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1883 zurück und war auch 1885 unter Brisson nur kurze Zeit Handelsminister. Bei den Wahlen vom Oktober 1885 nicht wieder gewählt, zog er sich in das Privatleben zurück.
1883 zurück und war auch 1885 unter Brisson nur kurze Zeit Handelsminister. Bei den Wahlen vom Oktober 1885 nicht wieder gewählt, zog er sich in das Privatleben zurück.
Giovanni, bedeutender ital. Komponist, geboren um 1625 zu Clusone bei Bergamo, Schüler von Pallavicino, war erst Organist in Bergamo, später Direktor des Konservatoriums dei Mendicanti in Venedig [* 2] und seit 1685 Kapellmeister an San Marco daselbst; starb im Juli 1690. Legrénzi war das Haupt der neuvenezianischen Musikschule und bildete zahlreiche und tüchtige Schüler (darunter Lotti). Er komponierte 17 Opern (zumeist für Venedig), die besonders in der Behandlung der Instrumentalbegleitung einen Fortschritt bekunden, außerdem Trios (Sonaten) für Kammer und Kirche, eine große Zahl 2-5stimmiger Motetten und Psalmen, Kantaten etc. Auch vergrößerte er das Orchester der Markuskirche erheblich, so daß dasselbe auf 34 Spieler gebracht wurde.
(spr. lögro), 1) Pierre, franz. Bildhauer, geb. 1656 zu Paris, [* 3] gewann als Zögling der dortigen Akademie mit einem Relief, welches den mit seiner Familie in die Arche einziehenden Noah darstellte, den ersten Preis der Skulptur und ging darauf als Pensionär nach Rom. [* 4] Nach Paris zurückgekehrt, erhielt er vielfältige Beschäftigung für die Gärten der Tuilerien und von Versailles. [* 5] Da er aber in seiner Heimat weniger Beifall fand als in Rom, kehrte er dahin zurück und starb 1719 daselbst. Legros war namentlich in der technischen Behandlung Meister;
edle Einfachheit aber und Naturwahrheit lassen seine Gestalten vermissen. Zu seinen besten Werken gehören: der Triumph der Religion, auf dem Hauptaltar der Jesuitenkirche in Rom;
die Verklärung des heil. Ludwig von Gonzaga, im Collegio Romano (Relief);
die Statue des heil. Stanislaus Kostka auf dem Sterbebett;
die Kolossalstatue des heil. Dominikus, in der Peterskirche;
die Apostel Thomas und Bartholomäus, in der Kirche San Giovanni im Lateran.
2) Alphonse, franz. Maler und Radierer, geb. zu Dijon, [* 6] bildete sich im Atelier von Cambon in Paris, dann bei Lecoq de Boisbaudran und bereiste längere Zeit Spanien, [* 7] von wo er Motive zu zahlreiche Bildern mitbrachte. 1866 ließ er sich in London [* 8] nieder. Nachdem er 1857 mit dem Porträt seines Vaters debütiert hatte, folgten: Angelus (1859), das Votivbild (Museum in Dijon), die Steinigung des Stephanus (Galerie in Avranches), Mönche im Gebet, die Ehrenerklärung (Museum des Luxembourg), die Pilgerfahrt (Galerie in Liverpool), [* 9] ein spanisches Kloster, die Einsegnung des Meers (1873), die Taufe, der Kesselflicker, die Mädchenschule. Von seinen Radierungen sind hervorzuheben: der Mönch mit der Fackel, der Tod des heil. Franziskus, das Porträt von Thomas Carlyle, der Holzhauer, die Pestkranken.
(spr. legwa), die spanische Meile, früher = 5572,7 m, später = 6687,24 m. Das neue Wegmaß ist das Kilometro. Legua maritima = 5565,33 m.
(Baumagame, Iguana Laur.), Reptiliengattung aus der Ordnung der Eidechsen [* 10] und der Familie der Leguane (Iguanidae), Tiere mit gestrecktem, seitlich zusammengedrücktem Leib, großem, vierseitigem Kopf, kurzem Hals, kräftigen Beinen, sehr langzehigen Füßen, sehr langem, am Grund zusammengedrücktem, oft mit dornigen Wirtelschuppen besetztem Schwanz, großem Kehlsack mit Stachelkamm, langem Rückenkamm, höckerigen und gekielten Kopfschildern und schwach gekielten Schuppen an den Seiten des Leibes.
Der gemeine Leguan (Iguana tuberculata Laur.), 1,5 m lang, blattgrün, an mehreren Stellen in Blau, Dunkelgrün, Braun übergehend, auf der Unterseite und an den Beinen gestreift, am Schwanz geringelt, lebt in Brasilien, [* 11] Mittelamerika und aus den Antillen, meist auf Bäumen, am Wasser, in welchem er sehr gut schwimmt und taucht, nährt sich hauptsächlich von Insekten, [* 12] frißt aber auch Pflanzenstoffe, setzt sich, in die Enge getrieben, mutig zur Wehr und zeigt sich boshaft und tückisch. Das Weibchen legt weiße Eier [* 13] von der Größe der Taubeneier in den Sand, kümmert sich aber nicht weiter um dieselben. Oft findet man in den Bruthöhlen sehr zahlreiche Eier, welche von mehreren Tieren herstammen. Man jagt diese und andre Arten wegen ihres sehr zarten Fleisches, auch werden die Eier gern gegessen. Man hält sie auch in Gärten und Häusern, wo sie lästige Insekten fangen. Über die Familie der Leguane s. Eidechsen.
(lat.), s. v. w. Hülse [* 14] (s. d.). ^[= # die Kapselfrucht der Schmetterlingsblütigen, welche aus einem einzelnstehenden, ...]
(Erbsenstoff), der in großer Menge in den Hülsenfrüchten, auch im Hafer [* 15] vorkommende Proteinkörper, wird erhalten, wenn man die Samen [* 16] mit kaltem, Ätzkali enthaltendem Wasser extrahiert und den Auszug mit Essigsäure fällt. ist in reinem Wasser kaum, leicht dagegen in Wasser, welches etwas Kalihydrat enthält, und in Lösungen von basisch phosphorsaurem Kali löslich. Letzteres Salz [* 17] vermittelt auch die Lösung des Legumins in den Samen. Nach Kochen mit Wasser wird es in Alkalien und Säuren unlöslich.
Aus seinen Lösungen wird es durch Lab, Essigsäure, Alkohol etc. gefällt; die Lösung gerinnt beim Erhitzen nicht wie Eiweißlösung, bildet aber beim Verdampfen eine sich immer wieder erneuernde Haut [* 18] wie die Milch. Beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure [* 19] gibt es neben Tyrosin und Leucin viel Asparaginsäure und wenig Glutaminsäure. Die große Ähnlichkeit [* 20] des Legumins mit dem Kasein hat mehrere Chemiker veranlaßt, beide Körper für identisch zu erklären; daher der Name Pflanzenkasein (s. d.).
[* 21] (Hülsenfrüchtige), Ordnung im natürlichen Pflanzensystem unter den Dikotyledonen und Polypetalen, charakterisiert durch meist zygomorphe (schmetterlingsförmige) Blüten mit fünfgliederigen Blütenkreisen, meist zehn, seltener zahlreichern, monadelphischen oder diadelphischen, perigynischen Staubgefäßen und ein einziges vorderes Karpell, welches einen einfächerigen, oberständigen Fruchtknoten darstellt, der sich zu einer ein- oder vielsamigen Hülse (legumen), seltener zu einer Nuß oder Gliedernuß ausbildet;
Kräuter und Holzgewächse mit meist fieder- oder handförmig zusammengesetzten, mit Nebenblättern versehenen Blättern;
enthält die Familien Mimoseen, Swartzieen, Cäsalpinieen und Papilionaceen.
(Le), [* 22] Hauptstadt des Gouvernements Ladak in Kaschmir, [* 23] auf einem 370 m hohen Hügel, 3440 m ü. M., hat hohe, von konischen Türmen überragte Mauern, enge Straßen mit hohen, weiß getünchten Häusern, einen Palast des frühern Herrschers, ein Denkmal des 1874 hier gestorbenen österreichischen Geologen Stolitzka und 4000 Einw. Die Fremden wohnen in einer Vorstadt. ist der große Markt für das östliche Tibet und das Rendezvous für die Kaufleute Indiens und des chinesischen Turkistan; namentlich ist es Hauptstapelplatz für Schafwolle. Seit 1870 ist daselbst ein britischer Beamter stationiert zur Kontrolle des Durchgangshandels.
Schichten, s. Dyasformation. ^[= (permische Formation, hierzu Tafel "Dyasformation"), jüngste Formation der paläozoischen ...]
Land, welches von jeher oder seit langer Zeit sich selbst, der Natur, überlassen war. ¶
(Bremerlehe), Flecken und Kreishauptort im preuß. Regierungsbezirk Stade, [* 25] an der Geeste und unmittelbar nördlich von Bremerhaven, mit diesem und dem südlich angrenzenden Geestemünde durch eine Pferdeeisenbahn verbunden, hat eine evang. Kirche, ein Amtsgericht, Dampfmühlen und Dampfsägerei, Ziegeleien, Kunstgärtnereien, eine Eisfabrik, Bierbrauerei, [* 26] 3 Wasserleitungen (auch für Bremerhaven), Festungswerke an der Wesermündung und (1885) mit Garnison (3. Matrosen-Artillerieabteilung) 11,011 meist evang. Einwohner.
(Lehnrecht, Feudum), das ausgedehnteste dingliche und vererbliche Nutzungsrecht an einer fremden Sache, welches ursprünglich von deren Eigentümer gegen das Versprechen der Treue verliehen worden ist;
auch Bezeichnung für den Gegenstand, namentlich für ein Grundstück, welches auf diese Weise verliehen wurde. S. Lehnswesen.
Stadt im meining.
Kreis [* 27] Saalfeld, [* 28] im Thüringer Wald und an der Eisenbahn Ludwigstadt-Lehesten, hat die größten Schieferbrüche Deutschlands [* 29] (2400 Arbeiter und 900,000 Mk. jährlicher Ertrag), Fabrikation von Schiefertafeln, Handel mit Dach- und Tafelschiefer und (1885) 2078 evang. Einwohner.
Der Ort (Lesteni) wird schon im 9. Jahrh. erwähnt.
Otto, Schauspieler, geb. zu Breslau, [* 30] ging, obwohl zum Studium der Medizin bestimmt, im 21. Jahr zur Bühne, die er als Franz Moor in Posen [* 31] 1845 zum erstenmal betrat. Nach Engagements in Hamburg, [* 32] Graz [* 33] und Würzburg [* 34] berief Dingelstedt den Künstler 1855 nach München, [* 35] wo er während eines einjährigen Aufenthalts bedeutsame Fortschritte in der Ausbildung seines Talents machte, das übrigens schon zwei Jahre früher im St. Jamestheater zu London die volle Anerkennung erfahren hatte.
Von München nach Danzig [* 36] berufen, blieb er hier ebenso wie in Kassel [* 37] und Frankfurt [* 38] a. M. ein Jahr, bis ihn 1860 Dingelstedt für das von ihm geleitete Hoftheater in Weimar [* 39] engagierte, zu dessen Mitgliedern er bis 1871 gehörte. Seit jener Zeit gab er nur noch Gastspiele, die ihn einigemal auch nach Berlin [* 40] führten. Er starb in Weimar. Vorwiegend Helden- und Charakterspieler, mit trefflichen äußern Mitteln, verband eine frische Ursprünglichkeit und poetische Vertiefung des Spiels, das auch in dämonischen Momenten seine Wirkung nicht versagte.
Vgl. v. Bamberg, [* 41] O. ein Erinnerungsblatt (Halle [* 42] 1886).
(spr. li-hai), Nebenfluß des Delaware im nordamerikan. Staat Pennsylvanien, durchfließt ein reiches Kohlenbecken und mündet bei Easton.
Ein 1820 eröffneter Kanal [* 43] begleitet den Fluß 114 km weit bis Mauch Chunk.
(spr. léhintsch), Dorf in der irischen Grafschaft Clare, an der Liscannorbai, ist Sitz des katholischen Bischofs von Kilmacduagh und Kilfenora und hat 279 Einw.
Verwitterungsprodukt verschiedener Gesteine, [* 44] besteht aus einem innigen Gemenge von 30 bis 50 Proz. Thon mit Eisenoxyd, Quarzsand, Glimmerblättchen, etwas Kalk etc. und besitzt je nach seinem Eisengehalt eine hellere oder dunklere, gelbe bis gelbbraune Farbe; er fühlt sich weniger fettig an als Thon, bindet das Wasser nicht so stark wie dieser und schwindet beim Trocknen in geringerm Grade. Diese Eigenschaften variieren nach der quantitativen Zusammensetzung des Lehms, der durch Aufnahme von Quarzkörnern in Sand oder Sandmergel, durch Aufnahme von Kalk in Mergel übergeht.
Der Lehm wird beim Brennen rot oder bläulichrot, in starker Hitze schmilzt er zu einer schwärzlichen oder blaugrauen Schlacke. Da ein oberflächiges Zersetzungsprodukt der oft direkt darunter oder doch nicht entfernt anstehenden Gesteine ist und höchstens von der Ackerkrume bedeckt wird, so bereitet seine Gewinnung keine Schwierigkeiten; er findet vielfältige Anwendung in der Baukunst, [* 45] gebrannt zu Dach- und Mauerziegeln, roh zu Lehmsteinen, Lehmputz, Strohlehmschindeln, zum Ausstreichen der Fachwände, zum Vermauern der Steine bei Brandmauern, Schornsteinen, Öfen [* 46] etc. Vom Lehm zu unterscheiden ist der Löß (s. d.), welcher allerdings, aber nur durch oberflächige, das Calciumcarbonat auslaugende Prozesse in lehmartige Gesteine übergehen kann.
bei botan. Namen Abkürzung für Johann Georg Christian Lehmann, geb. 1792 zu Haselau in Holstein, starb als Direktor des botanischen Gartens zu Hamburg 1860. Primulaceen, Asperifoliaceen, Nikotianeen, Potentilleen, australische Pflanzen.
1) Johann Georg, Topograph, geb. in der Johannismühle bei Baruth, ward Soldat und Kompanieschreiber zu Dresden, [* 47] besuchte die dortige Kriegsschule und erregte Aufmerksamkeit durch topographische Arbeiten. 1793 als Sergeant verabschiedet, unternahm er die Vermessung eines Teils des Dessauer Gebiets sowie der Herrschaft Lichtewalde, wurde Straßenbauaufseher des Wittenberger Kreises und 1798 Offizier und Lehrer an der Ritterakademie zu Dresden. 1806 in den sächsischen Quartiermeisterstab berufen, wohnte er der Schlacht bei Jena [* 48] bei, nahm 1807 als Hauptmann an der Belagerung von Danzig und an der Blockade von Graudenz [* 49] teil, starb als Major und Direktor der Militärplankammer in Dresden Lehmann verbesserte Konstruktion und Gebrauch des Meßtisches und stellte eine neue, bald sehr verbreitete Methode für das Situationszeichnen auf, deren Grundzüge in der 1799 erschienenen Schrift »Darstellung einer neuen Theorie zur Bezeichnung der schiefen Flächen« enthalten sind, eine ausführliche Darstellung aber in seinem nach Lehmanns Tod von Fischer herausgegebenen Hauptwerk: »Die Lehre [* 50] vom Situationszeichnen« (Dresd. 1812-16, 2 Bde.; 5. Aufl. 1843), fanden (s. Landkarten, [* 51] S. 459).
2) Jakob Heinrich Wilhelm, astronom. Rechner, geb. zu Potsdam, [* 52] studierte Theologie, ward 1823 Inspektor am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin, 1824 Konrektor am Gymnasium in Greifswald, [* 53] fungierte 1832-43 als Prediger in Derwitz und Krielow im Regierungsbezirk Potsdam, wandte sich dann aber der Astronomie [* 54] zu und wurde bis 1847 von Jacobi und 1847-48 von Encke mit astronomischen Rechnungen beschäftigt. Seitdem lebte er als Privatmann in Potsdam und Spandau, [* 55] an welch letzterm Ort er 1863 starb. Arbeiten von ihm finden sich in den »Astronomischen Nachrichten« sowie den mathematischen Zeitschriften von Grunert und Crelle;
selbständig erschienen: »Anfangsgründe der höhern Mechanik, nach der antiken, rein geometrischen Methode bearbeitet« (Berl. 1831);
»Über den Halleyschen Kometen« [* 56] (Potsd. 1835);
»Über die sehr großen und totalen Sonnenverfinsterungen« (Berl. 1842).
3) Joseph, Publizist, geb. zu Glogau, [* 57] besuchte die Friedrich Wilhelms-Schule zu Breslau, trat in den 20er Jahren in das Veitsche Bankgeschäft in Berlin ein, wo er sich nebenbei in schriftstellerischen Versuchen übte, und wurde 1827 bei Gründung der »Preußischen Staatszeitung« (des jetzigen »Staatsanzeigers«) auf A. v. Humboldts ¶
Empfehlung als Hilfsarbeiter bei der Redaktion derselben beschäftigt. Außer den ihm amtlich auferlegten politischen Artikeln bearbeitete Lehmann für das neue Blatt [* 59] bald auch ein reichhaltiges, vorzugsweise der ausländischen Litteratur gewidmetes Feuilleton, aus dem das »Magazin für die Litteratur des Auslandes« hervorging, das Lehmann seit Januar 1832 als selbständige Beilage der »Staatszeitung«, später aber als eigne Wochenschrift herausgab. In der Folge lebte er in seiner Vaterstadt als Direktor der Niederschlesischen Eisenbahn, bis er 1865 nach Berlin zurückkehrte, um von neuem die Redaktion seines »Magazins« zu übernehmen. Er starb daselbst
4) Peter Martin Orla, dän. Staatsmann, geb. zu Kopenhagen [* 60] aus einer holsteinischen Familie, widmete sich in Kopenhagen, Kiel [* 61] und Berlin dem Studium der Rechte, kehrte 1833 in seine Vaterstadt zurück und beteiligte sich schon als Rechtskandidat an den politischen Bewegungen seines Vaterlandes, namentlich als eifriger Mitarbeiter am »Faedreland«, dessen Redaktion er später übernahm. 1839 stand er an der Spitze der Deputation, welche von Christian VIII.
Verleihung verfassungsmäßiger Freiheiten verlangte. Von der Regierung nicht zur Advokatur zugelassen, ward er in den Gemeinderat und 1840 in die Ständeversammlung gewählt. Doch standen bei Lehmann die das innere Staatsleben betreffenden Bestrebungen nur auf zweiter Stufe, auf erster dagegen die nationale Tendenz, und zwar verfocht er in letzterer Beziehung hauptsächlich den Gedanken, Holstein und Lauenburg [* 62] sich selbst zu überlassen und dafür Schleswig [* 63] völlig an Dänemark [* 64] anzuschließen und mit diesem durch eine gemeinsame Verfassung zu verbinden.
In dem seit dem bekannten »Offenen Briefe« von 1846 entbrannten Streit zwischen den dänischen und deutschen Provinzialständen stand Lehmann an der Spitze der eiderdänischen oder nationalliberalen Partei, welche bald darauf in Dänemark zur Herrschaft kam. Die Kopenhagener Bewegung im März 1848 brachte Lehmann als Minister ohne Portefeuille in das sogen. Kasinoministerium. Er erhielt hierauf die Mission, das Berliner [* 65] und Londoner Kabinett für die eiderdänischen Pläne zu gewinnen, erreichte aber diesen Zweck nur in London teilweise.
Bei dem Umschwung der dänischen Politik im November 1848 erhielt er seine Entlassung und ward zum Amtmann von Veile in Jütland ernannt, im April 1849 in Kolding von den Schleswig-Holsteinern gefangen genommen und mehrere Monate auf Schloß Gottorp festgehalten; freigelassen, ward er in den konstituierenden Reichstag gewählt, wo er der Hauptverfasser der Gesetze war, durch welche Dänemark zu einem konstitutionellen Staat mit völlig demokratischem Grundgesetz gemacht ward. 1855 war Lehmann Mitglied des außerordentlichen Staatsgerichtshofs, vor welchem die im Dezember 1854 abgetretenen Minister belangt wurden, und 1856 ward er Mitglied des Reichsrats. Am mit dem Portefeuille des Innern betraut, nahm er mit dem gesamten Ministerium Hall [* 66] seine Entlassung und starb nachdem er seine Politik, deren Ziel Ausrottung des Deutschtums in Schleswig war, hatte scheitern sehen.
5) Heinrich, franz. Maler, geb. zu Kiel, erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater, dann von Ingres in Paris. Er trat im Salon zuerst 1835 mit Tobias und der Engel auf. 1837 wurde er von Ludwig Philipp beauftragt, den Tod Roberts des Starken für die Galerie von Versailles zu malen. Gegen Ende des Jahrs siedelte er nach München über, von wo er 1838 nach Italien [* 67] ging. Später kehrte er nach Paris zurück. Unter den Staffeleibildern des Künstlers, der sich in Frankreich hatte naturalisieren lassen, sind zu nennen: der Fischer, nach Goethe (1837, Museum von Carcassonne);
die Töchter der Quelle, [* 68] Mariuccia (beide 1812);
Prometheus (1851, im Luxembourg);
Ankunft der Sara bei den Eltern des Tobias (1866).
Diese Bilder zeichnen sich durch Feinheit und Kraft [* 69] der Modellierung und Anmut der Form aus. Seine Formenkenntnis kam ihm namentlich auch in seinen zahlreichen Porträten zu gute. Vortrefflich verstand sich auf dekorative Malerei in Fest- und Prachträumen. Ende der 50er Jahre malte er im Thronsaal im Luxembourg, dann im Palais de Justice zu Paris. Unter seinen monumentalen Kirchenmalereien sind die in der Kapelle des Heiligen Geistes zu St.-Merry die bedeutendsten; von den Altarbildern sind die Geißelung Christi (von 1842, in St.-Nicolas zu Boulogne) und Mariä Himmelfahrt (1850, St.-Louis en l'Ile) zu nennen. Seine Schöpfungen haben meist einen akademischen Charakter, dem es an Wahrheit und Wärme [* 70] fehlt. Er starb in Paris.
6) Rudolf, Maler, Bruder des vorigen, geb. zu Ottensen, Schüler seines Bruders, bereiste Deutschland, [* 71] hielt sich längere Zeit in England auf und ließ sich sodann in Rom nieder. Er schildert das italienische Volksleben in Bildern größern Umfanges, von denen besonders: Sixtus V. segnet die Pontinischen Sümpfe (1847, Museum von Lille), [* 72] Wallfahrerin aus den Abruzzen in der Campagna, Ziegenhirtin der Abruzzen, Haydée und Graziella, sein populärstes Bild, früher Morgen in den Pontinischen Sümpfen, Ave Maria hervorzuheben sind. Er hat auch zahlreiche Porträte [* 73] gemalt. Seit 1866 lebt er in London.
7) Theodor Heinrich Wilhelm, Begründer der deutsch-nationalen Partei in Schleswig-Holstein, [* 74] Vetter von Lehmann 4), geb. zu Rendsburg, [* 75] studierte die Rechte in Tübingen, [* 76] Heidelberg [* 77] und Kiel, machte 1848-50 den Krieg gegen Dänemark mit und ward 1851 Advokat in Kiel. Als Abgeordneter der holsteinischen Provinzialstände (1859) stritt er für die Zusammengehörigkeit der Herzogtümer, wirkte mit bei der Stiftung des Nationalvereins zu Frankfurt a. M. (September 1859) und trat in den Ausschuß. 1861 wurde er wegen einer Resolution, welche eine von ihm berufene Versammlung in Kiel über die schleswig-holsteinische und deutsche Frage annahm, von der dänischen Regierung in Untersuchung gezogen, aber 1862 freigesprochen. Er starb 29. Juli d. J. in Kiel.
8) Julius, Agrikulturchemiker, geb. zu Dresden, studierte 1848 in Jena, 1849 bis 1851 in Gießen [* 78] Naturwissenschaften, arbeitete im Laboratorium [* 79] Liebigs, in dessen Auftrag er für die 3. Auflage der »Chemischen Briefe« mehrere Untersuchungen ausführte, und war dann in den Laboratorien zu Freiberg [* 80] und in Paris thätig. 1854 wurde er Oberlehrer der Naturwissenschaften an dem Vitzthumschen Gymnasium und der Blochmannschen Erziehungsanstalt zu Dresden, welche er 1856 verließ, um eine ihm übertragene Untersuchung »über die Getreidearten und das Brot« [* 81] auszuführen. 1857 wurde er Direktor der landwirtschaftlichen Versuchsstation in Weidlitz, später zu Pommritz (in der sächsischen Oberlausitz), ging 1867 an die landwirtschaftliche Akademie zu Proskau und 1869 als Vorstand der landwirtschaftlichen Zentralversuchsstation nach München. Hier wurde ihm 1872 gleichzeitig die Einrichtung der ¶
landwirtschaftlichen Abteilung an der technischen Hochschule und an derselben die ordentliche Professur der Agrikulturchemie übertragen. Ende 1879 trat er in den Ruhestand und lebt jetzt in Dresden. Lehmann widmete sich namentlich Untersuchungen über Pflanzen- und Tierernährung und lieferte auch mehrere analytische Arbeiten. Seine Methode des Verbackens des Mehls aus ausgewachsenem Roggen zu einem völlig normalen, lange Zeit haltbaren Brot ist von großer Bedeutung für die Volksernährung.
9) Lilli, Sängerin, geb. zu Würzburg als die Tochter der Sängerin und Harfenvirtuosin Marie Lehmann-Löwe, trat zum erstenmal in Prag [* 83] als erster Knabe in der »Zauberflöte« auf und gab schon kurze Zeit darauf auch die Pamina. 1868 folgte sie einem Engagementsanerbieten nach Danzig und ging zwei Jahre später an das Stadttheater nach Leipzig, [* 84] welches sie in kürzester Frist mit der Hofbühne in Berlin vertauschte, wo sie 1876 zur königlichen Kammersängerin ernannt wurde. Im Frühjahr 1886 begab sie sich zu einer Gastspieltournee nach Nordamerika, [* 85] von wo sie, mit eigenmächtiger Verlängerung [* 86] ihres Urlaubs, erst im Spätsommer d. J. zurückkehrte, was ihre Entlassung aus dem Verband [* 87] der Berliner Hofbühne zur Folge hatte. Lilli Lehmann, die technisch ebenso wohlgeschult wie künstlerisch reich veranlagt ist, hat sich im lyrischen, sentimentalen, komischen und heroischen Fach in gleichem Maß bewährt (Königin der Nacht, Venus, Baronin im »Wildschütz«, Valentine, Fidelio, Walküre). - Ihre Schwester Marie, ebenfalls Sängerin, geb. zu Hamburg, betrat die Bühne zuerst in Leipzig, war 1872-73 am Hamburger, dann am Kölner, [* 88] 1878-79 am Breslauer Stadttheater engagiert und wurde 1879 Mitglied des Landestheaters zu Prag, von wo sie 1881 zum Hofoperntheater in Wien [* 89] überging. Sie gefällt vornehmlich als Darstellerin ernster und schwärmerischer Charaktere.
s. Mauer ^[= # aus natürlichen oder künstlichen Steinen ohne (Trockenmauer) oder mit Bindemittel hergestellte ...] und Piseebau.
s. Gießerei ^[= die Gesamtheit aller Arbeiten, welche erforderlich sind, um gewisse Materialien durch Flüssigmachen ...] [* 90] und Eisengießerei. [* 91]
das Gießen der Metalle in Lehmformen.
s. Mörtel. ^[= (Mauerspeise, Speise), aus gelöschtem Kalk und Sand bereitete breiartige Mischung, die teils ...]
(Streichschindeln), s. Dachdeckung, ^[= der auf dem Dachstuhl (s. d.) ruhende, zum Schutz des Gebäudes bestimmte Teil des Daches. Sie ...] [* 92] S. 401.
s. v. w. Lehmbau. ^[= s. Mauer und Piseebau.]
s. Mauersteine. ^[= (Backsteine, Barnsteine, Mauerziegel, Ziegel, hierzu Tafel "Mauersteine"), künstliche ...] [* 93]
ein öffentliches Buch, in welchem die Lehnsgerechtsame und Lehngrundstücke einer Kirche oder geistlichen Pfründe verzeichnet sind, die vorkommenden Lehnsfälle eingetragen sowie auch die Lehnstücke ab- und zugeschrieben werden;
auch Bezeichnung für öffentliche Bücher überhaupt, in welchen die in einer Flurgemarkung belegenen, früher lehnbaren Grundstücke verzeichnet sind. An die Stelle derselben sind jetzt die Grundbücher (s. d.) getreten.
s. v. w. Viertelhofsbesitzer, ^[= s. Bauer, S. 462.] s. Bauer, S. 462.
s. Laudemium. ^[= (lat., Lehnware, v. lat. laus in dem Sinn von Zustimmung), im röm. Rechte die Abgabe, ...]
(Mannengericht), im Mittelalter das unter dem Vorsitz des Lehnsherrn zusammentretende Gericht, welches in Lehnssachen Recht sprach. Als Schöffen fungierten diejenigen Vasallen oder Mannen des Lehnsherrn, welche Lehen von der gleichen Gattung innehatten wie dasjenige, welches bei dem Rechtsstreit in Frage kam, und die eines und desselben Standes waren wie der vor das Gericht gezogene Lehnsträger (Pares curiae). Der Ausdruck Lehngericht wurde wohl auch auf das Lehnsgut übertragen, mit welchem eine solche Gerichtsbarkeit verbunden war, und so kommt es, daß Lehngericht in manchen Gegenden noch heutzutage ein Rittergut bezeichnet.
(in ältern Urkunden Lenyn), Marktflecken im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Zauch-Belzig, an mehreren Seen, welche durch die schiffbare Emster zur Havel abfließen, mit Ziegelbrennerei und (1885) 2100 evang. Einwohnern, ist durch die schönen Ruinen des vom Markgrafen Otto I. 1180 gestifteten Cistercienserklosters Himmelpfort merkwürdig. Das Geschlecht der Askanier hatte hier seine Fürstengruft. Joachim II. hob 1542 das Kloster auf und entließ die Mönche mit einem Gnadengehalt von 30 Gulden; der Große Kurfürst fand Lehnin schon in Ruinen und benutzte einen Teil der Steine zum Bau eines Schlosses. Am befahl Kaiser Wilhelm den Wiederaufbau der Klosterkirche, der 1879 beendet wurde.
Vgl. Heffter, Geschichte des Klosters Lehnin (Brandenb. 1851);
Sello, Lehnin, Beiträge zur Geschichte von Kloster und Amt (Berl. 1881). -
Die allgemeine Aufmerksamkeit erregte zu verschiedenen Zeiten die angeblich um 1300 in 100 lateinischen leoninischen Versen verfaßte sogen. Lehninsche Weissagung (»Vaticinium Lehninense«),
deren Verfasser der Mönch Hermann sein soll. Der allgemeine Inhalt ist eine Klage über das Erlöschen der Askanier und das Aufkommen der Hohenzollern, [* 94] dann aber eine Charakteristik jedes einzelnen Regenten aus dem letztgenannten Haus bis auf das elfte Geschlecht. Den Schluß macht die Prophezeiung, daß nach dem Herrscher des elften Geschlechts, der Stemmatis ultimus sein werde, die Herde den Hirten und Deutschland den König wiederempfangen werde. Die Sprache [* 95] ist etwas gekünstelt und mitunter unklar, das Versmaß korrekt.
Das Gedicht tauchte zuerst Ende des 17. Jahrh., um 1690, in Handschriften auf und wurde im geheimen verbreitet. Zum erstenmal gedruckt erschien es in dem »Gelahrten Preußen« [* 96] (Königsb. 1723). Eine 2. Ausgabe ohne Angabe des Druckorts kam 1741 heraus, eine 3. mit den Druckorten Berlin und Wien 1745, eine 4. in Frankfurt und Leipzig 1746, also alle während der ersten Regierungsjahre Friedrichs d. Gr. Zu Beginn des Siebenjährigen Kriegs wurde 1758 in Bern [* 97] abermals ein Abdruck veranstaltet.
Seitdem schien der Bruder Hermann vergessen zu sein, bis das Unglück Preußens [* 98] nach Jena und Tilsit [* 99] sein Andenken auffrischte. Da erschien 1808 mit Angabe der Druckorte Frankfurt und Leipzig eine Schrift: »Hermann von Lehnin, der durch die alte und neueste Geschichte bewährt gefundene Prophet des Hauses Brandenburg«. [* 100] Der Verfasser dieser äußerst seltenen Schrift hielt die Prophezeiung durch den Sturz Preußens für erledigt und mithin den damaligen König Friedrich Wilhelm III. für den Stemmatis ultimus. Neues Aufsehen machte die 1827 von Bouverot herausgegebene Schrift: »Extrait d'un manuscrit relatif à la prophétie du frère de Lehnin«, die von W. v. Schütz unter dem Titel: »Weissagung des Bruders Hermann von Lehnin« (Würzb. 1847) deutsch bearbeitet wurde. Ebenfalls Parteizwecken dienten die Ausgaben des Gedichts von Boost (Augsb. 1848), Wilhelm Meinhold (Leipz. 1849), Rösch (Stuttg. 1849); vgl. die kritischen Schriften von Guhrauer (Berl. 1850), Gieseler (Erf. 1850) und M. Heffter (s. oben). Neuerdings, namentlich seit Gründung des Deutschen Reichs und Beginn des Kirchenkonflikts, haben sich die Ultramontanen wieder einmal des Vaticinium bemächtigt, um, wie die Demokraten 1848, den bevorstehenden Untergang des preußischen Königshauses und den Sieg des Papsttums daraus abzuleiten. Daß die Weissagung eine Fälschung ist, unterliegt keinem Zweifel. Während die Regenten bis zum Großen Kurfürsten richtig bezeichnet und ¶
charakterisiert werden, weiß der Verfasser von Friedrich I. schon nicht mehr, daß derselbe die Königswürde erworben hat. Die nachfolgenden Könige werden ganz verkehrt und den geschichtlichen Thatsachen widersprechend geschildert. Das elfte Stemma, mit dem das Hohenzollernhaus enden sollte, war Friedrich Wilhelm III., und nur durch die gezwungene Auslegung, daß Friedrich II. und Friedrich Wilhelm IV., weil ohne direkte Nachkommen, keine Stemmata seien, dehnen die ultramontanen Erklärer die Frist bis auf Wilhelm I. aus, nach welchem der Hirt, d. h. der Papst, die Herde, Deutschland den (katholischen habsburgischen) König wiedererhalten werde.
Die Weissagung ist augenscheinlich von einem Märker um 1690 verfaßt. Die älteste Widerlegung schrieb 1746 der Pfarrer Weiß in Lehnin. Auf Veranlassung Friedrich Wilhelms III. beschäftigte sich Wilken zuerst mit der Frage nach dem Verfasser und erklärte 1827 den 1693 verstorbenen Kammergerichtsrat Martin Friedrich Seidel dafür, Giesebrecht den Rittmeister v. Ölven, Gieseler den Abt von Huysburg, Nikolaus v. Zitzewitz. Schon Valentin Schmidt wies auf Ludwig Andreas Fromm hin, und Hilgenfeld (»Die Lehninsche Weissagung«, Leipz. 1875) begründete eingehend die Behauptung, daß Fromm der Urheber der Fälschung sei.
Dieser war Propst an der Petrikirche zu Berlin, und selbst ein eifriger orthodoxer Lutheraner, trat er gegen die Maßregeln des Großen Kurfürsten wider die lutherischen Geistlichen schroff auf und entzog sich einer Disziplinaruntersuchung 1666 durch die Flucht nach Wittenberg. [* 102] Da er hier nicht den gewünschten Empfang fand, begab er sich nach Prag, trat hier 1668 zur katholischen Kirche über und wurde Domherr in Leitmeritz, wo er 1685 starb. Aus religiösem Fanatismus, und um sich an dem hohenzollerischen Fürstenhaus zu rächen, schrieb der Konvertit das Gedicht und verbreitete es unter der Hand [* 103] in geheimnisvoller Weise unter einflußreichen Personen. Andre (Bailleu in der »Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde«, Bd. 15, S. 368) behaupten, daß ein in der Stadt Brandenburg oder deren Umgebung wohnender katholischer Märker, der über die Ansiedelung von Schweizer Kolonisten bei Lehnin erzürnt war, 1691 das Vaticinium verfaßt habe.
Vgl. Sabell, Litteratur der sogen. Lehninschen Weissagung (Heilbr. 1879).
im subjektiven Sinn das einer Person an einer fremden Sache zustehende erbliche Nutzungsrecht, welches ursprünglich vom Eigentümer gegen das Versprechen der Treue verliehen wurde;
im objektiven Sinn der Inbegriff der über die Lehnsverhältnisse geltenden Rechtsgrundsätze. Vgl. Lehnswesen.
s. Lemma. ^[= (griech.), ein Satz, den eine Wissenschaft einer andern (als in dieser einheimisch ...] [* 104]
s. Heimfall des Lehens. ^[= (Apertur, Apertura feudi), das Erlöschen der durch die Investitur begründeten ...]
s. Herrenfall. ^[= (Hauptfall, Thronfall, Veränderung in der herrschenden Hand), im Lehnrecht der Wechsel in der ...]
s. Lehnswesen. ^[= (Feudal-, Benefizialwesen). Man versteht unter Lehen (Lehnrecht, lat. Feudum, Feodum, Beneficium ...]
s. Lehnswesen. ^[= (Feudal-, Benefizialwesen). Man versteht unter Lehen (Lehnrecht, lat. Feudum, Feodum, Beneficium ...]
(Feudal-, Benefizialwesen). Man versteht unter Lehen (Lehnrecht, lat. Feudum, Feodum, Beneficium) das ausgedehnteste erbliche Nutzungsrecht an einer fremden Sache, welches sich auf eine Verleihung seitens des Eigentümers gründet, die zugleich zwischen diesem und dem Berechtigten das Verhältnis wechselseitiger Treue hervorruft; auch diese Sache selbst, zumeist ein Grundstück oder ein Komplex von Grundstücken, wird Lehen (Lehnsgut) genannt.
Der betreffende Eigentümer ist der Lehnsherr (Lehnsgeber, dominus feudi, senior), der Berechtigte der Vasall (vassus, vasallus) oder Lehnsmann. Sprachlich hängt der Ausdruck »Lehen« mit »leihen« zusammen, bedeutet also s. v. w. geliehenes Gut, während das Wort »Feudum« nach einigen vom lat. fides (Treue),
richtiger aber wohl vom altdeutschen feo (d. h. Vieh, dann überhaupt »Gut«) abzuleiten ist. Den Gegensatz zum Lehen bildet das freie Eigentum, Allodium (s. d.). Die dem Vasallen zustehende Berechtigung nähert sich thatsächlich dem Eigentum so sehr, daß man dieselbe geradezu als nutzbares Eigentum (dominium utile) und das Recht des eigentlichen Eigentümers als Obereigentum (dominium directum) zu bezeichnen pflegt. Die Rechtsgrundsätze über das Lehnswesen bilden das Lehnrecht im objektiven Sinn.
Das Lehnswesen entwickelte sich zuerst in der fränkischen Monarchie und bildete jahrhundertelang die Grundlage der mittelalterlichen Heerverfassung und des germanischen Staats. Die Karolinger pflegten nämlich an freie Leute Güter zu verleihen, wogegen sich diese zur Leistung von Kriegsdiensten verpflichteten, indem sie als Fideles (Getreue) in das königliche Gefolge eintraten, und dies Verfahren wurde bald von weltlichen und geistlichen Großen nachgeahmt.
Nach und nach bildete sich dann der Grundsatz der Erblichkeit der Lehen und der Zulässigkeit des Weitervergebens in Afterlehen aus, welch letztere 1037 von Konrad II. ebenfalls für erblich erklärt wurden. So kam es, daß im 12. Jahrh. bereits alle Herzogtümer und Grafschaften als Lehen vergeben waren. Innerhalb dieser einzelnen Territorien aber bestand wiederum ein vielgliederiges und ebendasselbe war in den geistlichen Territorien der Fall. Mit dem Sinken der kaiserlichen Macht entwickelte sich dann aus dem Lehnswesen die Landeshoheit der Reichsfürsten, so daß die schließliche Auflösung des Deutschen Reichs zumeist durch das mittelalterliche Lehnswesen herbeigeführt worden ist.
Übrigens blieb das Lehnswesen keineswegs auf das Gebiet des öffentlichen Rechts beschränkt; dasselbe überwucherte vielmehr in Deutschland auch die Privatrechtsverhältnisse, indem die verschiedenartigsten Gegenstände »ins Lehen gereicht« und die verschiedenartigsten Berechtigungen als lehnrechtliche konstituiert wurden. Mit der politischen Bedeutung des Lehnswesens sank jedoch auch diese privatrechtliche, und heutzutage hat dasselbe seine Lebensfähigkeit vollständig verloren.
Schon durch die Revolution von 1649 und dann durch eine ausdrückliche Verordnung Karls II. von 1660 wurde in England der Lehnsverband beseitigt, ebenso in Frankreich durch die Beschlüsse der Nationalversammlung vom 4. und In Deutschland wurden mit der Auflösung des Deutschen Reichs 1806 die vorhandenen Reichslehen teilweise allodifiziert, indem deren Inhaber souveräne Fürsten wurden. Bei andern Reichslehen dagegen trat an die Stelle von Kaiser und Reich derjenige Landesherr als Lehnsherr, in dessen Gebiet das Lehnsgut gelegen war, indem die Lehnsträger mediatisiert wurden.
Zudem entsagten in der Rheinbundsakte, Art. 34 (sogen. Verzichtsartikel), die verbündeten Fürsten gegenseitig allen Lehnrechten, welche dem einen rücksichtlich des Gebiets des andern zustehen möchten. Innerhalb der einzelnen Territorien aber wurde in der Folge der Lehnsverband vielfach für ablösbar erklärt und so die Möglichkeit der Umwandlung des Lehens in volles Eigentum gegeben, so zuerst 1836 in Hannover; [* 105] auch wurde die Errichtung neuer Lehen gesetzlich untersagt, z. B. in Preußen durch das Gesetz von 1852, wie denn auch die deutschen Grundrechte von 1848 bestimmt hatten: »Aller Lehnsverband ist aufzuheben«. So kommt es denn, daß dermalen nur noch wenige Überreste des einst so bedeutungsvollen Lehnswesens in die ¶
Gegenwart hineinragen, deren Tage ebenfalls gezählt sind (s. Ablösung).
Quellen des deutschen Lehnrechts sind außer den Verordnungen der fränkischen und deutschen Könige (constitutiones feudales) die mittelalterlichen Rechtsbücher, wie der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel, das Görlitzer Lehnrecht und der Richtsteig Lehnrechts, welcher vom lehnrechtlichen Gerichtsverfahren handelt. Außerdem aber fand mit dem römischen Recht auch eine langobardische Lehnrechtssammlung in Deutschland Eingang, die sogen. Libri feudorum, ursprünglich eine Privatarbeit des Mailänder Konsuls Obertus ab Orto, welche, mit Schöffensprüchen und kaiserlichen Verordnungen vermehrt, dem Corpus juris civilis (s. d.) als Anhang beigefügt, von den italienischen Rechtslehrern glossiert wurde und in dieser Gestalt in Deutschland Gesetzesautorität erhielt. Dazu kamen dann zahlreiche Partikulargesetze in den einzelnen deutschen Territorien, wie z. B. das kursächsische Lehnsmandat von 1764, das altenburgische Lehnsedikt von 1795, das badische Edikt vom das bayrische Lehnsedikt von 1808 und die Ablösungsgesetze der Neuzeit.
Zu jedem wahren Lehen gehören als notwendige Voraussetzungen (essentialia feudi) ein lehnbarer Gegenstand, ein fähiger Lehnsherr, ein fähiger Vasall und das zwischen beiden bestehende Verhältnis der Lehnstreue. Außerdem werden als natürliche oder regelmäßige Eigenschaften des Lehens (naturalia feudi), welche im Zweifel bei jedem Lehen vorhanden sind, bezeichnet: die Investitur, d. h. die feierliche Verleihung des Lehens, die Erblichkeit und die besondere Erbfolge in Ansehung der Lehen mit Bevorzugung des Mannesstamms, endlich die Leistung von Diensten und zwar ursprünglich und eigentlich von Kriegsdiensten.
Der Mangel einer solchen Eigenschaft macht ein Lehen zu einem unregelmäßigen oder uneigentlichen (feudum irregulare, improprium). Ursprünglich galten nur Liegenschaften für lehnbar, namentlich die sogen. Rittergüter (Ritterlehen, adlige Lehen, feuda nobilia, im Gegensatz zu unadligen Lehen, feuda ignobilia) oder eine Burg oder ein sonstiges Gebäude (feudum castri, keminatae, aedificii). Aber auch an unkörperlichen Sachen wurden Lehen errichtet, indem die verschiedenartigsten Rechte nach Lehnrecht verliehen wurden, so z. B. gewisse Hoheitsrechte über ein bestimmtes Territorium (feuda regalia), die sogen. Fürstenlehen oder Fahnenlehen, so genannt, weil bei der Beleihung eine Fahne als Symbol diente.
Dahin gehören ferner die Beleihungen mit gewissen Ämtern (Ämterlehen, Ambachtslehen, feudum officii), namentlich Hofämtern, und das einst dem Haus Thurn und Taxis verliehene Postlehen sowie die lehnsweise erteilte Gerichtsbarkeit (feudum jurisdictionis). Dazu kommen dann zahlreiche Lehen an Kirchensachen und kirchlichen Rechten, Kirchenlehen (Stiftslehen, feuda ecclesiastica), Beleihungen mit den mit einem Altar [* 107] verbundenen Stiftungen (feudum altaragii).
Außerdem wurden zahlreiche Realberechtigungen, Renten, Gülten und Zehnten (feudum decimarum), verliehen; auch sogen. Geldlehen kamen vor, bei welchen der Vasall die Zinsen eines gewissen Kapitals bezog. Keine Lehen, sondern Allodialgüter waren dagegen die sogen. Sonnenlehen, bei welchen die Sonne [* 108] oder die Gottheit gewissermaßen als Lehnsherrin fingiert wurde. Zur persönlichen Lehnsfähigkeit des Lehnsherrn (aktive Lehnsfähigkeit) wird erfordert: Dispositionsbefugnis in Ansehung des Gegenstandes, der verliehen werden soll, und Wehrfähigkeit. Da der Vasall nämlich ursprünglich stets zu Kriegsdiensten verpflichtet war, so konnten nur solche Personen, die den Heerschild hatten, also Ritterbürtige, die sich eben solche Dienste [* 109] versprechen lassen konnten, Lehnsherren sein, bis dann in spätern Zeiten an die Stelle der Kriegsleistungen vielfach bestimmte Abgaben, namentlich die sogen. Ritterpferdsgelder, traten (sogen. Zins- und Beutellehen). Da nun aber in einem geordneten Staatswesen nur dem Staatsoberhaupt die Militärhoheit zusteht, so konnte eigentlich nach modernem Staatsrecht auch nur der Souverän selbst als fähiger Lehnsherr erscheinen, wie dies in einzelnen Staaten, z. B. in Bayern [* 110] und Mecklenburg, [* 111] ausdrücklich durch Gesetz verordnet worden ist; daher die Einteilung in Staatslehen und Privatlehen, bei welch letztern eben ein Unterthan Lehnsherr war.
Zur passiven Lehnsfähigkeit des Vasallen wurde Unbescholtenheit und Waffenfähigkeit erfordert, weshalb namentlich Frauen lehnsunfähig waren und nur ausnahmsweise sogen. Weiberlehen (»Kunkellehen«, im Gegensatz zu »Helmlehen«) vorkamen. Aus demselben Grund erschienen Bauern als lehnsunfähig und ebendarum die zahlreichen bäuerlichen Leihen (sogen. Feudaster) als uneigentliche Lehen (s. Kolonat). Die Begründung eines Lehens geschieht der Regel nach durch Investitur (constitutio feudi, infeudatio).
Diese ist aber nichts andres als die deutschrechtliche Auflassung (s. d.). Es sind dabei zwei wesentliche Handlungen zu unterscheiden: die Belehnung (actus traditionis) und die Huldigung (actus inaugurationis);
erstere erfolgte früher regelmäßig unter Anwendung gewisser Symbole, z. B. einer Fahne, eines Schwertes;
letztere bestand in der eidlichen Versicherung, dem Lehnsherrn treu, hold und gewärtig sein zu wollen (Lehnseid, homagium, vassallagium);
nur ausnahmsweise genügte der bloße Handschlag des Vasallen (sogen. Handlehen).
Das über die Investitur von der zuständigen Behörde (Lehnsgericht, Lehnshof, Lehnskurie) aufzunehmende Protokoll heißt Lehnsprotokoll. Der Vasall kann die Ausstellung eines Lehnsbriefs verlangen, d. h. einer Urkunde, worin die Investitur samt ihren Bedingungen bezeugt wird. Die Urkunde, durch welche dem Vasallen die stattgehabte Beleihung vorläufig bescheinigt wird, heißt Lehns- oder Rekognitionsschein und diejenige, durch welche der Vasall dem Lehnsherrn die Beleihung und die Lehnspflicht bescheinigt, Lehnsrevers (Gegenbrief).
Ein Lehnsinventar, d. h. eine Beschreibung des Lehnsguts mit seinen Pertinenzen, unterschrieben von dem Lehnsherrn, resp. von dem Vasallen (Lehnsdinumerament), kann jeder von beiden von dem andern verlangen. Lehnskontrakt (contractus feudalis) heißt der Vertrag, durch welchen eine Beleihung vereinbart und vorbereitet wird. Im Mittelalter kam auch häufig die sogen. Lehnsauftragung (oblatio feudi) vor, darin bestehend, daß jemand, um sich unter den Schutz eines mächtigern Lehnsherrn zu begeben, diesem sein Allod zum Eigentum übertrug, um es dann von jenem als Lehen zurückzuempfangen.
Besondere Arten der Investitur sind die Koinvestitur und die Eventualbelehnung. Erstere (investitura simultanea) ist diejenige Investitur, welche gleichzeitig an dem nämlichen Gegenstand mehreren Personen erteilt wird. Hier werden die mehreren Beliehenen nach ideellen Teilen an dem Lehnsgut berechtigt, ohne daß zwischen ihnen etwa ein wechselseitiges Erbrecht in Ansehung des letztern begründet würde (Mitbelehnung, coinvestitura juris ¶