Ihr wurde 217
v. Chr. nach der durch Unverstand
verlornen
Schlacht am Trasimenischen
See auf dem
Kapitol ein
Tempel
[* 4] errichtet, dessen Stiftungsfest alljährlich am 8. Juli gefeiert
wurde.
großer Strandsee in Unterägypten, zwischen
Damiette und
Port Said, nur durch eine schmale
sandige
Nehrung vom
MittelländischenMeer getrennt, mit
dem er aber durch mehrere Mündungen verbunden wird, ist 1200 qkm (21,8
QM.) groß, aber durchschnittlich nur 1 m tief. Das
Wasser ist nur während der
Überschwemmung des
Nils süß, sonst brackig.
Bei Niedrigwasser ist die Zahl und
Ausdehnung
[* 5] der
Sandbänke und
Inseln so groß, daß die
Schiffahrt für
die in Dörfern teils am
Ufer, teils auf den
Inseln wohnenden
Fischer schwierig wird. Der Fischreichtum ist ein so ungeheurer,
daß die
Regierung aus der
Verpachtung der
Fischerei
[* 6] 1½ Mill.
Frank jährlich löst. Der
Suezkanal hat einen Teil im O. abgeschnitten,
der jetzt ganz trocken ist. Auch an der Austrocknung des übrigen Teils, der einst zu den fruchtbarsten
LandschaftenÄgyptens
gehörte, wird jetzt gearbeitet.
(HomosapiensL.), das höchst entwickelte organisierte
Wesen, unterscheidet sich in seiner körperlichen
Organisation
in keiner
Weise von einem
Tier, er besitzt kein einziges
Organ, das nicht auch bei diesem sich fände. Ebensowenig bestehen
fundamentale Unterschiede der äußern Gestaltung zwischen ihm und den ihm zunächst stehenden sogen.
anthropoiden (d. h. menschenähnlichen)
Affen,
[* 7] dem
Gorilla,
Schimpanse und
Orang. Mit
Recht reiht man daher den Menschen dem
Tierreich
ein, statt ihn, wie dies namentlich de
Quatrefages thut, auf
Grund gewisser
Qualitäten der
Intelligenz
(Vorstellung von
Gut und
Böse,
Glaube an höhere Mächte, an die Fortdauer nach dem
Tod) als Vertreter eines besondern Schöpfungsreichs
aufzustellen.
Nur in betreff seiner
Stellung im
Tierreich finden sich Meinungsverschiedenheiten.
Cuvier,
Owen u. a. stellten für den Menschen
eine besondere
Ordnung der
Säugetiere, die
Zweihänder (Bimana), auf, während
Häckel,
Darwin u. a., wie dies bereits
Linné
that, den Menschen mit denAffen zu der
Ordnung der
Primates, der »Hochtiere«
(Brehm), vereinigen, in welcher
er nur eine besondere
Familie bilden soll. Der Mensch teilt mit den schmalnasigen
Affen der
Alten Welt
(Simiae catarrhinae) die wichtigsten
Merkmale: Zahl und Art der
Zähne,
[* 8] Schwanzlosigkeit, Grundcharakter
der hintern
Gliedmaßen als echter
Füße.
Ebenso ist der Grundplan des
Gehirns der gleiche. Die Unterschiede zwischen und
Affe
[* 9] liegen zunächst in der
Bildung des
Gesichts- und
Hirnschädels, in dem Überwiegen des letztern über erstern beim Menschen, wodurch das
Gesicht
[* 10] nicht
vor, wie bei den
Affen, sondern fast senkrecht unter die geräumige Schädelkapsel zu liegen kommt. Eine
Annäherung an
die tierische Schnauzenbildung findet sich indessen als Prognathie (d. h. Vorspringen des Kieferteils
des
Gesichts) bei niedern
Menschenrassen.
[* 11]
Bedingt wird jenes Überwiegen des
Schädels beim Menschen durch die mächtige
Entwickelung seines
Inhalts, des
Gehirns, namentlich
des Großhirns in seinen Vorder- und Hinterlappen. Die Hirnwindungen und
-Furchen sind ferner reichlicher ausgebildet und
bewirken so eine bedeutende Oberflächenvergrößerung des
Organs (besonders die als Sitz des Sprachsinns beim Menschen angesehene
dritte Hirnwindung, welche bei
Affen und Mikrokephalen nur rudimentär ist; vgl.
Rüdinger, Ein Beitrag zur
Anatomie des Sprachzentrums,
Stuttg. 1882). In der Gesichtsbildung ist es außer der fehlenden Schnauzenbildung, die durch
die Kleinheit des Kieferapparats bedingt wird, besonders die Form der
Nase
[* 12] und Nasenöffnung sowie das
Hervorragen des untern Teils des
Unterkiefers als
Kinn, ebenso die geschlossene, nicht durch
Lücken unterbrochene Zahnreihe,
welche den Menschen von den nächstverwandten
Affen unterscheiden.
Dazu kommt noch die besondere
Konfiguration des
Kehlkopfes, dessen
Ausbildung den Menschen zu den ihm eigentümlichen
sprachlichen und gesanglichen Leistungen befähigt.
BeimAffen ist der
Arm immer länger als das
Bein (namentlich Vorderarm und
Hand);
[* 13] beim Menschen überwiegt die mächtige
Entwickelung der
Beine als säulenartige
Träger
[* 14] des lediglich von ihnen gestützten,
aufrecht gestellten
Körpers. Mit diesem aufrechten
Gang,
[* 15] der das
Charakteristische der menschlichen Körperhaltung
ist und der selbst von den höchstgestellten
Affen nur ganz vorübergehend ausgeführt werden kann (vgl.
Brehm, Tierleben,
Bd. 1, S. 47 und Abbildung), geht nun
Hand in
Hand eine weitere
Reihe von Verschiedenheiten im
Bau und der
Entwickelung der
Knochen
[* 16] und
Muskeln
[* 17] beider Lebewesen, so namentlich die schaufelförmige
Bildung des
Beckens, die mehrfache
Krümmung
der
Wirbelsäule, die stark entwickelte
Gesäß- und Wadenmuskulatur des Menschen.
Der
Fuß des Menschen ist nach demselben
Plan wie der Affenfuß gebaut, so daß letzterer mit Unrecht als
Hand, vielmehr als
Greiffuß zu bezeichnen ist. Der wesentliche Unterschied beruht darin, daß die Innenzehe beim Menschen nicht
daumenartig wie bei den
Affen den übrigen
Zehen entgegengestellt werden kann, daß die Fußwurzel- und Mittelfußknochen zu
einem
Gewölbe
[* 18] verbunden sind, und daß die
Sohle dem
Boden horizontal zugewendet ist; die einzelnen
Knochen und
Muskeln sind
aber im
Grund bei beiden dieselben.
Auch in der
Hand finden sich Unterschiede, die in der bedeutend geringern
Ausbildung des
Daumens bei den
Affen ihren Hauptgrund haben. Derselbe ist auffallend klein, schwach und kurz. Ebensowenig wie im gröbern Körperbau
unterscheidet sich der Mensch fundamental von den
Tieren in der mikroskopischen
Struktur der seinen
Körper aufbauenden
Gewebe
[* 19] und
in den Leistungen seiner verschiedenen
Organe, also in physiologischer Beziehung. Es kommt somit wesentlich
darauf an, ob die geistige
Entwickelung des Menschen, der
Besitz der
Vernunft und von moralischen und religiösen
Begriffen sowie
¶
mehr
die artikulierte Sprache
[* 21] genügen, um ihn als außerhalb des Tierreichs stehend anzusehen. Vom rein naturwissenschaftlichen
Standpunkt muß diese Frage verneint werden.
Die Naturauffassung Darwins wirft ihr Licht
[* 22] auch auf die Frage der Stellung des Menschen zu den Tieren. In folgerichtiger Durchführung
des Entwickelungsprinzips sieht sie in ihm nur das Endglied einer unendlichen Reihe von Ahnen; in der gegenwärtigen
Schöpfungsperiode sind die sogen. anthropoiden (menschenähnlichen) Affen seine nächsten Verwandten, und beide, und Anthropoiden,
führen auf einen gemeinsamen Urtypus zurück. Nach Häckel bestand noch eine Zwischenstufe beider, die er als Affenmenschen
(Pithecanthropi) oder sprachlose Urmenschen (Alali) bezeichnet.
Ihnen soll noch die wichtigste menschliche Eigenschaft, die artikulierte Wortsprache, und damit die höhere
Begriffsbildung gefehlt haben. Darwin entwirft folgendes Bild des »Urmenschen«: allgemeine Behaarung des Körpers, Bartbildung
bei beiden Geschlechtern, beim Mann große Hundszähne als Waffe, bewegliche, zugespitzte Ohren, Fuß mehr zum Greifen eingerichtet.
»Die Ahnen des Menschen lebten ohne Zweifel für gewöhnlich auf Bäumen in einem mit Wäldern bedeckten
heißen Land.« Man stellt sogar als Ursprungsstätte desselben einen jetzt unter die Fläche des IndischenMeers versunkenen
frühern großen Kontinent, Lemuria (s. d.), hin, der von Ostafrika bis nach Ostasien gereicht haben soll.
Wenn auch in dieser hypothetischen Abstammung des Menschen von den Tieren für die naturforschende Betrachtung
nichts Erniedrigendes liegt (ebensowenig wie für die dogmatische in der Formung aus einem Erdenkloß), so muß doch gesagt
werden, daß thatsächliche Belege für dieselbe noch ausstehen. Nur so viel steht fest, daß im Skelettbau des Menschen gelegentlich
sich Abweichungen vorfinden, die man als Wiederauftauchen affenartiger Bildungen und somit als pithekoide
bezeichnen muß, und die im Sinn des Darwinismus als Rückschläge in die frühere niedere Ahnenstufe angesehen werden.
Dahin gehört z. B. der sogen. Stirnfortsatz der Schläfenschuppe,
eine abnorme Verbindung, welche das Stirn- und Schläfenbein durch Bildung eines Fortsatzes eingehen, während sonst beim Menschen
beide Knochen getrennt erscheinen. Dieselbe bedingt, ebenso wie die abnorme Schmalheit der normalen Nahtverbindung
zwischen Keil- und Scheitelbein an dieser Stelle, eine Verkümmerung der Stirngegend (Stenokrotaphie nach Virchow). Die anthropoiden
AffenGorilla und Schimpanse besitzen ausnahmslos diesen Fortsatz, während er beim Orang-Utan wenigstens bisweilen vorkommt.
Diese tierartige Bildung (Theromorphie) findet sich namentlich bei gewissen niedrig stehenden Menschenrassen.
Eine andre hierher gehörige Bildung ist die eigentümliche Gestaltung der Nasenöffnung (Apertura pyriformis), deren unterer
Saum nicht, wie sonst, scharfrandig erscheint und so scharf den Nasenboden von der Oberkieferaußenfläche absetzt. Es
findet vielmehr ein allmählicher Übergang beider statt, indem statt des Saums eine schiefe Ebene mit grubenartiger
Einsenkung besteht (Fossae praenasales).
Auch die Verkümmerung der Nasenbeine gehört hierher, die an die Bildung der katarrhinen Affen streift (daher von Virchow Katarrhinie
genannt). Die mächtige Entwickelung der Augenbrauenbogen gemahnt, in Verbindung mit einer starken Hebung
[* 23] des mittlern, die
Sagittalnaht tragenden Teils des Scheitels, an die Kammbildung bei anthropoiden Affen. Dahin gehört auch
der sogen. Torus occipitalis transversus (Schaaffhausen,
Ecker, Joseph, Waldeyer), eine im Bereich der Nackenlinien der Hinterhauptschuppe
auftretende, bei niedern Rassen häufige pithekoide Bildung. (Vgl. Anthropologie, S. 630.) Auch was bisher von fossilen Menschenresten
gefunden ist, spricht nicht für die Annahme einer niedern, den Affen nahestehenden Bildung, und die Hypothese,
daß der Vorfahr des Menschen sich von ausgestorbenen Affenarten abgezweigt habe, würde erst dann in der Wissenschaft anerkannt
werden können, wenn Zwischenformen und Übergänge von jenen Affen der eocänen Zeit zu den heutigen Menschen irgendwo entdeckt
würden.
Was das mutmaßliche Alter des Menschengeschlechts betrifft, so haben die anthropologischen Forschungen
ergeben, daß dasselbe bedeutend höher anzunehmen ist, als die biblische Überlieferung lehrt (vgl. Anthropologie, S. 629).
Die Berechnungen begründen sich meist auf die Dicke von Anschwemmungsschichten, unter denen man Spuren menschlicher Thätigkeit
(Topfscherben, Steinwaffen etc.) fand, unter Zugrundelegung einer bestimmten Ablagerungsdauer
derselben, und sind daher höchst unsicher und schwankend. Ebenso unbestimmt lautet die Antwort nach
der Abstammung von einem oder mehreren Menschenpaaren (Mono- oder Polyphylie). Während Agassiz, dem auch Nott und Gliddon
folgen, die einheitliche Schöpfung des Menschen aus dem Grund bestreitet, weil der an bestimmte Faunen- und Florengebiete gebunden
sei, halten andre, wie Peschel und Quatrefages, für wahrscheinlich, daß der Mensch nur von einem einzigen
Schöpfungsherd aus die Erde bevölkert hat.
Das Leben des Urmenschen kann nur ein höchst kümmerliches gewesen sein, denn vielleicht jahrtausendelang vermochte er sich
lediglich aus Stein, Knochen und Horn ganz rohe Werkzeuge
[* 24] herzustellen. Erst allmählich schritt er zur Fabrikation besserer,
d. h. feiner behauener und polierter, Steinwerkzeuge fort (s.
Steinzeit).
[* 25] Auch diese Periode, aus welcher die Kjökkenmöddinger (s. d.), die Hünengräber (s. d.), die Pfahlbauten
[* 26] (s. d.)
etc. stammen, war eine ungemein lange; als dann der Mensch mit der Verarbeitung der Metalle, insbesondere der Bronze
[* 27] und des Eisens,
bekannt wurde (s. Metallzeit),
[* 28] schritt er zu einer höhern Kulturstufe empor.
Diese Entwickelung ist zweifellos von örtlichen Verhältnissen abhängig gewesen und hat sich demgemäß an verschiedenen
Gebieten des Erdballes zeitlich sehr verschieden verhalten. So kommt es, daß noch jetzt bei gewissen Völkern, die man als
Naturvölker bezeichnet, vielfach Zustände sich vorfinden, die denen der rohen Urzeit entsprechen. Auch
eine wenigstens örtliche rückläufige Entwickelung, ein Zurückverfallen in tiefere Barbarei aus verhältnismäßig höhern
Kulturstufen, ist nicht ausgeschlossen, ohne daß jedesmal an eine Verdrängung eines höhern Kulturträgers durch ein kräftigeres,
roheres Volk zu denken wäre.
Australiens, Polynesiens und Amerikas. Allein wie diese, so verstanden die Menschen in frühster Zeit gewiß schon so manche
einfache Künste, durch welche sie sich ihren Lebensunterhalt verschafften und gegen Klima
[* 30] und Witterung schützten; sie lernten
das Hüttenbauen sowie das Feueranmachen durch Reiben zweier Hölzer aneinander; sie fertigten sich Waffen,
[* 31] Geschirre
und Kleidung, machten Jagd auf Tiere. Doch scheinen sie auch, wie man aus gewissen, allerdings noch ziemlich zweifelhaften Erscheinungen
bei Höhlenfunden in Belgien
[* 32] schloß, ebenso wie die jetzigen Anthropophagen (s. Anthropophagie) Menschenfleisch verzehrt zu
haben.
Allmählich erlernten sie primitiven Ackerbau, züchteten Haustiere, trieben Weberei
[* 33] etc.; sie traten in Handel und
Verkehr mit Nachbarvölkern. Aus dem einfachen patriarchalischen Familienleben schritten sie durch die Stammesgenossenschaften
zur Staatenbildung vor; aus dem ursprünglichen Naturdienst bildeten sich mythologische Anschauungen. Wie noch jetzt bei Urvölkern
mochten Zauberer als weise Männer gegolten haben; doch später gelangte die Priesterschaft zu höherm Ansehen und gründete
eine hierarchische Verfassung.
Zu einem ganz besondern Gegenstand der Forschung wurde in neuerer Zeit die Sprache des Menschen erhoben, indem teils
die Frage der Lautbildung mittels der Sprachwerkzeuge, teils die Frage, wie sich die Sprache aus Urlauten entwickelt habe, teils
die Frage über Verschiedenheit und Verwandtschaft der Sprachen der Völker in den Vordergrund trat. Man gruppierte die Sprachen
je nach ihrer Verwandtschaft und nach der vermuteten Ableitung von gemeinschaftlichen Sprachstämmen; allein
die Sprache eines Volkes darf man keineswegs als hauptsächliches Merkmal bei der Rasseneinteilung benutzen, denn viele Völker
haben ihre ursprüngliche Sprache mit einer andern vertauscht.
Dagegen machte die Sprachwissenschaft die Erklärung einer Menge alter Ausdrücke und dunkler Gebräuche sowie mythologischer
Vorstellungen möglich. Auch kann man aus gewissen einer Sprache eigentümlichen Benennungen und Bezeichnungen
von Gegenständen schließen, inwieweit das betreffende Volk mit diesen Gegenständen schon in der Urheimat bekannt war oder
erst später mit denselben durch andre Völker bekannt wurde. So eröffnet die Sprachwissenschaft weite Fernblicke in die
Urgeschichte der Menschheit. Schließlich begründet sich durch sie eine Gesetzlichkeit in der Entwickelung
von Dialekten und neuen Sprachformen (Lautverschiebungsgesetz); man hat auch in dieser Hinsicht auf eine Analogie mit der EvolutionstheorieDarwins hingewiesen (s. Sprache und Menschenrassen). - An die Geschichte, Entwickelung und Verbreitung der Sprache schließt sich
die Erfindung und der Gebrauch der Schrift (s. d.) eng an, denn sie ist ein wesentliches
Moment für den geistigen Fortschritt der Menschheit.
Die Einteilung des Menschengeschlechts durch eine systematische Gruppierung geschieht nach verschiedenen Gesichtspunkten, je
nachdem man die körperliche Beschaffenheit, die geistige Begabung oder die Kulturzustände in den Vordergrund
stellt. Man konnte dabei nicht stehen bleiben, einfach die Völker als solche voneinander zu unterscheiden und sie etwa nach
dem Grad ihrer Zivilisation in Ur- oder Naturvölker (Wilde) und Kulturvölker, vielleicht auch je nach ihrer Beschäftigung
in Jäger-, Fischer-, Ackerbau-, Industrie- und Handelsvölker einzuteilen.
Vielmehr stellte sich mehr und mehr heraus, daß viele Völker in mehr oder weniger naher verwandtschaftlicher
Beziehung zu einander stehen. Die Forschungen nach dieser Richtung hin sind besonders Aufgabe der Ethnologie oder Ethnographie
(s. d.). Allein die großen Gruppen, die sich bei solcher Untersuchung der Völker auf ihre Verwandtschaft, auf ihren ethnischen
Zusammenhang aufstellen lassen, werden von der Anthropologie (s. d.) als Menschenarten oder Rassen bezeichnet.
Wenn nun auch die ethnologischen Grenzen
[* 36] vielfach mit den geographischen zusammenfallen, so zeigen sich doch überall große
Schwierigkeiten bei Bestimmung der Verwandtschaftsgrade und der Zusammengehörigkeit der Völker nach Rassen. Denn einesteils
kamen in geschichtlicher und vorgeschichtlicher Zeit ausgedehnte Wanderungen und Übersiedelungen der
Völker vor, so daß verwandte Völker und Stämme nunmehr weit entfernt voneinander wohnen; andernteils schwanden körperliche
Merkmale durch Vermischung, Kreuzung und Einfluß des Klimas; schließlich änderten sich Sitten und Sprachen durch fremde Eindringlinge
und Nachbarvölker. Unter diesen Verhältnissen bleiben immerhin die körperlichen Charaktere der verschiedenen Völker
und Stämme die sichersten Anhaltspunkte für die Bestimmung der Rassen. Deshalb haben Schädel- und Skelettbau, die Proportion
der Gliedmaßen, die Farbe und Beschaffenheit der Haut,
[* 37] der Haare
[* 38] und der Regenbogenhaut der Augen das höchste Interesse für die
Rassenlehre. Vgl. Menschenrassen.
Die Verbreitung des Menschen über die Erde ist eine sehr ausgedehnte. Das Gedeihen gewisser Rassen ist
allerdings von einem bestimmten Klima abhängig; allein bis zu einem gewissen Grad ist es dem Menschen möglich, sich verschiedenen
Lokalitäten zu akklimatisieren (vgl. Bevölkerung).
[* 39] Die Bevölkerungszahl der Erde schätzt man auf 1495 Mill., davon kommen
auf die einzelnen Erdteile:
Ausführlicheres darüber s. unter Bevölkerung (mit Karten und Tabellen). Die Statistik ermittelte ferner die Durchschnittszahlen
der Dimensionen, welche die einzelnen Teile des menschlichen Körpers zeigen. Die Proportionslehre der
menschlichen Gestalt wurde auch in ästhetischer Hinsicht schon von A. Dürer, dann von K. G. Carus, Fechner u. a. kultiviert.
In
¶
mehr
den aufgefundenen Verhältniszahlen sollen die Gesetze des »goldenen Schnittes« zur Geltung kommen. Man berechnet in der Regel
die Größe der einzelnen Teile nach Kopf- oder Nasenlängen. Die genaue Ausmessung der sämtlichen Körperteile ist Aufgabe
der Anthropometrie, welche die Grundlage für die Rassen- und Völkerkunde bildet.
Vgl. Schadow, Polyklet, oder von
den Maßen der Menschen (3. Aufl., Berl. 1877);
Quételet, Über den Menschen und die Entwickelung seiner Fähigkeiten (deutsch
von Riecke, Stuttg. 1838);
Die Körperlänge erreicht nach Quételet ihr Maximum erst im 25.-30. Jahr und nimmt vom 50. Jahr an wieder ab. Ebenso wie
die einzelnen Lebensabschnitte, haben auch das männliche und das weibliche Geschlecht verschiedene Wachstums-
und Proportionsverhältnisse. Das erste Lebensjahr umfaßt das Säuglingsalter;
die ersten sieben Lebensjahre, d. h. die
Zeit vom Durchbruch der Zähne bis zum Wechseln derselben, werden als Kindesalter bezeichnet;
das Jugendalter (Knaben- und Mädchenjahre)
reicht bis zur eintretenden Mannbarkeit;
hieran reiht sich das Jünglings- und Jungfrauenalter bis zum
vollendeten Wachstum im 24. Jahr für den Mann, im 20. Jahr für das Weib;
von da an beginnt das Mannesalter, vom 50.-55.
Jahr an das Greisenalter.
Das höhere Greisenalter ist die Zeit des Welkens (Involutionsperiode), und schon in dem Alter von
40-45 Jahren hört das Weib auf, zeugungsfähig zu sein (klimakterische Jahre). Das Körpergewicht des Neugebornen
beträgt meistens 3-3½ kg, das mittlere des Mannes 63-75 kg, das des Weibes 55-65 kg; im höhern Alter gehen 6-7 kg durchschnittlich
wieder verloren. Klima, Lebensweise etc. beeinflussen die Lebensdauer (s. Sterblichkeit); der Tod an Altersschwäche tritt in der
Regel zwischen dem 60. und 80. Jahr ein.
Vgl. Huxley, Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur (deutsch von Carus, Braunschw. 1863);
Vogt, Vorlesungen über
den Menschen (Gieß. 1863, 2 Bde.);
Lyell, Das Alter des Menschengeschlechts (deutsch, 2. Aufl., Leipz. 1873);
Baer, Der vorgeschichtliche Mensch (hrsg. von Hellwald, das. 1873-74);
de Quatrefages, Das Menschengeschlecht (deutsch, das. 1878, 2 Bde.);
Joly, Der Mensch vor der Zeit der Metalle (deutsch, das. 1880);
Marquis de Nadaillac, Les premiers hommes et
les temps préhistoriques (Par. 1881) und »L'Amérique
préhistorique« (das. 1883; beide Werke vereinigt deutsch von Schlösser u. Seler u. d. T.: »Die ersten Menschen und
die prähistorischen Zeiten«, Stuttg. 1884);
ist mehrfach zur Herstellung von Leder benutzt worden. In der Zittauer Ratsbibliothek befindet sich eine
vollständige gegerbte Menschenhaut, die von einem Räuber stammt. Sie ist weiß und fühlt sich wie derbes Handschuhleder an. Ein Graf
von Erbach in Hessen
[* 45] ließ sich einst aus der Haut eines Wildschützen Hosen
[* 46] machen, und ebenso wurden früher
in Hessen vielfach Leibriemen und Hirschfängerscheiden aus Menschenhaut vom gräflichen Forstpersonal getragen.
Im bayrischen Armeemuseum befindet sich eine Janitscharentrommel, welche mit Menschenhaut bespannt ist, und Ziska soll angeordnet haben,
daß nach seinem Tod seine Haut auf eine Trommel gezogen werde, um mit deren wildem Klang seine Scharen zu
begeistern. Am ausgiebigsten hat die französische RevolutionGebrauch von Menschenhaut gemacht.
in vielen ältern Kulten gebräuchliche Opfer lebender Menschen. In Ägypten wurden
z. B. dem Busiris rothaarige Menschen geopfert, in verschiedenen semitischen Kulten dem Moloch (Melkart) die menschliche Erstgeburt
dargebracht, und selbst den alten indischen, griechischen und italienischen Kulten fehlte dieser grausame Gebrauch nicht.
Mit dem Fortschreiten der Gesittung wurden diese Opfer gemildert oder abgeschafft, so z. B. zunächst statt der Eingebornen
Kriegsgefangene und Sklaven, dann stellvertretende Tiere und zuletzt nur noch Puppen u. dgl. geopfert.
Auch wurden statt der Menschen Teile von ihrem Körper, z. B. die Vorhaut bei den Semiten, Haar
[* 47] und auch wohl ein einzelner Finger
oder eine PortionBlut, als Lösungsmittel für das Leben hergegeben. Der Akt der Ablösung wurde in besondern
Mythen (Iphigenia) verherrlicht und bestimmten Wohlthätern der Menschheit (z. B. dem
Herkules, Perseus
[* 48] und Numa) als Verdienst angerechnet. Während das Menschenopfer (namentlich das eines Kindes) als das Teuerste galt, was
man den Göttern darbringen konnte, also immer den Sinn des Opfers beibehielt, gehören die ehemals sehr verbreiteten Menschenopfer am
Grab Verstorbener (s. Manendienst, Trauerverstümmelung und Totenbestattung) einem andern Ideenkreis an,
obwohl sie einer ähnlichen Ablösung unterlagen. Menschenopfer fanden in prähistorischer Zeit auch in unsern Gegenden sicher statt,
wie dies ja auch von den alten Germanen von den alten Schriftstellern (Tacitus) berichtet wird. Sichere Spuren davon sind bis
jetzt in den Altertümern nur selten gefunden worden, obgleich früher viel darüber geschrieben worden
ist.Fraas fand z. B. in einer alten Ansiedelung auf dem Lochenstein in Württemberg
[* 49] einen zertrümmerten menschlichen Schädel
mit ungewöhnlich starken Wandungen und ein zerhacktes Schienbein, welche in alten Zeiten und wahrscheinlich in noch frischem
Zustand so übel hergerichtet worden waren.
[* 11] die verschiedenen durch besondere typische Eigenschaften (Rassencharaktere)
¶
mehr
gekennzeichneten Gruppen, in welche das Menschengeschlecht zerfällt. Diese Charaktere sind vorwiegend auf den anatomischen
Bau begründet, wenn auch andre, die in der Sprache, den Sitten, Religionsgebräuchen etc. begründet sind, nicht außer acht
gelassen werden dürfen. Streitig ist es noch, ob man die so gebildeten Gruppen in zoologischem Sinn als ebensoviel
verschiedene Arten (Spezies) oder als Rassen, d. h. als durch Fortpflanzung typisch gewordene Varietäten einer einzigen Spezies,
anzusehen hat, eine Frage, die in engem Zusammenhang mit der Abstammung der ganzen Menschheit von einem oder mehreren Elternpaaren
steht (Monogenesis, Polygenesis; Mono-, Polygenisten die Anhänger dieser Theorien). Es läßt sich nicht leugnen, daß
innerhalb der einzelnen Pflanzen- und Tierspezies sich Varietäten von viel größerer Verschiedenheit entwickeln können (z. B.
Kohl-, Hundearten), als dies bei den einzelnen Menschenrassen der Fall ist, während gleichzeitig die Möglichkeit einer scheinbar unbegrenzten
fruchtbaren geschlechtlichen Vermischung zwischen letztern gegen die Annahme verschiedener Menschenspezies spricht.
Anderseits kennen wir aber bis jetzt keinen einzigen Fall einer Umwandlung der einen Menschenrasse in
die andre, da die nachweisbaren Veränderungen, welche man bei gewissen Rassen unter dem Einfluß eines fremden Klimas und
veränderter Lebensbedingungen beobachtet haben will, doch nie zur Bildung wirklich neuer Rassen geführt haben und daher nicht
die Bedeutung erlangen, welche man ihnen im Interesse der Transmutationstheorie beizumessen geneigt ist.
Der Mangel genau gebuchter wissenschaftlicher Beobachtungen spricht sich in dieser Beziehung auch darin aus, daß in neuester
Zeit selbst die Frage wieder lebhaft erörtert wird, ob die aus der geschlechtlichen Vermischung scharf gesonderter Rassen
(Neger, Weiße) entstandenen Mischrassen ohne weiteres fortwährendes Hinzufließen reinen Bluts im stande
sind, sich in den spätern Generationen fruchtbar fortzupflanzen, während die Thatsache, daß sich in vielen Ländern, z. B.
Südamerikas, eine zahlreiche Mischbevölkerung aus Indianern und Europäern entwickelt hat und sich unausgesetzt unter sich
fruchtbar weiter mischt, eine Bejahung obiger Frage wenigstens für gewisse Rassen nahelegt.
Von mancher Seite neigt man, zur Beseitigung der Schwierigkeiten, welche die Annahme einer gemeinsamen
Abstammung von einem Elternpaar bei der scheinbaren Wandellosigkeit der jetzt vorhandenen Rassen darzubieten scheint, der
Hypothese zu, daß die Menschenrassen jetzt zu sogen. Dauertypen geworden sind, d. h.
daß sie sich in übersehbarer Zeit in ihren wesentlichen Charakteren nicht mehr geändert haben noch
ändern, während eine größere Plastizität und Wandelbarkeit in weit zurückgelegenen Zeitläufen dadurch nicht ausgeschlossen
wird.
Anderseits sprechen auch die allmählichen Übergänge, welche von einer Rasse zur andern stattfinden, und die großen, nicht
bloß körperlichen, sondern auch geistigen Ähnlichkeiten der scheinbar verschiedensten Rassen gegen die Annahme von verschiedenen
Menschenspezies. Die Evolutionslehre, welche zur Zeit die naturwissenschaftliche Anschauung beherrscht, gibt zudem eine genügende
Erklärung, wie sich die verschiedenen Menschenrassen von einem einzigen Stamm abgezweigt haben können, zunächst wenig voneinander verschieden,
allmählich aber mit der räumlichen Ausbreitung und Absonderung immer weiter divergierend und ihre charakteristischen Merkmale
ausbildend.
Trotzdem lassen sich diese Merkmale nicht alle durch die Besonderheit der Lebensbedingungen und
klimatischen
Einflüsse, ebensowenig durch die besondere Ausbildung bestimmter Körperteile und Organsysteme infolge fortgesetzten Gebrauchs
im Sinn des Darwinismus erklären, eher vielleicht, nach Darwin, durch die geschlechtliche Zuchtwahl. Die Rassenmerkmale beruhen
teils in der Verschiedenheit des Knochen-, insonderheit des Schädelbaues, teils in der Färbung der Haut
und der Augen, in der Form und Farbe der Behaarung und in der verschiedenen Ausbildung gewisser Organe, wie z. B. des Gehirns,
wobei zu bemerken ist, daß der letztgenannte Punkt noch am meisten eingehender vergleichender Untersuchungen bedarf.
Die verschiedene Hautfarbe ist das augenfälligste Moment des Rassencharakters und wurde daher von jeher
dem Einteilungsprinzip zu Grunde gelegt. Dies spricht sich in den noch jetzt geläufigen Bezeichnungen: Weißer, Schwarzer,
Rothaut etc. aus. In enger Beziehung zu derselben stehen die besondern Eigentümlichkeiten der
Augen- und Haarfarbe. Die Hautfarbe setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: insonderheit der Farbe des in der
Haut kreisenden Bluts und eines in den Zellen der tiefen Schichten der Oberhaut (dem sogen. rete Malpighii) in Form feinster brauner
Körner abgelagerten Farbstoffs (Pigments);
vielleicht kommt bei der Färbung auch noch der Gallenfarbstoff in Betracht. Je
nach der Mannhaftigkeit dieser Ablagerungen erscheint die Haut entweder schwarz, braun, rot oder gelb und
endlich weißrot, indem in letzterm Fall die natürliche Farbe des Bluts, welche bei dunklerer Färbung durch das Hautpigment
verdeckt wird, durch die fast völlig pigmentfreie Haut hindurchschimmert.
Allein auch bei den weißen Rassen besteht eine
geringe Menge desselben Pigments und macht sich namentlich an gewissen Körperteilen (Brustwarze, Geschlechtsteilen,
Aftergegend etc.) durch deren dunklere Färbung geltend. Auf diese Weise entsteht eine Reihe von Hautfarben, welche sich vom
dunkelsten Schwarz durch Dunkelrot, bez. Dunkelgelbbraun, Rot, Gelb bis zum Weiß (Gelb-, Braun-, Rosigweiß) abstufen. Zur Feststellung
dieser verschiedenen Rassenfarben bedient man sich sogen. Farbentafeln (zuerst von Broca angegeben), welche eine
große Anzahl von mit Nummern versehenen Farbentönen zum Vergleich mit der zu untersuchenden Hautfarbe enthalten. Nicht nur
die Farbe, sondern auch der Drüsen- und Fettreichtum der Haut ist für die Rassenkunde von Bedeutung. So besitzen die Weiber
gewisser Völker (Hottentoten u. a.) höchst merkwürdige örtliche Anhäufungen in der Gegend der Hinterbacken
(Steatopygie). Auch die Gestalt der weiblichen Brüste und Brustwarzen gibt wichtige Rassenmerkmale.
Sehr wichtig für die Bestimmung der Rassen sind ferner die Haare. Hier kommen Farbe, Wuchs und Gestaltung, Verbreitung über
den Körper in Frage. Es ergeben sich daraus mannigfache Eigenheiten: in erster Linie die Färbung vom Blond, Hellbraun zum
Dunkelbraun und Schwarz (Nebenfarbe Rot), die Krümmungsverhältnisse: straff, schlicht, wellig, lockig, kraus, spiralig gerollt
(worunter man enge Spiralringe um eine Längsachse versteht). Eigentlich wolliges Haar (wie beim Schaf)
[* 51] mit Stapelbildung scheint
beim Menschen nicht vorzukommen. Je nach dem »Haarstand« ergibt sich spärliches,
dichtes, nicht gruppiertes, gruppiertes Haar. Im letztern Fall stehen immer mehrere Haare in einer Gruppe
dicht bei einander, während die Gruppen selbst durch mehr oder weniger große Zwischenräume getrennt sind. Die Verbreitung
betrifft die Ausdehnung des Haarkleides über den Körper, die Bartbildung etc. Die
¶
mehr
mikroskopische Prüfung berücksichtigt namentlich die Dicke und die Querschnittform des Einzelhaars. Letztere ist kreisförmig,
oval oder abgeplattet.
In enger Beziehung zu der Farbe der Haut und Haare steht die der Augen (blau, grau, braun, gelb, grünlichgelb), wobei zu bemerken
ist, daß die blaue Färbung derselben nicht von einem blauen Pigment herrührt, sondern auf dem Mangel
an (braunem) Pigment in der Grundsubstanz der Regenbogenhaut beruht. Infolge ihrer Zusammensetzung aus sehr feinen parallelen
Fasern erzeugt sie das Blau als Interferenzfarbe. SchwarzeAugen gibt es nicht.
Die Verschiedenheit des Knochenbaues drückt sich in erster Linie in der Größe der Gestalt aus. Dieselbe schwankt
innerhalb bedeutender Grenzen: den riesigen Patagoniern von einer Durchschnittsgröße von 1,803-1,85 m und einer Maximalgröße
von 1,93-1,95 m stehen die zwerghaften Buschmänner mit einer mittlern Körpergröße von nur 1,37-1,44
m und andre afrikanische Zwergvölker (Akka etc.) gegenüber. Die höchste mittlere Größe der Menschen scheint ungefähr 1,883,
die geringste 1,44 m zu sein (Topinard).
Weitere Rassenunterschiede liegen in der Länge und Form der Extremitäten, in der Gestaltung des Fußes, insbesondere der
Ferse, in der Ausbildung des Beckens, welches bei gewissen niedern Völkern die Geschlechtsverschiedenheiten weniger typisch
entwickelt zeigt, etc. Namentlich aber zeigen sich wesentliche Verschiedenheiten in der Schädel- und Gesichtsbildung. Das
Augenmerk der Anthropologen richtet sich daher in erster Linie auf die Feststellung der Größen- und Gestaltverhältnisse
des Kopfskeletts, bez. des knöchernen Schädels. (Kraniologie, Schädellehre,
[* 53] s. d.). Als Hilfsmittel dient neben der Beschreibung
und bildlichen Darstellung die Messung der Hauptdimensionen.
Beim Überwiegen des erstern entsteht eine mehr länglich-ovale, bei dem des letztern eine mehr rundlich-kurze
Schädelform. Die Völker der ersten Gruppe bezeichnete er als Dolichokephalen (Langschädel), die der zweiten als Brachykephalen
(Kurzschädel). Zu erstern rechnet er Schädel, bei denen der Längsdurchmesser den Querdurchmesser bedeutend überwiegt (Länge:Breite
= 100:65 im Extrem), zu den Brachykephalen dagegen die, deren Längs- und Querdurchmesser sich mehr nähern
(Länge:Breite = 100:85). Jede dieser Hauptklassen schied er wieder je nach dem stärkern oder geringern Vorspringen der
Kiefer und Zähne über das Gesichtsprofil in schiefzähnige (prognathe) und geradzähnige (orthognathe) Völker. In die so
entstehenden vier Hauptgruppen brachte Retzius die verschiedensten Völker unter, aber es zeigte sich dabei,
daß diese kraniologischen Merkmale allein nicht ausreichten, eine Rasseneinteilung zu begründen, weil auf diese WeiseVölker
zusammengeworfen werden, die im übrigen so verschiedenartig wie möglich sind. Trotzdem bleibt das VerdienstRetzius', zuerst
diese Einteilung aufgestellt zu haben, bestehen, und die Kraniologie hat auf diesen Fundamenten weitergebaut. Der »Schädelindex«,
d. h. das Verhältnis zweier Hauptmaße desselben zu einander, das größere Maß = 100 gesetzt, ist eins
der wichtigsten
Kennzeichen bei der Schädelmessung geworden (vgl. Schädellehre).
Bedeutungsvoll erscheint nächstdem die Gesichtsbildung und der derselben zu Grunde liegende Knochenbau. Hier steht das gegenseitige
Verhältnis der Gesichtsbreite und Gesichtslänge obenan: niedere (chamäoprosope), hohe (leptoprosope) Gesichter
(Breitgesichter, Schmalgesichter). Das Hervorspringen der Jochbogen, die Abmachung des ganzen Gesichts, die Bildung der Stirn
(breit, schmal, hoch, niedrig, fliehend, gerade), das Hervortreten der Augenbrauenbogen und des Nasenwulstes stehen ferner
in engstem Zusammenhang mit der Physiognomie der Rassenmenschen.
Dazu kommt die Form, Stellung, Weite und Entfernung der Augenhöhlung, der Nasenöffnung, die Gestalt des
Gaumens, der sogen. Gesichtswinkel, alles Verhältnisse, deren genaue Feststellung, durch Maße in der Rassenkunde eine bedeutende
Rolle spielt. Ein einheitliches Meßverfahren ist zwar noch nicht vereinbart, doch ist in jüngster Zeit auch in dieser
Hinsicht ein großer Fortschritt zu verzeichnen, indem für Deutschland
[* 54] wenigstens eine Verständigung über
ein gemeinsames kraniometrisches Verfahren (»Frankfurter Verständigung«) erzielt wurde. Daran schließt sich eine internationale
Vereinigung über Gruppeneinteilung und Bezeichnung der Schädelindexe, welche, vom anthropologischen Institut von Großbritannien
[* 55] und Irland ausgegangen, jetzt bereits von zahlreichen Anthropologen angenommen ist. (Vgl. »Korrespondenzblatt
der DeutschenGesellschaft fürAnthropologie etc.«, März 1886.)
An dem von den Weichteilen bekleideten Gesicht und Schädel kommen weitere Merkmale in Betracht: die Art
des Haaransatzes, die Gestalt der Nase (gerade, Adler-, Stumpf- etc., breite, flache, platte Nase, verschiedene Typen der Nasenöffnungen),
die Stellung und Form der Augenspalte (weit offen, enggeschlitzt, horizontal, nach außen ansteigend), die Entwickelung des
sogen. dritten Augenlides (plica semilunaris), die Form des Ohrs (Ohrläppchen), die Mund- und Lippenbildung
(ob gewulstet und breit, ob schmal).
Von den innern Organen ist bisher am eingehendsten, wenn auch nicht durch direkte Beobachtung, so doch durch die Messung der
Größe des Schädelraums, in dem es liegt, das Gehirn
[* 56] untersucht worden. Die »Schädelkapazität«, d. h.
der in Kubikzentimetern ausgedrückte Rauminhalt des Schädels, wird durch Einschütten von mehr oder weniger feinkörnigen
Massen (Sand, Schrot, Hirse)
[* 57] gemessen und kann in sehr bedeutenden Grenzen schwanken (nach Topinard bei verschiedenen Rassen um 300 ccm
und mehr).
Sie schwankt ferner je nach dem Geschlecht, der Individualität und der Intelligenz des Gemessenen. Nach
J. ^[Johannes] Ranke scheint das Maximum des Schädelinnenraums bei einem normalen Europäer unter 2000 ccm zu liegen und nach
Topinard im Mittel etwa 1410 ccm zu betragen, 1000 ccm dürften das zulässige Mindestmaß für den weiblichen normalen Schädel
sein. Der Rauminhalt der Weiberschädel ist bei allen Rassen im Mittel kleiner als der der Männerschädel,
und wahrscheinlich beträgt der Unterschied bei wilden Rassen nicht weniger als bei zivilisierten.
In betreff der übrigen innern Organe sind noch wenig rassenanatomische Untersuchungen angestellt worden, am meisten noch
über die Form der Geschlechtsteile (»Hottentotenschürze«, s. d.). Auch gewisse physiologische Rassencharaktere
sind von Bedeutung, wie das zeitliche Auftreten der Pubertät, die Dauer des Säugens der Kinder, ferner
die mittlere Lebensdauer. Endlich können selbst Krankheiten Bedeutung haben,
¶