Gerlach an und beteiligte sich lebhaft an den politischen
Bewegungen. Von seinen wissenschaftlichen
Arbeiten sind hervorzuheben
die mikroskopischen Untersuchungen: »Das Wollhaar des
Schafs« (Berl. 1866) und »Über die Verwertung
der
Wolle nach geschehener Fabrikwäsche«
(Halle
[* 2] 1874);
Gemeinde im nordamerikan.
StaatMassachusetts, 20 km westsüdwestlich von
Boston,
[* 7] am Cochituatesee, mit
Fabriken
und (1880) 8479 Einw. Hier wurde 1860 die erste neuenglische Indianerkirche
gegründet.
(lat.,
Völkerschaft), ein nach Abstammung und
Geburt, nach
Sitte und
Sprache
[* 8] zusammengehöriger
Teil der Menschheit;
Nationalität, die Zugehörigkeit zu diesem. Nach heutigem deutschen Sprachgebrauch decken sich die
Begriffe
Nation und
Volk keineswegs, man versteht vielmehr unter
»Volk« die unter einer gemeinsamen
Regierung vereinigten
Angehörigen eines
bestimmten
Staats. Wie sich aber die
Bevölkerung
[* 9] eines solchen aus verschiedenen
Nationalitäten zusammensetzen kann, so können
auch umgekehrt aus einer und derselben Nation verschiedene Staatswesen gebildet werden.
Denn manche Nationen, und so namentlich die deutsche, sind kräftig genug, um für mehrere Staatskörper
Material zu liefern.
Das
Wort Nation bezeichnet, wie
Bluntschli sagt, einen Kulturbegriff, das
Wort
»Volk« einen Staatsbegriff. Man kann also z. B. sehr
wohl von einem österreichischen
Volk, nicht aber von einer österreichischen Nation sprechen. Zu beachten
ist ferner, daß nach englischem und französischem Sprachgebrauch der
Ausdruck Nation gerade umgekehrt das Staatsvolk (die sogen.
politische
Nationalität) bezeichnet, während für die Nation im deutschen
Sinn des
Wortes, für das Naturvolk (die sogen. natürliche
Nationalität), die
Worte Peuple (franz.) und
People (engl.) gebräuchlich sind.
In demBegriff der Nation liegt das
Bewußtsein der gemeinsamen Abstammung und das
Bewußtsein der Zusammengehörigen überhaupt:
das Nationalgefühl. Ebendieses nationale
Selbstbewußtsein ist es aber, welches zugleich den
Gegensatz zwischen der einen
und der andern Nation hervortreten läßt.
Kann zudem eine Nation auf eine große Vergangenheit zurückblicken,
oder nimmt sie unter den verschiedenen Nationen eine
besonders hervorragende
Stellung ein, so steigert sich das Nationalgefühl
zum Nationalstolz, während sich jener
Gegensatz zwischen verschiedenen
Nationalitäten zuweilen bis zum Nationalhaß verschafft.
Mit dem Nationalgefühl steht der nationale Selbsterhaltungstrieb im Zusammenhang; darum gilt jeder Nation die Nationalfreiheit
als
höchstes Gut, und die Nationalehre verbietet ihr die freiwillige Unterwerfung unter eine andre Nation. Aus
demselben
Grund ist auch jede Nation auf die
Erhaltung ihrer nationalen Eigentümlichkeiten bedacht, vor allem auf die der Nationalsprache,
denn auf dieser beruht zumeist das
Wesen der Nation,
und sie ist es, welche die Stammesgenossen am engsten
verbindet.
Dazu kommt bei den Kulturvölkerschaften eine gemeinsame
Nationallitteratur, in welcher die Nationalsitte ihren besten
Ausdruck
findet. Denn wie die Ausdrucksweise jeder Nation, d. h. ihre
Sprache, eine besondere ist, so pflegt es auch ihre
Anschauungs- und
Auffassungsweise auf dem sittlichen Gebiet, der Nationalcharakter, zu sein. Am leichtesten wird natürlich
einer Nation die
Erhaltung ihrer Selbständigkeit dann werden, wenn sie allein ohne anderweite nationale
Elemente einen
Staat bildet,
und ebendieser
Staat wird sich durch besondere
Stetigkeit und
Festigkeit
[* 10] auszeichnen,
weil er eine natürliche Grundlage hat.
Jedenfalls ist es für einen
Staat von großer Bedeutung, wenn eine Hauptnationalität dieBasis desselben
bildet. Sind aber in einem Staatswesen verschiedene
Nationalitäten vereinigt, so können für die politische Behandlungsweise
derselben folgende
Systeme zur Anwendung kommen:
1) das
System der Unterdrückung, welches z. B. von Rußland der polnischen Nation gegenüber
befolgt worden ist;
2) das
System der Verschmelzung, das altrömische und das französische
System;
3) das
System der Gleichberechtigung der verschiedenen
Nationalitäten, auch wohl das deutsche
System genannt,
welches aber auch in der
Schweiz
[* 11] mit bestem Erfolg angewendet worden ist. Verwerflich war dagegen die Art und
Weise, wie dieses
System früher zum
Zweck der
Erhaltung der österreichischen
Monarchie von österreichischen Staatsmännern, namentlich von
Metternich,
lange Zeit hindurch zur Anwendung gebracht worden ist, indem hier die einzelnen
Nationalitäten gegeneinander
aufgereizt und die eine durch die andre in
Schach gehalten wurden.
Das politische
Leben der Neuzeit hat die
Bildung nationaler
Staaten besonders begünstigt. Dies zeigt sich nicht nur in dem
erfolgreichen
Streben der in verschiedene
Staaten zersplitterten Nationen nach einem einheitlichen Staatswesen,
wie dies namentlich in
Italien
[* 12] und
Deutschland
[* 13] der
Fall war, sondern auch in den Bestrebungen verschiedener zu einem gemeinsamen
Staatskörper vereinigte
Nationalitäten nach politischer Selbständigkeit, wie in
Österreich-Ungarn.
[* 14]
Man hat es sogar geradezu als ein politisches
Prinzip hingestellt, daß jede Nation es als ihrRecht beanspruchen
könne, einen besondern
Staat zu bilden
(Nationalitätsprinzip). Allein dieser
Grundsatz kann in seiner radikalen Auffassung
und Ausführung, wie ihn
Napoleon III. zur Grundlage seiner
Politik erhoben hatte, nicht gutgeheißen werden. Denn nicht jede
Nation hat die
Kraft,
[* 15] einen lebensfähigen
Staat zu bilden, und umgekehrt sind manche Nationen kräftig und
vielseitig genug, um die Grundlage für verschiedene
Staaten abgeben zu können. Daß übrigens
Napoleon III. das
Nationalitätsprinzip
zumeist nur als
Mittel zur Erreichung selbstsüchtiger
Zwecke¶
mehr
benutzt hat, geht am besten aus seiner Handlungsweise Mexiko
[* 17] gegenüber sowie aus der Annexion von Savoyen und Nizza,
[* 18] welche
zu diesem Prinzip im direkten Gegensatz standen, hervor. Immerhin muß aber die nationale Theorie, wonach der Staat auf wesentlich
nationaler Grundlage beruhen soll, freilich mit der gehörigen historischen Einschränkung, dem einseitigen
Festhalten an dem sogen. Legitimitätsprinzip (s. d.)
und der Gleichgewichtstheorie des WienerKongresses gegenüber als ein wichtiger Fortschritt in der Entwickelung des politischen
Völkerlebens bezeichnet werden.
ein in der neuern Zeit den mehr dynastischen Landeswappen an die Seite gestelltes
nationales Symbol, das lediglich aus zwei oder mehr Farben besteht. Nur innerhalb der ihnen genau angewiesenen Folge bilden
die Farben die Nationalfarben eines Landes. Die Nationalfarben werden gegenwärtig vorzugsweise in Fahnen zur Schau getragen, die bei seitlichen Gelegenheiten
auf öffentlichen und Privatgebäuden aufgezogen oder ausgehängt werden. In den Freundschaftsverträgen
zwischen verschiedenen Nationen wird den diplomatischen Agenten in der Regel das Recht zugesichert, von den Nationalfarben in der erwähnten
WeiseGebrauch machen zu dürfen.
Das Herabreißen einer solchen Fahne ist eine schwere Beschimpfung der betreffenden Nation, für die nach dem VölkerrechtGenugthuung gewährt werden muß. Die Schiffe
[* 20] einer Nation erhalten (in Deutschland auf Grund eines Flaggenattestes) das Recht
zur Führung der Nationalfarben. Außerdem kommen dieselben bei der Landarmee in Fahnen, Kokarden (s. d.), Feldbinden, Portepees u. dgl. zur
Anwendung. Die Nationalfarben sind als solche durchaus modernen Ursprungs, obgleich sie nicht selten auf
eine ältere Quelle,
[* 21] die Wappenfarben, zurückführt.
Deutschland hat erst mit Errichtung des Norddeutschen Bundes, dessen Farben auf das Deutsche Reich
[* 22] übergingen, Nationalfarben erhalten;
denn die FarbenSchwarz-Rot-Gold waren die Burschenschaftsfarben. Daß sich die Nationalfarben in Deutschland nicht früher nachweisen lassen,
erklärt sich durch die territoriale Zerklüftung des alten Reichs und das mangelnde nationale Bewußtsein.
Die Farben der einzelnen Territorien sind, wo sie vorkommen, mehr fürstliche Hausfarben, die sich nicht immer an das Wappen
[* 23] anlehnen. So waren nach dem Zeugnis des kaiserlichen Herolds Francolin 1560 Gelb-Schwarz-Weiß die Farben der »königlichen Würde«
von Böhmen,
[* 24] während die Farben des böhmischen WappensRot-Weiß sind.
im allgemeinen s. v. w. Bürgerwehr, besonders die 1789 in Frankreich durch Lafayette organisierte Volkswehr.
Die Nationalversammlung erließ einen Aufruf vom zur Bildung einer Freiwilligenarmee, der aber
nicht zur Ausführung kam. Man beschloß daher, aus der Nationalgarde ein Heer von 100,000 Mann aufzustellen, welches die Offiziere und
Unteroffiziere selbst wählte. Mit diesem Heer und der aktiven Armee begannen die Revolutionskriege. Nach wechselnder Organisation
erhielt die Nationalgarde 1797 die Einrichtung, welche sie längere Zeit behielt.
Sie war zwar nur zum Dienst im Innern bestimmt, fand aber auch teilweise im Feld Verwendung. Unter den Bourbonen wurde sie denPräfekten unterstellt und verlor das Recht, ihre Offiziere zu wählen. 1827 aufgelöst, wurde sie 1830 von neuem organisiert
und von LudwigPhilipp hoch geschätzt. Nachdem die Nationalgarde sich an der Niederkämpfung des Juniaufstandes 1848 beteiligt,
wurde sie 1852 in ihren Rechten wesentlich beschränkt, um die revolutionären Elemente aus ihren Reihen fern zu halten; der
Kaiser ernannte die Offiziere und unterstellte die Nationalgarde dem Kriegsministerium. Durch das Wehrgesetz von 1868 wurden
alle waffenfähigen Bürger, welche nicht aktiv gedient, vom 30.-60. Lebensjahr der Nationalgarde zugeteilt, die jüngern sollten
die Garde nationale mobilisée, der Rest die Garde nationale sédentaire bilden. Beim Einzug der deutschen Armee in Paris
[* 27] Anfang
März 1871 blieben 12,000 Mann Nationalgarde zur Aufrechterhaltung der Ordnung unter Waffen.
[* 28] Das Rekrutierungsgesetz
von 1872 hob die Nationalgarde wieder auf.
Partei, politische Partei in Deutschland, ging aus der preußischen Fortschrittspartei nach dem großen
Umschwung der Dinge 1866 hervor und bildete sich unter Laskers und TwestensFührung im August 1866 aus den
Männern, welche, ohne ihre liberalen Grundsätze zu verleugnen, sich entschlossen, den Verfassungskonflikt durch Bewilligung
der von der preußischen Regierung verlangten Indemnität zu beendigen und dieselbe in ihrer deutschnationalen Politik offen
und rückhaltlos zu unterstützen. Die Mehrzahl der liberalen Abgeordneten der neuen Provinzen, unter ihnen Miquel und Bennigsen,
schloß sich dieser neuen Partei an. Da der Ausbruch des kirchlichen Konflikts 1871 und die teils feindselige, teils unzuverlässig
Haltung der
¶
mehr
alten Konservative die Regierung nötigte, sich auf die gemäßigten Liberalen zu stützen, so erlangte die eine nationalliberale Parteieine immer größere
Bedeutung im politischen Leben der Nation und, da sie recht eigentlich die Gesinnung des gebildeten Mittelstandes vertritt,
bei den Neuwahlen 1873 und 1874 eine erhebliche Verstärkung,
[* 30] indem in den preußischen Landtag
182, in den deutschen Reichstag 155 Nationalliberale gewählt wurden. Obwohl nicht eigentlich Regierungspartei,
hielt es die nationalliberale Partei doch für ihre Pflicht, in allen wesentlichen Fragen in beiden Körperschaften zu der Regierung zu stehen,
welche in der innern und äußern Politik ihre Ziele verfolgte.
Die nationalliberale Partei verlor infolgedessen ihre meisten Sitze in den östlichen ProvinzenPreußens
[* 31] und sank bei den Wahlen von 1881 und 1884 auf 45 Mitglieder
im Reichstag herab, während sie im Abgeordnetenhaus 65 zählte. Nachdem sich die Partei indes durch die »HeidelbergerErklärung«
vom ein neues klares Programm gegeben hatte, gewann sie wieder größern Einfluß und stieg
nach der Auflösung des Reichstags wegen Ablehnung des Septennats durch die ultramontan-deutschfreisinnige Mehrheit bei den Neuwahlen wieder auf 101 Mitglieder, so daß sie den Hauptbestandteil der regierungsfreundlichen Mehrheit bildet. IhreFührer
sind Bennigsen, Miquel, Buhl und Hobrecht. - Auch in Dänemark
[* 32] gibt es eine nationalliberale Partei, welche man auch die eiderdänische
zu nennen pflegte, die sich besonders auf das Übergewicht Kopenhagens stützte, und deren Politik 1864 so glänzendes Fiasko
machte.
deutscher, polit. Verein, welcher aus einer auf Veranlassung des hannöverschen Abgeordneten R. v.
Bennigsen in Eisenach
[* 45] abgehaltenen Versammlung mehrerer sogen. Gothaer hervorging und auf einer
zweiten Zusammenkunft in Eisenach14. Aug. sein Programm aufstellte, welches die einheitliche Gestaltung Deutschlands
[* 46] unter preußischer
Hegemonie sowie eine dem entsprechende Reform der Bundesverfassung mit einer deutschen Nationalvertretung anstrebte. Er breitete
sich rasch aus, da die Ereignisse während des italienischen Kriegs die heillose politische Zerfahrenheit Deutschlands
zu deutlich dargelegt hatten und die Schillerfeier 10. Nov. der nationalen Begeisterung einen mächtigen Aufschwung gab.
Bereits im Herbst 1859 organisierte sich der Verein als d. Nationalverein,; der Sitz des Ausschusses war Koburg,
[* 47] sein Organ eine »Wochenschrift«,
die seit 1860 erschien. Die Zahl seiner Mitglieder betrug 1864: 21,000, seine Einnahme 25,000 Gulden jährlich.
Die preußische Regierung, welcher man im ersten Programm die FührungDeutschlands zugedacht hatte, wußte jedoch mit dieser
Bewegung unglücklicherweise nichts zu machen und verhielt sich von Anfang an sehr kühl, fast ablehnend gegen sie.
Noch mehr verscherzte sich Preußen das Vertrauen, als dort 1862 der Verfassungskonflikt ausbrach. Die
Preußenfreunde im N. verloren mehr und mehr den Mut, offen für die preußische Hegemonie aufzutreten, und die demokratischen
Elemente erlangten bald das Übergewicht. Die Flottenbeiträge, welche gesammelt waren, wurden nicht mehr an die preußische
Regierung abgeliefert; ja, 1863 versuchte es der Nationalverein, sogar, gegen Preußen aufzutreten, indem er in der
schleswig-holsteinischen Frage ein eignes Programm aufstellte und sich zu dessen Durchführung mit seinem Gegner, dem großdeutschen
Reformverein, verband und im Dezember 1863 den Sechsunddreißiger-Ausschuß bildete.
Der Nationalverein, sprach sich in offenem Bruch mit der preußischen Hegemonie sogar dahin aus, daß erst ein allgemeines deutsches Parlament
über den künftigen Träger
[* 48] der Zentralgewalt in Deutschland entscheiden solle, und der Ausschuß verwarf
Bismarcks Bundesreformvorschläge vom Indem nun Preußen wirklich im Sommer 1866 seine Bundesreform durchführte,
war der Nationalverein, vernichten. Angesichts dieser unerwartete Wendung der Dinge löste sich der Nationalverein, im Herbst 1867 auf einer Zusammenkunft
zu Frankfurt
[* 49] a. M. förmlich auf. Die angesammelten Flottengelder wurden
dem Verein für Rettung Schiffbrüchiger übergeben.
¶
Bezeichnung mehrerer aus Volksbewegungen hervorgegangen und vollständige politische Umgestaltungen
erstrebender parlamentarischer Körperschaften. Die namhaftesten sind: die französischen Nationalversammlungen, die konstituierende
(1789-91) und die gesetzgebende (1791-92), die von 1848 und 1871-76 nach dem Sturz des zweiten Kaiserreichs (s. Frankreich,
S. 554 ff.), die deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt a. M. 1848-49 (s. Deutschland, S. 889 ff.) und die preußische
Nationalversammlung von 1848 (s. Preußen, Geschichte). Die gegenwärtig französische Verfassung versteht unter Nationalversammlung (Assemblée nationale) die
zeitweise Vereinigung von Senat und Deputiertenkammer zu einer gemeinsamen Versammlung (s. Frankreich, S. 531).
(engl., spr. nehtĭws,»Eingeborne«,
Native American Party), Name einer politischen Partei in den Vereinigten Staaten
[* 51] von Nordamerika,
[* 52] welche sich um 1835 zur Verteidigung
der Vorrechte der Eingebornen den Eingewanderten gegenüber gebildet hatte und namentlich Verlängerung
[* 53] der zur Naturalisierung erforderlichen Zeit des Aufenthalt von 7 auf 21 Jahre beantragte. Aus den Natives gingen 1854 die
den Eingewanderten noch feindlichen Knownothings (s. d.) hervor. - Im Handel heißen Natives zuweilen Austern, die nicht in sogen.
Parken etc. gezüchtet wurden; auch eine Sorte der englischen Austern.
(neulat., »angeboren«)
heißt in der Psychologie diejenige Theorie, welche die Raum- und Zeitanschauung (mit Kant) als eine dem
wahrnehmenden Subjekt eigentümliche Anschauungsform ansieht, im Gegensatz zu der empirischen, welche sie (mit Locke u. Herbart)
für erworben, d. h. allmählich infolge des psychischen Mechanismus entstanden, hält.
GeringeMengen oder Spuren von Natronsalzen fehlen kaum in irgend einem Mineral. Ebenso enthält jede Ackererde und jedes Gewässer
Natronsalze, und manche Quellen und
das Meerwasser sind sehr reich daran. Auch im Pflanzenreich ist Natrium sehr verbreitet, in den
Landpflanzen aber treten Natriumverbindungen gegen Kaliumverbindungen zurück. Strandpflanzen und Seegewächse
sind reich an Natrium. Im tierischen Organismus sind Natriumverbindungen allgemein verbreitet, am reichlichsten im Blutserum, während
Kalium in den Blutkörperchen
[* 58] auftritt.
Zur Darstellung von Natrium erhitzt man ein inniges. Gemisch von kohlensaurem Natron mit Kohle und Kreide
[* 59] in einem Destillationsapparat
auf Weißglut. Dabei entzieht die Kohle der Kohlensäure und dem NatronSauerstoff, und es entweichen Kohlenoxyd
und Natriumdämpfe, welch letztere in einer platten, kastenartigen Vorlage verdichtet werden. Aus dieser tropft das Natrium in
ein mit Steinöl gefülltes Gefäß.
[* 60] Man erhält nur 0,33 Proz. der theoretischen Ausbeute. Das Natrium kann in einem trocknen Gefäß
aufbewahrt werden, da eine sich alsbald bildende Oxydschicht die weitere Oxydation verhindert.
Besser überzieht man das Natrium mit Paraffin,
[* 61] und kleinere Quantitäten bewahrt man inErdöl
[* 62] auf. Das Natrium ist bei gewöhnlicher Temperatur
knetbar wie Wachs, in der Kälte spröde, schmilzt bei 95,6,° gibt bei Rotglut farblosen Dampf,
[* 63] spez. Gew. 0,972, Atomgewicht
22,99. Es ist auf frischer Schnittfläche silberweiß, läuft aber an der
Luft sofort an, indem sich Natriumhydroxyd bildet. Es besitzt eine sehr große Neigung, sich mit andern Elementen zu verbinden,
steht darin aber doch dem Kalium nach.
Wie dieses, rotiert es auf Wasser, indem es dieses zersetzt und sich mit dem Sauerstoff desselben verbindet;
aber der dabei frei werdende Wasserstoff entzündet sich nur, wenn das Wasser erwärmt ist oder das Metall an einer Stelle festgehalten
wird. Beim Erhitzen an der Luft verbrennt es mit gelber Flamme.
[* 64] Seine Verbindungen sind denen des Kaliums analog und so ähnlich,
daß sie in vielen Fällen dieselben vertreten können. Es ist einwertig und bildet mit Sauerstoff zwei
Oxyde, von welchen das Natriumoxyd (Natron) Na2O weitaus am wichtigsten ist.
Mit Kalium bildet es eine bei gewöhnlicher Temperatur flüssige Legierung, die wie Quecksilber aussieht. Es dient zur Gewinnung
von Aluminium, Magnesium, Silicium und andern Metallen, von reinem Natriumhydroxyd und vielen chemischen Präparaten
und ist als Sprengmittel empfohlen worden, wobei der in Berührung mit Wasser sich entwickelte Wasserstoff die Sprengwirkung
ausüben soll. Bei der Goldgewinnung
[* 65] mittels Quecksilbers setzt man zu letzterm Natrium zu, um die Amalgamierung des Goldes zu befördern.
Natrium wurde zuerst 1807 von Davy dargestellt. Die jetzige Gewinnungsmethode rührt von Brunner her. Durch
die Aluminium- und Magnesiumindustrie hat Natrium technische Wichtigkeit erlangt und wird daher im großen Maßstab
[* 66] dargestellt.
(Natriumoxydhydrat, Ätznatron, Natronhydrat) NaOH entsteht, wenn Natrium auf kohlensäurefreies Wasser
oder gelöschter Kalk (Calciumhydroxyd) auf eine Lösung von kohlensaurem Natron einwirkt. Zur Darstellung löst man kristallisiertes
kohlensaures Natron in 4 Teilen Wasser, erhitzt die Lösung im blanken eisernen Kessel zum Sieden, setzt allmählich
frisch gelöschten Kalk hinzu und verfährt im übrigen wie bei der Bereitung des Kaliumhydroxyds (s. d.). Die so erhaltene
Lösung von Natriumhydroxyd (Ätzlauge, Ätznatronlauge, Natronlauge) ist auch wie die Kalilauge zu behandeln. Die offizinelle Natronlauge
enthält in 100 Teilen etwa 15 Teile Natriumhydroxyd und besitzt das spez. Gew.
1,159-1,163. Den Gehalt einer Natronlauge bei verschiedenem spezifischen Gewicht zeigt die folgende Tabelle, welche für 15°
gültig ist:
Proz.
Spez. Gew.
1
1,012
2
1,023
3
1,035
4
1,046
5
1,059
6
1,070
7
1,081
8
1,092
9
1,103
10
1,115
11
1,126
12
1,137
13
1,148
14
1,159
15
1,170
16
1,181
17
1,192
18
1,202
19
1,213
20
1,225
21
1,236
22
1,247
23
1,258
24
1,269
25
1,279
26
1,290
27
1,300
28
1,310
29
1,321
30
1,332
31
1,343
32
1,353
33
1,363
34
1,374
35
1,384
36
1,395
37
1,405
38
1,415
39
1,426
40
1,437
41
1,447
42
1,456
43
1,468
44
1,478
45
1,488
46
1,499
47
1,508
48
1,519
49
1,529
50
1,540
51
1,550
52
1,560
53
1,570
54
1,580
55
1,591
56
1,601
57
1,611
58
1,622
59
1,633
60
1,643
Durch Verdampfen der Natronlauge erhält man festes Natriumhydroxyd; doch wird dies gegenwärtig meist in den Sodafabriken
im großen dargestellt und als kaustische Soda (Seifenstein, Sodastein) in den Handel gebracht. Man schmelzt, wie bei dem gewöhnlichen
Sodabildungsprozeß, schwefelsaures Natron mit kohlensaurem Kalk und Kohle, erhöht aber die Quantität der letztern, laugt nach
dem Schmelzen die gewonnene Rohsoda sofort aus, erhitzt die Lauge mit gelöschtem Kalk unter Einblasen von
Luft, welche Schwefelnatrium oxydiert, zieht die Lauge von dem Kalkschlamm klar ab, verdampft sie unter Entfernung der sich
abscheidenden Salze und beseitigt einen Rückstand von Schwefelnatrium durch Zusatz von Chilisalpeter oder durch Einblasen
von Luft bei sehr hoher Temperatur.
Cyanverbindungen, welche in dem Ätznatron vorhanden waren, zersetzen sich unter Abscheidung von Graphit
und Entwickelung von Ammoniak. Das vom Bodensatz (Eisenoxyd, kieselsaure Thonerde etc.) klar
abgezogene geschmolzene Ätznatron
wird in Blechtrommeln gefüllt. Auch die durch Schwefeleisennatrium rot gefärbte Mutterlauge der Sodafabriken (Rotlauge),
welche reich an Natriumhydroxyd ist, wird in derselben Weise auf kaustische Soda verarbeitet. Man bereitet Natriumhydroxyd auch durch
Zersetzung von schwefelsaurem Natron mit Ätzbaryt, wobei schwefelsaurer Baryt (Blanc fixe) als Nebenprodukt auftritt; ferner
bei der Verarbeitung des Kryoliths auf schwefelsaure Thonerde und durch Glühen von Natronsalpeter mit Braunstein oder metallischem
Eisen.
[* 69] Chemisch reines Natriumhydroxyd stellt man mit Natrium dar, indem man auf dieses in einer silbernen SchaleWasser
tropfen läßt.
Das Natriumhydroxyd des Handels bildet eine weiße, steinartige Masse. Reines Natriumhydroxyd besteht aus 77,5 Proz. Natron und 22,5 Proz. Wasser, ist kristallinisch,
durchscheinend, vom spez. Gew. 2,13, zerfließt an der
Luft, erstarrt dann aber wieder unter Bildung von kohlensaurem Natron, löst sich leicht in Wasser und Alkohol
und gleicht in seinen chemischen Eigenschaften im allgemeinen dem Kaliumhydroxyd. Es zerstört die meisten Pflanzen- und Tierstoffe
und fühlt sich, weil es die Haut
[* 70] stark angreift, zwischen den Fingern schlüpfrig an. Es schmilzt bei Rotglut und ist in höherer
Temperatur flüchtig.
Mit Säuren bildet es die Natronsalze, und aus Metallsalzen fällt es Metallhydroxyde. Man benutzt es in der
Seifenfabrikation, zur Verarbeitung und Reinigung der Teeröle, des Erdöls etc., zur Darstellung von Natronwasserglas und Holzcellulose
für die Papierfabrikation,
[* 71] künstlichem Alizarin und Resorcin, in der Bleicherei und überall in der chemischen Industrie, wo
es auf die Wirkung einer starken Base ankommt. Die Fabrikation der festen kaustischen Soda mit Hilfe von
Salpeter wurde 1844 von Weißenfeld in der Tennantschen Sodafabrik in Glasgow
[* 72] erfunden, doch beginnt die Entwickelung dieses
Industriezweigs erst 1853 mit dem Patent von Gossage, welcher die schwefelnatriumhaltigen Laugen in einem Koksturm oxydierte. 1858 machten
die GebrüderThomas die Rohlauge mit Kalk kaustisch und oxydierten gleichzeitig das Schwefelnatrium durch
eingeblasene Luft. Die Industrie entwickelte sich fast vollständig in Lancashire. In Deutschland wird seit 1859 Natriumhydroxyd dargestellt.
(Natronmesotyp, Spreustein, Bergmanit), Mineral aus der Ordnung der Silikate (Zeolithgruppe),
kristallisiert rhombisch, meist in dünnen Säulen,
[* 75] findet sich in Drusen
[* 76] und büschelförmigen und nierenförmigen Aggregaten.
Er ist meist nur durchscheinend, farblos oder grau, gelblich, selten rötlich, glasglänzend, Härte 5-5,5, spez. Gew. 2,17-2,26,
besteht aus Natronthonerdesilikat Na2Al2Si3O10+2aq ^[Na2Al2Si3O10+2aq] und tritt in Spalten und Blasenräumen besonders
balsaltischer ^[richtig: basaltischer] und phonolithischer Gesteine
[* 77] auf (Aussig, Marburg,
[* 78] Hohentwiel, Auvergne,
Island).
[* 79] Bemerkenswert ist sein Vorkommen bei Brevig in Norwegen, das allein etwas größere Kristalle
[* 80] geliefert hat, und das
bei Sontra mit rötlicher Färbung.
ein zur Trockne verdampftes Gemisch von Ätznatronlauge mit Ätzkalk, dient zur Bestimmung des Stickstoffs
in organischen Verbindungen, welche man mit dem Natronkalk in Glasröhren glüht.
(Natriumsalze, Natriumoxydsalze) finden sich weitverbreitet in der Natur (s. Natrium) und entstehen meist
durch Zersetzung des kohlensauren Natrons mit einer Säure, auch durch Wechselzersetzung. Sie sind farblos,
wenn die Säure ungefärbt ist, meist kristallisierbar und in Wasser löslich, nur das metantimonsaure Natron ist schwer löslich,
bei schwacher Glühhitze nicht flüchtig; Weinstein und Platinchlorid fällen auch konzentrierte Lösungen nicht.
Die Natronsalze färben die Weingeist- und die Lötrohrflamme gelb, und diese Färbung wird auch durch viel Kali nicht verdeckt.
Wegen der größern Verbreitung der Natronsalze hat die Beschaffung derselben nie die Bedeutung gehabt wie die der
Kalisalze (s. d.); wenn aber die Natronsalze auch weniger genannt
werden, so sind sie doch für die Pflanzen und für die Tiere als Nahrungsstoffe von höchster Bedeutung und, so sehr sie in
chemischer Hinsicht mit den Kalisalzen übereinstimmen, durch diese nicht überall zu ersetzen.
Auf den tierischen Organismus wirken sie viel weniger stark als die Kalisalze. Eine Dosis, die mehrfach stärker ist als die
todbringende bei den Kalisalzen, ruft nur eine vorübergehende Mattigkeit hervor. Für manche technische Zwecke ist das billige
Natron an die Stelle des teuern Kalis getreten, und namentlich hat das kohlensaure Natron (Soda) das kohlensaure
Kali (Pottasche) in vielen Industriezweigen verdrängt. Außerdem werden salpetersaures, schwefelsaures, borsaures, kieselsaures
Natron und vor allem Chlornatrium (Kochsalz) in großer Menge benutzt.
(Wadi Natrûn), Thal
[* 84] in der Libyschen Wüste, etwa 40 km nordwestlich von Kairo,
[* 85] 160 km
lang und 40 km breit, das von SO. nach NW. verläuft und in einer gewundenen Linie sechs größere Wasserbecken nebst einem
kleinern enthält, welche vermutlich durch den Nil unterirdisch gespeist werden; denn während dreier Monate, welche auf die
Herbstnachtgleiche folgen, sickert Wasser von blutroter Farbe (vielleicht infolge der vielen Infusorien in
demselben) aus den östlichen Höhen und bildet Bäche, die zu den Seen hinabfließen.
Bis Ende Dezember erreicht das Wasser eine Tiefe von 1-1½ m, dann nimmt es ab, und einige Seen trocknen aus. Das Salz ist zum
Teil Kochsalz, zum Teil Natron, zum Teil auch beides. Im letztern Fall kristallisieren die beiden Salze abgesondert,
das Kochsalzoben in einer Schicht von etwa 50 cmDicke, das Natron in verschiedener (aber nicht unter 70 cm) Dicke. Die einzigen
Bewohner sind die Mönche der Klöster Der Baramus, Der el Syrian, Der Macarius. Von allen Ansiedelungen sind
nur die Trümmer einer Glashütte und eines alten Kastells übrig. - Eine andre Reihe von Natronseen zieht sich westlich vom
Kilima Ndscharo, unter 36°
östl. L. v. Gr., von 2 bis
über 4° südl. Br. hin.
(Colubridae Gthr.), Familie aus der Ordnung der Schlangen
[* 92] und der Unterordnung der giftlosen Schlangen, schlank
gebaute Tiere mit deutlich abgesetztem, kleinem, länglichem, beschildetem Kopfe, vollständiger, gleichmäßiger Bezahnung
und doppelten Schilderreihen an der Unterseite des in eine lange Spitze auslaufenden Schwanzes. Die sehr
zahlreichen Arten sind über die ganze Erde verbreitet und finden sich bis gegen den Polarkreis; viele lieben feuchte Gegenden
und Gewässer, andre bevorzugen trockne Orte.
Sie sind sehr beweglich und munter, echte Tagtiere, schwimmen zum Teil vorzüglich, klettern auch gut und
leben von kleinen Wirbeltieren, besonders Reptilien und Lurchen, aber auch von kleinen Säugetieren, Vögeln und Fischen. In kältern
Gegenden verbringen sie denWinter in Erstarrung; im Frühjahr legt das Weibchen 10-30 Eier
[* 93] an einen feuchtwarmen Ort und überläßt
deren Zeitigung der Sonnenwärme oder trägt sie so weit aus, daß die Jungen unmittelbar vor oder nach
dem Legen die Eihülle sprengen.
bis 1,6 m lang,
hat einen kleinen, eiförmigen, flach gedrückten, deutlich vom dünnen Hals abgesetzten Kopf, einen mäßig langen Schwanz,
auf dem Rücken scharf gekielte Schuppen, ist graublau, auf dem Rücken bald mehr blau, bald grünlich,
selbst schwarz und mit zwei Reihen dunkler Flecke gezeichnet, weiter unten seitlich weiß gefleckt, auf dem Bauch
[* 94] schwarz, das
Weibchen mit zwei weißen, das Männchen mit zwei gelben Mondflecken hinter den Schläfen (Krone).
Sie findet sich in Europa,
[* 95] Westasien und Nordwestafrika bis 1800 m ü. M.
und lebt besonders in Buschwerk am Wasser, in feuchten Wäldern, im Ried und Sumpf, aber auch weit entfernt vom Wasser und in der
Nähe menschlicher Wohnungen, in Mist- und Müllhaufen, in Kellern, Enten- und Hühnerställen. Vom November bis März oder April
hält sie sich verborgen. Sie sonnt sich gern, streift aber auch viel umher, kriecht ziemlich schnell,
klettert gut, schwimmt trefflich und kann lange unter Wasser verweilen; sie geht sogar weit ins Meer. Bisweilen ruht sie auf
dem Rücken schwimmender Enten
[* 96] (daher der Aberglaube, daß sie mit Enten sich paare). Sie ist harmlos und gutmütig;
größern Tieren gegenüber zeigt sie sich zwar mutig und sucht zu beißen, doch
¶