Heilverfahren, welches in einer durch überreichliche Zufuhr von
Nahrungsmitteln herbeigeführten Überernährung
besteht.
Dujardin-Beaumetz und Debove wandten die Mastkur zuerst gegen
Schwindsucht an, indem
sie den Kranken, welche wegen völliger
Appetitlosigkeit jede Nahrungsaufnahme verweigerten, mittels Schlundsonde den
Magen
[* 2] ausspülten, dann 3-4
LöffelLeberthran, 3
LöffelPepton und nun ein Gemisch von etwa 200 g rohem
Fleisch, 4-6 ganzen
Eiern und 0,75Lit.
Milch beibrachten.
Mosler ließ die
Patienten einen Brei aus (25-300 g steigend) Fleischpulver (aus fein gehacktem und über
Feuer auf einer Blechplatte
getrocknetem
Rindfleisch bereitet),
Milch oder
Bouillon und
Eiern freiwillig verzehren. Es wurde eine erhebliche Besserung des
örtlichen
Leidens und eine Gewichtszunahme von 5-22
Pfund während mehrwöchentlicher Dauer der Mastkur erzielt. Es bedarf aber
genauer Auswahl der
Fälle und ärztlicher Überwachung, wenn durch die Mastkur
Heilungen gewonnen und schwere Nachteile vermieden
werden sollen.
Auch die Weir
Mitchell-PlayfairscheKur bezweckt eine
Mästung und wird vorzugsweise gegen hoheGrade von
Nervenschwäche bei körperlich erschöpften
Personen, besonders
Frauen, angewandt: die Kranken werden dabei von ihrer
Familie
getrennt, sie müssen anfangs dauernd das
Bett
[* 3] hüten, später dürfen sie täglich zweimal 15-20
Minuten aufstehen, in der
6.-12.
Woche bleiben sie 3-5
Stunden außer dem
Bette. Daneben sucht man durch Kneten dasNervensystem anzuregen.
Den Kernpunkt der
Ernährung bildet eine Milchkur, man beginnt mit zweistündig 40
Unzen, welche die ausschließliche
Nahrung
bilden, steigert dann die
Menge der
Milch und schiebt feste
Nahrung ein, so daß nach zehn
Tagen neben drei vollen
Mahlzeiten
3-4
Lit.
Milch täglich getrunken werden.
Später werden noch
Malzextrakt und beef-tea hinzugefügt. Die
Kur ist sehr langwierig und kostspielig, ihr Erfolg nach bisherigen
Erfahrungen vortrefflich.
im
Wald,
Nutzung von Walderzeugnissen zur
Mästung von
Schweinen. Man unterscheidet Baummast
(Obermast) und Erdmast
(Untermast). Zur Baummast gehören die vom
Schwein
[* 11] verzehrten Waldfrüchte, namentlich
Eicheln und
Bucheln,
sodann Wildobst, Roßkastanien etc. Die Erdmast besteht in
Larven und
Puppen von
Insekten,
[* 12] in
Würmern, andern in und an der
Erde lebenden
Tieren, in
Schwämmen und
Wurzeln. Vorzeiten bildete die Mastnutzung die Hauptnutzung, die Holznutzung
eine Nebennutzung des
Waldes. Seit Einführung des Kartoffelbaues hat die Mastnutzung ihre Bedeutung fast ganz eingebüßt.
(Zitzenzahn,Ohiotier, MastodonCuv.), dem
Elefanten an
Alter vorangehendes, der jüngern Tertiärzeit angehöriges,
in
Amerika
[* 13] aber zur Diluvialzeit noch mit jenem zugleich auftretendesGeschlecht der
Rüsseltiere. Das ist
vom
Elefanten durch die höckerförmigen Backenzähne unterschieden (s. Tafel
»Tertiärformation
[* 14] II.«);
[* 15] die Stoßzähne sind
aber ganz ähnlich, ebenso wie die Gestalt, der Knochenbau und unbedingt auch die Lebensweise. Man kennt bereits gegen zehn
Arten aus
Europa,
[* 16]
Nord- und
Südamerika
[* 17] und
Indien. Namentlich in
Amerika hat man viele Reste des Mastodon gefunden,
sie sind auch den
Indianern bekannt, welche sie
»Väter der
Ochsen« nennen und annehmen, daß sie mit
Menschen von entsprechender
Größe zusammengelebt haben. Nächst verwandt ist noch das zu derselben
Ordnung gehörige
Dinotherium (s. d.).
(spr. -úttscho),TommasoGuadato, ital. Schriftsteller, aus
Salerno gebürtig, lebte in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrh. am aragonischen Fürstenhof zu
Neapel
[* 19] und ist berühmt als Verfasser des »Novellino« (Neap.
1476,
Mail. 1483, Vened. 1484 u. 1492),
einer Sammlung von 50
Novellen, die, ein Seitenstück von
Boccaccios
»Decamerone«, lebenswahre, oft verwegene Sittengemälde aus der damaligen
Gesellschaft enthalten und daher dem
Forscher für
italienische
Kunst,
Sitte und Lokalgeschichte des 14. und 15. Jahrh. eine unschätzbare
Quelle
[* 20] darbieten. Das der schönen und
gelehrten Hippolyta von
Aragonien gewidmete, jetzt sehr selten gewordene
Buch erschien neuerdings als 1.
Band
[* 21] von
Settembrinis »Biblioteca napolitana« (Neap.
1874).
Ali Abul Hassan, berühmter arab. Schriftsteller, geboren zu
Bagdad gegen Ende des 9. Jahrh., erwarb sich auf
Reisen in
Asien
[* 22] und Nordafrika ausgebreitete Kenntnisse, namentlich in Bezug auf das morgen- und abendländische
Altertum, und
starb 956 in
Ägypten.
[* 23]
Sein Hauptwerk ist »Akhbar alzeman«, aus
dem er selbst einen
Auszug: »Morudschalzeheb«
(»Die goldenen
Wiesen«, engl. von
Sprenger, Lond. 1841, 2 Bde.; franz.
mit dem Originaltext von
Barbier de Meynard und
Pavet de Courteille, Par. 1861-74, 8 Bde.),
veranstaltete. Dasselbe bildet eine reiche Fundgrube für dieGeographie,
Kultur und Geschichte des
Orients.
Hafenstadt der britisch-ind.
PräsidentschaftMadras,
[* 24] an dem nördlichen Hauptarm der
Kistna, mit (1881)
35,056 Einw., besteht eigentlich aus zwei
Städten: Matschlipatnam, 5 km von der
Reede, und Matschlibandar oder gewöhnlicher
Bandar (der offizielle
Name für die ganze Stadt), dem
Hafen. Derselbe ist jetzt verschlammt, die
Schiffer
ziehen deshalb das nördlichere Kokonada vor, und der
Verkehr geht immer mehr zurück. Ausgeführt werden Baumwollzeuge, die
früher wegen ihrer schönen
Farben berühmt waren, jetzt aber durch europäische
Fabrikate verdrängt sind. ist
Mittelpunkt
der christlichen
Missionen unter den
Telugu. Hier errichteten die
Engländer 1611 ihre ersteFaktorei, 1660 und 1669 ließen
sich
Holländer und
Franzosen nieder, seit 1765 gehört Masulipatam den Engländern. Die Stadt ist mehrmals durch
Cyklone heimgesucht
worden, zuletzt 1864, wo 30,000
Menschen umkamen.
¶
(Masurenland), vorzugsweise der altpreuß. Gau Galindien und ein Teil von Sudauen, umfaßt in engerer Bedeutung
des Wortes den südlichen Teil des preuß. Regierungsbezirks Gumbinnen
[* 26] oder die Kreise
[* 27] Johannisburg, Sensburg, Lyck,
[* 28] Olezko ^[richtig:
Oletzko], Lötzen, Angerburg und den südlichen Teil von Goldap, in weiterer Bedeutung aber auch die südlichen
Kreise des Regierungsbezirks Königsberg:
[* 29] Ortelsburg, Neidenburg, Osterode
[* 30] und Allenstein.
[* 31] Im allgemeinen herrscht eine große
Abwechselung zwischen Höhen und Seen, indem der ostpreußische Landrücken mit seinen bedeutendsten Gipfeln diesen Landstrich
durchzieht. Unter den Seen, den MasurischenSeen, liegen die drei größten, der Spirding-, Löwentin- und Mauersee, in einer
tiefen Senkung des Landrückens und sind durch zahlreiche, aber nur kurze Kanäle, die Masurischen Kanäle, miteinander verbunden.
Die Bewohner (s. unten) sind in der Mehrzahl evangelische Polen. Lyck gilt als Hauptstadt des Landes.
(Mazury), die poln. Landbevölkerung im südlichen Teil der
ProvinzOstpreußen
[* 32] (s. oben) sowie in den angrenzenden polnisch-russischen GouvernementsPlozk, Lomsha und in einem kleinen Teil
von Suwalki. Auf preußischem Boden, wo sie der lutherischen Kirche angehören, bewohnen sie ein Gebiet von über 11,500 qkm
(210 QM.), und ihre Zahl beträgt etwa 300,000 Seelen; beträchtlicher ist ihre Anzahl in Polen, wo sie der
katholischen Konfession angehören.
Die Masuren sind ein biederes, in der Kultur noch etwas rückständiges, von der Landwirtschaft und Viehzucht
[* 33] lebendes Völkchen,
bei dem noch patriarchalische Familienzustände herrschen. Sie gelten für gesellig, gutmütig und weich, kleiden sich zum
Teil noch in selbstgewebtes graues Wollzeug (Wand), lieben den Branntwein und verzehren meist vegetabilische
Nahrung (Kartoffeln, Pastinaken, Rüben und Mehlspeisen); ihre einfachen Häuser sind aus Holz
[* 34] erbaut und mit Stroh gedeckt.
(Amandabele), ein Zweig der Zulukaffern, der 1827 unter seinem Häuptling Mosilikatsi seine Wohnsitze in Natal
verließ und nach Besiegung der Makalaka und andrer Völkerschaften das ganze Gebiet zwischen Limpopo und
Sambesi einnahm. Es ist ein außerordentlich kriegerisches Volk, das durch seine fast jährlich sich wiederholenden Raubzüge
die benachbarten Gebiete (auch am linken Sambesiufer) schrecklich verwüstet, wobei sich auch der Kannibalismus entwickelte.
Die Männer liegen nur dem Raub ob, die Frauen haben den Boden zu bestellen und alle sonstigen Arbeiten zu
verrichten. Die Bevölkerung
[* 41] dieses großen Gebiets soll sich gegenwärtig auf nur 40,000 Seelen belaufen und in vier Hauptbezirken
wohnen; sie zerfällt in drei Klassen: Abazansi, die Vornehmsten, Abkömmlinge der Krieger, welche unter Mosilikatsi das Land
unterwarfen, Amaholi, die von jenen vorgefundenen und besiegten Völker, und Abentla, betschuanische Kriegsgefangene, welche
Mosilikatsi ins Land brachte. Nach dessen Tod (1868) ist das Land sowohl durch die Buren als durch die
Engländer bedroht worden. Hauptstadt war bis 1881 das von Mosilikatsis Sohn Lo Bengula gegründete Gubuluwajo; jetzt
nimmt das 15 km davon gelegene Umhlabatine diesen Rang ein.
Vgl. Oates, Matabele land and the Victoria
[* 42] falls (Lond.
1881).
im L'hombre, Tarock etc. Bezeichnung der drei obersten Trumpfkarten sowie auch der niedern Trumpfkarten,
wenn diese in ununterbrochener Reihenfolge zugleich mit jenen drei obersten vorhanden sind;
auch s. v. w. die Hauptperson
bei einem Unternehmen.
(engl., spr. mättsch),Partie, Wette; im Schachspiel Wettkampf zwischen zwei Spielern, welcher sich auf
mehrere, öfters auch auf viele Partien erstreckt, neuerdings nach dem Vorgang von Macdonnell und de la Bourdonnais (1834)
sehr in Mode gekommen (renommierte Matchspieler sind zur ZeitL.Paulsen, W. Steinitz und J. H. ^[JohannesHermann] Zukertort).
BeimBillard bedeutet das Spiel mit dem eine Verdoppelung, Verdreifachung oder Vervierfachung des verabredeten
Preises für den Gewinner, je nach der Zahl der gemachten Points; im Sport ein Rennen, welches nur von zwei Pferden gelaufen wird,
deren Besitzer um
einen bestimmten Preis eine Privatwette unter sich ausmachen.
Ermordung des
KönigsPrzemysl u. v. a. Seit der Mitte der 70er Jahre nahm die Charakteristik seiner
[* 51]
Figur an Energie und Derbheit zu, die bisweilen
bis zur Roheit gesteigert wurde.
Auch bevorzugte er die unvermittelte Zusammenstellung der grellsten
Farben. Von seinem einseitigen national-polnischen Standpunkt verband er mit seinen Gemälden eine politische Tendenz, deren
Spitze gegen Deutschland
[* 70] und Preußen
[* 71] gerichtet ist. Dieser Tendenz dienen die figurenreichen Kolossalgemälde: die Schlacht bei
Tannenberg 1440, die Niederlage des DeutschenOrdens verherrlichend;
Die Mater dolorosa erscheint entweder stehend oder sitzend mit einem oder sieben Schwertern in der Brust (die sieben
Schmerzen der Maria), meist allein, seltener zur Rechten des KreuzesChristi (Johannes an der Linken).
(lat.) wird sowohl in theoretischem als in praktischem Sinn gebraucht. In ersterm
bezeichnet Materialismus denjenigen metaphysischen Realismus (vgl. Metaphysik), welcher als letzte Grundlage der gesamten Erscheinungswelt
die »Materie« (s. d.), sei es als kontinuierliche körperliche Masse (monistischer Materialismus), sei es als Aggregat diskreter, durch
leere Zwischenräume getrennter Körperteilchen (Korpuskel, Moleküle, Atome: atomistischer Materialismus), betrachtet.
Folgerichtig schließt der Materialismus die Ewigkeit und Ungeschaffenheit seiner realen letzten Grundlage (Materie, Atome) ein und die
qualitative Unterschiedenheit der geistigen (psychischen) von den körperlichen (physischen) Phänomenen (also auch die Existenz
eines abgesonderten Seelenwesens) aus (Geist als Phänomen der Materie, Gehirnphänomen). Psychologie verwandelt sich in Physiologie
und die gesetzliche Weltordnung in die ausschließliche Herrschaft der (physikalischen, chemischen und
biologischen) Naturgesetze, mit welcher nicht nur die zwecksetzende und durchführende Thätigkeit einer von außen in den
Gang
[* 75] der Naturordnung eingreifenden (transcendenten) oder den Dingen selbst innewohnenden (immanenten) Intelligenz (Teleologie),
sondern nicht weniger die Freiheit und Selbständigkeit des menschlichen Willens (transcendentale Freiheit)
unvereinbar ist. - Im praktischen Sinn bezeichnet Materialismus diejenige moralische Denkungsart, welche den Wert (Unwert) des menschlichen
Wollens und Handelns, dessen Erlaubtheit oder Unerlaubtheit, Sittlichkeit oder Unsittlichkeit lediglich von den Folgen desselben
für den Wollenden und Handelnden in diesem Leben abhängig macht.
Letzterer Umstand unterscheidet die »materialistische« von der »materialen«
Ethik, welche zwar gleichfalls den Wert des Wollens und Thuns von den Folgen (statt, wie die »formale« Ethik [z. B. Kants], von der
»gesetzlichen« oder [wie Herbart] von der »wohlgefälligen« Form) desselben abhängig macht,
dieselben jedoch nicht auf dieses (irdische) Leben beschränkt, sondern (wie die indische, christliche, mohammedanische Ethik)
ausdrücklich auf ein künftiges (Lohn und Strafe im Jenseits, das für den Materialismus nicht existiert) Leben nach
dem Tod ausdehnt.
Der praktische ist daher nicht nur aus dem Grund verwerflich, weil er sich nicht durch die Vorstellung des unbedingten Werts
oder Unwerts der Handlungsweise, sondern durch die Vorstellung der vorteilhaften oder nachteiligen Folgen
derselben für die eigne Person (Hoffnung auf Belohnung, Furcht vor Strafe), und noch ganz besonders darum, weil er sich nur durch
die Rücksichtnahme auf die materiellen Folgen (Vermehrung oder Verminderung des eignen physischen Wohlseins) bestimmen läßt.
Der theoretische Materialismus, der als Ergebnis philosophischen Nachdenkens auftritt, kann sowenig als
eine andre auf rein wissenschaftlichem Wege gewonnene Überzeugung
einem andern als einem aus rein wissenschaftlichen Gründen
abgeleiteten Tadel unterliegen. Derselbe ist die natürliche Folge des Vertrauens in die ausschließliche Geltung und Berechtigung
der Erfahrung als Erkenntnisquelle, daher Epochen hervorragenden Aufschwungs der Erfahrungs- (insbesondere der Natur-) Wissenschaften
(im 18. Jahrh. in Frankreich, in der Gegenwart in Deutschland) von einer entsprechenden Verbreitung des
theoretischen Materialismus begleitet zu sein pflegen. Da der theoretische Materialismus durch seine Verneinung
eines künftigen Lebens derjenigen Ethik, welche die Sittlichkeit durch die Aussicht auf Belohnung oder Bestrafung im Jenseits
zu fördern sucht, den Boden entzieht, kann derselbe (aber er muß nicht) den praktischen Materialismus im Gefolge
haben. Da jedoch der sittliche Wert menschlichen Wollens nicht von den Folgen (weder in jenem noch in diesem Leben), sondern
allein von der Erfüllung der Pflicht um der Pflicht willen abhängt, so müssen theoretischer und praktischer Idealismus einander
nicht unbedingt ausschließen. - Was die Geschichte des theoretischen Materialismus betrifft,
so findet sich derselbe schon bei den Indern in dem atomistischen System der Waiseschika des Kânâdâ, in der Geschichte der
griechischen Philosophie in den (gleichfalls) atomistischen Systemen des Leukippos und Demokritos, in dem durch Lukrez nach Rom
[* 76] verpflanzten Atomismus Epikurs und in der neuern Zeit bei dem Wiedererwecker desselben, Gassendi, bei dem
EngländerHobbes, bei den französischen Encyklopädisten (Diderot, Holbach, d'Alembert, Helvetius) und Ärzten (Cabanis), endlich
nach dem Schiffbruch der Schellingschen Natur- und der spekulativen Philosophie bei deutschen Philosophen (Feuerbach, Strauß)
[* 77] und Naturforschern (Vogt, Moleschott). Die konsequentesten Darstellungen desselben haben im Altertum Lukrez,
im 18. Jahrh. Holbachs (s. d.) »Système de la nature«, die in der Gegenwart verbreitetste hat LouisBüchner (»Kraft und Stoff«,
Frankf. 1855; 15. Aufl., Leipz. 1883) geliefert.
Der praktische ist als gemeine und niedrige Denkungsart zu allen Zeiten häufig gewesen und durch den oft und mit Recht beklagten
ausschweifenden »Kultus der materiellen Interessen« nicht sowohl herbeigeführt, als dieser vielmehr umgekehrt durch denselben
veranlaßt worden. Der theoretische ist von Theologen um seiner religiösen, von den Philosophen andrer Schulen hauptsächlich
um seiner psychologischen Konsequenzen willen nicht immer wissenschaftlich kritisiert, der praktische Materialismus von echten Moralphilosophen
stets nach Gebühr verurteilt, dagegen von Weltleuten, Nationalökonomen und Interessenpolitikern oft
höchst unverdienterweise gepriesen worden.
Vgl. Lange, Geschichte des Materialismus (neueste Ausg., Iserl.
1887);
die Prüfung von Materialien verschiedener Art, bezweckt die Feststellung der Eigenschaften sowohl
in qualitativer als quantitativer Beziehung, von welchen die Brauchbarkeit, Anwendbarkeit, Dauer und
Haltbarkeit sowohl als der Gebrauchswert in gesundheitlicher und ökonomischer Hinsicht
¶
mehr
abhängt. Hiernach ist die eine mechanische, chemische und unter Umständen auch eine mikroskopische. Sehr häufig handelt
es sich um Nachweisung von Verunreinigungen, welche der Ware von ihrer Bereitung her anhängen, oft aber auch um direkte Verfälschungen,
die in ausgedehntem Maß betrieben werden. Gibt es doch Fabriken, welche nur geeignete Verfälschungsmittel
herstellen: gesiebten und gefärbten Sand zur Verfälschung von Sämereien (besonders Kleesaat) und wertlose Mischungen verschiedener
Art zur Verfälschung von Gewürzen (s. Matta). In weitaus den meisten Fällen gelingt es dem erfahrenen Chemiker und Mikroskopiker
leicht, solche Verfälschungen und Verunreinigungen nachzuweisen und ihre Menge zu bestimmen.
Mit dem Ergebnis der chemischen und mikroskopischen Analyse ist aber nicht immer ohne weiteres ein Maßstab
[* 80] zur Beurteilung der Ware geliefert, denn häufig kommen noch Verhältnisse in Betracht, welche sich jener Untersuchung entziehen
und besser durch Auge,
[* 81] Zunge, Nase
[* 82] festgestellt werden, und anderseits bedarf es genauer Kenntnisse der Geschäftsverhältnisse,
um die Bedeutung der Untersuchungsergebnisse richtig zu beurteilen. Es ist zuzugeben, daß die Unredlichkeit
im geschäftlichen Verkehr eine bedenkliche Höhe erreicht hat, anderseits aber stellt auch häufig das Publikum unberechtigte
Anforderungen an die Ware, welche der Sachverständige auf das richtige Maß zurückzuführen hat.
Zur größern Sicherung desVerkehrs sind daher auch durch Gesetze, Verordnungen und Vereinbarungen in den
Interessentenkreisen bestimmte Normen aufgestellt worden, nach welchen die verschiedenen Waren zu beurteilen sind (Nahrungsmittelgesetz,
Verordnung über den Petroleumhandel, Vereinbarungen der Zementtechniker, der bayrischen Chemiker etc.);
auch wurden Prüfungsanstalten errichtet; in welchen von autoritativer Seite Untersuchungen bestimmter Materialien vorgenommen
werden: mechanisch-technisches Laboratorium
[* 83] der königlich technischen Hochschule in München
[* 84] seit 1871. In
Berlin
[* 85] bestehen seit 1880 die mechanisch-technische Versuchsanstalt zur Prüfung der Festigkeit
[* 86] von Eisen,
[* 87] andern Metallen u.
Materialien, in Verbindung mit der technischen Hochschule, sodann die chemisch-technische Versuchsanstalt zur Untersuchung
von Eisen, andern Metallen u. Materialien an der Bergakademie, ferner die Prüfungsstation zur Untersuchung der Festigkeit und
andrer Eigenschaften von gebrannten und ungebrannten künstlichen Steinen sowie Bruchsteinen, Zementen, Kalken,
Gipsen, Röhren
[* 88] etc., verbunden mit der technischen Hochschule zu Berlin.
Diese Anstalten haben die Aufgabe, Versuche im allgemeinen wissenschaftlichen und öffentlichen Interesse anzustellen und auf
Grund von Aufträgen der Behörden und PrivatenPrüfungen vorzunehmen; die Beziehungen zwischen ihnen werden
durch eine besondere Aufsichtskommission vermittelt. Außerdem existiert noch in Dresden
[* 89] am dortigen Polytechnikum eine mechanisch-technologische
Versuchsanstalt. Ebenda und in Chemnitz
[* 90] bestehen staatlich
organisierte Anstalten zur Prüfung von Baumaterialien; auch in Stuttgart,
[* 91] Wien, Budapest,
[* 92] Prag,
[* 93] Petersburg
[* 94] und Zürich
[* 95] sind solche Anstalten errichtet worden. Papierprüfungen werden vorgenommen in der mechanisch-technischen
Versuchsanstalt zu Berlin (technische Hochschule) und im technologischen Institut zu München (Hochschule).
Die mechanische Untersuchung der Materialien hat es wesentlich mit Festigkeitsprüfungen zu thun, die denn auch zu einer
hohen Vollkommenheit ausgebildet worden sind. Die größte Wichtigkeit hat die Materialprüfung im Bauwesen, und hier
ist Grundsatz, die Materialien in dem Maßstab und unter den Umständen zu prüfen, unter welchen sie verwendet
werden, oder wenigstens diesen Verhältnissen möglichst nahezurücken. Da es hierbei also darauf ankommt, das Material künstlich
so zu belasten und zu beanspruchen, wie es in der Praxis stattfindet, und diese Beanspruchung bis zum Bruch zu treiben, um
die alleräußerste Grenze der Belastung etc. in Erfahrung zu bringen, so bedingt die Materialprüfung oft den Aufwand
kolossaler Kräfte, welche in den sogen. Prüfungsapparaten und Festigkeitsmaschinen zur Wirkung gebracht werden.
Diese Maschinen zerfallen, soweit es sich nur um Hervorbringung ruhender Belastungen handelt und die Prüfung durch einfach
angehängte Gewichte ausgeschlossen wird, in drei Klassen. Bei der ersten Klasse erfolgt die Hervorbringung
der Druckkräfte durch Hebel
[* 96] und Hebelverbindungen, bei der zweiten Klasse durch Kraftschrauben und bei der dritten durch hydraulischen
Druck. Bei der Anwendung von Hebeln kommen sowohl ein- als zweiarmige Hebel, in der Regel aber in großen Übersetzungsverhältnissen
und in Konstruktionen vor, welche denjenigen der Dezimal- und Zentesimalwagen entnommen und daher auch
sehr ähnlich sind. An Stelle der Brücke
[* 97] befinden sich hier nur Werkzeuge
[* 98] zur Aufnahme der Untersuchungsobjekte, gewöhnlich
aus Bügeln oder zangenartigen Teilen bestehend, welche die ∞-geformten Gegenstände fassen, wenn sie zerrissen werden
sollen. Neuerdings werden diese Festigkeitsmaschinen mit drei übereinander angebrachten Hebeln ausgestattet,
welche eine 600fache Übersetzung und einen Zug
von 100 Ton. oder 100,000 kg zulassen.
Den in Deutschland vielfach verwendeten Frühlingschen Hebelzerreißapparat zeigt
[* 79]
Fig. 1. Derselbe
besteht im wesentlichen aus zwei Hebelnl und m, welche gehörig auf Schneiden gestützt und mittels der Zugstange g verbunden
sind und so eine Wage
[* 99] mit 50facher Übersetzung bilden. Das passend geformte Probestück A wird von der
durch die Schraube c richtig einzustellenden Klaue
[* 100] d festgehalten und mittels der Klaued¹ an den Hebel m angehängt. Zur Aufnahme des
Zerreißgewichts dient der an den Hebel l gehängte Eimer e, in welchen man so lange aus dem Behälter s
durch den Trichter h Bleischrot einlaufen läßt, bis der Bruch von A erfolgt. Das Gewicht des Bleischrots wird dann dadurch
ermittelt, daß man den Schroteimer an den Haken a hängt und
mit auf den Gewichtteller b gelegten Gewichten ausgleicht, deren Zehnfaches gleich dem Schrotgewicht ist.
Die Materialprüfungsmaschinen, bei welchen die Kraftäußerung vermittelst einer oder mehrerer Kraftschrauben stattfindet,
besitzen zur Ermittelung der Druckgrößen entweder Hebel (Wagebalken) oder Federn, so daß man den Druck an aufgelegten Gewichtenoder an der Ausdehnung
[* 102] einer Feder erkennt. Gewöhnlich findet man bei ihnen also eine Verbindung der Hebelmaschine
mit Schraube. Wird die Zugkraft an dieser Prüfungsmaschine durch die Ausdehnung oder Spannung einer Feder derart gemessen, daß
man diese zwischen das Prüfungsmaterial und die Kraftschraube einspannt, so erhält sie eine große Ähnlichkeit
[* 103] mit einem
Federdynamometer und wird ganz vorzüglich geeignet zur Prüfung leichter zerreißbarer Materialien (Gespinst,
Gewebe,
[* 104] dünner Draht,
[* 105] Papier u. dgl.). Eine solche Maschine
[* 106] zeigt
[* 101]
Fig. 2 in der Seitenansicht und
[* 101]
Fig. 3 im Grundriß.
Auf einem schmalen hölzernen Brett U U befinden sich vier kleine feste Ständer G, O, R, C. In demStänder G ist
die mit einer Schraubenmutter ausgestattete Achse eines Handrades H so gelagert, daß sie sich drehen, aber nicht in der Längsrichtung
bewegen läßt. Durch Drehung des Rades H wird daher die Schraube S bewegt, welche mittels einer im Grundriß sichtbaren Verlängerung
[* 107] fest mit der Traverse F verbunden ist, die sich gegen eine Dynamometerfeder E legt, welche ihrerseits
mit dem andern Ende gegen die Platte d gestützt wird.
Diese Platte d, durch welche die Schraubenverlängerung frei hindurchgeht, findet ihre Befestigung an den beiden runden Führungsstangen
b b, welche in den Ständer o geführt und am andern Ende durch das Querstück a rahmenförmig abgeschlossen
werden. An diesem Querstück a sitzt nun zunächst die zum Einspannen des Probestücks (z. B.
Papier) notwendige Klemme A, während die zweite Einspannklemme A¹ an der Stange B angebracht ist, die sich je nach der Länge
des Probestücks in dem festen Ständer verschieben und durch die Schraube D feststellen läßt.
Ist zwischen diesen Klemmen A und A¹ nun das Probestück eingespannt, und wird dann das Handrad gedreht, so wird durch die
Spannung im Probestück die Feder E proportional dieser Spannung zusammengedrückt, bis der Bruch erfolgt. Zugleich wird, da
die Spannung auf die Feder durch die Stangen b b und das Querstück a übergeht, dieses Querstück
a eine
Bewegung ausführen, welche genau gleich ist der dem Bruch vorangehenden Dehnung. Um nun die Zusammendrückung der Feder (welche
die zum Zerreißen erforderliche Kraft repräsentiert) und die Ausdehnung des Probestücks genau zu bestimmen, werden sie auf
den beiden Bogenskalen P und Q durch Zeiger z z in fünffacher Vergrößerung angegeben.
Hierzu dient für beide ein fast gleicher Nebenapparat, wovon der eine, die Dehnung angebende in dem Ständer R angebracht
ist. Beide bestehen aus kleinen vertikalen Achsen, welche oben die Zeiger und unten je eine Rolle v tragen. Um diese Rolle läuft
nun eine in dem federnden Bogen
[* 108] h, resp. y gespannte Saite i. Die an y befestigte Saite wird, durch das
Stängelchen q mit dem Querstück a verbunden und von diesem angezogen, die Veranlassung zum Drehen des Dehnungszeigers über
der Skala Q. Die an h gespannte Saite dahingegen ist an der Traverse F befestigt und markiert durch den
Zeiger auf der von dem Querstück a getragenen Skala in Kilogrammen die Federspannung. Um ein plötzliches Losschnellen der
Feder unmittelbar nach dem Bruch zu verhindern, ist bei C noch eine Sperrstange angebracht, in welche ein Sperrkegel einfällt.
Zum Abmessen der freien Länge des ausgespannten Probestücks N dienen endlich die auf der Stange B sowohl
als auf der Stange C vorhandenen Maßstäbe, welche diese Länge direkt in Zentimetern angeben. Diese Festigkeitsmaschine wird
in zwei Größen, in einer bis 15 kg Spannung für Garn und Papier, in einer andern bis 120 kg Spannung für Gewebe, Schnüre u.
dgl., von W. Frombling in Gadderbaum-Bielefeld gebaut und je nach dem Zweck mit verschiedenen Klemmen versehen.
Ein besonders für wissenschaftliche Zwecke konstruierter Festigkeitsapparat, der jedoch nur bis 50 kg Spannung reicht, ist
von Reusch konstruiert und beschrieben im »Polytechnischen Journal«, Bd. 235, S. 414.
Als die wichtigste Maschine muß diejenige mit hydraulischem Druck deswegen hingestellt werden, weil sie
am besten geeignet ist, die Prüfung an Stücken von beliebigen Dimensionen vorzunehmen, hohe Eisenträger zu zerbrechen, Säulen
[* 109] zu zerknicken, dicke Achsen zu verdrehen, Steine, erhärteten Zement, Holz etc. zu zerdrücken, Stangen, Ketten, Riemen, Seile zu
zerreißen u. dgl. In erster Reihe steht hier die sogenannte Werdersche Maschine (Fig. 4). Auf einem