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gekennzeichneten Gruppen, in welche das Menschengeschlecht zerfällt. Diese Charaktere sind vorwiegend auf den anatomischen Bau begründet, wenn auch andre, die in der Sprache, [* 2] den Sitten, Religionsgebräuchen etc. begründet sind, nicht außer acht gelassen werden dürfen. Streitig ist es noch, ob man die so gebildeten Gruppen in zoologischem Sinn als ebensoviel verschiedene Arten (Spezies) oder als Rassen, d. h. als durch Fortpflanzung typisch gewordene Varietäten einer einzigen Spezies, anzusehen hat, eine Frage, die in engem Zusammenhang mit der Abstammung der ganzen Menschheit von einem oder mehreren Elternpaaren steht (Monogenesis, Polygenesis; Mono-, Polygenisten die Anhänger dieser Theorien). Es läßt sich nicht leugnen, daß innerhalb der einzelnen Pflanzen- und Tierspezies sich Varietäten von viel größerer Verschiedenheit entwickeln können (z. B. Kohl-, Hundearten), als dies bei den einzelnen Menschenrassen [* 3] der Fall ist, während gleichzeitig die Möglichkeit einer scheinbar unbegrenzten fruchtbaren geschlechtlichen Vermischung zwischen letztern gegen die Annahme verschiedener Menschenspezies spricht.
Anderseits kennen wir aber bis jetzt keinen einzigen Fall einer Umwandlung der einen Menschenrasse in die andre, da die nachweisbaren Veränderungen, welche man bei gewissen Rassen unter dem Einfluß eines fremden Klimas und veränderter Lebensbedingungen beobachtet haben will, doch nie zur Bildung wirklich neuer Rassen geführt haben und daher nicht die Bedeutung erlangen, welche man ihnen im Interesse der Transmutationstheorie beizumessen geneigt ist. Der Mangel genau gebuchter wissenschaftlicher Beobachtungen spricht sich in dieser Beziehung auch darin aus, daß in neuester Zeit selbst die Frage wieder lebhaft erörtert wird, ob die aus der geschlechtlichen Vermischung scharf gesonderter Rassen (Neger, Weiße) entstandenen Mischrassen ohne weiteres fortwährendes Hinzufließen reinen Bluts im stande sind, sich in den spätern Generationen fruchtbar fortzupflanzen, während die Thatsache, daß sich in vielen Ländern, z. B. Südamerikas, eine zahlreiche Mischbevölkerung aus Indianern und Europäern entwickelt hat und sich unausgesetzt unter sich fruchtbar weiter mischt, eine Bejahung obiger Frage wenigstens für gewisse Rassen nahelegt.
Von mancher Seite neigt man, zur Beseitigung der Schwierigkeiten, welche die Annahme einer gemeinsamen Abstammung von einem Elternpaar bei der scheinbaren Wandellosigkeit der jetzt vorhandenen Rassen darzubieten scheint, der Hypothese zu, daß die Menschenrassen jetzt zu sogen. Dauertypen geworden sind, d. h. daß sie sich in übersehbarer Zeit in ihren wesentlichen Charakteren nicht mehr geändert haben noch ändern, während eine größere Plastizität und Wandelbarkeit in weit zurückgelegenen Zeitläufen dadurch nicht ausgeschlossen wird.
Anderseits sprechen auch die allmählichen Übergänge, welche von einer Rasse zur andern stattfinden, und die großen, nicht bloß körperlichen, sondern auch geistigen Ähnlichkeiten der scheinbar verschiedensten Rassen gegen die Annahme von verschiedenen Menschenspezies. Die Evolutionslehre, welche zur Zeit die naturwissenschaftliche Anschauung beherrscht, gibt zudem eine genügende Erklärung, wie sich die verschiedenen Menschenrassen von einem einzigen Stamm abgezweigt haben können, zunächst wenig voneinander verschieden, allmählich aber mit der räumlichen Ausbreitung und Absonderung immer weiter divergierend und ihre charakteristischen Merkmale ausbildend.
Trotzdem lassen sich diese Merkmale nicht alle durch die Besonderheit der Lebensbedingungen und klimatischen Einflüsse, ebensowenig durch die besondere Ausbildung bestimmter Körperteile und Organsysteme infolge fortgesetzten Gebrauchs im Sinn des Darwinismus erklären, eher vielleicht, nach Darwin, durch die geschlechtliche Zuchtwahl. Die Rassenmerkmale beruhen teils in der Verschiedenheit des Knochen-, insonderheit des Schädelbaues, teils in der Färbung der Haut [* 4] und der Augen, in der Form und Farbe der Behaarung und in der verschiedenen Ausbildung gewisser Organe, wie z. B. des Gehirns, wobei zu bemerken ist, daß der letztgenannte Punkt noch am meisten eingehender vergleichender Untersuchungen bedarf.
Die verschiedene Hautfarbe ist das augenfälligste Moment des Rassencharakters und wurde daher von jeher dem Einteilungsprinzip zu Grunde gelegt. Dies spricht sich in den noch jetzt geläufigen Bezeichnungen: Weißer, Schwarzer, Rothaut etc. aus. In enger Beziehung zu derselben stehen die besondern Eigentümlichkeiten der Augen- und Haarfarbe. Die Hautfarbe setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: insonderheit der Farbe des in der Haut kreisenden Bluts und eines in den Zellen der tiefen Schichten der Oberhaut (dem sogen. rete Malpighii) in Form feinster brauner Körner abgelagerten Farbstoffs (Pigments);
vielleicht kommt bei der Färbung auch noch der Gallenfarbstoff in Betracht. Je nach der Mannhaftigkeit dieser Ablagerungen erscheint die Haut entweder schwarz, braun, rot oder gelb und endlich weißrot, indem in letzterm Fall die natürliche Farbe des Bluts, welche bei dunklerer Färbung durch das Hautpigment verdeckt wird, durch die fast völlig pigmentfreie Haut hindurchschimmert.
Allein auch bei den weißen Rassen besteht eine geringe Menge desselben Pigments und macht sich namentlich an gewissen Körperteilen (Brustwarze, Geschlechtsteilen, Aftergegend etc.) durch deren dunklere Färbung geltend. Auf diese Weise entsteht eine Reihe von Hautfarben, welche sich vom dunkelsten Schwarz durch Dunkelrot, bez. Dunkelgelbbraun, Rot, Gelb bis zum Weiß (Gelb-, Braun-, Rosigweiß) abstufen. Zur Feststellung dieser verschiedenen Rassenfarben bedient man sich sogen. Farbentafeln (zuerst von Broca angegeben), welche eine große Anzahl von mit Nummern versehenen Farbentönen zum Vergleich mit der zu untersuchenden Hautfarbe enthalten. Nicht nur die Farbe, sondern auch der Drüsen- und Fettreichtum der Haut ist für die Rassenkunde von Bedeutung. So besitzen die Weiber gewisser Völker (Hottentoten u. a.) höchst merkwürdige örtliche Anhäufungen in der Gegend der Hinterbacken (Steatopygie). Auch die Gestalt der weiblichen Brüste und Brustwarzen gibt wichtige Rassenmerkmale.
Sehr wichtig für die Bestimmung der Rassen sind ferner die Haare. [* 5] Hier kommen Farbe, Wuchs und Gestaltung, Verbreitung über den Körper in Frage. Es ergeben sich daraus mannigfache Eigenheiten: in erster Linie die Färbung vom Blond, Hellbraun zum Dunkelbraun und Schwarz (Nebenfarbe Rot), die Krümmungsverhältnisse: straff, schlicht, wellig, lockig, kraus, spiralig gerollt (worunter man enge Spiralringe um eine Längsachse versteht). Eigentlich wolliges Haar [* 6] (wie beim Schaf) [* 7] mit Stapelbildung scheint beim Menschen nicht vorzukommen. Je nach dem »Haarstand« ergibt sich spärliches, dichtes, nicht gruppiertes, gruppiertes Haar. Im letztern Fall stehen immer mehrere Haare in einer Gruppe dicht bei einander, während die Gruppen selbst durch mehr oder weniger große Zwischenräume getrennt sind. Die Verbreitung betrifft die Ausdehnung [* 8] des Haarkleides über den Körper, die Bartbildung etc. Die ¶
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mikroskopische Prüfung berücksichtigt namentlich die Dicke und die Querschnittform des Einzelhaars. Letztere ist kreisförmig, oval oder abgeplattet.
In enger Beziehung zu der Farbe der Haut und Haare steht die der Augen (blau, grau, braun, gelb, grünlichgelb), wobei zu bemerken ist, daß die blaue Färbung derselben nicht von einem blauen Pigment herrührt, sondern auf dem Mangel an (braunem) Pigment in der Grundsubstanz der Regenbogenhaut beruht. Infolge ihrer Zusammensetzung aus sehr feinen parallelen Fasern erzeugt sie das Blau als Interferenzfarbe. Schwarze Augen gibt es nicht.
Die Verschiedenheit des Knochenbaues drückt sich in erster Linie in der Größe der Gestalt aus. Dieselbe schwankt innerhalb bedeutender Grenzen: [* 10] den riesigen Patagoniern von einer Durchschnittsgröße von 1,803-1,85 m und einer Maximalgröße von 1,93-1,95 m stehen die zwerghaften Buschmänner mit einer mittlern Körpergröße von nur 1,37-1,44 m und andre afrikanische Zwergvölker (Akka etc.) gegenüber. Die höchste mittlere Größe der Menschen scheint ungefähr 1,883, die geringste 1,44 m zu sein (Topinard).
Weitere Rassenunterschiede liegen in der Länge und Form der Extremitäten, in der Gestaltung des Fußes, insbesondere der Ferse, in der Ausbildung des Beckens, welches bei gewissen niedern Völkern die Geschlechtsverschiedenheiten weniger typisch entwickelt zeigt, etc. Namentlich aber zeigen sich wesentliche Verschiedenheiten in der Schädel- und Gesichtsbildung. Das Augenmerk der Anthropologen richtet sich daher in erster Linie auf die Feststellung der Größen- und Gestaltverhältnisse des Kopfskeletts, bez. des knöchernen Schädels. (Kraniologie, Schädellehre, [* 11] s. d.). Als Hilfsmittel dient neben der Beschreibung und bildlichen Darstellung die Messung der Hauptdimensionen.
Eine strenge Durchführung bestimmter Meßprinzipien und darauf begründete Einteilung der Menschenrassen verdankt man erst dem schwedischen Anatomen Andreas Retzius, als dessen Vorläufer Camper, Blumenbach, Prichard, Geoffroy Saint-Hilaire, Spix, Morton u. a. anzusehen sind. Retzius legte nämlich dieser Einteilung das gegenseitige Verhältnis der beiden wichtigsten Schädeldurchmesser, des größten Längen- und des größten Breitendurchmessers, zu Grunde.
Beim Überwiegen des erstern entsteht eine mehr länglich-ovale, bei dem des letztern eine mehr rundlich-kurze Schädelform. Die Völker der ersten Gruppe bezeichnete er als Dolichokephalen (Langschädel), die der zweiten als Brachykephalen (Kurzschädel). Zu erstern rechnet er Schädel, bei denen der Längsdurchmesser den Querdurchmesser bedeutend überwiegt (Länge:Breite = 100:65 im Extrem), zu den Brachykephalen dagegen die, deren Längs- und Querdurchmesser sich mehr nähern (Länge:Breite = 100:85). Jede dieser Hauptklassen schied er wieder je nach dem stärkern oder geringern Vorspringen der Kiefer und Zähne [* 12] über das Gesichtsprofil in schiefzähnige (prognathe) und geradzähnige (orthognathe) Völker. In die so entstehenden vier Hauptgruppen brachte Retzius die verschiedensten Völker unter, aber es zeigte sich dabei, daß diese kraniologischen Merkmale allein nicht ausreichten, eine Rasseneinteilung zu begründen, weil auf diese Weise Völker zusammengeworfen werden, die im übrigen so verschiedenartig wie möglich sind. Trotzdem bleibt das Verdienst Retzius', zuerst diese Einteilung aufgestellt zu haben, bestehen, und die Kraniologie hat auf diesen Fundamenten weitergebaut. Der »Schädelindex«, d. h. das Verhältnis zweier Hauptmaße desselben zu einander, das größere Maß = 100 gesetzt, ist eins der wichtigsten Kennzeichen bei der Schädelmessung geworden (vgl. Schädellehre).
Bedeutungsvoll erscheint nächstdem die Gesichtsbildung und der derselben zu Grunde liegende Knochenbau. Hier steht das gegenseitige Verhältnis der Gesichtsbreite und Gesichtslänge obenan: niedere (chamäoprosope), hohe (leptoprosope) Gesichter (Breitgesichter, Schmalgesichter). Das Hervorspringen der Jochbogen, die Abmachung des ganzen Gesichts, die Bildung der Stirn (breit, schmal, hoch, niedrig, fliehend, gerade), das Hervortreten der Augenbrauenbogen und des Nasenwulstes stehen ferner in engstem Zusammenhang mit der Physiognomie der Rassenmenschen.
Dazu kommt die Form, Stellung, Weite und Entfernung der Augenhöhlung, der Nasenöffnung, die Gestalt des Gaumens, der sogen. Gesichtswinkel, alles Verhältnisse, deren genaue Feststellung, durch Maße in der Rassenkunde eine bedeutende Rolle spielt. Ein einheitliches Meßverfahren ist zwar noch nicht vereinbart, doch ist in jüngster Zeit auch in dieser Hinsicht ein großer Fortschritt zu verzeichnen, indem für Deutschland [* 13] wenigstens eine Verständigung über ein gemeinsames kraniometrisches Verfahren (»Frankfurter Verständigung«) erzielt wurde. Daran schließt sich eine internationale Vereinigung über Gruppeneinteilung und Bezeichnung der Schädelindexe, welche, vom anthropologischen Institut von Großbritannien [* 14] und Irland ausgegangen, jetzt bereits von zahlreichen Anthropologen angenommen ist. (Vgl. »Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie etc.«, März 1886.)
An dem von den Weichteilen bekleideten Gesicht [* 15] und Schädel kommen weitere Merkmale in Betracht: die Art des Haaransatzes, die Gestalt der Nase [* 16] (gerade, Adler-, Stumpf- etc., breite, flache, platte Nase, verschiedene Typen der Nasenöffnungen), die Stellung und Form der Augenspalte (weit offen, enggeschlitzt, horizontal, nach außen ansteigend), die Entwickelung des sogen. dritten Augenlides (plica semilunaris), die Form des Ohrs (Ohrläppchen), die Mund- und Lippenbildung (ob gewulstet und breit, ob schmal).
Von den innern Organen ist bisher am eingehendsten, wenn auch nicht durch direkte Beobachtung, so doch durch die Messung der Größe des Schädelraums, in dem es liegt, das Gehirn [* 17] untersucht worden. Die »Schädelkapazität«, d. h. der in Kubikzentimetern ausgedrückte Rauminhalt des Schädels, wird durch Einschütten von mehr oder weniger feinkörnigen Massen (Sand, Schrot, Hirse) [* 18] gemessen und kann in sehr bedeutenden Grenzen schwanken (nach Topinard bei verschiedenen Rassen um 300 ccm und mehr).
Sie schwankt ferner je nach dem Geschlecht, der Individualität und der Intelligenz des Gemessenen. Nach J. ^[Johannes] Ranke scheint das Maximum des Schädelinnenraums bei einem normalen Europäer unter 2000 ccm zu liegen und nach Topinard im Mittel etwa 1410 ccm zu betragen, 1000 ccm dürften das zulässige Mindestmaß für den weiblichen normalen Schädel sein. Der Rauminhalt der Weiberschädel ist bei allen Rassen im Mittel kleiner als der der Männerschädel, und wahrscheinlich beträgt der Unterschied bei wilden Rassen nicht weniger als bei zivilisierten.
In betreff der übrigen innern Organe sind noch wenig rassenanatomische Untersuchungen angestellt worden, am meisten noch über die Form der Geschlechtsteile (»Hottentotenschürze«, s. d.). Auch gewisse physiologische Rassencharaktere sind von Bedeutung, wie das zeitliche Auftreten der Pubertät, die Dauer des Säugens der Kinder, ferner die mittlere Lebensdauer. Endlich können selbst Krankheiten Bedeutung haben, ¶
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insofern gewisse Rassen sich gegen bestimmte Seuchen einer größern Widerstandsfähigkeit, bez. Immunität erfreuen (Neger gegen Gelbfieber, Sumpffieber etc.), als andre.
Unter den psychischen Rassenmerkmalen steht die Sprache obenan, nächstdem kommen die Kultur- und Gesellschaftsform, die religiösen Anschauungen, Überlieferungen etc. in Betracht. Die Sprache ist indes kein sicheres Zeichen der Abstammung, weil durch Eroberung, höhere Kultur etc. den Angehörigen einer Rasse eine fremde Sprache aufgedrängt worden sein kann. Trotzdem geben oft geringe Reste eines fremden Sprachstammes, die einer andern Sprache z. B. in Gestalt von Wurzelwörtern beigemischt sind, wichtige Fingerzeige über die Zusammensetzung des Volkes, und in einzelnen Fällen, wie bei den Basken, ermöglicht die eigentümliche Sprache allein den Schluß auf die ethnische Sonderstellung des Volksstammes.
Man unterscheidet in der Regel einsilbige Sprachen (Chinesisch, Siamesisch etc.), dann Agglutinations- (oder polysynthetische) Sprachen (Amerikanisch, Australisch, Drawidisch etc.) und schließlich Flexionssprachen (Sanskrit und die demselben verwandten Idiome). Eine vor allem den formalen Bau der Sprachen berücksichtigende, für die Rassenlehre besonders verwertbare Übersicht der Sprachen hat Steinthal aufgestellt.
Vgl. die Litteratur bei Sprache, besonders die Werke von Pott, Steinthal, Schleicher, Fr. Müller.
Brauch und Sitte der Völker haben eine mehr untergeordnete Bedeutung für die Rassenlehre. Die Wiederkehr einzelner charakteristischer Züge bei verschiedenen Völkern (z. B. die Stellung der Weiber im Familienleben, die Art der Leichenbestattung, die Zeremonien bei der Geburt eines Kindes, bei der Eheschließung, Feste beim Mannbarwerden, religiöse und abergläubische Handlungen etc.) kann oft auf gegenseitigen Austausch hindeuten; doch wird man noch häufiger wahrnehmen, daß unter gleichen Umständen und Verhältnissen die verschiedensten Völker zu gleichen Vorstellungen und Sitten gelangen.
Die Übereinstimmung der Sitten mag, wie Tylor hervorhob, der gleichen Thätigkeit des menschlichen Geistes unter gleichen Bedingungen zuzuschreiben sein, bisweilen ist sie ein Beweis der Blutsverwandtschaft oder des Verkehrs zwischen den Rassen, unter denen sie gefunden wird. Die Sage, Geschichte und Mythologie gestatten endlich, unter Umständen den verborgenen Beziehungen zwischen scheinbar weit getrennten Völkern nachzugehen, ihre Wanderungen zu verfolgen und die Gemeinschaft der Abstammung zu erkennen.
Einteilung der Menschenrassen.
(Vgl. beifolgende »Ethnographische Karte«, mit Textblatt: Übersicht der Menschenrassen.)
Geht man mit Hilfe dieser Merkmale an den Versuch, eine natürliche Rasseneinteilung des Menschengeschlechts zu begründen, so stößt man auf große Schwierigkeiten. Dieselben liegen darin, daß überall die verschiedenen Rassentypen durch allmähliche Übergänge miteinander verbunden sind, und daß somit nur die extremen Formen sich scharf abheben. Die mannigfachen Versuche einer Klassifikation seit Linné, Blumenbach, Cuvier u. a., die zum größten Teil nur noch ein geschichtliches Interesse haben, beweisen dies.
Die Zahl der aufgestellten Gruppen schwankt zwischen 2 und 60, obgleich sich immer die Neigung geltend macht, zu den vier von Linné angenommenen Urtypen: dem Europäer, Asiaten, Afrikaner und Amerikaner, zurückzukehren. Blumenbach fügte diesen noch den Malaien hinzu, während Cuvier nur drei Rassen annahm: die weiße (kaukasische), die gelbe (mongolische) und die schwarze (äthiopische). Ch. Pickering nahm 11, Morton sogar 22 Rassen an. Von den neuern Systemen verdienen nur noch die von Huxley und von E. Häckel aufgestellten Erwähnung, bei denen die Beschaffenheit der Haare das Einteilungsprinzip abgibt.
Huxley nimmt Wollhaarige (Ulotriches) und Schlichthaarige (Leiotriches) an. Zu erstern rechnet er die Neger und Papua, zu letztern die Australoiden (Australier, Drawida), die Mongolen (Mongolen, Chinesen, Polynesier, Amerikaner, Eskimo), die Xanthochroiden (Slawen, Germanen, Kelten) und die Melanochroiden (Iberer, Berber). Nach Häckel zerfällt das Menschengeschlecht je nach der Beschaffenheit des Kopfhaars in zwei Abteilungen: Wollhaarige (Ulotriches) und Schlichthaarige (Lissotriches).
Erstere zerfallen in Büschelhaarige (Lophocomi), wo die Haare in getrennten Büscheln wachsen, und Vlieshaarige (Eriocomi), wo sie gleichmäßig verteilt sind. Die Schlichthaarigen unterscheiden sich in Straffhaarige (Euthycomi) und Lockenhaarige (Euplocami). Friedrich Müller bildet aus diesen Abteilungen zwölf Rassen, während Peschel, unter Benutzung aller Merkmale, nicht bloß der Haare, zur Aufstellung von sieben Gruppen kommt:
1) Australier, 2) Papuaner, 3) Mongoloiden (darunter auch die Malaiopolynesier und Amerikaner), 4) Drawida oder die Bewohner Vorderindiens von nichtarischer Abkunft, 5) die Hottentoten und Buschmänner, 6) die Neger, 7) die mittelländischen Völker, welche den Kaukasiern Blumenbachs entsprechen. Nach Flower hat sich der Urstamm des Menschen im Lauf der Zeit in drei Zweige gespalten, drei extreme Typen, die durch den Kaukasier in Europa, [* 20] den Mongolen in Asien [* 21] und den Äthiopier in Afrika [* 22] vertreten werden; alle andern Stämme lassen sich nach ihm zwischen diese drei ein- und anordnen und sind entweder das Ergebnis von Kreuzungen oder direkte Nachkommen des gemeinschaftlichen Grundstammes, ehe dieser noch in die drei scharf geschiedenen Zweige sich getrennt hatte. In folgender Übersicht schließen wir uns der Einteilung Flowers an.
1) Äthiopier (Neger, Negroide, Melanier, Schwarze): Schwarze oder schwärzliche Hautfarbe, schwarzes, krauses, uneigentlich wollig genanntes Haar, jedes derselben ist dicht in sich aufgerollt und immer von flachem oder elliptischem Querschnitt;
mäßig oder dürftig entwickelter Bart, fast ausnahmslos dolichokephaler Schädel (?), kleine und mäßig zurückweichende Wangenbeine (mesopisch), sehr breite, flache Nase, am Skelett [* 23] mit breitem Eingang (platyrrhin), mäßige oder niedere Augenhöhlen, hervorstehende Augen, dicke, aufgeworfene Lippen, hervorstehende Kiefer (prognath), große Zähne (makrodont), enges Becken, langer Vorderarm (Humeroradial-Index 80) und noch weitere weniger sichergestellte Unterschiede.
2) Mongolen (Xanthoi, Gelbe): Gelbe oder bräunliche Hautfarbe, grobes, straffes Haar ohne jede Neigung zur Lockenbildung, fast rund im Querschnitt, nur am Kopf reichlich, sonst spärlich. Schädel von wechselnder Gestalt, meist meso- oder brachykephal; breites, flaches Gesicht mit hervorstehenden, nach vorn ragenden Backenknochen (platyopisch), kleine (meso- oder leptorrhine) Nase, hohe, runde Augenhöhlen, sehr geringe Entwickelung der Glabella und der Augenbrauenbogen (arcus superciliares), tief liegende Augen mit enger Lidspalte, im typischten Fall mit einer senkrechten Hautfalte über dem innern (Mongolenfalte) und mit leicht emporgezogenem äußern Augenwinkel. Kiefer mesognath, Zähne mittelgroß (mesodont). Über Becken- und Gliederform sind die Akten noch nicht geschlossen. ¶
Verbreitung der Menschenrassen.
I. Kaukasische Rasse (blauer Farbton):
(Mittelländische Rasse nach Peschel)
II. Mongolische Rasse (gelb-roter Farbton):
Nordmongolen (Mongol.-altaische Gruppe)
Chinesen u. Indochinesen (Südmongol. Gruppe)
Japaner u. Koreaner (Südmongol. Gruppe)
Tibetaner (Südmongol. Gruppe)
Mikronesier
Eskimo (Beringsvölker)
Amerikaner
III. Negroide Rasse (braun-schwarzer Farbton):
Hottentoten, Doko u. Akka?
Melanesier (Papua)
Australier
Zum Artikel »Menschenrassen«. ¶
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3) Kaukasier (Weiße): Hellfarbene Haut, obgleich dieselbe bei einzelnen Abarten so schwarz wie beim Neger sein kann, helles oder dunkles Haar, weich, schlicht oder wellig, mit einem Querschnitt, der die Mitte zwischen dem runden und flachen hält, entwickelter Bart. Schädelform wechselnd, meist mesokephal, Wangenbeine zurückweichend, schmales, in der Mittellinie hervorspringendes (prosopisches) Gesicht, mäßig große Augenhöhlen, schmale, hervorstehende Nase (leptorrhin), senkrechte Kiefer (orthognath), kleine Zähne (mikrodont), breites Becken, kurzer Vorderarm (Index 74). Die Bezeichnung Kaukasier, von Blumenbach stammend, ist keine glückliche, weil sie von irrigen Voraussetzungen ausging.
Peschel hat statt ihrer die der »mittelländischen Rasse« eingeführt, welche nach ihm sämtliche Europäer, soweit sie nicht mongolenartig sind, alle Nordafrikaner, alle Vorderasiaten und die Hindu, letztere schon als Mischvölker, umfaßt. Der Begriff deckt sich nicht ganz mit dem von Flower, da letzterer noch andre Völkerstämme, z. B. die Drawida (s. unten), den Kaukasiern zurechnet. Zur weitern Einteilung dienen nun neben den bisher ausschließlich benutzten anatomischen Merkmalen auch andre, unter denen die geographische Verteilung und die Sprache obenan stehen.
I. Äthiopischer Typus.
A. Afrikanische oder typische Neger. Sie bewohnen den zentralen Teil Afrikas von der Ost- zur Westküste, sind aber überall im Norden [* 26] stark mit hamitischen und semitischen Melanochroi ^[richtig: Melanochrooi] (s. unten) gemischt (Sudânstämme). Ein Zweig der Neger sind die Bantuvölker, die sich hauptsächlich durch ihren Sprachbau unterscheiden. Die südlichen Bantu (Kaffern) sind hellfarbener, weniger prognath, mit größerer Schädelkapazität und kleinern Zähnen (Mischungen mit Hottentoten?).
B. Hottentoten und Buschmänner. Sie bewohnten früher ein bedeutend größeres Gebiet, ehe sie nördlich von den Bantustämmen, südlich von den Holländern und Briten verdrängt wurden. Die Hottentoten haben durch Mischung viel von ihren charakteristischen Zügen eingebüßt. Wenn rein, besitzen sie eine mittlere Gestalt, eine gelbbraune Hautfarbe, sehr krauses Haar, weniger reichlich als beim Neger und scheinbar in Büscheln wachsend. Schmale Stirn und Kinn, breite Backenknochen, sehr flache Nase, hervorragende Lippen.
Die Buschmänner gleichen in den meisten Zügen den Hottentoten; sie sind äußerst plattnasig (platyrrhin), während der Prognathismus, nach Flower, fast fehlt (dies ist jedenfalls, wie die Schilderungen von Fritsch, Hahn [* 27] u. a. ergeben und die im J. 1886 in Deutschland vorgeführten Buschmänner zeigten, nicht richtig; dieselben waren stark prognath). Ihre Körpergröße ist sehr gering, kleiner als die der Hottentoten, von denen sie als ein ausgestoßener, verwilderter und verkommener Zweig anzusehen sind. Die Hände und Füße sind sehr zierlich und klein. Vielleicht gehören Hamys Negrillos, gewisse zwerghafte Völker Zentral- und Westäquatorialafrikas, auch hierher. (Akka Schweinfurths.)
C. Ozeanische Neger oder Melanesier. Sie umfassen die Papua (vom malaiischen papuwah, »kraushaarig«) von Neuguinea und die Mehrzahl der Bewohner der westlichen Inseln des Stillen Meers (Fidschi, Bismarck-Archipel, Salomoninseln, Neue Hebriden, Neukaledonien), [* 28] haben sich aber durch Mischungen weit über ihren jetzigen Wohnbezirk verbreitet. Der Körperbau ist kräftig, von mittlerer Größe. In ihren reinen Formen sind sie extrem dolichokephal und hypsisthenokephal, d. h. am langen Schädel überwiegt die Höhe die Breite. [* 29]
Hauptsächlich unterscheiden sie sich vom afrikanischen Neger durch die gute (bei den Bismarckinsulanern u. a. sogar sehr starke) Entwickelung der Glabella und der Augenbrauenbogen beim männlichen Geschlecht. Die Nasenwurzel erscheint stark eingesenkt, so daß ein mehr oder weniger mächtiger Stirnwulst entsteht. Die Form der Nase scheint sehr zu wechseln, man findet nicht selten gerade oder adlerartig gebogene, hervorspringende Nasen mit überhängender Spitze, die dem Gesicht einen mehr europäischen, unter Umständen jüdischen Ausdruck verleihen, während anderseits eine flache, am Ende stumpf abgerundete Nase mit breiten, stark gewölbten Flügeln und großen Nüstern beobachtet wird (Finsch). Der Mund ist groß, mit aufgeworfenen Lippen, der Kieferbau prognath, doch nicht schnauzenartig wie beim Neger. Starke Bärte sind nicht selten. Das Haar, gleichmäßig auf dem Haarboden verteilt, dreht sich in korkzieherartigen Spiralen und bildet einen mächtigen, perückenartigen Pelz. Oft starke Körperbehaarung. Vielfach finden sich Mischungen mit Negrito, Malaien und Polynesien.
Eigentümlich ist die Auffassung Flowers über die Australier, die ebenfalls in diese Gruppe gehören. Dieselben unterscheiden sich durch ihr schlichtes Haar von den Melanesiern, tragen aber sonst in Farbe, Zügen und Gestalt die Kennzeichen der Negroiden an sich. Er hält dieselben für eine Mischrasse, entstanden aus der Verbindung von Melanesiern mit einem schlichthaarigen, niedern Stamm kaukasischer Melanochroi ^[richtig: Melanochrooi], wie sie noch den Süden Indiens bewohnen.
D. Die Negrito, negerartige Völker, welche, als Aeta bezeichnet, die Philippinen, als Minkopie die Andamanen und Nikobaren (?) bewohnen, kurz alle jene asiatischen Neger, die sich nördlich vom Äquator finden. Sie sind von kleiner, schmächtiger Gestalt, ausgesprochen kurzköpfig, höchst prognath, mit kleinen, platten Nasen und kurzem, wolligem Haar. Sie bildeten die Urbevölkerung vieler Inseln des Indomalaiischen Archipels und wurden von den Malaien verdrängt und aufgesogen. Vielleicht finden sie sich auch, mit den Papua vermischt, in Neuguinea vor.
II. Mongolischer Typus.
A. Die Eskimo, ein Zweig der typischen nordasiatischen Mongolen, der, im hohen Norden isoliert entwickelt, die typischen Eigenschaften der Rasse besonders ausgeprägt hat. Sie bewohnen beide Ufer der Beringsstraße und Grönland und besitzen eine kleine, breitschulterige Gestalt mit kleinen Händen und Füßen, lange, schmale, große Schädel, straffes, tiefschwarzes, langes Haar, der Bart ist sehr spärlich; die Hautfarbe ist an den bedeckten Teilen dunkelgrau, im Gesicht dunkelbraun, mit einem Stich ins Rötliche.
B. Die typischen Mongolen. Sie bewohnen Nord- und Südasien und zerfallen demnach: a) in die mongolisch-altaische Gruppe und b) in die Südmongolen. Erstere, deren Wiege auf den großen Hochebenen Mittelasiens stand, und die durch Sprachverwandtschaft verbunden sind, haben sich als Hunnen, Magyaren, Türken wiederholt über das östliche Europa ergossen und stellenweise daselbst niedergelassen, wobei sie durch Mischung mit andern Rassen wesentliche Veränderungen ihrer Charaktere erfuhren. Selbst die im Norden Europas wohnenden, ihnen wahrscheinlich zuzurechnenden Lappen zeigen derartige Wandlungen. Die Japaner sind wohl auch hierher zu rechnen, doch tragen auch sie das Gepräge einer aus mindestens noch zwei andern Elementen (Aino, Malaien) zusammengesetzten Mischrasse. Die südmongolische Gruppe, von ersterer hauptsächlich durch die Sprache und ¶
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Lebensweise geschieden, umfaßt den größern Teil Chinas, Tibets, Birmas und Siams. Peschel bezeichnet die Hinterindien [* 31] bewohnenden Völker dieser Gruppe als Malaiochinesen, ein jedenfalls dem Ausdruck Indochinesen vorzuziehendes Wort.
C. Die Malaien. Sie bilden einen Hauptbestandteil der Bevölkerung [* 32] von den Philippinen, der Halbinsel Malakka, Sumatra, Java, den Sundainseln, Celebes und Borneo; nach Formosa, Ceylon [* 33] und Madagaskar [* 34] versprengt. In ihren Charakteren schließen sie sich durchaus den mongolischen Stämmen an.
D. Die (braunen) Polynesier (Malaiopolynesier, Maori Neuseelands, Kanaken), d. h. alle jene Völker, welche die Inselgruppen des Stillen Ozeans bewohnen, soweit sie nicht von Melanesiern eingenommen sind. Sie haben sich augenscheinlich frühzeitig vom malaiischen Hauptstamm geschieden und mehr oder weniger mit melanesischem Blut gemischt. Die typischen mongolischen Charaktere dieser oft schönen Rasse treten sehr zurück; stellenweise nähern sie sich in ihrer Erscheinung den Kaukasiern, obgleich eine Vermischung mit den letztern nicht nachweisbar ist.
E. Die ursprüngliche amerikanische Rasse. Sie bewohnte ganz Amerika [* 35] mit Ausnahme des von den Eskimo eingenommenen nordöstlichen Teils und zeichnet sich, trotz der verschiedensten klimatischen Lebensverhältnisse, durch eine merkwürdige Übereinstimmung der somatischen Charaktere aus. Ebenso haben die zahllosen Sprachen Amerikas (man hat bis 1200 derselben unterschieden) sämtlich eine nur ihnen zukommende Eigentümlichkeit: sie sind polysynthetisch (einverleibende, W. v. Humboldt), d. h. es läßt sich ein verwickelter Gedanke in ein einziges Wort zusammenfassen. Von der typischen mongolischen Rasse weichen gewisse amerikanische Stämme freilich bedeutend ab, namentlich durch die Nasenbildung (Adlernase), die fliehende Stirn und die entwickelten Augenbrauenbogen, während bei andern die große Ähnlichkeit [* 36] mit den Mongolen in den wichtigsten Merkmalen äußerst schlagend hervortritt. Somit erscheint es kaum gerechtfertigt, einen besondern amerikanischen Typus aufzustellen.
III. Der kaukasische Typus.
Derselbe umfaßt zwei getrennte Gruppen, welche Huxley als »Xanthochrooi« (Hellfarbene, bez. Blonde) und »Melanochrooi« (Schwarzfarbene, bez. Brünette) bezeichnete. Trotz der großen Verschiedenheit ihrer Hautfarbe, der Haare und Augen stimmen alle hierher gehörigen Völker so außerordentlich überein, daß man sie zu einem Typus rechnen muß. Beide Gruppen haben sich vielfach innig gemischt, und aus dem wechselnden Mischungsverhältnis unter sich und mit allophylen Elementen (Mongolen, Äthiopiern) erklären sich die großen Unterschiede der Völker.
A. Xanthochrooi (von xánthos, »blond«, chrós, »Hautfarbe«),
der blonde Typus mit hellem Haar, blauen Augen, heller Hautfarbe, bewohnt hauptsächlich Nordeuropa, Skandinavien, Schottland, Norddeutschland, breitet sich aber, vielfach gemischt mit dem zweiten, über das übrige Europa bis nach Nordafrika und Afghanistan [* 37] aus. Im ganzen würde sich also diese Gruppe mit der der Germanen (und Slawen?) decken. Aus Mischungen mit Mongoloiden entstanden die Lappen, Finnen und deren Abkömmlinge.
B. Melanochrooi (mélas, »schwarz, dunkel«),
der schwarzhaarige, dunkeläugige Typus mit einer Hautfarbe, die fast alle Schattierungen bis zum wirklichen Schwarz aufweisen kann. Sie umfassen die Mehrzahl der Bewohner Südeuropas, Nordafrikas, Südwestasiens und zerfallen in drei Familien:
1) Hamiten, nordafrikanische Völker, wie Berber (mit den Guanchen, d. h. den Ureinwohnern der Kanarischen Inseln), Altägypter (mit ihren Nachkommen, den Kopten [* 38] und Fellahs, d. h. der Bauernbevölkerung am untern Nil), Ostafrikaner (Bedschavölker, Galla, Somal, mit meist starker äthiopischer Beimischung).
2) Semiten, in Vorderasien und Teilen Ostafrikas. Dazu gehörten die alten Chaldäer, Hebräer, Kanaaniter (Phöniker), Assyrer und Babylonier. Eine südliche Gruppe bilden die Ismaeliten (Araber) und die Abessinier (?). Viele nubische Stämme, die jetzt arabisch reden, schreiben sich deshalb fälschlich, statt einer hamitischen, eine semitische Abstammung zu. 3) Arier (im engern Sinn), d. h. die Inder, die alten Eranier, die Meder, Perser, Afghanen, Belutschen, Kurden, Armenier, Osseten.
Man kann diese Völker auch als den asiatischen Stamm der sogen. Indogermanen bezeichnen. Die Arier sind zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. vom Nordwesten her in Indien eingewandert und haben die drawidische Urbevölkerung zurückgedrängt und unterjocht. Die heutigen Inder sind ein Produkt der Rassenmischung mit diesen Elementen. Den Ariern in dieser engern Begrenzung, d. h. als brünette Indogermanen, würden sich zudem noch alle jene südeuropäischen Völker zuzählen lassen, die man als Thrakoillyrier, Gräkoitaliker etc. bezeichnet (europäische Indogermanen).
Flower rechnet, abweichend von den meisten übrigen Ethnologen, auch die Drawida, d. h. die schwarzhäutigen, sonst aber vielfach in Gesichtsbildung, Behaarungsform etc. den Kaukasiern ähnelnden Urstämme Vorderindiens, zu den Melanochrooi, ebenso die Weda auf Ceylon, wahrscheinlich die Aino Japans und die Miaotse, d. h. die roh gebliebenen Urbewohner der hoch gelegenen Teile Südchinas (noch fraglich!). In Südindien sollen die Drawida sich mit den Negrito gemischt und auch den Australiern ihren von den Melanesiern abweichenden Typus verliehen haben, eine bisher nicht beweisbare Hypothese.
Es läßt sich nicht leugnen, daß diese scharfe Sonderung der Flowerschen Kaukasier in Hell- und Dunkelhäutige insofern unbequem ist, als sie die große indogermanische Familie auseinander reißt, trotzdem ihre Sprache so bestimmt auf einen gemeinsamen Ursprung hinweist. Die von Peschel gegebene Einteilung der Indoeuropäer, als der dritten Gruppe der »mittelländischen Rasse« neben den Hamiten und Semiten, in asiatische (Eranier, Inder etc.) und europäische Arier verdient daher den Vorzug.
Letztere zerfallen dann wieder in Nordeuropäer (Germanen, Lettoslawen, Kelten [?]) und Südeuropäer (Altgriechen, Italiker, Thrakoillyrier mit ihren Nachkommen, den heutigen Albanesen, etc.). Unbestimmt bleibt immerhin noch die Stellung einzelner Völker, wie die der alten Iberer, deren Reste die heutigen Basken sind, der alten Etrusker und Rätier, der Ligurer. Daß ein blonder und ein brünetter Stamm, die Kollmann geradezu als Rassen bezeichnet, in wechselnder Menge gemischt, die heutigen Völker Europas zusammensetzt, ist sicher, wenn auch vorerst nur für einen beschränkten Teil Mitteleuropas durch Zahlen bewiesen.
Die in Deutschland auf Anregung R. Virchows durchgeführte statistische Erhebung der Haar-, Augen- und Hautfarbe von 6,758,827 Schulkindern ergab, daß die rein Blonden in ganz Norddeutschland am stärksten vertreten sind (43,35-33,56 Proz.), während sie nach S. und W. progressiv abnehmen (Mitteldeutschland 32,50-25,29 Proz., Süddeutschland 24,46-18,44 Proz.). Der brünette Typus ist in Norddeutschland mit 6,95-11,17 Proz., in Mitteldeutschland mit ¶
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12,6-14,74, in Süddeutschland mit 15,37-25,21 Proz. vertreten. Entsprechende Erhebungen haben in der Schweiz, [* 40] in Belgien [* 41] und Österreich [* 42] stattgefunden. Auch die Slawen scheinen, gleich den Germanen, ursprünglich blond gewesen und erst durch Aufnahme fremder Volkselemente gebräunt worden zu sein. Nehmen wir dazu, daß die alten Kelten in somatischer Beziehung den blonden Germanen als durchaus ähnlich beschrieben werden, während die jetzigen als Kelten bezeichneten Völker überwiegend brünett sind, so würde sich daraus die Berechtigung der Annahme ergeben, daß Urgermanen, -Slawen und -Kelten sämtlich dem blonden, also im Sinn Huxleys dem xanthochroen Typus angehörten und bei ihrer Einwanderung in Europa auf fremde, brünette Rassen stießen. Durch Mischung mit denselben hat sich dann der blonde Typus mehr oder weniger verwischt und ist aufgesogen worden.
[Litteratur.]
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Prichard, Researches into the physical history of mankind (3. Aufl., Lond. 1851, 5 Bde.; deutsch von R. Wagner u. Will, Leipz. 1840-48, 4 Bde.);
Kriegk, Die Völkerstämme und ihre Zweige (5. Aufl., Frankf. 1882);
Knox, The races of men (2. Aufl., Lond. 1862);
Waitz-Gerland, Anthropologie der Naturvölker etc. (Leipz. 1859-72, 6 Bde.);
Perty, Grundzüge der Ethnographie (das. 1859);
Derselbe, Die Anthropologie etc., Bd. 2 (das. 1874);
Bastian, Das Beständige in den Menschenrassen (Berl. 1868);
Fr. Müller, Allgemeine Ethnographie (2. Aufl., Wien [* 44] 1879);
Peschel, Völkerkunde (6. Aufl., Leipz. 1885);
v. Martius, Zur Ethnographie Amerikas (das. 1867);
H. Bancroft, The native races of the Pacific States of North America (New York 1875, 5 Bde.);
Fritsch, Die Eingebornen Südafrikas (Bresl. 1873);
Hartmann, Die Nigritier (Berl. 1876, Bd. 1);
Topinard, Elements d'anthropologie générale (Par. 1885);
Derselbe, L'anthropologie (deutsch, Leipz. 1886);
Flower, Address delivered at the anniversary meeting etc., January 27. 1885 (»On the classification of the varieties of the human species«);
Kuhl, Die Anfänge des Menschengeschlechts und sein einheitlicher Ursprung (Mainz [* 45] 1876, 2 Bde.);
Quatrefages, Das Menschengeschlecht (deutsch, Leipz. 1878, 2 Bde.);
Featherman, Social history of the races of man kind (Lond. 1884 ff.);
Ratzel, Völkerkunde (Leipz. 1886-88, 3 Bde.), und die im Artikel »Anthropologie« angeführten Zeitschriften.