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Erbrecht und die Grundeigentumsverhältnisse im Deutschen Reich« (das. 1882-84, 2 Bde.).
Erbrecht und die Grundeigentumsverhältnisse im Deutschen Reich« (das. 1882-84, 2 Bde.).
eine Verunreinigung der Luft mit einem dem Erdboden entströmenden krank machenden Gift (s. Ansteckung).
s. Friedheim. ^[= (ehemals ), Stadt im preuß. Regierungsbezirk Bromberg, Kreis Wirsitz, am Netzebruch ...]
Andreas Vokos, griech. Admiral, geb. 1768 in Negroponte, war erst Matrose und erhielt den Namen Miaulis von dem türkischen Wort miaul (»Felucke«). Nachdem er sich durch Getreidehandel ein ansehnliches Vermögen erworben hatte, ließ er sich auf Hydra nieder. 1821 schloß er sich der Sache des Aufstandes an und beteiligte sich mit seinem Schiff [* 2] Leonidas an allen Streifzügen jenes Jahrs. Zum Oberbefehlshaber der griechischen Flotte ernannt, siegte er 5. und 6. März bei Patras sowie im Kanal [* 3] von Spezzia und vernichtete einen großen Teil der im Hafen von Modon liegenden feindlichen Flotte.
Der Versuch, in Verbindung mit dem Admiral Sachturis gegen den Hafen von Alexandria einen ähnlichen Handstreich mit Brandern auszuführen, mißlang zwar; dagegen verbrannte er eine feindliche Fregatte, kaperte mehrere Transportschiffe und nötigte Ibrahim Pascha zu der für diesen unglücklichen Seeschlacht am Kap Papas. 1827 durch Lord Cochrane verdrängt, übernahm er nach der Schlacht bei Navarino wieder den Oberbefehl über die griechische Flotte.
Als Haupt der antirussischen Oppositionspartei gegen Kapo d'Istrias bemächtigte er sich des Hafens von Poros und verbrannte, von der russischen Flotte eingeschlossen, die daselbst liegenden griechischen Kriegsschiffe, um sie nicht der russischen Flotte überlassen zu müssen, eine fast landesverräterische That. Die Ermordung Kapo d'Istrias' schützte ihn jedoch vor Verfolgung. Nach der Wahl des Prinzen Otto von Bayern [* 4] zum König von Griechenland [* 5] gehörte er mit zu den Huldigungsdeputierten.
Bei der Organisation der Marine wurde er zum Konteradmiral, zum Seepräfekten und zum Vizeadmiral ernannt. Er starb jedoch schon 23. Juni d. J. in Athen. [* 6] Sein Grab am Piräeus wurde von der Regierung mit einem Denkmal geschmückt. Von seinen sechs Söhnen wurde Nikolaos Anathasios ^[richtig: Athanasios] Miaulis 1855 griechischer Marineminister, 1859 Ministerpräsident und war nach dem Sturz des Königs Otto, den er durch seine Mißverwaltung hauptsächlich herbeigeführt hatte, bis Mitglied der provisorischen Regierung; starb im Mai 1867 in Paris. [* 7]
Markt im ungar. Komitat Neutra, an der Miava, mit katholischer und evang. Pfarrei, Synagoge, (1881) 10,023 slaw. Einwohnern, Weberei, [* 8] Brauerei, Branntweinbrennerei, Schweinemästung und großen Märkten.
s. Glimmer. ^[= (Katzengold und Katzensilber), Gruppe von Mineralien aus der Ordnung der Silikate, wichtige ...]
die Anwendung der Chromolithographie zur Nachahmung von Fensterglasmalerei.
Der lithographische Druck erfolgt hierbei auf äußerst dünne Glimmerblättchen, auf denen die Farben eingebrannt werden.
Man kittet sodann die fertigen Blättchen an den Fenstern auf die Innenseite des Glases und schützt das zusammengesetzte Bild durch einen Lackanstrich.
s. Mizellen. ^[= von Nägeli eingeführte Bezeichnung kleiner Molekülgruppen von Eiweißstoffen, gleichsam organisch ...]
Abkürzung für Michigan (Staat). ^[= das öffentliche Gemeinwesen, welches eine auf einem bestimmten Gebiet ansässige Völkerschaft ...]
Name mehrerer Personen der alttestamentlichen Geschichte, besonders eines der sogen. zwölf kleinen Propheten, gebürtig aus Morescheth im Stamm Juda, wirkend in den ersten Jahren des Königs Hiskias und nach Stoff und Form seiner Reden mit seinem Zeitgenossen Jesaias nahe verwandt.
Vgl. Ryssel, Untersuchungen über die Textgestalt und die Echtheit des Buches Micha (Leipz. 1887).
bei den nachexilischen Juden einer der sieben Erzengel, Schutzengel des jüdischen Volkes und als solcher dem Sammael gegenübergestellt. Die Apokalypse stellt ihn als Sieger über den Drachen oder Satan dar, und die Christen nahmen ihn daher später häufig zum Schutzpatron für ihre Kirchen, namentlich in Deutschland, [* 9] wo viele Züge des alten Wodankultus auf ihn übergingen. Die katholische Kirche feierte ursprünglich zwei verschiedene Feste zu seinem Gedächtnis: am 15. März und 8. Mai, zu denen das Konzil in Mainz [* 10] 813 noch ein drittes (29. Sept.) hinzufügte, das zum Unterschied von jenen die Engelweihe hieß, weil es die Einweihung der 493 dem heiligen Erzengel in Rom [* 11] erbauten Kirche verewigen sollte. Das erste Fest verlor bald alle Bedeutsamkeit, während das dritte früh schon das eigentliche Michaelisfest wurde und blieb und das Fest der Erscheinung Michaels (8. Mai) sich bloß in den Kalendern erhielt. Unter den zahlreichen künstlerischen Darstellungen des Erzengels sind die Bilder von A. del Sarto (Florenz), [* 12] Raffael (Louvre), Signorelli (Sixtinische Kapelle) hervorzuheben.
Vgl. Wiegand, Der Erzengel Michael in der bildenden Kunst (Stuttg. 1886).
1) Michael I., Rhangabe, wurde durch die Gunst des Nikephoros I. mit hohen Ämtern betraut und mit dessen Tochter Prokopia vermählt. Als nach des Nikephoros in einer Schlacht gegen die Bulgaren erfolgtem Tode dessen auch schwerverwundeter Sohn und Nachfolger Staurakios ihn unschädlich machen und blenden lassen wollte, stürzte er diesen und ließ sich 2. Okt. 811 selbst zum Kaiser ausrufen. Er gewann das Heer durch reiche Geschenke, reizte aber durch Begünstigung der Bilderverehrer die Ikonoklasten zu Aufständen und führte einen unglücklichen Krieg gegen die Bulgaren. Nach der unglücklichen Schlacht bei Adrianopel, aus welcher er feig geflohen war (22. Juni 813), wurde er von Leo dem Armenier gestürzt und starb 843 im Kloster.
2) Michael II., der Stammler, von niederer Geburt, schwang sich durch seine kriegerische Tüchtigkeit zu den höchsten Feldherrenstellen empor, wurde aber von Leo V. wegen freimütiger Äußerungen über das Kaiserpaar verhaftet und zum Feuertod verurteilt. Eine Verschwörung gegen Leo (Weihnachten 820) befreite ihn, und noch mit Ketten belastet wurde er zum Kaiser ausgerufen. Nachdem er den kirchlichen Frieden vergeblich herzustellen versucht hatte, wandte er sich den Ikonoklasten zu; doch verfuhr er gegen die Ikonodulen gemäßigter als sein Vorgänger. Drei Jahre lang hatte er mit einem in Antiochia zum Kaiser ausgerufenen Usurpator, Thomas, zu kämpfen, der ihn in Konstantinopel [* 13] selbst belagerte. Nachdem er diesen 823 gefangen und grausam getötet hatte, gab er sich dem Genuß und dem Vergnügen hin und ließ es geschehen, daß sich die Araber Kretas bemächtigten und sich auf Sizilien [* 14] festzusetzen begannen. Er starb 1. Okt. 829.
3) Michael III., Enkel des vorigen, geb. 839, gelangte bereits 842 nach dem frühen Tod seines Vaters Theophilos auf den Thron. [* 15] Seine thatkräftige Mutter Theodora regierte für ihn, zog sich aber 856 zurück, als Michael ihren Minister Theoktistos ermorden ließ. ¶
Ihr Bruder Bardas erhielt jetzt die oberste Gewalt, während sich Michael in unsinniger Weise sinnlichen Genüssen hingab und, wenn er einmal selbst gegen die Feinde, namentlich gegen die Araber, zu Felde zog, unglücklich kämpfte. Er entsetzte 857 den Patriarchen Ignatios und erhob Photios zu dessen Nachfolger. Von seinem Günstling Basilios gegen Bardas aufgereizt, ließ er es geschehen, daß dieser 866 denselben ermordete, und erhob Basilios zum Mitkaiser, wurde aber von diesem (24. Sept. 867), als er trunken im Bett [* 17] lag, ermordet.
4) Michael IV., der Paphlagonier, wurde unter Romanos III. von seinem Bruder, dem Eunuchen Johannes, an den Hof [* 18] gebracht und gewann durch seine Schönheit die Liebe der Kaiserin Zoe. Nach dem Tode des Romanos reichte dieselbe Michael ihre Hand [* 19] und proklamierte ihn als Kaiser. Da er aber epileptisch und beschränkten Geistes war, überließ er die Regierung ganz seinem Bruder Johannes, ermannte sich aber 1040 bei einem Aufstand der Bulgaren zu einem Feldzug gegen dieselben, schlug sie, obwohl todkrank, siegreich zurück und starb nachdem er durch übertriebene Frömmigkeit sein früheres Leben zu büßen gesucht.
5) Michael V., Kalaphates, Neffe des vorigen, ward nach dessen Tode (Dezember 1041) auf Veranlassung seines Oheims, des Eunuchen Johannes, von Zoe adoptiert und zum Kaiser erhoben, wurde aber schon im April 1042, nachdem er Zoe ins Kloster geschickt hatte, durch einen Aufstand des darüber erbitterten Volkes gestürzt, geblendet und in ein Kloster gesteckt.
6) Michael VI., Stratiotikos, wurde von der Kaiserin Theodora zu ihrem Nachfolger erwählt und bestieg den Thron wurde aber bereits von Isaak Komnenos gestürzt und zog sich in ein Kloster zurück.
7) Michael VII., Dukas Parapinakes, Sohn von Konstantin XI., Dukas, nach dessen Tod (1067) unter der Vormundschaft seiner Mutter Eudokia und des zweiten Gemahls derselben, Romanos Diogenes, wurde nach dessen Niederlage und Gefangennahme durch die Türken 1071 von seinem Oheim Johannes auf den Thron erhoben, stand aber ganz unter dessen Leitung und überließ auch, nachdem Johannes 1073 Mönch geworden, den ehrgeizigen Feldherren die Leitung des Staats, während er selbst sich gelehrten Studien hingab. Die Empörung der beiden Feldherren Nikephoros Bryennios und Nikephoros Botoniates veranlaßte ihn 1078, dem Thron zu entsagen und sich in ein Kloster zurückzuziehen.
8) Michael VIII., Paläologos, Kaiser von Nicäa, dann von Konstantinopel, geb. 1224, durch seine Mutter Irene Enkel des Kaisers Alexios Angelos, stürzte 1259 den Vormund des jungen Kaisers Johannes IV. Laskaris, Muzalon, und ließ sich zum Mitkaiser ausrufen und nebst Johannes krönen Er entriß den Franken Konstantinopel und stürzte das lateinische Kaisertum, und nachdem er zu Ende d. J. seinen jungen Mitkaiser hatte blenden lassen, wurde er Alleinherrscher. Er regierte mit Klugheit und Kraft [* 20] und wies die Angriffe des Königs Karl von Neapel [* 21] und der Venezianer, denen gegenüber er die Genuesen begünstigte, siegreich zurück. Er versuchte die griechische Kirche wieder mit der römischen zu vereinigen und erkannte 1274 wirklich die Suprematie des Papstes an, doch wurde diese Union infolge des Widerstandes des griechischen Klerus und Volkes und der weitgehenden Ansprüche der Päpste schon 1280 wieder gelöst. Er starb
9) Michael IX., Paläologos, Enkel des vorigen, geb. 1277, wurde von seinem Vater Andronikos II. 1295 zum Mitregenten erhoben, starb aber noch vor demselben,
1) eigentlich Michael Thomas Koributh Wisniowiecki, König von Polen, geb. 1638, Sohn des als Krieger berühmten, von den Jagellonen abstammenden Woiwoden von Reußen, Jeremias Wisniowiecki, ward 1669 nach dem Rücktritt Johann Kasimirs von dem polnischen Reichstag, der sich über einen der fremden Bewerber nicht einigen konnte, auf Antrieb des niedern Adels nach einem siebenmonatlichen Interregnum zum König von Polen erwählt und 29. Sept. zu Krakau [* 22] gekrönt, wußte aber weder dem gegen ihn eingenommen hohen Adel noch den auswärtigen Feinden gegenüber Ansehen zu gewinnen. Die Kosaken empörten sich und fanden bei den Tataren sowie dem Sultan Mohammed IV. Beistand, und dieser zwang Michael durch einen Einfall in Polen, im Frieden von Budziek Podolien an die Türkei, [* 23] die Ukraine aber an den Kosakenhetman abzutreten und einen jährlichen Tribut von 22,000 Dukaten zu zahlen. Aber der polnische Reichstag genehmigte den Frieden nicht, und Johann Sobieski, Michaels Feldherr und Nachfolger, trug bei Chotin einen großen Sieg über die Türken davon. Michael starb tags vorher, in Lemberg. [* 24] Vermählt war er mit Eleonore, Tochter des Kaisers Leopold I.
2) Großfürst von Rußland, geb. vierter Sohn des Kaisers Nikolaus, trat in die Artillerie ein, erstieg rasch die höchsten Ehrenstufen, ward General der Artillerie und Generalfeldzeugmeister, dann Statthalter im Kaukasus und erhielt auch im türkischen Krieg 1877 den Oberbefehl über die in Armenien eindringende Armee, trat aber während des ganzen Kriegs neben seinen Unterfeldherren nicht besonders hervor. Nach dem Frieden wurde er zum Generalfeldmarschall und zum Statthalter Kaukasiens ernannt, 1881 aber abberufen und Präsident des Reichsrats. Er ist seit 1857 mit der badischen Prinzessin Olga Feodorowna vermählt. Seine Söhne sind: Nikolai, geb.
Georg, geb.
Alexander, geb.
Alexei, geb.
die Tochter Anastasia, geb. ist vermählt mit dem Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin.
Attaliátes, griech. Jurist und Historiker in der zweiten Hälfte des 11. Jahrh., aus Attalia, hinterließ ein Lehrbuch für den Rechtsunterricht (1072), im 2. Band [* 25] von Leunclavius' »Jus graeco-romanum« enthalten, und ein Geschichtswerk, herausgegeben von Bekker im 47. Bande des »Corpus scriptorum historiae byzantinae« (Bonn [* 26] 1853).
Obrenowitsch III., Fürst von Serbien, [* 27] geb. zu Kragujewatz, jüngerer Sohn des Fürsten Milosch, ward nach seines ältern Bruders, Milan, Tod von der Pforte zum Fürsten Serbiens ernannt, rief aber durch seine Hinneigung zu den russischen Interessen und willkürliche, harte Besteuerung schon 1842 einen Aufstand hervor, infolge dessen er 7. Sept. nach Semlin flüchtete. Von der serbischen Nationalversammlung samt seiner ganzen Familie verbannt, lebte er erst zu Wien [* 28] und Berlin, [* 29] 1844-50 auf Reisen, sodann auf seinen Gütern in der Walachei und kehrte 1858 mit seinem Vater nach Serbien zurück, dem er 1860 als Fürst von Serbien folgte. Michael Obrenowitsch III war ein fein gebildeter Mann von edlem Charakter, wohlwollend und ¶
anspruchslos. Es gelang ihm, die Steuer- und Militärreform durchzuführen und von der Türkei die Räumung der serbischen Festungen zu erreichen. Am wurde er in dem Park von Topdschider durch eine Kugel getötet. Die Mörder waren Glieder [* 31] der Familie Radavanovich, welche die Partei der Omladina und die Anhänger des Fürsten Alexander Karageorgiewitsch, die dem Fürsten seine friedliche Haltung vorwarfen, angestiftet hatten. Ihm folgte sein Vetter Milan Obrenowitsch IV. (s. Milan).
1) Johann David, einer der gelehrtesten Theologen des 18. Jahrh., geb. zu Halle, [* 32] wo sein Vater Christian Benedikt (geb. zu Ellrich, gest. ebenfalls als Theolog und Orientalist bekannt, Professor war, ward 1745 Privatdozent, im folgenden Jahr Professor der Philosophie und 1750 auch der orientalischen Sprachen in Göttingen. [* 33] Für die Akademie in Göttingen entwarf er bei deren Begründung 1751 mit Haller die Grundgesetze und leitete erst als Sekretär, [* 34] dann als Direktor eine Zeitlang die Geschäfte derselben.
Die Akademien von London [* 35] und Paris ernannten ihn zu ihrem Mitglied, der Kaiser zum Rat, und selbst ausländische Fürsten überschütteten ihn mit Ehren. Er starb Seine Hauptwerke sind: »Hebräische Grammatik« (3. Aufl., Götting. 1778);
»Einleitung in die göttlichen Schriften des Neuen Bundes« (4. Aufl., das. 1788, 2 Bde.);
»Mosaisches Recht« (2. Aufl., das. 1776-80, 5 Bde.);
»Orientalische und exegetische Bibliothek« (das. 1781 bis 1785, 23 Bde.);
»Moral« (hrsg. von Stäudlin, das. 1792-93, 3 Bde.).
Seine Selbstbiographie wurde herausgegeben von Hassencamp (Rinteln 1793).
2) Johann Benjamin, Dichter, geb. zu Zittau, [* 36] studierte in Leipzig [* 37] Medizin, gab hier eine Sammlung von Fabeln, Liedern und Satiren heraus und übernahm 1770 die Redaktion des »Hamburger Korrespondenten«. Bald aber fesselte ihn das Theater [* 38] mehr als seine Zeitung, und er arbeitete bei der Seilerschen Gesellschaft für die Bühne. Später zog ihn Gleim nach Halberstadt, [* 39] wo er starb. Seine »Poetischen Werke« wurden herausgegeben von Schmid (Gieß. 1780); seine »Sämtlichen Werke« erschienen Wien 1791, 4 Bde.
3) Otto, Volkswirt, geb. zu Lübbecke in Westfalen, [* 40] studierte zu Bonn und Berlin Rechts- und Staatswissenschaft und trat 1847 als Auskultator bei dem Oberlandesgericht in Paderborn [* 41] ein. 1849 wegen Preßvergehen angeklagt, wurde er zwar freigesprochen, allein auf dem Disziplinarweg aus dem Staatsdienst entfernt. Er siedelte bald darauf nach Berlin über und trat 1851 in die Redaktion des volkswirtschaftlichen Teils der »Nationalzeitung« ein. An der Begründung des Kongresses deutscher Volkswirte (1858) nahm er hervorragenden Anteil und rief 1863 in Verbindung mit J. ^[Julius] Faucher die »Vierteljahrsschrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte« ins Leben. 1861 wurde er in das Abgeordnetenhaus, 1867 in den Reichstag gewählt.
Bei Errichtung des Reichskanzleramtes wurde er als vortragender Rat in dasselbe berufen und 1879 bei Begründung der neuen von ihm nicht gebilligten Wirtschaftspolitik zum Direktor der Verwaltung des Reichsinvalidenfonds ernannt. Mehrere wirtschaftliche Gesetze des Reichs (Gewerbeordnung, Münzgesetz, Bankgesetz etc.) sind von ihm ausgearbeitet und verteidigt worden. Seine »Volkswirtschaftlichen Schriften« erschienen in 2 Bänden (Berl. 1873).
4) Adolf, Archäolog, geb. zu Kiel, [* 42] studierte seit 1853 in Leipzig, Berlin und Kiel, verweilte 1857-61 in Italien [* 43] und Griechenland, London und Paris, habilitierte sich dann an der Universität seiner Vaterstadt, wurde 1862 außerordentlicher Professor in Greifswald, [* 44] 1865 ordentlicher Professor der klassischen Philologie und Archäologie in Tübingen, [* 45] 1872 Professor der Archäologie an der Universität Straßburg. [* 46] Seit 1874 ist er Mitglied der Zentraldirektion des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, dessen Geschichte er schrieb (Berl. 1879). Michaelis' Hauptwerk ist die zusammenfassende große Monographie »Der Parthenon« (Leipz. 1871). Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Arbeiten in Zeitschriften, besorgte eine kritische Ausgabe von Tacitus' »Dialogus de oratoribus« (Leipz. 1868),
vollendete O. Jahns hinterlassenes Werk »Griechische Bilderchroniken« (Bonn 1873) und besorgte neue Bearbeitungen von dessen Ausgaben von Sophokles' »Elektra« (das. 1872 u. 1882),
von Apulejus' »Psyche et Cupido« (Leipz. 1873),
von Pausanias' »Descriptio arcis Athenarum« (Bonn 1880). Auch verfaßte er einen Katalog der in England im Privatbesitz zerstreuten antiken Bildwerke (»Ancient marbles in Great Britain«, übersetzt von Fennell, Cambridge 1882).
6) Karoline, Romanistin, s. Vasconcellos.
s. Michael ^[= # Name mehrerer griech. Kaiser: 1) M. I., Rhangabe, wurde durch die Gunst des Nikephoros I. mit ...] (Erzengel).
königlich bayr. Verdienstorden, gestiftet 1721 von Kurfürst Joh. Klemens von Köln, [* 47] Herzog von Bayern, zur Aufrechthaltung des katholischen Glaubens, 1721 mit Statuten versehen, 1808 von König Max Joseph bestätigt und 1837 in einen Verdienstorden für Vaterlandsliebe und nützliches Wirken verwandelt, 1853 in fünf, im Dezember 1887 in vier, resp. sechs Klassen eingeteilt und durch ein Verdienstkreuz und eine Medaille erweitert. Die erste und zweite Klasse zerfallen je in zwei Abteilungen und zwar die erste in Großkreuze und erste Klasse, die zweite in solche mit und ohne Stern, dazu dritte und vierte Klasse.
Das Ordenszeichen der drei ersten Klassen ist ein goldenes, lasurblau emailliertes achteckiges Kreuz [* 48] mit Krone, dessen Mittelavers den heil. Michael mit einem die Aufschrift »Quis ut Deus« tragenden Schild, [* 49] bei den beiden ersten Klassen von goldenen Strahlen umgeben, und dessen Revers das Wort »Virtuti« zeigt, während die vier Kreuzbalken die Buchstaben »P. F. F. P.« (»Principi Fidelis Favere Patriae«) tragen. Die Dekoration der vierten Klasse besteht ganz aus Silber.
Das Verdienstkreuz besteht aus einem silbernen Kreuz mit dem heil. Michael auf dem Avers und »Virtuti« auf dem Revers. Die Medaille zeigt vorn das Ordenskreuz, hinten »Virtuti« mit Eichenkranz. Der Orden [* 50] wird an dunkelblauem, rosa eingefaßtem Band, Verdienstkreuz und Medaille an aus drei dunkelblauen und zwei rosa Streifen zusammengesetztem Band getragen. Kreuze und Sterne sind je nach dem Grad in der Größe abgestuft. Die silbernen Sterne, auf denen das Kreuz ruht, tragen die Devise »Quis ut Deus« auf dem Mittelschild.
St., und St. Georgs-Orden, großbrit. Orden, gestiftet von Georg III. als Zivil- und Militärverdienstorden zum Andenken an Maltas Erwerbung in drei Klassen (Großkreuze, Kommandeure, Genossen). Die Dekoration ist ein goldenes, weiß emailliertes siebenarmiges Kreuz mit Krone, im Mittelschild den Erzengel Michael und im blauen Reifen die Devise »Auspicium melioris aevi«, auf dem Revers den heil. Georg zeigend. Der Stern der ersten Klasse besteht aus einem siebenstrahligen Silberstern mit Goldstreif zwischen den ¶
Armen und daraufliegendem roten Georgskreuz mit dem Mittelavers des Ordens, das der Kommandeure aus einem ähnlichen vierstrahligen Stern. Das Band ist blau.
Kreisstadt im russ. Gouvernement Rjäsan, an der Pronjä, hat 9 Kirchen, ein Militärgymnasium, Handel mit Cerealien, Vieh, Pferden und Holz, [* 52] große Obstgärten und (1885) 3000 Einw.
Staniza im Donischen Kosakengebiet, am Choper, mit (1872) 17,848 Einw. und drei Jahrmärkten, von denen der Kreschtschenskische (25. Dez. bis 12. Jan.) der bedeutendste ist.
Alexander Iwanowitsch, russ. Geschichtschreiber, geb. 1790, studierte zu Göttingen Kameralwissenschaft, trat 1812 in die Kanzlei des russischen Finanzministeriums, machte sodann als Kutusows Adjutant die Feldzüge von 1812 bis 1813, als Wolchonskis Kanzleichef die von 1813 bis 1814 mit, wohnte dem Wiener Kongreß bei und folgte hierauf (1815-18) dem Kaiser Alexander I. auf dessen Reisen. Im Türkenkrieg (1829) befehligte er unter Diebitsch als Generalmajor, ward 1835 zum Generalleutnant, 1839 zum Senator und Mitglied des Kriegsrats ernannt und starb in Petersburg. [* 53]
Seine Hauptwerke: »Beschreibung des türkischen Kriegs von 1806 bis 1812« (Petersb. 1843, 4 Bde.),
»Denkwürdigkeiten über die Feldzüge der Jahre 1812-13« (das. 1834),
»Denkwürdigkeiten über den Feldzug des Jahrs 1813« (deutsch von Goldhammer, Dorpat [* 54] 1837) und »Denkwürdigkeiten über den Krieg aus den Jahren 1814-15« (das. 1835, 2 Bde.; deutsch von Goldhammer, das. 1838), die teilweise zahlreiche Auflagen erlebten und gesammelt Petersburg 1849-50 in 7 Bänden erschienen, sind in sehr gutem Stil und mit schwungvollem Patriotismus geschrieben, entbehren aber der strengen Unparteilichkeit und gewissenhaften Wahrheit.
(spr. -scho), Joseph François, franz. Geschichtschreiber, geb. zu Albens in Savoyen, begab sich 1791 nach Paris, wo er in seinem Journal »La Quotidienne« so entschieden für das Königtum auftrat, daß er 1795 zu Chartres verhaftet und zum Tod verurteilt wurde. Er entfloh in die Schweiz, [* 55] wo er sein satirisches Gedicht »Le [* 56] printemps d'un proscrit« (Par. 1804, vermehrte Aufl. 1827) schrieb. Nach dem 18. Brumaire lebte er wieder in Paris, widmete sich fortan aber meist historischen Studien.
Früchte derselben sind: »Histoire des progrès et de la chute de l'empire de Mysore« (Par. 1801, 2 Bde.);
»Histoire des croisades« (das. 1812 bis 1822, 7 Bde.; in vielen Ausgaben; neu bearbeitet von Huillard-Bréholles, 1856 ff.; deutsch, Quedlinb. 1827-32, 7 Bde.);
»Bibliothèque des croisades« (Par. 1822; 2. Aufl. 1829, 3 Bde.),
Auszüge aus den Quellenschriftstellern der Kreuzzüge enthaltend;
»Biographie moderne« (das. 1802, 4 Bde.),
die von der Polizei mit Beschlag belegt wurde, und die gegen Napoleon I. gerichtete »Histoire des XV semaines« (das. 1815), von welcher in kurzer Zeit 27 Auflagen nötig wurden. 1813 war Michaud zum Mitglied der französischen Akademie und 1815 zum Deputierten in die Chambre introuvable gewählt worden.
Die Stelle eines Generalkommissars der Journale und eines Vorlesers des Königs, die er 1814 erhalten hatte, verlor er bald wieder wegen seiner Sympathie mit der freien Presse. [* 57] Die »Correspondance d'Orient« (Par. 1833-35, 7 Bde.) ist die Frucht einer orientalischen Reise. Gemeinschaftlich mit Poujoulat gab er die »Collection de mémoires pour servir à l'histoire de France depuis le XIII. siècle« (1836-39, 32 Bde.) heraus. Er starb in Passy. - Sein jüngerer Bruder, Louis Gabriel, genannt Michaud jeune, geb. 1772 zu Bourg en Bresse, gest. in Ternes, ein eifriger Royalist, machte in den republikanischen Armeen mehrere Feldzüge mit und legte sodann mit seinem Bruder zu Paris eine Buchdruckerei und eine Buchhandlung an, aus welcher unter anderm die von ihm selbst redigierte »Biographie universelle ancienne et moderne« (1811 bis 1828, 52 Bde.; 2. Aufl. 1842-65, 45 Bde.; 3. Aufl. 1870 ff.) und die »Biographie des hommes vivants« hervorgingen.
(spr. -scho),
André, franz. Naturforscher u. Reisender, geb. 1746 zu Sartory bei Versailles, [* 58] bereiste Persien, [* 59] Nordamerika, [* 60] Teneriffa, Ile de France, starb auf Madagaskar [* 61] 1802. Er schrieb: »Histoire des chènes de l'Amérique septentrionale« (1801; deutsch, Stuttg. 1802);
»Flora boreali-americana« (1803, 2 Bde.). - Sein Sohn François André, geb. 1770 zu Versailles, bereiste Amerika, [* 62] starb 1855 in Vauréal bei Pontoise, beschrieb die Waldbäume Nordamerikas.
Abkürzung von Michael, als Kose- und Spottname gebraucht mit der Nebenbedeutung des Schwerfällig-Gutmütigen, Einfältigen;
daher deutscher Michel, etwa seit dem Befreiungskrieg gebrauchte Benennung der deutschen Nation, die deren politische Unreife und Indolenz andeuten sollte.
(spr. -schell), 1) Francisque, franz. Litterarhistoriker, geb. zu Lyon, [* 63] seit 1839 Professor an der Faculté des lettres zu Bordeaux, [* 64] gehört zu den gründlichsten Kennern der ältern französischen Sprache [* 65] und Litteratur und hat sich durch zahlreiche Ausgaben älterer Litteraturdenkmäler (darunter »La chanson de Roland et le roman de Roncevaux«, 1869) verdient gemacht. Von seinen kulturhistorischen Werken sind hervorzuheben: »Histoire des races maudites de la France et de l'Espagne« (Par. 1847, 2 Bde.);
»Histoire des hôtelleries, cabarets, hôtels garnis, etc.« (1851-54, 2 Bde.);
die preisgekrönten Schriften: »Étude de philologie comparée sur l'argot, etc.« (1856);
»Recherches sur le commerce, la fabrication et l'usage des étoffes de soie, etc., pendant le moyen-âge« (1852-54, 2 Bde.);
»Le pays basque, sa population, sa langue, etc.« (1857);
»Histoire du commerce et de la navigation à Bordeaux« (1867-71, 2 Bde.).
Später gab er »Œuvres choisies de Shakespeare« ^[»Œuvres choisies de Shakespeare«] in Übersetzung (1868, 3 Bde.),
»Le livre des psaumes, ancienne traduction française« (1877) und »Rôles gascons« (1885, Bd. 1) heraus.
2) Marc Antoine Amédée, franz. Vaudevillendichter, geb. zu Marseille, [* 66] war seit 1834 in Paris litterarisch thätig; starb daselbst Michel begann als Dichter mit elegischen Poesien, später schlug er einen andern Ton an und versorgte in Gemeinschaft mit Labiche, Lefranc, Delacour u. a. die Theater mit Vaudevilles, deren er mehr als hundert verfaßte. Wir nennen von diesen Stücken, deren Wirkung auf dem übertrieben Possenhaften der Situation wie der Sprache beruht: »La chanteuse des rues«, »Un tigre du Bengale«, »Une femme qui perd ses jarretières«, »Le chapeau de paille d'Italie«, »Mesdames de Montenfriche«, »Les finesses de Bouchavannes« etc.
3) Louise, franz. Kommunistin, geb. 1836 auf dem Schloß Vroncourt (Haute-Marne) als uneheliche Tochter des Besitzers, erhielt durch ihren Vater eine sehr gute Erziehung, verließ nach dessen Tod 1850 das Schloß, machte das Lehrerinnenexamen und ¶
begründete in Paris eine Schule. Beim Ausbruch der Kommune 1871 trat Louise Michel entschlossen den radikalsten Rädelsführern zur Seite, wurde gefangen genommen und zur Deportation nach Numea verurteilt, von wo sie 1880 infolge der allgemeinen Amnestie zurückkehrte. Jedoch schon 1883 wurde sie wegen Aufhetzung zur Plünderung der Bäckerläden zu mehrjährigem Gefängnis verurteilt. Sie gab 1886 ihre »Mémoires« heraus.
(spr. mikelándschelo), eigentlich Michelangelo Buonarroti, ital. Bildhauer, Maler und Architekt, wurde im toscanischen Städtchen Caprese geboren, als sein Vater Richter von Chiusi und Caprese war. 1476 wurde der Knabe, als die Eltern nach Florenz zurückkehrten, in Settignano bei Florenz bei einer Amme, der Frau eines Steinmetzen, zurückgelassen. Daher seine spätere Scherzrede, er habe die Liebe zur Bildhauerkunst [* 68] mit der Milch eingesogen. Er kam noch als Kind nach Florenz.
Nur ungern gab der Vater dem übermächtigen Drang des Sohns zur Kunst nach. Am trat er in die Werkstatt Domenico Ghirlandajos, studierte daneben aber im Garten [* 69] der Medici bei San Marco, wo sich zahlreiche antike Skulpturen unter der Aufsicht des Bildhauers Bertoldo, eines Schülers von Donatello, befanden, welcher Michelangelo wahrscheinlich auch den ersten Unterricht in der Bildhauerkunst erteilt hat. Dadurch trat auch in ein näheres Verhältnis zum Haus der Medici, welches den heilsamsten Einfluß auf die Vielseitigkeit seiner Bildung übte. Er genoß den Umgang der vielen um den geistreichen Fürsten versammelten Gelehrten, namentlich Polizianos und Pico della Mirandolas.
Bei aller Vorliebe für die Plastik gab er jedoch die Malerei nicht auf. Die Reliefs eines Kentaurenkampfes und einer Madonna vor einer Treppe [* 70] (Florenz, Casa Buonarroti) sind seine ersten plastischen Arbeiten. Im J. 1494, kurz vor der Vertreibung Pietros de' Medici aus Florenz, hatte auch aus Furcht vor dem drohenden Sturm seine Vaterstadt verlassen. Er ließ sich in Bologna nieder, wo er unter anderm einen kandelabertragenden knieenden Engel von Marmor (in San Domenico) anfertigte. 1495 kehrte er wieder nach Florenz zurück, begab sich aber schon nach einem Jahr nach Rom. Er hatte kurz zuvor einen schlafenden Cupido in Marmor vollendet und ihn eine Zeitlang in der Erde vergraben, um ihm ein antikes Ansehen zu geben.
Später wurde derselbe wirklich durch einen Unterhändler als Antike an den Kardinal Raphael Riario verkauft, der nach der Entdeckung der Mystifikation das Bildwerk zurückgab. In Rom schuf Michelangelo unter anderm die Marmorstatue eines trunkenen Bacchus, der sich auf einen Satyr [* 71] stützt (Florenz, Nationalmuseen), und eine Madonna mit dem toten Christus (Pietà) in der Peterskirche (s. Tafel »Bildhauerkunst VI«, [* 72] Fig. 15). Um 1500 nach Florenz zurückgekehrt, meißelte er aus einem seit langen Jahren in Florenz liegenden Marmorblock das kolossale Standbild des David, welches sich jetzt in der Akademie zu Florenz befindet und bei den Zeitgenossen zuerst Michelangelos Ruhm begründete.
Bald darauf beschloß die florentinische Regierung, ihren Versammlungssaal durch Gemälde einiger in den Feldzügen gegen Pisa [* 73] erfochtener Siege zu schmücken. Leonardo erhielt den Auftrag, die eine große Wand zu malen, und wählte die Darstellung eines Reitergefechts. Michelangelo bekam den Auftrag für die zweite Wand und stellte den Augenblick dar, in dem ein Haufe florentinischer Soldaten, die eben im Arno baden, unerwartet den Aufruf zum Kampfe vernimmt. Beide Darstellungen machten Epoche im Florentiner [* 74] Kunstleben, aber den Hauptruhm trug Michelangelo davon, dessen tiefes Studium des Nackten sich hier glänzend offenbarte.
Beide Künstler kamen jedoch über die Kartons nicht hinaus. Michelangelos Karton diente lange Jahre hindurch den jungen Künstlern als Quelle [* 75] des Studiums, wurde dann aber später zerstückelt und ist zu Grunde gegangen. Einen neuen Wirkungskreis fand Michelangelo bei der Thronbesteigung des Papstes Julius II. Dieser lud Michelangelo 1505 nach Rom ein und trug ihm den Entwurf zu einem Grabmal auf. Nach mehreren Monaten trat der Künstler mit einem Entwurf hervor, der an Schönheit und Großartigkeit selbst die bis dahin bekannten Denkmäler des Altertums übertraf.
Das Werk sollte mit einer großen Menge Statuen und Reliefs geschmückt werden. Es geriet jedoch bald durch verschiedene Umstände ins Stocken; nochmals neu aufgenommen und auf geringere Maße reduziert, wurde es wieder unterbrochen, bis es endlich in abermals sehr verringertem Umfang 1545, lange nach des Papstes Tod, in der Kirche San Pietro in Vincoli zu Rom aufgestellt ward. Die Statue des Moses ist der vorzüglichste Schmuck dieses Monuments. In der Zwischenzeit (1508) errichtete Michelangelo zu Bologna gegenüber der Kirche des heil. Petronius ein ehernes kolossales Standbild des Papstes, und später malte er im Auftrag des Papstes die Deckenbilder der Sixtinischen Kapelle, angeblich in der Zeit von 22 Monaten.
Als Leo X. den päpstlichen Thron bestieg, war sein erstes Unternehmen die Aufführung der Fassade der St. Lorenzkirche zu Florenz. Michelangelo erhielt 1516 den Auftrag, nach Florenz zu gehen, um nach einem ihm gegebenen Modell die Aufsicht über den Bau zu führen. Mit Unlust ging er an die Arbeit, und unter ungünstigen Umständen rückte das Werk nicht weiter. Überhaupt fällt in die Regierung dieses Papstes die unthätigste Periode im Leben Michelangelos. Nach Leos Tod ging er wieder an sein Lieblingswerk, das Grabmal Julius' II., das ihn während des Pontifikats Hadrians VI. fast ausschließlich beschäftigte.
Clemens VII. verwendete den Künstler auch bei dem Bau der Laurentiana und der Sakristei von San Lorenzo in Florenz, die dann Begräbniskapelle des Lorenzo und Giulio de' Medici wurde. Um diese Zeit entstand die Statue des auferstandenen Heilands in der Minerva zu Rom. Während der nun folgenden Unruhen war Michelangelo Generalkommissar der Befestigungen der Stadt Florenz, fuhr aber fort, während er Florenz gegen die Mediceer verteidigte, an ihrem Mausoleum in San Lorenzo zu arbeiten.
Aus dieser Zeit stammt das Bild der Leda, das nach Frankreich gekommen und unter Ludwig XIII. verbrannt worden sein soll. Doch befinden sich in verschiedenen Sammlungen Werke, die als Nachbildungen der Leda gelten. (Eine Temperamalerei in der Londoner Nationalgalerie wird von einigen sogar für das Original gehalten.) Bei der Rückkehr der Mediceer verließ Michelangelo die Stadt, fand beim Herzog d'Este zu Ferrara [* 76] ehrenvolle Aufnahme und ging dann nach Venedig, [* 77] erhielt jedoch bald von Clemens VII. unter Zusicherung der Verzeihung den Befehl, das Grabmal der Mediceer zu vollenden. Dasselbe enthält die Statuen des Giuliano und Lorenzo de' Medici, von denen besonders die des Lorenzo, von den Italienern »der Gedanke« (il pensiero) genannt, als Meisterwerk ersten Ranges zu betrachten ist, und mit symbolischen Gestalten der vier Tageszeiten geschmückte Sarkophage. Nach der Vollendung des Grabmals des Papstes Julius begann Michelangelo im Auftrag des Papstes Clemens VII. 1533 das 19 m hohe Gemälde an der Hauptwand der ¶
Sixtinischen Kapelle, welches das Jüngste Gericht darstellt, aber erst unter Paul III. 1541 zur Vollendung kam. Unter Paul III. entstanden noch zwei bedeutende Fresken Michelangelos: die Bekehrung des Apostels Paulus und die Kreuzigung des Petrus, beide in der Paulina im Vatikan. [* 79] Da die Freskomalerei dem greisen Künstler jetzt zu beschwerlich wurde, so griff derselbe wieder zum Meißel. [* 80] Er begann eine Marmorgruppe: der tote Christus im Schoße seiner Mutter, daneben Joseph von Arimathia, welche unvollendet blieb (im Dom zu Florenz).
Sie war sein letztes Marmorwerk. Auch leitete er den Bau der Festungswerke von Rom (des Teils von il Borgo). Seitdem nahm ihn die Baukunst [* 81] fast ausschließlich in Anspruch. Paul III. übertrug ihm nämlich 1546 nach Sangallos Tod auch die Leitung des Baues der Peterskirche. Michelangelo verwarf das Modell von Sangallo und führte trotz mannigfacher Hindernisse, die ihm entgegentraten, den Bau nach seinem Plan so weit, daß unmittelbar nach seinem Tode die grandiose Kuppel vollendet werden konnte.
Außer diesem berühmten Bau leitete er damals zugleich den der kapitolinischen Bauten sowie des Hofs im Palast Farnese mit den drei übereinander gestellten Säulenordnungen, der Kirche Santa Maria degli Angeli, der Porta Pia und andrer Prachtgebäude. Als zuletzt das Alter zu mächtig über den Körper hereinbrach, übertrug Michelangelo die Vollendung vieler von ihm begonnener Bildhauerwerke seinen Schülern, und selbst bei der Anfertigung von Zeichnungen und Modellen mußte sein Lieblingsschüler Tiberio Calcagni ihm helfend zur Seite stehen. Als 90jähriger Greis starb Michelangelo klaren Geistes, seine ihn umstehenden Verwandten und Schüler ermahnend. Papst Pius IV. bereitete ihm eine prächtige Bestattung in der Kirche der heiligen Apostel; auf Befehl Cosimos de' Medici wurde jedoch der Leichnam heimlich nach Florenz gebracht, wo man ihm in der Familiengruft in Santa Croce ein Denkmal errichtete.
Außer den erwähnten Skulpturwerken werden Michelangelo noch viele andre plastische Arbeiten zugeschrieben, von denen jedoch nur folgende als sicher von seiner Hand herrührend allgemein anerkannt werden: eine Madonna mit dem Kind, Marmorgruppe (Liebfrauenkirche zu Brügge), Marmorstatue eines kleinen Johannes (sogen. Giovannino, Berliner [* 82] Museum), Marmorstatue eines knieenden Cupido (London, Kensingtonmuseum), Relief der Madonna mit Christus und Johannes (Florenz, Nationalmuseum), ein Relief mit ähnlicher Komposition (London, Burlingtonhouse), Statue eines Adonis (nur angelegt, Florenz, Nationalmuseum) und eine Brutusbüste (ebendaselbst). Im Nationalmuseum zu Florenz sieht man auch einen den Sieg vorstellenden Jüngling, der einen gefesselten Sklaven unter seinen Füßen hält und für das Grabmal Julius' II. bestimmt war. Im Louvre zu Paris bewahrt man zwei Statuen von Sklaven auf, die ebenfalls für das Grabmal Julius' II. bestimmt waren, ebenso wie die gewaltige Gestalt des sitzenden Moses (Rom, San Pietro in Vincoli), ein Hauptwerk Michelangelos. Zu seinen großartigsten Schöpfungen in der Malerei gehören die Gemälde an der Decke [* 83] und der hintern Wand der Sixtina.
Sie sind in ihrer Vereinigung als ein großes, in sich abgeschlossenes Gedicht zu betrachten und zeigen die Schöpfung der Welt und des Menschen, den Sündenfall mit seinen Folgen, nämlich die Vertreibung aus dem Paradies und die Sündflut, die wunderbare Errettung des auserwählten Volkes, die Annäherung der Zeit der Erlösung durch die Darstellung der Vorfahren des Heilands und der Propheten und Sibyllen, die seine zukünftige Erscheinung verkündeten, und zuletzt das Weltgericht.
Die Sündflut ist vielleicht die bedeutendste aller Kompositionen Michelangelos hinsichtlich des Ausdrucks der dramatischen Handlung. Die Kühnheit des Gedankens, die Mannigfaltigkeit der Stellungen der fast unzähligen Figuren, die große Meisterschaft der Zeichnung, insbesondere in den außerordentlichsten und schwierigsten Verkürzungen, erregten bei der Erscheinung desselben eine solche Bewunderung, daß es die vorherrschende Meinung nicht allein für das Meisterwerk Michelangelos, sondern der Kunst überhaupt erklärte.
Das Jüngste Gericht übertrifft jene Bilder noch in der Meisterschaft der Zeichnung und in der Kühnheit der Komposition; aber der Künstler opferte in dem Bestreben, mit der Virtuosität der Zeichnung zu glänzen, nicht selten das Schickliche und Angemessene im Charakter und Ausdruck der Figuren. Dabei ist der Stil der Zeichnung einförmiger und minder edel und schön als in den Deckengemälden dieser Kapelle. Der großartige Charakter der männlichen Figuren grenzt oft an das Plumpe, vornehmlich aber stehen die der Anmut durchaus entbehrenden Frauen des Jüngsten Gerichts den Figuren der Eva, der delphischen Sibylle und vieler andrer weiblicher Gestalten jener Bilder weit nach.
Ursprünglich waren alle Figuren nackt, so daß Paul IV. das Bild herunterschlagen lassen wollte. Als Auskunftsmittel mußte Daniel da Volterra die auffallendsten Blößen mit Lappen bedecken, was ihm den Beinamen des Hosenmachers (braghettone) erwarb. Eine ausgezeichnete Kopie des Werkes, unter des Meisters Augen von Marcello Venusti für den Kardinal Alexander Farnese in Öl gefertigt, kam aus dem Farnesischen Palast zu Rom in das königliche Museum zu Neapel. Von den Michelangelo zugeschriebenen Tafelbildern rühren nur folgende wirklich von ihm her: eine unvollendete Grablegung (London, Nationalgalerie), die gleichfalls unvollendete sogen. Madonna von Manchester [* 84] mit dem kleinen Jesus, dem kleinen Johannes und vier Engeln (ebendaselbst), eine Madonna mit dem Kinde, dem kleinen Johannes und Joseph (Florenz, Uffizien). - Außer dem größten architektonischen Werk, der Riesenkuppel der St. Peterskirche, besitzt Rom noch viele Baudenkmale Michelangelos.
Von den Überbleibseln der Diokletianischen Thermen verwandelte er den Büchersaal, in welchem sich die Bibliothek des berühmten Rechtsgelehrten Ulpian befand, in die Kirche Santa Maria degli Angeli, eine der schönsten und heitersten Roms. Die Palästra schuf er in einen Klostergang (Chiostro) um, erneuerte auch das unverwüstliche Kapitol auf dem uralten Unterbau; doch erhielten die Gebäude des Kapitols bei ihrer Vollendung nach seinem Tod Zusätze und Abänderungen.
Ferner erbaute er die Kapelle der Familie Strozzi in Sant' Andrea della Valle. Von seiner Meisterschaft in der Baukunst zeugt auch der stolze Palast Farnese, mit dessen Plan der Künstler unter einer großen Anzahl von Konkurrenten den Vorzug erhielt. Auch die Gartenfassade der Villa Medici soll unter seiner Leitung erbaut worden sein. Die alte Kirche San Pietro in Vincoli wurde schon unter Julius II. von ihm modernisiert. Pius IV. trug ihm auch auf, Pläne zu den Thoren Roms zu machen; aber es wurde nur eins (die Porta Pia) nach seiner Angabe ausgeführt, und selbst dies ist nicht vollendet. Sein Porträt befindet sich in der Sammlung der Uffizien zu Florenz.
Michelangelos Stil bezeichnen nicht, wie bei der ¶