nach
Verlauf einiger Monate nach Europa
[* 54] zurück, wo inzwischen seine Gedichte ihre erste Verbreitung gewonnen hatten.
Die Dichtererscheinung Lenaus mußte in einer gärenden Übergangsepoche, wie die 30er Jahre waren, das höchste Interesse
wachrufen. Neben der tiefen Innigkeit des Gefühls, dem melodischen Reiz seines lyrischen Ausdrucks wirkte
bei seinen frühern und spätern Gedichten auch die Eigentümliche des Kolorits. Die Bilder aus seiner ungarischen Heimat verliehen
namentlich den kleinern epischen DichtungenLenaus ihren unwiderstehlichen Reiz, und die Mischung kräftiger Züge der Wirklichkeit
und elegischer Grundstimmung kam
¶
mehr
auch den erzählenden Dichtungen ohne ungarischen Hintergrund zu gute, welche neben zahlreichen lyrischen Gedichten in der
ersten Zeit nach der Rückkehr aus Amerika entstanden. Das Jahrzehnt zwischen 1833-43 verbrachte der Dichter abwechselnd in
Wien und in Schwaben. Seine erste größere Dichtung: »Faust« (Stuttg. 1836; für die Bühne eingerichtet von Gramming,
Münch. 1869), weder eine eigentlich epische noch eine dramatische Dichtung, sondern eine Reihe zum Teil farbenprächtiger Lebensbilder,
durch welche eine skeptische, unselig mit Gott und Welt zerfallene Natur hindurchgeht, vermehrte den Ruf, dessen sich der Dichter
bereits erfreute. In ihm selbst aber nagte, trotz allen poetischen Gelingens, eine schmerzliche Unbefriedigung,
die auch in der wachsenden Schwermut seiner Dichtungen zu Tage trat. Vielfache Herzenserlebnisse, Erschütternden und Enttäuschungen,
die Rastlosigkeit eines beständigen Reiselebens und der nie ruhende Widerspruch seiner persönlichen Neigungen und seiner
Geistesziele steigerten die nervöse Reizbarkeit des Dichters Schritt für Schritt. Außer den »Neuern Gedichten« (Stuttg.
1838, 2. vermehrte Auflage 1840) erschienen die größern Dichtungen: »Savonarola« (das. 1837, 5. Aufl.
1866) und »Die Albigenser« (das. 1842, 4. Aufl. 1873), welche beide alle
Vorzüge des Lenauschen Talents: die Tiefe der Empfindung, die Glut und Farbenpracht der Schilderung, den Schwung echter Begeisterung,
in einer Reihe glänzender Situationen und Bilder aufweisen, aber beide mehr geniale Fragmente als geschlossene
Kunstwerke sind. Im »Savonarola« hielt Lenau wenigstens noch die einheitliche Form fest, in den »freien Gesängen« der »Albigenser«
verzichtete er auch auf diese und erzielte darum nur fragmentarische Eindrücke.
schloß sich in der Kompositionsweise völlig dem »Faust«
an.
Die Vollendung desselben war Lenau leider nicht beschieden. Im Sommer 1844 überraschte der Dichter seine Freunde durch
die Nachricht von seiner glücklichen Verlobung;
Seine Geisteskrankheit erwies sich als völlig unheilbar; Lenau ward
daher nach der Irrenanstalt Oberdöbling bei Wien gebracht, wo ihn erst der Tod von seinen Leiden
[* 56] erlöste. Seine
»Gedichte« (Vereinigung der beiden obigen Sammlungen) sind seitdem in zahlreichen
Auflagen erschienen; sonst ist von seinen Publikationen noch der »Frühlingsalmanach« (Stuttg.
1835-36, 2 Jahrg.) zu erwähnen. Seinen dichterischen »Nachlaß« (Stuttg. 1851) und seine »Sämtlichen
Werke« (das. 1855, 4 Bde.;
illustriert Ausg. 1881, 2 Bde.) gab
Anastasius Grün, dem Dichter im Leben eng befreundet, heraus.
Von den neuern Ausgaben sind die vom Bibliographischen Institut in Leipzig veranstaltete (mit Anmerkungen etc., 1882, 2 Bde.)
und die Hempelsche (Berl. 1883, 2 Bde.)
zu nennen.
(spr. njämen), einer der bedeutendern Flüsse
[* 64] des westlichen Rußland und der bedeutendste Ostpreußens, entspringt
im Wald von Kopislow, südlich von Minsk, und wird bei Bielica für kleinere, bei Grodno für größere Fahrzeuge schiffbar.
Von Grodno an bildet er die Grenze zwischen Rußland und Polen, tritt als Memel
[* 65] mit einer Breite
[* 66] von 300 m
bei Schmalleningken in das preußische Gebiet und teilt sich 8 km unterhalb Tilsit
[* 67] bei Kallwen in zwei Arme, die Ruß und die
Gilge, die sich beide vor der Mündung in das Kurische Haff wieder in je vier Arme spalten, von denen der Hauptarm der
Ruß den Namen Atmat annimmt.
Die Ufer des Niemen sind flach, oft sumpfig, namentlich in Rußland; in Preußen
[* 68] durchströmt der Fluß oberhalb Ragnit bei Eißeln
eine schöne Hügellandschaft, unterhalb Tilsit aber mit seinen Armen die fruchtbare TilsiterNiederung, die durch großartige
Deiche gegen die Überschwemmungen des Flusses geschützt ist. Die Länge des Niemen beträgt 788 km (davon in
Preußen 112 km), sein Stromgebiet 90,548 qkm (1644,5 QM.).
Unter seinen Nebenflüssen sind die schiffbare Wilia in Rußland sowie die Jura und Szeszuppe (Scheschuppe) in Preußen zu nennen.
2) HermannAgathon, protest. Theolog, jüngster Sohn des vorigen, geb. zu
Halle, habilitierte sich 1825 daselbst und ward 1826 als außerordentlicher Professor der Theologie nach Jena
[* 78] berufen, kehrte
aber bereits 1829 als Professor und Direktor der Franckeschen Stiftungen nach Halle zurück, in welch letzterer
Stellung er sich durch Gründung einer Realschule und einer höhern Töchterschule, durch Reorganisation des Pädagogiums etc.
verdient machte. Nachdem er 1848 der BerlinerNationalversammlung angehört hatte, starb er Unter seinen größern
wissenschaftlichen Leistungen sind zu erwähnen: »Collectio confessionum in ecclesiis
reformatis publicatarum« (Leipz. 1840) und die von ihm begonnene »KritischeAusgabe der lutherischen Bibelübersetzung«
(Halle 1840 ff.).
Dasselbe war das erste in dieser Art, besonders hinsichtlich der Berücksichtigung und Verknüpfung der
pathologischen Anatomie, Physiologie und physiologischen Chemie mit der klinischen Beobachtung und therapeutischen Methode. Nicht
Detailforschungen oder die Begründung einer neuen Richtung, sondern vielmehr die Großartigkeit der allgemeinen Gesichtspunkte,
die Klärung des Verständnisses der Krankheitserscheinungen durch die Beleuchtung
[* 82] der denselben zu Grunde liegenden pathologischen
Veränderungen und die Zusammenfassung der Einzelheiten zu einem harmonischen Ganzen gaben dem Buch den
höchsten Wert. 1860 folgte Niemeyer einem Ruf nach Tübingen,
[* 83] wo er starb. Er schrieb: »Klinische Mitteilungen aus dem
städtischen Krankenhaus
[* 84] zu Magdeburg« (1855);
(spr. ni-epps), 1) Joseph Nicéphore, Erfinder der Photographie, geb. zu Châlon sur Saône, diente
seit 1789 in der französischen Armee, verwaltete 1795-1801 den DistriktNizza,
[* 96] widmete sich dann mit seinem
Bruder in seiner Vaterstadt mechanischen und chemischen Arbeiten und seit 1811 der Lithographie. Seine photographischen Bemühungen
begannen 1813, und 1824 war es ihm gelungen, die Bilder der Camera obscura
[* 97] zu fixieren. 1826 verband er sich mit Daguerre zur
weitern Verfolgung seiner Erfindung, starb aber in Gras.
Historique de la découverte improprement nommée Daguerréotypie, etc. (Par. 1841); Fouque, La vérité sur l'invention de
la photographie:Nic. Niepce (das. 1867).
(Harndrüsen, Renes), die drüsigen Organe zur Absonderung des Harns oder zur Abscheidung gewisser für den Körper
unbrauchbarer Stoffe aus dem Blut in flüssiger oder fester Form. Ursprünglich höchst wahrscheinlich als Hautdrüsen nahe
der Oberfläche der äußern Haut gelegen, kommen sie doch bei den meisten Tieren tief im Innern des Körpers,
in der Leibeshöhle, vor. Außer ihrer eigentlichen Funktion übernehmen sie häufig auch noch die Fortleitung der Geschlechtsstoffe
(Samen,
[* 99] Eier).
[* 100]
In den einzelnen Abteilungen des Tierreichs sind sie von sehr verschiedener Form, meist röhrig und oft von ungemeiner Länge,
daher in viele Schleifen aufgewunden (sogen. Schleifenkanäle) bei Würmern, ebenfalls röhrig und lang
bei den Insekten
[* 101] (sogen. Malpighische Gefäße), meist sehr unansehnlich bei den Krebsen, wiederum stark entwickelt, aber in
Form eines Sackes, bei den Mollusken
[* 102] etc. Bei den Wirbeltieren stellen die Nieren in ihrer einfachsten Form (sogen. Urniere der Cyklostomen)
einen langen, geraden Kanal
[* 103] (Urnierengang) dar, welcher vorn durch mehrere trichterförmig Öffnungen
mit der Leibeshöhle in Verbindung steht, hinten in der Nähe des Afters durch eine besondere Öffnung, den sogen. Bauchporus,
nach außen mündet und von Strecke zu Strecke seitliche Harnkanälchen abgibt, von denen jedes ein einzelnes Nierenbläschen
(s. unten) bildet.
Bei den Fischen erstreckt sich die Niere durch den ganzen Leib hindurch, manchmal bis zum Kopf hin, liegt
dicht unter der Wirbelsäule und läßt in dem hintern Abschnitt zwei Gänge, die Harnleiter, aus sich hervorgehen, welche, gewöhnlich
vereint und häufig zu einer Art von Harnblase erweitert, hinter dem After ausmünden. Auch ist an diesem
Gang
[* 104] bei vielen Fischen ein besonderer seitlicher Zweig mit einer weiten Öffnung nach der Leibeshöhle zu ausgestattet und nimmt
aus ihr die reifen Geschlechtsstoffe auf, so daß also die Harnleiter wenigstens in ihrem untern Teil zugleich als Samen-,
resp. Eileiter fungieren.
Bei den höhern Wirbeltieren ist es ähnlich, doch liegt die Niere in der Leibeshöhle stets sehr weit nach hinten, ist bei
den Reptilien und Vögeln lang und schmal, bei den Säugetieren vielfach rundlich, öfters aber auch in
einzelne Lappen geteilt, von denen jeder eine Niere im kleinen darstellt. Diese Nierenlappen enthalten jeder eine Anzahl Nierenbläschen
nebst den aus ihnen hervorgehenden Harnkanälchen, welche auf besondern Papillen (Nierenwärzchen) ausmünden; um letztere
zieht sich zur Aufsammlung des hervorquellenden Harns eine trichterförmig Wand, der Nierenkelch.
Solcher Lappen sind z. B. bei den Walen gegen 200 vorhanden, meist jedoch viel weniger; verbinden sie sich
unvollständig miteinander, so bleibt die Oberfläche der nun einheitlichen Niere höckerig, verschmelzen sie mehr, so wird,
wie beim Menschen, die Oberfläche glatt, doch kann alsdann die Trennung im Innern noch bestehen und in der Menge
der Nierenkelche ausgedrückt bleiben. Letztere treten aber dann wieder zu einem größern trichterförmigen Rohr, dem Nierenbecken,
zusammen, welches den Anfang des Harnleiters bildet. Dieser mündet in die Harnblase (s. d.) ein. Die Urniere, hier auch als
Wolffscher Körper, und der Urnierengang, auch als Müllerscher Gang bezeichnet, fungieren nicht weiter im
Dienste
[* 105] der Harnbereitung (s. Geschlechtsorgane).
Die Nieren des Menschen (s. Tafeln »Eingeweide
[* 106] I« und »Blutgefäße«) sind zwei bohnenförmige, rotgraue Drüsen von je etwa 10 cmLänge, 5-7 cmBreite, 3½-4½ cmDicke und 120-170 g Gewicht. Sie liegen (und zwar die rechte etwas tiefer als die linke) in der
Lendengegend, dicht an der Wirbelsäule, und werden vom Bauchfell nicht überzogen, dagegen von einer Schicht
fettreichen Bindegewebes (Nierenfett) eingehüllt, jedoch nicht so fest, daß nicht infolge mechanischer Einwirkungen (z. B.
Druck benachbarte Geschwülste, starkes Schnüren bei Frauen) Lageveränderungen einer oder beider Nieren eintreten könnten (sogen.
wandernde Nieren). Darunter folgt dann eine weißliche, dünne, aber feste Haut, welche der Niere selbst angehört.
Schneidet man eine Niere der Länge¶
mehr
nach durch, so sieht man unter einer etwa 1 cm dicken, gelb- oder grauroten Rinde 8-18, gewöhnlich 12-14 blässere Pyramiden,
welche durch die dunklere Rindensubstanz voneinander getrennt sind und selbst aus sogen. Marksubstanz
bestehen. Jede mit dem zu ihr gehörigen Teil der Rindensubstanz entspricht einem der oben genannten Nierenlappen, besitzt
also an ihrer Spitze ihr Nierenwärzchen und um dasselbe meist auch einen eignen Nierenkelch. Rindensubstanz und Pyramiden
(sogen. MalpighischePyramiden) bestehen aus großen Mengen Harnkanälchen und Blutgefäßen nebst dem dieselben stützenden
spärlichen Bindegewebe, mit dem Unterschied jedoch, daß in ersterer die Kanälchen meist geschlängelt, in letzterer meist
gerade verlaufen, sowie daß in ersterer mehr Gefäße vorhanden sind. Die Absonderung des Harns aus dem
Blut geschieht nun in folgender Weise. Die Nierenarterie (s. Tafel »Blutgefäße«,
[* 108] Fig. 5) tritt an der innern Seite der Niere
durch den sogen. Nierennabel (wo zugleich die Vene austritt) in sie ein und teilt sich sofort in mehrere
Äste, deren Verzweigungen zwischen den Pyramiden hindurch zur Rinde gelangen und hier in einer enormen Anzahl feinster Zweige
endigen.
Von diesen windet sich jeder zu einem sogen. Gefäßknäuel (s. Wundernetz) zusammen, das eben noch mit bloßem Auge
[* 109] als rotes
Pünktchen sichtbar sein kann, streckt sich darauf wieder glatt und löst sich dann erst in Kapillaren
auf, aus denen sich die feinen Zweige der Vene zusammensetzen. Die Gefäßknäuel (glomeruli Malpighii, Malpighische Körperchen)
sind jedes in ein Bläschen, das Nierenbläschen, hineingestülpt, welches sie dicht umschließt und nichts als der blinde,
erweiterte Anfang eines Harnkanälchens ist.
Durch die dünnen Wandungen des Gefäßknäuels und des Bläschens hindurch filtriert gewissermaßen aus
dem Blut zunächst nur Wasser, welches so in das Harnkanälchen gelangt. Dieses selbst verläuft anfangs in der Rinde vielfach
gewunden und nimmt während dieser Zeit aus den umspinnenden Kapillaren eine kleine Menge derjenigen Stoffe auf, welche aus
dem Blut entfernt werden sollen; darauf senkt es sich in gerader Richtung zum Mark herab, kehrt in einer
Schleife zur Rinde zurück und mündet in ein weiteres Kanälchen, das noch eine Reihe gleicher aufnimmt und in der Pyramide
geradlinig nach ihrer Spitze hin seinen Lauf nimmt.
Durch solche Vereinigung mehrerer Kanälchen wird ihre Zahl nahe ihrer Mündung auf der Spitze derPyramiden
auf ungefähr 200 reduziert. Sie sind von den Kapillaren umsponnen und lassen den Harn tropfenweise in die Nierenkelche, von
denen zuweilen einer für mehrere Pyramiden zugleich bestimmt ist, fallen, worauf er dann sich in das gemeinschaftliche Nierenbecken
und aus diesem durch den Harnleiter in die Harnblase (s. d.) ergießt. Die Harnleiter (Ureteres, Ureteren),
gleich dem Nierenbecken mit einer besondern Muskelschicht in der Wandung ausgestattet, sind etwa 5 mm weit, 32-34 cm lang und
münden in die Harnblase in der Art ein, daß sie nach Durchbohrung der Muskelhaut derselben noch 1-1½ cm weit zwischen dieser
und der Schleimhaut verlaufen, ehe sie sich in die Blase öffnen. Die Nerven
[* 110] der Nieren stammen vom Sympathikus
(s. d.) ab, begleiten die Arterien und sind mit kleinen Ganglien versehen. Zuweilen ist die eine Niere sehr verkleinert oder
fehlt ganz, alsdann ist aber die andre um so größer; auch gibt es Fälle von Verschmelzung beider Nieren oder
von ihrer Auflösung in mehrere Lappen. Über die Erkrankungen der s. Nierenkrankheiten.
In der
Kochkunst werden Nieren vom Hammel, Kalb und Schwein
[* 111] vielfach verwendet und gelten als Leckerbissen, während Rindsnieren
zu fest sind u. meist nur zur Verbesserung des Geschmacks der Fleischbrühe dienen. Hammel-, Kalbs- und Schweinsnieren
werden gebraten, gebacken, mit feinen Kräutern (aux fines herbes) gedämpft (sauté), mit Wein und Champagner zubereitet;
man verwendet sie zu Suppen, Pasteten, als Füllung von Omeletten und zu Ragouts. In Süddeutschland sind saure Nieren allgemein beliebt.
(Putzen), Abscheidungen von erzführenden Partien in unförmlichen, mehr oder weniger umfangreichen
Massen, in besondern Lagerstätten oder in der ganzen Gebirgsmasse ohne Zusammenhang zerstreut.
Die Erkrankungen der Niere bieten der Diagnose am Krankenbett große Schwierigkeiten dar, denn obgleich
es leicht festzustellen ist, daß eine Nierenerkrankung vorliegt, so ist es doch oft nicht möglich,
die Art der Entwickelung von andern Krankheitsformen zu unterscheiden. Der Grund hierfür liegt darin, daß jede der vielen
anatomischen Veränderungen vorübergehend oder dauernd einen Teil des Drüsengewebes außer Thätigkeit setzt. Sobald dies
geschieht, wird der Harn bald auffallend spärlich, bald sehr reichlich, bald außerordentlich reich an
Salzen, bald arm daran und enthält meist Substanzen, welche im normalen Harne nicht vorkommen.
Unter diesen letztern nimmt wegen der Häufigkeit des Vorkommens und der hohen Bedeutung für die gestörte Ernährung die
erste Stelle das Eiweiß ein. Die Absonderung von gelöstem Eiweiß (s. Eiweißharnen) ist oft das einzige
Merkmal einer Nierenkrankheit und bleibt, da die Substanz ohne chemische Reaktion nicht erkennbar ist, meist so lange Zeit verborgen,
bis andre spätere Folgen des Leidens die Aufmerksamkeit des Arztes auf diese Untersuchung hinleiten. Ist das Eiweiß dann wirklich
nachgewiesen, so weiß man eben gerade, daß eine Nierenkrankheit vorliegt, aber nichts Genaueres.
Etwas bestimmter wird die Vorstellung, wenn sich außerdem kleinste, mikroskopisch erkennbare Teilchen von Nierenkanälen,
sogen. Fibrincylinder, in der Absonderung vorfinden, da diese darauf deuten, daß der Prozeß etwas älter ist, daß Abschnitte
des Nierengewebes zu Grunde gegangen sind; sofern blutige Beimischungen gefunden werden, die nachweislich nicht aus den
größern Harnwegen oder der Blase herrühren, so spricht dies für einen akuten, in frischem Fortschreiten begriffenen Vorgang;
aber die Befunde im Harn decken sich nicht mit den anatomischen Veränderungen, sie variieren mehr graduell, in Menge und Verhältnis
der einzelnen abnormen Bestandteile, während die anatomischen Veränderungen, die ihnen zu Grunde liegen,
in ihrem Wesen, in ihrer Entstehung und ihrem schließlichen Ablauf
[* 112] verschieden sind.
Sofern ein größerer Abschnitt von harnabsonderndem Drüsengewebe zu Grunde gegangen ist, so genügt der Rest nicht mehr,
die im Blut angehäuften Verbrauchsprodukte der Gewebe
[* 113] auszuscheiden, und diese entfalten nun, je nachdem der Nierenschwund
plötzlich oder langsam entstanden war, ihre mehr oder weniger stürmischen und gefahrbringenden Wirkungen.
Ist die Menge dieser hoch oxydierten, dem Harnstoff nahestehenden Produkte sehr reichlich, so üben sie auf das
¶