wurde, in welchen
Fällen allein der Lehrvertrag von der einen oder andern Seite aufgelöst werden dürfe, ferner, daß der
Meister dem Lehrling nach Beendigung der Lehrzeit ein Entlassungszeugnis zu geben habe und kein
Meister den Lehrling eines
andern ohne ein Entlassungszeugnis annehmen dürfe. Eine weitere eingehende Regelung erfolgte durch das
Gesetz vom Es machte nicht die
Schriftlichkeit des Lehrvertrags obligatorisch, erschwerte aber den
Beweis nur mündlich
abgeschlossener
Verträge.
Dagegen verbot es unter anderm gewissen
Personen, Lehrlinge zu halten, setzte eine Maximalarbeitszeit für Lehrlinge unter 16
Jahren
fest, verbot für diese die
Sonntags- und Nachtarbeit, regelte dieRechte und
Pflichten beider Teile, führte
eine Probezeit von zwei
Monaten ein, bestimmte neu die
Fälle, in denen der Lehrvertrag teils
ipso jure aufgelöst sei, teils
einseitig aufgelöst werden könne, machte Arbeitgeber, die Lehrlinge ihrem
Meister abwendig machen, um sie zu beschäftigen,
für die dem verlassenen
Meister zuerkannte
Entschädigung haftbar etc. In
England ist aus der frühern
weitgehenden obrigkeitlichen Regelung des Lehrlingswesens nur noch eine polizeiliche
Jurisdiktion über das Lehrlingsverhältnis
übriggeblieben.
im weitern
Sinn alle Gegenstände, welche beim
Unterricht der
Jugend gebraucht werden,
im engern
Sinne namentlich solche Gegenstände oder bildliche
Darstellungen, welche zur Veranschaulichung des
Unterrichts dienen.
Nachdem in frühern
Zeiten der hohe
Wert der sinnlichen
Anschauung für die
Bildung des
Geistes lange übersehen oder doch wesentlich
unterschätzt worden ist, liegt gegenwärtig die
Gefahr der Übertreibung nach der entgegengesetzten Seite
nicht mehr fern.
Die Herstellung und Feilbietung von Lehrmitteln ist ein schwunghafter Gewerbszweig geworden. Infolgedessen sind
Karten, Abbildungen,
Modelle in großer Auswahl und in stets zunehmender Vollkommenheit entstanden. Aber nicht immer wird beachtet, daß für
die
Schule nur das Einfache, Typische geeignet ist. Um dem Lehrerstand die Übersicht über die steigende
Flut der Lehrmittel zu erleichtern, werden in der Gegenwart mit größern
Lehrerversammlungen meistens Lehrmittelausstellungen verbunden.
Auch haben einige
Regierungen, größere
Städte etc. derartige stehende
Ausstellungen oder Schulmuseen eingerichtet; berühmt
ist namentlich die großartige Sammlung des
National board of education in
Washington
[* 4] und als eine der
ältesten in
Europa
[* 5] die Schulausstellung in Zürich
[* 6] (seit 1875). Als unentbehrliche Lehrmittel für den vollen Unterrichtsbetrieb
der
preußischen
Volksschule bezeichnet die Falksche allgemeine
Verfügung vom außer den in der
Schule eingeführten,
auch dem
Lehrer in je einem
Abdruck zu liefernden
Lehr- und Lernbüchern:
die schriftliche Festsetzung der Lehrziele, des Lehrstoffs und des
Lehrgangs für eine Schulanstalt nach
deren verschiedenen
Klassen oder Abteilungen. Die
Aufstellung eines Lehrplans, und zwar nicht nur eines tabellarischen
oder übersichtlichen, sondern auch eines ausführlichen, die Verteilung des Lehrstoffs nach
Klassen,
Jahren und
Semestern vorzeichnenden,
wird für alle
Schulen gegenwärtig allgemein als unerläßlich angesehen und von den meisten Schulgesetzgebungen gefordert.
Um zur
Aufstellung derartiger ausführlicher Lehrpläne den nötigen
Anhalt
[* 9] zu bieten, haben die meisten staatlichen Schulverwaltungen
selbst kürzer gefaßte Lehrpläne herausgegeben, die genau vorschreiben, welche Unterrichtsgegenstände
in jeder
Klasse zu treiben, wieviel
Stunden wöchentlich auf jeden derselben zu verwenden und welche
Ziele hinsichtlich eines
jeden zu erstreben sind.
Die in
Preußen
[* 10] gegenwärtig geltenden amtlichen Lehrpläne sind folgende:
3) Lehrordnung und Lehrplan für die Schullehrerseminare vom
4) Lehrpläne für die höhern Unterrichtsanstalten (Gymnasien, Progymnasien, Realgymnasien, Realprogymnasien,
Oberrealschulen,
Realschulen, höhern
Bürgerschulen) vom Auch für Präparandenanstalten und für höhereMädchenschulen sind Normalpläne herausgegeben, aber nicht mit derselben zwingenden Geltung. Der letztgenannte hat unmittelbare
Geltung zunächst
nur für die Stadt
Berlin
[* 11] und ist schon deshalb nicht einfach übertragbar auf die Verhältnisse der
Provinz,
weil die höhern
Mädchenschulen in ihrer
Gliederung, Abstufung etc. sehr verschieden sind.
Karl, ausgezeichneter Philolog, geb. zu
Königsberg
[* 12] i. Pr., besuchte daselbst
das Friedrichsgymnasium und seit 1818 die
Universität, vertrat 1823 einen
Lehrer am
DanzigerGymnasium, wurde 1824
Lehrer am
Gymnasium in
Marienwerder,
[* 13] 1825 Oberlehrer am Friedrichsgymnasium in
Königsberg (bis 1845), daneben 1831
Privatdozent und 1835 außerordentlicher
Professor an der
Universität. Seit 1845 ordentlicher
Professor der
Philologie daselbst, starb er Am
berühmtesten ist sein für unsre Kenntnis von den
Homer-Studien der alten
Grammatiker grundlegendes Werk
»De Aristarchi studiis
Homericis« (Königsb. 1833; 3. Aufl. von Ludwich, Leipz.
1882). Außerdem heben wir hervor: »Quaestiones epicae« (Königsb. 1837),
eine Sammlung von fünf Abhandlungen
zu griechischen Epikern;
der Griechen« (Leipz. 1856, 2. vermehrte Aufl.
1875);
»Die Pindarscholien« (das. 1873);
dann die Ausgaben von »Herodiani scripta tria emendatiora« (Königsb.
1848) und »Horatius mit vorzugsweiser Rücksicht auf die unechten Stellen und Gedichte« (Leipz. 1869);
In den empirischen
Wissenschaften pflegt man Lehrsätze auch solche Sätze zu nennen, die sich durch eine hinlängliche Anzahl von übereinstimmenden
Thatsachen belegen lassen.
sind besonders eingerichtete Lehranstalten, in denen Lehrmeister systematisch für die praktisch-technische
gewerbliche Ausbildung der Schüler
sorgen. Bei der heutigen weitgehenden Arbeitsteilung und der Entwickelung des Fabrikbetriebs
gibt es eine Reihe von Gewerben, in denen in der Werkstatt nur sehr einfache, eine geringe Geschicklichkeit
und Kunstfertigkeit erfordernde und stets gleiche Arbeiten verrichtet werden, daher der Lehrling, auch wenn er mehrere Jahre
bei einem tüchtigen Lehrherrn eifrig arbeitet und alle vorgekommenen technischen Operationen ordentlich erlernt, doch nur
eine dürftige, weder seinem eignen noch dem Gesamtinteresse entsprechende, einseitige technische Ausbildung
empfängt, so z. B. bei Uhrmachern, die sich nur mit Ausbesserung und Reinigung von Uhren
[* 26] befassen, bei vielen kleinen Schneidern,
Schuhmachern, Schreinern, Malern, Klempnern etc. Ferner gibt es viele Handwerksmeister, bei denen der Lehrling zwar in moralischer
Beziehung gut aufgehoben ist, die aber selbst nicht genügend ausgebildet sind, um gute Lehrherren abgeben
zu können. Lehrwerkstätten sind nun das Mittel, um auch den Lehrlingen solcher Lehrherren zu einer guten technischen Ausbildung zu verhelfen.
Die Einrichtung der und des Lehrwerkstättenunterrichts muß je nach den Verhältnissen der einzelnen Gewerbe und der örtlichen
wie persönlichen Bedürfnisse eine verschiedene sein. Die Lehrwerkstätten können sich nur auf
ein Gewerbe oder auch auf mehrere verwandte Gewerbe erstrecken. Sie können entweder ausschließlich die praktische Ausbildung
der Lehrlinge herbeiführen, oder nur zur Ergänzung der gewöhnlichen Werkstattlehre dienen. Die Schüler der Lehrwerkstätten können entweder
nur in der Lehrwerkstätte (vor oder nach der gewöhnlichen Werkstattlehre) oder zugleich bei einem andern
Lehrherrn beschäftigt sein und im letztern Fall nur zeitweise in der Lehrwerkstätte arbeiten.
Endlich können die Lehrwerkstätten entweder reine Lehrwerkstätten, d. h.
Anstalten nur für die praktische Ausbildung, oder zugleich auch noch theoretische Unterrichtsanstalten sein. Es wäre in erster
Reihe Aufgabe der Gewerbtreibenden selbst, namentlich der Gewerbevereine und Innungen, auch großer Fabrikanten
mit vielseitigem Betrieb, für solche Lehrwerkstätten zu sorgen; aber wo die Privatthätigkeit nicht ausreicht, haben
auch die Gemeinden und der Staat mitzuwirken. Lehrwerkstätten entstanden zuerst (schon seit den 30er Jahren) und in größerer Zahl in Belgien,
[* 27] namentlich auf dem Gebiet der Textilindustrie. In neuerer Zeit ist die Bewegung zu gunsten von am stärksten
in Frankreich; seit 1873 besteht das Bestreben, über das ganze Land ein Netz von Lehrwerkstätten. (Écoles d'apprentissage) zu verbreiten.
Nach dem Gesetz vom sind die von den Gemeinden oder Departements errichteten Lehrwerkstätten zu den öffentlichen
Elementaranstalten zu rechnen; für Lehrwerkstätten sind staatliche Unterstützungen vorgesehen. Die französischen
Lehrwerkstätten sind in der Regel zugleich Fachschulen (s. d.), einzelne sind auch mit Volksschulen verbunden. Zu den Lehrwerkstätten gehören auch die
Écoles nationales des arts et métiers, Staatslehrwerkstätten zur Ausbildung von Chefs d'ateliers und industriels, insbesondere
für Schmiede, Schlosser, Dreher, Modelltischlerei etc., ferner die Écoles pour l'enseignement technique
und die Écoles industrielles. In Österreich
[* 28] sind in den letzten zehn Jahren vom Staat zahlreiche kunstgewerbliche und andre
Lehrwerkstätten begründet worden. In Italien
[* 29] gibt es niedere, mittlere und höhere Lehrwerkstätten. Auch Holland, Dänemark,
[* 30] Schweden
[* 31] haben Lehrwerkstätten. In Deutschland
ist noch verhältnismäßig wenig geschehen. Einige Lehrwerkstätten bestehen regelmäßig zugleich
mit theoretischem Unterricht: für Blecharbeiter in Aue (Sachsen),
[* 32] für Uhrmacher in Glashütte (Sachsen) und
¶
(Eigenschaft, Grundhörigkeit, Hörigkeit), ein dem frühern germanischen und slawischen Rechtsleben
eigentümlicher Zustand geminderter persönlicher Freiheit. Im allgemeinen charakterisiert sich nämlich die Leibeigenschaft als ein Standesverhältnis,
bei welchem die Eigentümlichkeit besteht, daß die Standesgenossen als die Zubehörungen gewisser ländlicher Grundbesitzungen
erscheinen und somit zu der Gutsherrschaft in einem Unterthänigkeitsverhältnis stehen.
Auf der andern Seite involviert die Leibeigenschaft keine totale Unfreiheit des Leibeignen, wie es bei der Sklaverei der Fall ist, und eben
darin liegt der Unterschied zwischen dem Sklaven, der als bloße Sache, und dem Leibeignen, der nur in dem Zustand geminderter
Rechtsfähigkeit erscheint. Schon in den ältesten Zeiten finden wir bei den germanischen Völkerschaften
den Unterschied zwischen Freien und Unfreien ausgeprägt. Die hauptsächlichsten Entstehungsgründe der Unfreiheit waren Kriegsgefangenschaft
und Unterjochung und daneben, wie Tacitus erzählt, freiwillige Ergebung infolge des Spiels.
Wie sich aber später in der fränkischen Monarchie unter den Freien verschiedene Stände entwickelten, so finden wir auch
schon zur Zeit der Merowinger unter den Unfreien verschiedene Abstufungen vor. Im allgemeinen lassen sich drei Klassen der
Unfreien unterscheiden, nämlich die eigentlichen Unfreien, dann die zins- und dienstpflichtigen Leute und die sogen.
Ministerialen. Die vollständige Unfreiheit, welche nach den Volksrechten durch die Abstammung von unfreien Eltern, durch Verheiratung
mit einem Unfreien und durch die gerichtliche Überweisung insolventer Schuldner oder Verbrecher an den
Gläubigeroder an die Verletzten, endlich aber auch durch freiwillige Unterwerfung unter die Schutzgewalt eines Gutsherrn
begründet wurde, ließ die zu dieser Klasse Gehörigen (mancipia, servi, ancillae) zunächst zwar als völlig rechtlos und
lediglich als Sache erscheinen.
Unter dem Einfluß des Christentums verbesserte sich jedoch die Lage derselben; man gestand ihnen nach und nach gewisse Rechte
zu, und so verschmolz diese unterste Klasse der Unfreien mit der höher stehenden der zins- und dienstpflichtigen oder
hörigen
Leute (homines pertinentes), deren Entstehung wohl auf die Unterwerfung der einheimischen Landbevölkerung
durch die einwandernden Eroberer zurückzuführen ist. Die letztern wurden bei den Alemannen, Franken, Friesen und Sachsen Leti,
Liti, Lidi, bei den Sachsen auch Lassi, Lazzi, Lati und bei den LangobardenAldier (Aldiones) genannt.
Das Verhältnis der Grundherren zu diesen Hörigen war kein Eigentumsverhältnis, sondern das einer Schutzgewalt (mundium).
Es legte den Gutsunterthanen außer der Verpflichtung zu gewissen Dienstleistungen namentlich bestimmte
Naturalabgaben an die Gutsherrschaft auf, welch letztere wiederum den Liten zu schützen und namentlich vor Gericht zu vertreten
hatte. Zu diesen beiden Klassen der Unfreien, welche, wie gesagt, später zu einer einzigen verschmolzen, kam als drittes
Verhältnis der Abhängigkeit und Freiheitsbeschränkung die sogen.
Ministerialität hinzu.
Ministerialen (Ministeriales, Dienstmannen) hießen nämlich ursprünglich die zur persönlichen Dienstleistung bei den
geistlichen und weltlichen Großen berufenen Personen. Auch ihre Freiheit war ursprünglich eine geminderte; doch stieg mit
ihrer Verwendung zu Kriegs- undHofdiensten auch ihr Ansehen, so daß sie bald den eigentlichen Lehnsmannen oder
Vasallen der Großen gleich geachtet wurden. Bald trat für sie ein besonderes Recht der ritterlichen Dienstleute (jus ministeriale)
ins Leben, und so entwickelte sich aus ihnen der Ritterstand.
Schon zu Anfang des 13. Jahrh. war das Bewußtsein von der ursprünglichen Unfreiheit dieser Standesgenossen so sehr geschwunden,
daß man anfing, die Ministerialen dem niedern Adel beizuzählen, und so finden wir denn in und seit dem 13. Jahrh.,
namentlich in den sogen. mittelalterlichen Rechtsbüchern, nur noch eine Klasse von Unfreien, welche eigne Leute (Hauseigne,
Blutseigne, Eigenbehörige, Gutseigne, Dienstleute, Hörige, Scaramanni, Scararii, Kurmedige, Wachszinsige, Köter, Kossäten,
Sonnenkinder, auch Lassen, Laten, Erbunterthänige) genannt werden.
Der Zustand dieser Unfreiheit hieß Eigenschaft, wofür dann später der Ausdruck Leibeigenschaft aufkam, obgleich sich dies Verhältnis
wesentlich als eine Gutshörigkeit charakterisierte. Die Leibeignen erschienen nämlich als die Hintersassen ihres Gutsherrn,
wurden auch als solche bezeichnet und standen wie das Gut selbst, zu welchem sie gehörten, in der Gewere (Besitz)
des Gutsherrn, welcher den ihm eignen Mann mittels gerichtlicher Klage (sogen. Besatzungsrecht) in Anspruch nehmen konnte.
Das Abhängigkeitsverhältnis der Hörigen zeigte sich namentlich darin, daß der Herr, wenn auch nicht, wie ehemals, den
ganzen Nachlaß des Leibeignen, aber doch einen gewissen Teil desselben, namentlich die besten Viehstücke u.
dgl. (Besthaupt, Mortuarium, Sterbfall, Butteil), für sich beanspruchen konnte. Ferner mußten unfreie Frauenspersonen
bei ihrer Verheiratung eine gewisse Abgabe (Bumede, Bauzins, Frauenzins, Hemdschilling, Busengeld, Busenhuhn, Nadelgeld, Schürzenzins,
Maritagium) entrichten, und der Leibeigne bedurfte zu seiner Verheiratung der Erlaubnis des Gutsherrn. Außerdem war es aber
eine ganze Reihe von Zinsen und Abgaben, welche die Leibeignen von den Höfen, die ihnen der Gutsherr regelmäßig
in eine Art Erbpacht gegeben hatte, entrichten mußten. Da waren Zehnten, Gülten und Grundzinsen zu entrichten, Herdgelder,
Gartenhühner, Rauchhühner, Ostereier, Pfingstlämmer, Martinsgänse und Fastnachtshühner zu prästieren und Zinskorn,
¶
mehr
Wachszins und Honigzins zu liefern. Dazu kamen aber noch zahlreiche persönliche Dienstleistungen (Fron- und Herrendienste),
so daß das Los der Leibeignen in der That ein sehr hartes war. Erst zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts
gewann die fortschreitende Humanität so viel Einfluß auf die Gesetzgebung, daß die Aufhebung der Leibeigenschaft, welche
zugleich im Interesse des Volkswohlstandes, der Entwickelung der Steuer- und Wehrkraft des Landes und der Zunahme der Bevölkerung
[* 47] als dringend geboten erschien, in Deutschland allenthalben durchgeführt ward.
Zwar hatten sich schon zu Anfang des 18. Jahrh. einzelne Versuche zur Aufhebung der Leibeigenschaft gezeigt, z. B. in der preußischen
Dorfordnung von 1702 für die königlichen Domänen; aber erst Joseph II. von Österreich war es, welcher die Leibeigenschaft vollständig
aufhob und zwar 1781 für Böhmen
[* 48] und Mähren, 1782 für die deutschen Erblande. Auch das preußische Landrecht von 1794 bezeichnete
die Leibeigenschaft als unzulässig; aber erst durch Gesetz vom erfolgte die gänzliche Aufhebung derselben
für die preußische Monarchie, ebenso in Württemberg
[* 49] durch Gesetz vom und für Bayern
[* 50] durch die Verfassungsurkunde
vom so daß auch die übrigen Staaten, in welchen das Institut der Leibeigenschaft bestand, nicht mehr zurückbleiben konnten.
Die letzten Reste wurden 1832 in der sächsischen Oberlausitz getilgt.
Auf weit größere Schwierigkeiten stieß dagegen die Abschaffung der Leibeigenschaft in Rußland, woselbst die Leibeigenschaft mit
dem Volksleben viel inniger verwachsen war als in Deutschland. Denn in Rußland gab es gar keinen freien Bauernstand, ebensowenig,
abgesehen von dem Kaufmannsstand, einen eigentlichen Bürgerstand. Für die Bildung eines solchen ist
der slawische Volkscharakter überhaupt wenig günstig, während dieser Stand gerade auf dem germanischen Volksboden am besten
gedeiht.
Bedenkt man nun, daß die Zahl der russischen Leibeignen vor derEmanzipation nahezu ein Drittel der Gesamtbevölkerung betrug,
daß z. B. in den GouvernementsSmolensk und Tula auf 100 Einwohner 69 Leibeigne kamen, so wird man es begreiflich
finden, daß die EmanzipationKaiserAlexanders eine kolossale Umwälzung hervorrufen mußte. Was die Entstehung der Leibeigenschaft in Rußland
anbetrifft, so ist diese auch hier jedenfalls auf kriegerische Unterwerfung zurückzuführen.
Wenn aber die Leibeigenschaft in Rußland einen gewissen patriarchalischen Charakter trug, so ist derselbe zumeist
aus dem frühern Nomadenleben des russischen Volksstammes erklärlich. Zudem war diese Unfreiheit der ackerbauenden Klasse
keine eigentliche persönliche es war vielmehr die Gesamtheit der ländlichen Gemeinde, welche von dem Gutsherrn Ländereien
erhielt und diesem zu Frondiensten und Abgaben verpflichtet war. Die russischen Bauern hatten nämlich ehemals
die Gewohnheit, in bestimmten Fristen von einem Gut nach dem andern überzuwandern.
Diese sogen. Freizügigkeit wurde jedoch unter Boris Godunow am Juriewstag 1592 aufgehoben, indem die Bauern seit dieser Zeit
an den Boden geheftet wurden, welchen sie zu dem gedachten Zeitpunkt bebaut hatten. Unter Peter d. Gr. wurde sodann die persönliche
Leibeigenschaft aller Bauern zum Gesetz erhoben, dem Grundadel ein freies Verfügungsrecht über seine Bauern eingeräumt, aber auch umgekehrt
die Verpflichtung zum Unterhalt und zur Ernährung der Leibeignen im Fall eignen Unvermögens auferlegt.
Der ursprüngliche patriarchalische Charakter blieb der Leibeigenschaft; das Verhältnis des Leibeignen zu seinem Herrn (bárin), welchen
er »Väterchen« anredete, war kein knechtisches, bis
sich dies mit der neurussischen, modernisierenden Richtung
allmählich änderte. Der russische Adel, welcher nach moderner
Sitte strebte und von Ausländern erzogen wurde, lebte größtenteils in Petersburg
[* 51] oder im Ausland und wurde so seinen Bauern
entfremdet. Die Güter desselben wurden durch dritte Personen, meist durch Deutsche,
[* 52] verwaltet, welche
sich den Leibeignen gegenüber manche Willkürlichkeiten erlaubten.
Dazu kam, daß mit der größern Entwickelung der Industrie zahlreiche Leibeigne, natürlich nur mit Zustimmung ihres Gutsherrn,
sich gewerblicher Beschäftigung hingaben. Es ward nämlich den Leibeignen gegen eine jährliche Abgabe (obrók) gestattet,
sich den Lebensunterhalt außerhalb des Gutes zu verdienen, und da die »Seelenbesitzer«
auf diese Weise ihr »Menschenkapital« besser ausnutzen konnten, war namentlich
die Vermietung von Leibeignen an Fabrikunternehmer an der Tagesordnung. Es kam aber auch vor, daß reiche Kapitalisten, Bankiers,
wissenschaftlich gebildete Männer, sogar Künstler leibeigen waren.
Der Leibeigne, der nur noch bei der Gemeinde »angeschrieben«, nicht mehr mit ihr verwachsen
war, stand alsdann in einem rein persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Herrn, dessen Willkür er preisgegeben war,
wenn auch KaiserNikolaus für jeden Kreis einen Adelsmarschall bestellt hatte, welcher die Leibeignen schützen sollte. Die
Beseitigung dieser mit dem modernen Staats- und Völkerleben unvereinbaren Zustände wurde schon von Alexander I.
in Aussicht genommen; aber nur in den Ostseeprovinzen, woselbst die Leibeigenschaft überhaupt mildere Formen angenommen hatte, gelang deren
Abschaffung (1817). KaiserNikolaus erließ dann verschiedene Ukase, durch welche die materielle Lage der Leibeignen dadurch,
daß ihnen das Recht zum selbständigen Vermögenserwerb eingeräumt ward, verbessert werden sollte.
Das große Emanzipationswerk selbst wurde aber erst unter Alexander II. vollbracht. Zunächst ward nämlich
dem Adel durch Ukas vom der kaiserliche Wunsch kundgegeben, er möge darüber beraten, »wie die Lage der Bauern gegenüber
den Eigentümern der adligen Güter durch genaue Bestimmung ihrer wechselseitigen Verpflichtungen und Beziehungen zu verbessern
und zu sichern sei«. Freilich folgte der altrussische Adel diesem Ruf nur langsam und zögernd; doch schon 1858 trat
ein »großes Leibeigenschaftskomitee« von zwölf Mitgliedern unter dem
Vorsitz des Kaisers selbst zusammen, welchem dann in den einzelnen Gouvernements besondere Komitees unterstellt wurden, welche
die Emanzipation der Leibeignen vorzubereiten hatten.
Nachdem dann die Krone selbst mit der Emanzipation der Kronbauern vorausgegangen war, wurde das Emanzipationsgesetz
vom erlassen, welches die Aufhebung der Leibeigenschaft für den ganzen Umfang des russischen Reichs auf den feststellte.
Dieses weise Gesetz erteilte den russischen Leibeignen die persönliche Freiheit, behielt aber die bisherigen Gemeindeverhältnisse,
namentlich den Gemeindebesitz, bei, um die Bauern allmählich erst an die Freiheit zu gewöhnen.
Den Gemeinden wurde den Gutsherren gegenüber die Verpflichtung auferlegt, ihre Mark von diesen entweder eigentümlich zu erwerben,
oder in Erbpacht zu nehmen, indem die Gemeinde als solche für die dem Herrn dagegen zu entrichtenden Leistungen an Geld
oder Arbeit einzustehen hatte (sogen. Gemeinbürgschaft). Übrigens stand der Staat dabei den Gemeinden durch die Gewährung
von Vorschüssen helfend zur Seite. Diese »Loskaufsoperation« ist inzwischen
wesentlich gefördert, aber noch nicht allenthalben und vollständig zum Abschluß gediehen. Auch
¶
mehr
die Umwandlung des Gemeindebesitzes in Einzelbesitz ist angebahnt. War nämlich die Beibehaltung des Gemeindebesitzes für
das Stadium des Übergangs dringend geboten, so ist derselbe gleichwohl mit einer gesunden Entwickelung eines freien Bauernstandes
unvereinbar. Freilich hatten sich gegen die Einführung des Einzelbesitzes an Stelle des Gemeindebesitzes zahlreiche Stimmen
erhoben, namentlich die der sogen. Slawophilen und der russischen Sozialdemokraten, und diese Kontroverse
hat geradezu eine besondere Litteratur hervorgerufen. Es hat jedoch die vermittelnde Ansicht derer, welche eine allmähliche
Beseitigung des Gemeindebesitzes durch Übergangsbestimmungen befürworteten, sich mehr und mehr Geltung verschafft, indem
sie auch zur praktischen Verwirklichung gelangte.
Vgl. Kindlinger, Die Geschichte der Hörigkeit, insbesondere
der sogen. Leibeigenschaft (Berl. 1819);
J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer (3. Ausg., Götting. 1881);
Sugenheim, Geschichte der Aufhebung
der Leibeigenschaft in Europa bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts (Petersb. 1861);
(Coeloma), derjenige Hohlraum im Körper der meisten Tiere, welcher den Darmkanal und seine Anhänge (Leber
etc.) sowie die andern Eingeweide
[* 55] umschließt, daher von der Darmhöhle wohl zu unterscheiden ist. Sie enthält eine Flüssigkeit,
die entweder echtes Blut oder Blut mit Lymphe (sogen. Hämolymphe) ist und bei manchen Tieren in besondern
Adern, bei andern jedoch nur in den zwischen den Eingeweiden bleibenden Lücken zirkuliert. In der Embryonalzeit ist sie zuerst
häufig sehr umfangreich, engt sich jedoch bei der weitern Entwickelung stark ein und verschwindet auch wohl aus gewissen
Körperteilen (z. B. aus dem Kopf) gänzlich.
Bei den höhern Wirbeltieren, die ein Zwerchfell besitzen, zerfällt sie durch dieses in die Brust- und die Bauchhöhle und wird
dann als Pleuro-Peritonealhöhle bezeichnet. Ausgekleidet ist sie bei diesen mit einer besondern Haut,
[* 56] welche außer ihren
Wandungen auch noch die in ihr gelegenen Organe überzieht und Brust-, resp. Bauchfell (Pleura, resp. Peritoneum)
heißt. In vielen Fällen hat sie nach außen eine oder mehrere Öffnungen, durch welche die in ihr enthaltenen Geschlechtsstoffe
etc. entleert werden können oder auch (bei manchen Wassertieren) Wasser aufgenommen wird, das alsdann zur Schwellung des
Körpers oder einzelner Teile desselben dient.
(Leibgut,
Leibrente, Leibzucht, Contractus vitalitius), im allgemeinen eine für das Leben eines Menschen
bedungene Nutznießung; bei dem Landvolk besonders (dotalitium) das der Ehefrau von dem Ehemann angewiesene
Grundvermögen, welches sie nach seinem Tod zum lebenslänglichen Genuß haben soll (s. Güterrecht der Ehegatten). Im Gegensatz
zu dem Wittum, dem nur für die Zeit des Witwenstandes eingeräumten Nießbrauchsrechts, ist das auf die Lebenszeit angewiesen.
Auch bei Gutsabtretungen unter Lebenden pflegen sich Gutsübergeber ein Leibgedinge (Auszug, Altenteil, Altvaterrecht)
vorzubehalten, bestehend in einer lebenslänglichen Versorgung, zu welcher sich der Gutsübernehmer verpflichtet, und die
auf dem Gut haftet.
Der Oberst eines Landsknechtregiments hatte einen Stab,
[* 59] der ihn in der Ausübung seiner Kommandogeschäfte
unterstützen und gegen seine oft sehr übermütigen Untergebenen schützen sollte. Letztere Aufgabe fiel insbesondere den
Trabanten (Leibtrabanten) beim Stab zu, aus denen später die Leibkompanien hervorgingen, deren Chef (im 16. und 17. Jahrh.)
der Regimentsinhaber wurde. Dieser bezog auch die Einkünfte dieser Stelle, wurde aber im Dienst vom Kapitänleutnant, der
deshalb auch Stabskapitän (seine Kompanie Stabskompanie) hieß, vertreten.
Marktflecken in Steiermark,
[* 60] am Zusammenfluß der Sulm und Laßnitz und an der Südbahn, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft
und eines Bezirksgerichts, mit Fabrikation von Zündwaren, Ackerbaugerätschaften, Dampfmühle, Essigfabrik, Weinbau, Geflügelzucht
und (1880) 2241 Einw. Auf einem nahen Berg das SchloßSeckau mit verschiedenen Sammlungen.
Die Umgegend ist das durch zahlreiche
altrömische Funde bekannt gewordene Leibnitzer Feld.
Abhandlungen: »Specimen difficultatis in jure« (1664),
»De conditionibus« (1665) und »De arte combinatoria« (1666), wurde aber
mit seiner Bewerbung um die juristische Doktorwürde von der Universität seiner Vaterstadt seiner Jugend wegen zurückgewiesen,
weshalb er Leipzig für immer verließ. Nachdem er noch in demselben Jahr mit der Abhandlung »De casibus perplexis
in jure« zu Altdorf promoviert hatte, schloß er sich 1667 dem kurmainzischen MinisterBaron J. Chr. ^[JohannChristian] v. Boyneburg
an, für welchen er mehrere publizistische Schriften ausarbeitete, unter andern 1669 bei Boyneburgs Gesandtschaft nach Polen
das »Specimen demonstrationum politicarum pro rege Polonorum eligendo«, dann das »Bedenken,
welchergestalt securitas publica interna et externa und status praesens im Reich auf festen Fuß zu stellen«
und das »Consilium aegyptiacum«, welches Ludwigs XIV.
Dieselbe brachte ihm solchen Ruhm, daß die PariserAkademie ihn als ihren Pensionär aufnehmen wollte, wenn
er zur katholischen Kirche überträte, wozu er sich aber nicht zu entschließen vermochte. 1676 trat er als Bibliothekar
und Historiograph in hannöversche Dienste,
[* 68] verfaßte im Auftrag und Interesse des braunschweigischen Hauses die Schrift »Caesarini
Fuerstenerii de jure suprematus ac legationis principum Germaniae« (1677),
sammelte Material zur Geschichte
des Hauses, zu welchem Zweck er 1687 Wien
[* 69] und Italien besuchte, und arbeitete die Werke: »Codex juris gentium diplomaticus« (Hannov.
1693-1700, 2 Bde.),
»Accessiones historicae« (Leipz. u. Hannov.
1698-1700, 2 Bde.),
»Scriptores rerum Brunsvicensium illustrationi inservientes« (das. 1707-11, 3 Bde.),
»Disquisitio de origine Francorum« (Hannov. 1715) und die »Annales
imperii occidentis Brunsvicenses« (das. 1843-45, 2 Bde.)
aus, welch letztere damals ungedruckt blieben und erst lange nach seinem Tod von Pertz aus Leibniz' Handschriften herausgegeben wurden.
Zu gleicher Zeit benutzte Leibniz seine durch die Jesuiten bis nach China
[* 70] reichenden Verbindungen zu etymologischen Forschungen,
denen wir die »Collectanea etymologica« (Hannov. 1717) verdanken. Bis 1694 korrespondierte
er unter Vermittelung des katholisch gewordenen LandgrafenErnst von Hessen-Rheinfels fruchtlos mit Pélisson und Bossuet über
eine Vereinigung der protestantischen und katholischen Kirche und verfaßte zu diesem Zweck das konziliatorische »Systema theologicum«
(Par. 1819; deutsch von Räß und Weis, Mainz
[* 71] 1820),
Leibniz' schriftstellerische Thätigkeit äußerte sich meist gelegentlich in Briefen und kurzen Aufsätzen,
die sich in den Zeitschriften: »Acta Eruditorum«, »Miscellanea Berolinensia«, »Journal des Savants« sowie in den Briefsammlungen
von Kortholt (Leipz. 1734-1742, 4 Bde.),
dem »Briefwechsel
mit dem Minister v. Bernstorff« (hrsg. von Döbner, Hannov. 1882) und
in weitern Veröffentlichungen von Distel, Gerland u. a. finden. Zu seinen philosophischen Hauptwerken gehören die »Monadologie«,
der im Auftrag der philosophischen KöniginSophieCharlotte von Preußen geschriebene »Essai de Théodicée
sur la bonté de Dieu, la liberté de l'homme et l'origine du mal« (zuerst Amsterd. 1710, 2 Bde.;
hrsg. von Jaucourt, das. 1747, 2 Bde.;
von Erdmann, Berl. 1840, 2 Bde.; lat.,
Tübing. 1771; deutsch, Mainz 1820, und von Habs, Leipz. 1884) und »Nouveaux
essais sur l'entendement humain« (deutsch von Schaarschmidt, das. 1874), eine in Form
eines Dialogs durchgeführte Prüfung und versuchte Berichtigung des Lockeschen Werkes über das Erkenntnisvermögen, welche
erst nach Leibniz' Tod bekannt wurde und den wichtigsten Teil der von Raspe herausgegebenen »Œuvres philosophiques de feu M. de
Leibniz« (Amsterd. u. Leipz.
1765) ausmacht.