Bürgerschulwesen, gegründet zu
Meißen
[* 2] 1845, tagte seitdem jährlich in den Herbstferien. Im
Sommer 1848 erging von
Dresden
[* 3] aus die
Aufforderung an alle deutschen
Lehrer und Jugenderzieher (gleichviel, ob sie »dem
Knaben das
ABC aufschlössen oder den
Jüngling in die heiligen
Hallen der
Wissenschaft einführten, ob sie an den erschienenenoder an einen künftigen
Messias glaubten« etc.) zur
Bildung eines Allgemeinen
Deutschen Lehrervereins. Derselbe kam im
Herbst 1848 zu
Eisenach
[* 4] zu stande
und gewann durch seine Verbreitung und seine feste
Gliederung in
Landes- und Bezirksvereine anfangs großen Einfluß, beschränkte
sich aber von vornherein fast ausschließlich auf die
Kreise
[* 5] der
Volksschule und verfiel, je mehr mit dem
Umsichgreifen der
Reaktion ihm die Ungunst der
Regierungen entgegentrat.
Doch sind die Versammlungen des
Vereins, deren Besuchsziffer einigemal bis gegen 5000 stieg, ziemlich regelmäßig abgehalten
worden, seit 1876 abwechselnd mit einem Delegiertentag des deutschen und des preußischen Landeslehrervereins. Im J. 1887 tagte
die 27. Lehrerversammlung in Gotha.
[* 6] Daneben hat sich inzwischen eine Anzahl ähnlicher Versammlungen
von besonderer
Richtung aufgethan, wie z. B. der deutsche evangelische Schulkongreß, dessen 4. Versammlung 1886 in
Hannover
[* 7] stattfand. Der
Verein für das höhere Mädchenschulwesen hielt seine 10. Hauptversammlung 1886 in
Berlin,
[* 8] der 9. deutsche
Seminarlehrertag tagte 1887 in
Nürnberg,
[* 9] die 39. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in
Zürich
[* 10] 1887.
Vgl. Weinlein, Geschichte der allgemeinen deutschen Lehrerversammlung (Leipz. 1887).
die äußere Art und
Weise, in welcher der
Lehrer dem
Schüler Kenntnisse und Geschicklichkeiten beizubringen
sucht. Es kann dies durch Vorzeigen von Gegenständen oder Abbildungen, durch Vormachen von Thätigkeiten, namentlich aber
durch
Vortrag oder durch Unterredung geschehen. Man unterscheidet demgemäß wohl deiktische (zeigende),
akroamatische (vortragende) und dialogische oder erotematische (fragende) Lehrform. Während die deiktische auf der
untersten
Stufe des
Unterrichts
(Stufe der
Anschauung) vorherrscht, ist die erotematische vorzugsweise für das weitere Schulleben
geeignet, indem
sie denSchüler zur eignen geistigen Thätigkeit anregt und, richtig gehandhabt, anleitet,
neue Erkenntnisse aus gewonnenen
Anschauungen zu finden (heuristische Lehrform); die akroamatische Lehrform tritt auf der höchsten
Stufe
des
Unterrichts bereits erwachsener Zöglinge in den
Vordergrund.
Doch wird auf keiner
Stufe eine der genannten Lehrformen ausschließlich zur Geltung kommen oder eine derselben ganz übersehen
werden dürfen.
Schon dem
Kind muß erzählt, also vorgetragen, und durch
Fragen Anleitung zum Nachdenken
gegeben werden, und selbst auf der akademischen
Stufe macht sich das
Bedürfnis der
Demonstrationen einer- und der Konversatorien,
Disputatorien, Repetitorien etc. anderseits, wenn auch in den einzelnen
Wissenschaften verschieden nach Art und
Grad, immer
wieder geltend. Auf der richtigen Verwendung und
Verbindung dieser Lehrformen je nach der
Beschaffenheit
des Lehrgegenstandes und des Zöglings beruht zum großen Teil der Erfolg des
Unterrichts; sie ist ein wesentlicher Teil der
guten Unterrichtsmethode (s.
Methode).
im weitern
Sinn überhaupt die unbeschränkte geistige Mitteilung, also auch die
Preßfreiheit (s. d.)
umfassend, im engern
Sinn das
Recht öffentlicher
Lehrer, einschließlich der
Geistlichen, ihre Überzeugungen
nach eignem Ermessen vorzutragen. Die
Idee der ist eine durchaus moderne
und hat sich mit einiger
Klarheit erst herausbilden
können, seit durch die
Reformation der
Staat als ein sittlich gleichberechtigtes Gemeinwesen neben der
Kirche anerkannt ward.
Weder die heidnischen und theokratischen
Staaten des
Altertums noch der christliche
Staat des
Mittelalters
vermochten ihrem
Wesen nach eigentliche Lehrfreiheit zu gewähren, wenn auch thatsächlich namentlich im
Altertum oft weitgehende Duldung
geübt worden ist. Das spätere
römische Recht unterschied zwischen
Religiones licitae und illicitae; als
Religio illicita
wurde das
Christentum verfolgt. Aus dem
Kreis
[* 11] der Verfolgten wurden öfters
Stimmen laut, welche
Glaubens-
und Bekenntnisfreiheit forderten.
Auch ein so groß angelegter
Geist wie
Augustinus rechtfertigte die Anwendung des
Zwanges mit dem mißdeuteten
Befehl des
Evangeliums:
»Compelle
(coge) intrare«
(Luk. 14, 23:. »Nötige sie,
einzutreten!«). Das spätere
Mittelalter hatte in der korporativen Selbständigkeit der
Universitäten einen gewissen
Ersatz
der Lehrfreiheit. Allein die scholastische Weltansicht galt auch diesen wie der gesamten
Kirche als unverbrüchliches
Gesetz, dessen
Verletzung
oft durch die härtesten Maßregeln geahndet wurde.
Wie wenig noch heute dort die Lehrfreiheit selbst in rein weltlichen
Wissenschaften anerkannt wird, lehren die bekannte
Encyklika und
der
SyllabusPius' IX., vor allem aber die vatikanischen Beschlüsse von 1870. Das neuere
Staatsrecht seit
HugoGrotius und
Samuel v.
Pufendorf stellt sich, selbst in den meisten katholischen
Staaten, wesentlich anders in Hinsicht der
Lehrfreiheit. Zwar kann kein
Staat eine unbedingte Lehrfreiheit gewähren, unter deren
Schutz die sittliche und rechtliche Grundlage seines eignen
Bestandes in
Frage gestellt oder gehässiger Zwiespalt in seinem Innern
¶
mehr
mutwillig geschürt werden dürfte. Aber das moderne Rechtsgefühl fordert, daß die Lehrfreiheit als das eigentlich
Gesunde angesehen und eine Beschränkung nur zugelassen werde, wo die Selbsterhaltung sie dem Staat gebietet. Zu dieser Auffassung
drängte die auf protestantischer, namentlich reformierter, Seite immer allgemeiner anerkannte Parität mehrerer Bekenntnisse
in einem und demselben Staat, welche seit Friedrich d. Gr., der Gründung der nordamerikanischen Union und
der französischen Revolution in die Anerkennung allgemeiner Glaubensfreiheit (s. d.) überging, und das mächtige Anwachsen
einer vom kirchlichen und selbst vom christlichen und religiösen Bekenntnis überhaupt mehr oder weniger unabhängigen weltlichen
Wissenschaft.
Mit vielen andern empfand Kant den Druck der Wöllnerschen Zwangsmaßregeln unter FriedrichWilhelm II. Bekannt ist ferner der
Fichte-Forbergsche Atheismusstreit, welcher den erstern, freilich nicht ohne Schuld seines herausfordernden
Auftretens, von Jena
[* 22] nach Berlin vertrieb. Verhängnisvoll waren in unserm Jahrhundert auch für die Lehrfreiheit die Karlsbader Beschlüsse
(1819), denen in Frankreich das Verbot der geschichtlichen VorträgeGuizots und der philosophischen Cousins unter Karl X. zur
Seite ging. Das Jahr 1848 sprengte die Fesseln, die noch kurz zuvor in Leipzig gegen Biedermanns staatsrechtliche,
in Berlin gegen Prutz' litterargeschichtliche, in Tübingen
[* 23] gegen Vischers philosophische Vorträge straffer angezogen waren.
Einzelne Nachklänge, wie die Entfernung des Theologen M. Baumgarten von seinem Rostocker Lehrstuhl, folgten noch nach 1850. -
Schwieriger stellt sich die Frage nach der Lehrfreiheit innerhalb einer einzelnen, auf ein bestimmtes Bekenntnis
begründeten kirchlichen Gemeinschaft.
Von den Geistlichen der Staatskirche muß und darf der Staat gewissenhafte Wahrung der staatlichen Interessen
verlangen (vgl. die preußischen und deutschen Kirchengesetze der letzten Jahre). Daneben muß er der kirchlichen Forderung
Rechnung tragen, daß die Grundlagen des Bekenntnisses nicht angetastet werden dürfen, zugleich aber darüber wachen, daß
nicht eine Partei innerhalb der Kirche die Macht des Staats zur Durchführung ihrer herrschsüchtigen Pläne
und zur Unterdrückung einer an sich gleichberechtigten Minorität mißbrauche. In diesem Sinn hielten sich die Staaten des DeutschenReichs, der Schweiz u. a. verpflichtet, die sogen. altkatholischen Geistlichen und Lehrer, welche sich den vatikanischen Beschlüssen
nicht unterworfen haben, im Genuß ihrer staatlich verbürgten Rechte zu schützen.
Ein schwieriges Kapitel des öffentlichen Rechts wird das von der immer bleiben, und völliges Einvernehmen über ihre richtige
Handhabung ist unter streitenden Parteien kaum denkbar. Im ganzen ist aber in Deutschland und namentlich auch in Preußen unter
den Kultusministern Falk und v. Goßler an die Stelle des früher verbreiteten Mißtrauens die Überzeugung
getreten, daß man es an leitender Stelle mit der Aufrechterhaltung einer vernünftigen Lehrfreiheit ernst meint.
(Donum docendi) galt früher als eine besondere Anlage (Gnadengabe, Charisma, vgl. 1. Korinth.
[* 27] 12, 7 ff.), von
deren Vorhandensein der Erfolg des Unterrichts und der Erziehung abhängig gedacht wurde.
Wenn auch die
neuere Pädagogik das Lehren
[* 28] als eine Kunst betrachtet, die nach wissenschaftlichen Regeln studiert und erlernt werden kann,
so bleibt doch das in der ältern Ansicht unbestreitbar, daß mannigfaltige körperliche und seelische Voraussetzungen das
Lehrgeschäft wesentlich mit bedingen.
die Ordnung, in welcher der einem bestimmten Gebiet angehörige Unterrichtsstoff an den
Schüler herangebracht wird. Es ist von hoher Bedeutung, den richtigen Stufengang für jeden Unterricht zu ermitteln, und der
Lehrer muß zu diesem Zweck neben der Natur des Gegenstandes auch die Fassungskraft und die Eigentümlichkeit des Zöglings oder
der Zöglinge berücksichtigen. Er wird finden, daß der praktische auf den es im Unterricht ankommt,
keineswegs immer mit der theoretisch folgerichtigen (synthetischen oder systematischen) Ordnung zusammenfällt. Vgl. Methode.
Auch Lehrbücher, z. B. Grammatiken, die statt der systematischen Ordnung eine auf das Bedürfnis des Unterrichts berechnete
Abstufung zu Grunde legen, werden gern mit dem Titel Lehrgang oder »Praktischer Lehrgang« bezeichnet.
(didaktische Poesie), angeblich eine besondere Gattung der Poesie, deren Berechtigung als solche mit Recht
bestritten wird. Der wahre Zweck der Poesie kann nur diese selbst sein; soll das Wesen eines Gedichts und seine eigentliche
Absicht in Belehrung liegen, so wird das Werk zu einem Erzeugnis der bloßen Reflexion,
[* 29] das von der Poesie
nur die äußern Formen leiht. Das ist zu unterscheiden von dem lehrreichen Gedicht, welches didaktisch heißt, aber lyrisch
ist, weil es aus Stimmung, nicht aus Reflexion entspringt und daher zwar lehrt, aber ohne es zu wollen. Das Lehrgedicht gehört daher
nicht zur schönen, sondern, sofern es das Wahre sinnlich darstellt, zur symbolischen, sofern es das
Gute versinnlicht, zur moralischen, sofern es ein lediglich Nützliches in schöne Form einkleidet, zur verschönernden
Kunst. Der ersten Art gehört der Natur- und Geschichtsmythus,
¶
Die Beibehaltung desselben neben der Wissenschaft kündigt den Verfall der Poesie oder wenigstens deren Mangel bei den »Poeten«
an, den auch die prunkvollste Rhetorik nicht zu verhüllen vermag. Dies zeigen in der Geschichte der römischen
Poesie des Lukrez übrigens höchst geistvolle poetische Darstellung des Epikureischen Systems in dem Gedicht »De rerum natura«,
die »Georgica« des Vergil, die fast allen spätern didaktischen Dichtern zum Muster gedient haben, Ovids »Ars amandi« und des
Horaz »Ars poetica«.
Unter den neuern Völkern ward das Lehrgedicht besonders bei den Franzosen gepflegt von Racine, Boileau, Dorat, Lacombe,
Delille. Die namhaftesten englischen hierher gehörigen Dichter sind:Davies, Dyer, Akenside, Dryden, Pope, Young, ErasmusDarwin.
Auch in Deutschland fand die didaktische Poesie schon früh eine günstige Aufnahme, da sie dem ernsten, kontemplativen Charakter
der Nation besonders zusagte. Bereits zu Ende des 12. Jahrh. und namentlich im 13. kommen
mehrere Gedichte mit bestimmter didaktischer Tendenz, wenngleich keine eigentlichen Lehrgedichte im engern Sinn, vor, unter
welchen sich besonders Freidanks »Bescheidenheit« vorteilhaft auszeichnet.
Auch die Zeit der Meistersänger war dieser Gattung günstig, noch mehr aber das 15. Jahrh., in welchem
SebastianBrantundThomasMurner die didaktische Satire mit Talent und Erfolg behandelten. Noch mehr beschäftigte man sich mit
der didaktischen Poesie im folgenden Jahrhundert, wo auch das eigentliche Lehrgedicht, obwohl nur in unbedeutenden Versuchen, unter welchen
die des Bartholomäus Ringwald als die gelungensten zu betrachten sind, zuerst auf deutschem Boden aufsproßte.
[* 30] diejenigen Baugerüste, welche zur Unterstützung auszuführender Gewölbe
[* 31] von verschiedener Form und
Stärke
[* 32] dienen. Je nach der Form der Gewölbe (s. d.) sind sie halbkreisförmig, segmentbogenförmig,
spitzbogenförmig etc. und je nach der aufzunehmenden Last schwächer oder stärker konstruiert. Im Hochbau, worin sie gewöhnlich
nur zur Unterstützung von Kellergewölben, Ganggewölben und einzelnen gewölbten Bogen
[* 33] dienen, werden sie meist nur aus
einzelnen Bohlenbogen hergestellt, welche durch Latten oder Schalbord verbunden werden.
Bei kompliziertern, z. B. Kreuzgewölben, werden außerdem Diagonalbogen
eingeschaltet, an welche sich die geraden Lehrbogenrippen anschließen. Im Brückenbau, worin die schwersten Gewölbe zu unterstützen
sind, unterscheidet man die stehenden Lehrgerüste (Fig. 1), welche auf senkrechten Pfosten
ruhen und den zu überbrückenden Raum verschließen, die gesprengten Lehrgerüste (Fig. 2), welche aus Sprengwerken bestehen, und die
Lehrgerüste mit Fachwerkträgern
[* 30]
(Fig. 3), welche beiden letztern den
zu überbrückenden Raum, z. B. des Land- oder Schiffahrtverkehrs wegen, freilassen.
Jedes Lehrgerüst besteht aus dem das Gewölbe unmittelbar unterstützenden Obergerüst oder Lehrbogen, dessen Untergerüst
und mehreren beweglichen, zwischen beiden eingeschalteten sogen. Ausrüstungsvorrichtungen (aa
in
[* 30]
Fig. 1, 2 und 3), z. B. Keilen, Schraubensätzen, exzentrischen Scheiben, entleerbaren Sandsäcken, welche
zum Senken des Lehrbogens nach dem Schluß des Gewölbes dienen. Der Lehrbogen besteht wieder aus den seine Peripherie bildenden
Kranzhölzern, welche unter sich durch eine mehr oder minder einfache, meist aus Streben, Hängesäulen und Zangen bestehende
Versteifungskonstruktion verbunden sind. Die einzelnen Tragrippen des Lehrgerüstes werden je nach ihrer
Entfernung durch starke Bohlen, durch leichtere oder schwerere Balken, welche die zwischen ihnen befindlichen Teile des Gewölbes
zu unterstützen haben, verbunden. Sobald das Gewölbe
[* 30]
^[Abb.: Fig. 3. Lehrgerüst mit Fachwerkträgern.]
¶
mehr
vollendet ist und die Ausrüstung stattgefunden hat, werden jene Unterstützungen entlastet und können samt den übrigen
Teilen des Lehrgerüstes entfernt werden.
Lehrlingswesen. Lehrlinge sind junge Leute, welche sich für einen bestimmten Beruf die zu demselben nötigen
elementaren Kenntnisse und Fertigkeiten während einer Lehrzeit erwerben wollen und zu diesem Zweck mit
einem Lehrherrn in ein Vertragsverhältnis (Lehrvertrag) treten. In dem Lehrvertrag verpflichtet sich der Lehrherr zu ordentlicher
Ausbildung des Lehrlings, der Lehrling zu Arbeitsleistungen für den Lehrherrn. Im übrigen können Leistungen und Gegenleistungen
des Lehrlings und Lehrherrn vertragsmäßig sehr verschieden bestimmt sein. Zu den Berufszweigen, welche noch heutzutage
eine solche Ausbildung erfordern, gehören besonders der kaufmännische Beruf, der höhere landwirtschaftliche
Beruf und der gewerbliche Beruf im engern Sinn.
Eine besondere Regelung des Lehrlingswesens ist namentlich geboten für die gewerblichen Lehrlinge. Von dem guten Zustand
des Lehrlingswesens, d. h. von der ordentlichen gewerblichen und moralischen Ausbildung der Lehrlinge, hängt hier nicht nur
die Zukunft der Lehrlinge, sondern auch der Zustand des Gewerbewesens in einem Land ab. Die für diese Lehrlinge notwendige
gewerbliche Ausbildung ist teils eine theoretische, teils eine praktisch-technische. Jene ist in gewerblichen Fachschulen,
diese in der Werkstätte (Fabrik) zu geben.
Wichtiger aber als die theoretische Ausbildung ist die gute praktisch-technische Ausbildung der Lehrlinge. Soll sie herbeigeführt
werden, so darf man sie, wie die Erfahrung vieler Länder, auch in Deutschland, in unserm Jahrhundert gezeigt hat, nicht lediglich
dem freien Vertrag und der Willkür der Einzelnen überlassen, sondern es muß die Sorge für dieselbe
ebenfalls zur Aufgabe der öffentlichen Gewalt und zu einer korporativen Angelegenheit der Gewerbtreibenden gemacht werden.
Es bedarf hier zunächst obrigkeitlicher Maßregeln teils der Gesetzgebung, teils der Verwaltung.
Zu den wichtigsten, unentbehrlichen gesetzlichen Vorschriften gehören:
1) das Erfordernis der rechtlichen Unbescholtenheit des Lehrherrn;
2) die obligatorische schriftliche Abfassung und Registrierung der Lehrverträge sowie die Aufstellung
von Normativbestimmungen, welche für den Fall, daß die schriftliche Abfassung der Lehrverträge in unzureichender Form stattgefunden
hat, ergänzend in Kraft
[* 35] treten;
3) die Bestimmung der wesentlichen Erfordernisse des Lehrvertrags und die Regelung des Rechts der Beteiligten, denselben allenfalls
vor Ablauf
[* 36] der vertragsmäßigen Zeit aufzuheben;
4) die Festsetzung von Strafen beim Lehrvertragsbruch gegen Thäter, Anstifter, Teilnehmer und Begünstiger, insbesondere auch
gegen denjenigen, welcher einen Lehrling, wissend, daß er entlaufen ist, in Lehre
[* 37] oder Arbeit nimmt oder behält;
5) ausreichende Schutzbestimmungen gegen eine mißbräuchliche (die Gesundheit, Sittlichkeit, Ausbildung gefährdende) Beschäftigung
der Lehrlinge;
6) eine gesetzliche Probezeit;
7) die Möglichkeit, den Fortbildungs- oder Fachunterricht für Lehrlinge obligatorisch zu machen;
8) die Verpflichtung zur Erteilung eines amtlich zu beglaubigenden Lehrbriefs (Zeugnisses über die Dauer der Lehrzeit,
über Betragen, Kenntnisse und Fertigkeiten des Lehrlings);
10) die zweckmäßige Regelung des Innungswesens (s. Innungen). Die Verwaltung aber muß sorgen für besondere
obrigkeitliche Organe, welche überall, wo das Bedürfnis vorhanden ist, örtlich für die einzelnen Gewerbe die wesentlichen
Bestimmungen der Lehrverträge erlassen, die Beschäftigung und Ausbildung der Lehrlinge überwachen, für die Durchführung
der Lehrverträge sorgen und etwanige Streitigkeiten entscheiden. Die Innungen als solche sind hierfür
nicht die ausreichenden Organe; dieselben müssen aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern und einem von der Regierung ernannten
Vorsitzenden zusammengesetzt sein.
Indes wenn auch die Vertretung der Staatsgewalt in ihnen unentbehrlich ist, müssen diese Organe doch in ihrer Einrichtung und
Wirksamkeit mehr den Charakter von Organen der Selbstverwaltung erhalten. Unter Umständen muß die Staatsgewalt
auch für die Errichtung von Lehrwerkstätten (s. d.) sorgen. Aber alle diese obrigkeitlichen Maßregeln
können nur dann ihren Endzweck erreichen, wenn sie unterstützt werden durch eine energische, gemeinnützige Thätigkeit
der Gewerbtreibenden selbst, wenn insbesondere Innungen und Gewerbevereine bestehen und für eine gute Ausbildung der Lehrlinge
mit sorgen.
Sie haben vor allem darüber zu wachen, daß die Lehrherren ihre moralischen Pflichten gegen ihre Lehrlinge erfüllen und
bestrebt sind, dieselben zu geschickten, tüchtigen Gesellen und zu braven, auf gewerbliche Ehre und Moral haltenden, von Gemeinsinn
getragenen Gemeinde- und Staatsbürgern heranzubilden; sie müssen besondere Kommissionen zur Unterbringung von
Lehrlingen bei geeigneten Lehrherren, zur Beaufsichtigung der von ihnen untergebrachten Lehrlinge und Arbeitsvermittelung
für dieselben nach beendigter Lehrzeit etc. einsetzen, Lehrlingsprüfungen, Ausstellungen von Lehrlingsarbeiten mit Prämien
veranstalten, Fachschulen für Lehrlinge errichten und leiten, unter Umständen Lehrwerkstätten gründen etc.
In keinem Staat entspricht die Fürsorge für das Lehrlingswesen den vorstehenden Anforderungen, nirgends
ist daher auch der Zustand desselben ein befriedigender. In Deutschland und ebenso in Österreich
[* 38] ist man in neuerer Zeit bestrebt,
eine Besserung herbeizuführen. In Deutschland ist eine (freilich noch nicht ausreichende) Verbesserung der Gesetzgebung durch
die Gewerbeordnungsnovelle vom (§ 126-133 der Gewerbeordnung) und durch das Innungsgesetz
vom (ergänzt durch Gesetz vom erfolgt.
Durch das Gesetz von 1878 wurde insbesondere eine gesetzliche Probezeit von vier Wochen eingeführt (§ 128) und ein Schutz
gegen den Bruch schriftlicher Lehrverträge gewährt (§ 130, 133). Über das Innungsgesetz s. Innungen. In Österreich ist
eine viel weiter gehende Bestimmungen enthaltende Änderung der Gesetzgebung durch die Gesetze vom und
vom bewirkt worden. In Frankreich hatte die Gesetzgebung von 1791 jede Regelung des Lehrlingswesens beseitigt. Aber
schon ein Gesetz vom 22. Germinal XI schränkte die unbedingte Freiheit ein, insofern durch dasselbe bestimmt
¶
mehr
wurde, in welchen Fällen allein der Lehrvertrag von der einen oder andern Seite aufgelöst werden dürfe, ferner, daß der
Meister dem Lehrling nach Beendigung der Lehrzeit ein Entlassungszeugnis zu geben habe und kein Meister den Lehrling eines
andern ohne ein Entlassungszeugnis annehmen dürfe. Eine weitere eingehende Regelung erfolgte durch das
Gesetz vom Es machte nicht die Schriftlichkeit des Lehrvertrags obligatorisch, erschwerte aber den Beweis nur mündlich
abgeschlossener Verträge.
Dagegen verbot es unter anderm gewissen Personen, Lehrlinge zu halten, setzte eine Maximalarbeitszeit für Lehrlinge unter 16 Jahren
fest, verbot für diese die Sonntags- und Nachtarbeit, regelte die Rechte und Pflichten beider Teile, führte
eine Probezeit von zwei Monaten ein, bestimmte neu die Fälle, in denen der Lehrvertrag teils ipso jure aufgelöst sei, teils
einseitig aufgelöst werden könne, machte Arbeitgeber, die Lehrlinge ihrem Meister abwendig machen, um sie zu beschäftigen,
für die dem verlassenen Meister zuerkannte Entschädigung haftbar etc. In England ist aus der frühern
weitgehenden obrigkeitlichen Regelung des Lehrlingswesens nur noch eine polizeiliche Jurisdiktion über das Lehrlingsverhältnis
übriggeblieben.
im weitern Sinn alle Gegenstände, welche beim Unterricht der Jugend gebraucht werden,
im engern Sinne namentlich solche Gegenstände oder bildliche Darstellungen, welche zur Veranschaulichung des Unterrichts dienen.
Nachdem in frühern Zeiten der hohe Wert der sinnlichen Anschauung für die Bildung des Geistes lange übersehen oder doch wesentlich
unterschätzt worden ist, liegt gegenwärtig die Gefahr der Übertreibung nach der entgegengesetzten Seite
nicht mehr fern.
Die Herstellung und Feilbietung von Lehrmitteln ist ein schwunghafter Gewerbszweig geworden. Infolgedessen sind Karten, Abbildungen,
Modelle in großer Auswahl und in stets zunehmender Vollkommenheit entstanden. Aber nicht immer wird beachtet, daß für
die Schule nur das Einfache, Typische geeignet ist. Um dem Lehrerstand die Übersicht über die steigende
Flut der Lehrmittel zu erleichtern, werden in der Gegenwart mit größern Lehrerversammlungen meistens Lehrmittelausstellungen verbunden.
Auch haben einige Regierungen, größere Städte etc. derartige stehende Ausstellungen oder Schulmuseen eingerichtet; berühmt
ist namentlich die großartige Sammlung des National board of education in Washington
[* 41] und als eine der
ältesten in Europa
[* 42] die Schulausstellung in Zürich
(seit 1875). Als unentbehrliche Lehrmittel für den vollen Unterrichtsbetrieb
der
preußischen Volksschule bezeichnet die Falksche allgemeine Verfügung vom außer den in der Schule eingeführten,
auch dem Lehrer in je einem Abdruck zu liefernden Lehr- und Lernbüchern:
die schriftliche Festsetzung der Lehrziele, des Lehrstoffs und des Lehrgangs für eine Schulanstalt nach
deren verschiedenen Klassen oder Abteilungen. Die Aufstellung eines Lehrplans, und zwar nicht nur eines tabellarischen
oder übersichtlichen, sondern auch eines ausführlichen, die Verteilung des Lehrstoffs nach Klassen, Jahren und Semestern vorzeichnenden,
wird für alle Schulen gegenwärtig allgemein als unerläßlich angesehen und von den meisten Schulgesetzgebungen gefordert.
Um zur Aufstellung derartiger ausführlicher Lehrpläne den nötigen Anhalt
[* 44] zu bieten, haben die meisten staatlichen Schulverwaltungen
selbst kürzer gefaßte Lehrpläne herausgegeben, die genau vorschreiben, welche Unterrichtsgegenstände
in jeder Klasse zu treiben, wieviel Stunden wöchentlich auf jeden derselben zu verwenden und welche Ziele hinsichtlich eines
jeden zu erstreben sind.
Die in Preußen gegenwärtig geltenden amtlichen Lehrpläne sind folgende:
3) Lehrordnung und Lehrplan für die Schullehrerseminare vom
4) Lehrpläne für die höhern Unterrichtsanstalten (Gymnasien, Progymnasien, Realgymnasien, Realprogymnasien, Oberrealschulen,
Realschulen, höhern Bürgerschulen) vom Auch für Präparandenanstalten und für höhere Mädchenschulen sind Normalpläne herausgegeben, aber nicht mit derselben zwingenden Geltung. Der letztgenannte hat unmittelbare
Geltung zunächst nur für die Stadt Berlin und ist schon deshalb nicht einfach übertragbar auf die Verhältnisse der Provinz,
weil die höhern Mädchenschulen in ihrer Gliederung, Abstufung etc. sehr verschieden sind.
Karl, ausgezeichneter Philolog, geb. zu Königsberg
[* 45] i. Pr., besuchte daselbst
das Friedrichsgymnasium und seit 1818 die Universität, vertrat 1823 einen Lehrer am DanzigerGymnasium, wurde 1824 Lehrer am
Gymnasium in Marienwerder,
[* 46] 1825 Oberlehrer am Friedrichsgymnasium in Königsberg (bis 1845), daneben 1831 Privatdozent und 1835 außerordentlicher
Professor an der Universität. Seit 1845 ordentlicher Professor der Philologie daselbst, starb er Am
berühmtesten ist sein für unsre Kenntnis von den Homer-Studien der alten Grammatiker grundlegendes Werk »De Aristarchi studiis
Homericis« (Königsb. 1833; 3. Aufl. von Ludwich, Leipz.
1882). Außerdem heben wir hervor: »Quaestiones epicae« (Königsb. 1837),
eine Sammlung von fünf Abhandlungen
zu griechischen Epikern;
der Griechen« (Leipz. 1856, 2. vermehrte Aufl.
1875);
»Die Pindarscholien« (das. 1873);
dann die Ausgaben von »Herodiani scripta tria emendatiora« (Königsb.
1848) und »Horatius mit vorzugsweiser Rücksicht auf die unechten Stellen und Gedichte« (Leipz. 1869);
In den empirischen
Wissenschaften pflegt man Lehrsätze auch solche Sätze zu nennen, die sich durch eine hinlängliche Anzahl von übereinstimmenden
Thatsachen belegen lassen.
sind besonders eingerichtete Lehranstalten, in denen Lehrmeister systematisch für die praktisch-technische
gewerbliche Ausbildung der Schüler
sorgen. Bei der heutigen weitgehenden Arbeitsteilung und der Entwickelung des Fabrikbetriebs
gibt es eine Reihe von Gewerben, in denen in der Werkstatt nur sehr einfache, eine geringe Geschicklichkeit
und Kunstfertigkeit erfordernde und stets gleiche Arbeiten verrichtet werden, daher der Lehrling, auch wenn er mehrere Jahre
bei einem tüchtigen Lehrherrn eifrig arbeitet und alle vorgekommenen technischen Operationen ordentlich erlernt, doch nur
eine dürftige, weder seinem eignen noch dem Gesamtinteresse entsprechende, einseitige technische Ausbildung
empfängt, so z. B. bei Uhrmachern, die sich nur mit Ausbesserung und Reinigung von Uhren
[* 55] befassen, bei vielen kleinen Schneidern,
Schuhmachern, Schreinern, Malern, Klempnern etc. Ferner gibt es viele Handwerksmeister, bei denen der Lehrling zwar in moralischer
Beziehung gut aufgehoben ist, die aber selbst nicht genügend ausgebildet sind, um gute Lehrherren abgeben
zu können. Lehrwerkstätten sind nun das Mittel, um auch den Lehrlingen solcher Lehrherren zu einer guten technischen Ausbildung zu verhelfen.
Die Einrichtung der und des Lehrwerkstättenunterrichts muß je nach den Verhältnissen der einzelnen Gewerbe und der örtlichen
wie persönlichen Bedürfnisse eine verschiedene sein. Die Lehrwerkstätten können sich nur auf
ein Gewerbe oder auch auf mehrere verwandte Gewerbe erstrecken. Sie können entweder ausschließlich die praktische Ausbildung
der Lehrlinge herbeiführen, oder nur zur Ergänzung der gewöhnlichen Werkstattlehre dienen. Die Schüler der Lehrwerkstätten können entweder
nur in der Lehrwerkstätte (vor oder nach der gewöhnlichen Werkstattlehre) oder zugleich bei einem andern
Lehrherrn beschäftigt sein und im letztern Fall nur zeitweise in der Lehrwerkstätte arbeiten.
Endlich können die Lehrwerkstätten entweder reine Lehrwerkstätten, d. h.
Anstalten nur für die praktische Ausbildung, oder zugleich auch noch theoretische Unterrichtsanstalten sein. Es wäre in erster
Reihe Aufgabe der Gewerbtreibenden selbst, namentlich der Gewerbevereine und Innungen, auch großer Fabrikanten
mit vielseitigem Betrieb, für solche Lehrwerkstätten zu sorgen; aber wo die Privatthätigkeit nicht ausreicht, haben
auch die Gemeinden und der Staat mitzuwirken. Lehrwerkstätten entstanden zuerst (schon seit den 30er Jahren) und in größerer Zahl in Belgien,
[* 56] namentlich auf dem Gebiet der Textilindustrie. In neuerer Zeit ist die Bewegung zu gunsten von am stärksten
in Frankreich; seit 1873 besteht das Bestreben, über das ganze Land ein Netz von Lehrwerkstätten. (Écoles d'apprentissage) zu verbreiten.
Nach dem Gesetz vom sind die von den Gemeinden oder Departements errichteten Lehrwerkstätten zu den öffentlichen
Elementaranstalten zu rechnen; für Lehrwerkstätten sind staatliche Unterstützungen vorgesehen. Die französischen
Lehrwerkstätten sind in der Regel zugleich Fachschulen (s. d.), einzelne sind auch mit Volksschulen verbunden. Zu den Lehrwerkstätten gehören auch die
Écoles nationales des arts et métiers, Staatslehrwerkstätten zur Ausbildung von Chefs d'ateliers und industriels, insbesondere
für Schmiede, Schlosser, Dreher, Modelltischlerei etc., ferner die Écoles pour l'enseignement technique
und die Écoles industrielles. In Österreich sind in den letzten zehn Jahren vom Staat zahlreiche kunstgewerbliche und andre
Lehrwerkstätten begründet worden. In Italien gibt es niedere, mittlere und höhere Lehrwerkstätten. Auch Holland, Dänemark,
[* 57] Schweden
[* 58] haben Lehrwerkstätten. In Deutschland
ist noch verhältnismäßig wenig geschehen. Einige Lehrwerkstätten bestehen regelmäßig zugleich
mit theoretischem Unterricht: für Blecharbeiter in Aue (Sachsen),
[* 59] für Uhrmacher in Glashütte (Sachsen) und
¶