(spr. lebbanon), blühende Stadt im nordamerikan.
StaatPennsylvanien, 50 km östlich von
Harrisburg, mit (1880) 8778 Einw. Etwa 8 km davon die ungemein
ergiebigen »Cornwall-Erzbänke« mit
Eisen
[* 3] und
Kupfer;
[* 4]
Dorf im preuß. Regierungsbezirk
Stettin,
[* 5]
Kreis
[* 6]
Usedom-Wollin, auf der
InselWollin und am Ausfluß
[* 7] der Swine aus
dem Pommerschen
Haff, hat eine schöne
Kirche, ein Waisenhaus, Zementfabrikation u. (1885) 1406 evang.
Einwohner.
Die LebbinerBerge sind der Anfang eines Höhenzugs, der mit dem Gosanberg unweit
Misdroy an der
Ostsee endet.
(spr. loboh),JeanLouisJoseph, belg. Staatsmann, geb. zu
Huy an der
Maas, studierte in
Lüttich
[* 8] die
Rechte,
ward 1819
Advokat, trat als publizistischer Schriftsteller auf und trug als Mitredakteur des politischen
Journals »Matthieu Laensberg« wesentlich zum Zustandekommen der
Union zwischen der liberalen und der katholischen
Opposition
gegen die niederländische
Regierung bei. Während der
Revolution 1830 entwickelte eine große Thätigkeit für die Unabhängigkeit
Belgiens und betrieb alsMinister des
Auswärtigen im zweiten
Ministerium des
Regenten vom eifrigst
die
Wahl des
Prinzen von
Koburg
[* 9] zum König von
Belgien.
[* 10] Um jeden
Verdacht persönlichen
Eigennutzes zu entfernen, gab er gleichzeitig
sein
Portefeuille ab und war Mitglied der
Kommission, die dem neuen König die Wahldokumente überbringen sollte, wurde aber
unter König
Leopold wieder Justizminister.
Nach den
Unruhen im
Monat April 1834 schied er aus dem
Ministerium und ward
Gouverneur von
Namur
[* 11] und 1839 außerordentlicher Gesandter
Belgiens beim
DeutschenBund. 1840 erhielt er wieder das
Ministerium des
Auswärtigen. Als die
Angriffe der katholischen
Partei
in den beiden
Kammern das
Ministerium immer heftiger bedrängten, der König aber eine
Auflösung der
Kammern
verweigerte, nahm Lebeau mit fast sämtlichen Mitgliedern des
Kabinetts 1841 seine Entlassung. Als Kammermitglied sowie als
Publizist
aber fuhr er fort, die Prinzipien des Liberalismus der klerikalen
Partei gegenüber zu vertreten. Erst im
Herbst 1864 verzichtete
er infolge von Kränklichkeit auf seine Wiederwahl als Deputierter und starb in
Huy.
der Inbegriff
der charakteristischen
Erscheinungen, Thätigkeiten und
Bewegungen, welche wir an
denjenigen Naturkörpern wahrnehmen, die wir gewöhnlich als Organismen bezeichnen, nämlich an
Tieren und
Pflanzen, insbesondere
derjenigen der Selbstregelung und Überkompensation, welche die Dauerfähigkeit derselben bedingen. Die lebenden
Wesen unterscheiden
sich von den anorganischen
Körpern sowohl durch eine besondere chemische
Zusammensetzung ihrer
Körpermasse als durch einen
eigentümlichen
Aufbau.
Als den eigentlichen
Träger
[* 16] des Lebens sieht
man in neuerer Zeit das
Protoplasma (s. d.) an, weil es nicht
nur bei vielen niedern Urwesen oder
Protisten den gesamten Leib des Lebewesens darstellt und alle
Eigenschaften des Lebens,
als
Bewegung,
Reizbarkeit,
Ernährung und
Fortpflanzung, äußert, sondern weil auch die höher stehenden Organismen im Keimzustand
auf einen
Tropfen dieser
Substanz reduziert sind.
Pflüger und andre Biologen haben das aus der großen
Zersetzbarkeit des
Protoplasmas oder einiger seiner
Bestandteile zu erklären gesucht,
Löw und Bokorny hierbei besonders auf
die große Beweglichkeit und
Spannkraft der im lebenden
Eiweiß enthaltenen Aldehydgruppen hingewiesen.
Der
Tod sei die
Folge einer Molekularverschiebung dieser in chemischer Beziehung ausgezeichneten
Gruppen.
In der That konnten die Genannten zeigen, daß es ein chemisches
Reagens gibt, durch welches lebendes
Protoplasma vom toten
sofort unterschieden werden kann, und dies
Reagens besteht in einer alkalischen Silberlösung, welche nur lebendes
Protoplasma
durch mittels
Aldehyd ausgeschiedenes
Silber färbt, nicht aber das (wenn auch eben) abgestorbene
Protoplasma.
Diese eiweißartige
Substanz bildet, wie es scheint, erst aus sich heraus die andern
Bestandteile des
Körpers, sie umgibt sich
auf einer etwas höhern
Stufe mit einer
Hülle und bildet die
Zelle
[* 17] (s. d.), das
Elementarorgan, durch dessen
Vermehrung u. Aneinanderreihung
sich der Leib der höhern Lebewesen aufbaut. Ein unbelebter
Körper wächst dadurch, daß sich an seiner
Oberfläche kleine Partikelchen einfach ansetzen; die Organismen aber wachsen dadurch, daß sie die sich ihnen darbietenden
Nahrungsmittel
[* 18]
in sich aufnehmen und zu solchen
Stoffen umwandeln, aus welchen sie selbst bestehen.
Man nennt diese Umwandlung die
Assimilation (umbildende Aneignung). Mit der
Assimilation ist stets auch
eine fortwährende
Ausscheidung der unbrauchbar gewordenen
Bestandteile verbunden. Beide Vorgänge, die
Assimilation und die
Ausscheidung, werden zusammen als
Stoffwechsel bezeichnet, wobei die
Atmung, welche nur im latenten auf ein unmerkliches
Maß
herabsinkt, sonst aber ununterbrochen im
Gang
[* 19] ist, durch Sauerstoffaufnahme und
Verbrennung der ausgeschiedenen
Stoffe zur eigentlichen
Quelle
[* 20] der Lebensenergie und Lebenswärme wird.
Diese Vorgänge sind die Grundbedingungen, ohne welche das Leben überhaupt nicht denkbar ist. Von den Organismen
hat die eine
Gruppe, nämlich die der
Tiere, die Fähigkeit, sich infolge eines psychischen Antriebes willkürlich zu bewegen;
den
Pflanzen geht diese Fähigkeit im allgemeinen ab, obwohl gewisse Wachstums- und
Reizbewegungen bei
ihnen allgemein vorkommen;
den unbelebten
Körpern aber geht jedes
Vermögen, sich aus innern
Impulsen zu bewegen, fremde
Nahrung
aufzunehmen, sie zu gestalten und sich durch die
Fortpflanzung zu verjüngen, völlig ab. An Anhaltspunkten für die Unterscheidung
zwischen Belebtem und Unbelebtem fehlt es daher nicht;
aber es wäre ein
Irrtum, zu glauben, daß diese
Anhaltspunkte einzeln oder in ihrer
¶
mehr
Gesamtheit zugleich das logische Merkmal jener Grenzlinie abgäben. Schon eine oberflächliche Kritik der oben angeführten
Momente wird jeden Denkenden davon überzeugen, daß der Begriff des Lebens dadurch weder erschöpft, noch abgegrenzt ist.
Man kann das Leben als Erscheinung einem Feuer vergleichen, welches sich nährt, halb erlischt und wieder aufflammt, und
neuere Forscher haben deshalb auch im Feuer den Ursprung des Lebens gesucht. Da indessen die Nahrung und die andern dem Leben unentbehrlichen
Bedingungen die Wärme,
[* 22] das Licht
[* 23] etc., von außen kommen, so ist das Leben keine ausschließlich innere Erscheinung, die durch
eine spezifische Kraft,
[* 24] die sogen. Lebenskraft (s. d.), unterhalten wird, sondern beruht
auf der Wechselwirkung mit den Außendingen.
Daher ist das Leben nichts unveränderlich Gegebenes, sondern zeigt eine Anpassungs- und Entwickelungsfähigkeit, welche uns die
Mannigfaltigkeit seiner Formen erklärt. Das Leben des Individuums erscheint in folgenden drei Hauptformen: Das latente oder Keimleben
läßt sich an den Samen
[* 25] und Eiern beobachten. Diese Körper behaupten, wenn nicht übermäßig zerstörende
Einflüsse der Außenwelt (z. B. hohe Hitzgrade) sie treffen, ihre Gestalt, Beschaffenheit und Lebensfähigkeit viele Jahre
lang.
Ähnliche Zustände beobachtet man beim Larven- oder Puppenzustand mancher Insekten,
[* 26] beim Winterschlaf vieler Pflanzen und Tiere,
beim Scheintod. Das pflanzliche oder vegetative Leben besteht in Wachstum, Ernährung, Absonderung und Fortpflanzung,
ohne willkürliche Bewegungen. Das animalische oder tierische Leben umfaßt die Vorgänge der Empfindung, der willkürlichen Bewegung,
des Denkens etc. Den Pflanzen kommen nur die Prozesse des vegetativen Lebens, den Tieren außer diesen noch diejenigen des animalischen
Lebens zu. Mit den genannten Formen des Lebens sind freilich nicht alle Äußerungen desselben erschöpft.
Das Studium derselben ist Gegenstand der Pflanzen- und Tierkunde, der Anatomie und der Physiologie. Die Gesamtlehre von den Gesetzen
und Erscheinungen des Lebens heißt Biologie. - Der Ausdruck Leben wird auch in übertragener Bedeutung vielfach gebraucht.
Man spricht von einem geistigen Leben, von Leben in der Geschichte, von Staats- und Völkerleben etc. Gegen
diesen Gebrauch ist an sich nichts einzuwenden; nur soll man nicht glauben, daß er dazu dienen könne, den Begriff des Lebens
selbst zu erläutern. Im Gegenteil kann die Übertragung des Begriffs auf ein Gebiet, dem eran sich fremd ist, nur zur Verdunkelung
desselben beitragen.
Auch
sonst bedient man sich bei besondern Anlässen, Festvorstellungen, Traumerscheinungen etc.
auf der Bühne der lebenden Bilder. Während der Dauer der Schaustellung eines Bildes ist die richtige unbewegliche Beleuchtung
[* 32] des Hauptpunktes genau zu beachten. Bei komischen Bildern läßt man auch wohl vor den Augen der Zuschauer die Stellung verändern,
so daß der Effekt noch vermehrt und gesteigert wird.
Vgl. Wallner, Sujets zu lebenden Bildern (Erf. 1876-81, 2 Bde.).
(Biographie) bezeichnet im höhern Sinne nicht die bloße Schilderung des äußern Lebensganges eines
Menschen, sondern die mit Erzählung der Schicksale und Thaten eines Individuums verbundene und mit historischer
Kunst ausgeführte Darstellung seiner geistigen und sittlichen Entwickelung. So aufgefaßt, bildet die Biographik einen Zweig
der Geschichtschreibung, und alle Anforderungen, welche die Wissenschaft an die übrigen Gattungen der historischen Darstellung
macht: vollständige Kenntnis und Beherrschung des Stoffes, strenge Wahrheitsliebe, Reife und möglichste Parteilosigkeit des
Urteils sowie nicht minder genaue Bekanntschaft mit den Zeitverhältnissen, in welchen der Betreffende
lebte, und unter deren Einwirkung er stand, endlich künstlerisch schöne Form der Darstellung, werden auch an eine gute Lebensbeschreibung gestellt.
Es folgt daraus von selbst, daß eine Biographie in diesem Sinne nur Personen zum Gegenstand haben kann, welche durch
ihre Stellung im Leben, durch hervorragende Verdienste, durch sittliche Vorzüge oder durch denkwürdige Schicksale als besonders
ausgezeichnet dastehen und ein allgemeineres menschliches Interesse erregen. Da übrigens jeder Biograph seinen Mann nur darstellen
kann, wie er ihn aufzufassen vermag, so ist, um letzterm gerecht zu werden, ein gewisser Grad von geistiger
Verwandtschaft zwischen dem Biographen und seinem Helden erforderlich, und je geistig höher der Darzustellende steht, desto
schwieriger ist die Aufgabe, eine gute Biographie von ihm zu geben. - Eine besondere Art der ist die Auto- oder Selbstbiographie,
bei welcher das Individuum die Darstellung seines Entwickelungsganges selbst gibt, also sein eigner Geschichtschreiber
ist.
Eins der merkwürdigsten Beispiele dieser Art von Selbstschilderungen, welche einen seltenen Grad von Selbsterkenntnis und noch
mehr Wahrheitsliebe erfordern, sind die »Confessions« Rousseaus, vor deren Offenheit man oft zurückschrickt, während Goethes
»Wahrheit und Dichtung« zu der Gattung von Lebensbeschreibungen gehört, welche, um sich dem Kunstwerk zu nähern,
weniger das Einzelne in das Auge
[* 35] faßt, als vielmehr das Ganze der geistigen Wirksamkeit des Individuums ideell darstellt.
Schriften biographischer Art finden wir bereits bei den Alten; es sei hier nur an Tacitus' Biographie des Agricola, an Curtius'
¶
mehr
Lebensbeschreibung Alexanders d. Gr., an Plutarch erinnert. Im Mittelalter waren fast ausschließlich Heilige Gegenstand biographischer Darstellung,
bis dann im 16. Jahrh. die biographische Litteratur (in Deutschland
[* 37] mit den dürftigen, aber interessanten Autobiographien
eines Götz v. Berlichingen, ThomasPlatter, Hans v. Schweinichen etc.) zu neuem Leben erwachte und sich in der Folge
bei allen Kulturvölkern zu einem kaum zu übersehenden Reichtum entfaltete, wenn auch nur der kleinere Teil der betreffenden
Schriften, die teils in Biographien Einzelner, teils in Sammlungen von Lebensbeschreibungen bestehen, nach Inhalt oder Form
Anspruch an litterarhistorische Bedeutung erheben kann. - Die biographischen Sammelwerke (meist alphabetisch angelegt) sind
in Hinsicht auf Ausführlichkeit und Stoffbegrenzung sehr verschieden und zwar teils allgemeiner Natur
(ausgezeichnete Persönlichkeiten aller Zeiten und Völker umfassend), teils auf gewisse Zeiträume, einzelne Länder oder bestimmte
Berufsarten (Künstler-, Gelehrten-, Schriftstellerlexika etc.) beschränkt. Zu den namhaftesten größern Sammlungen
der allgemeinen Art gehören, von einigen ältern Werken abgesehen: Bayles »Dictionnaire historique« (1697
ff.; zuletzt Par. 1820, 16 Bde.),
die bei den verschiedenen Pflanzen- und Tierarten eine sehr große Ungleichheit darbietende, aber für
dieselbe Art im Mittel gleichbleibende zeitliche Ausdehnung
[* 47] des Lebens, die bereits sehr früh die Aufmerksamkeit
des Volkes erregt und sich in alter Spruchweisheit ausgeprägt hat. Nach der letztern soll z. B.
ein Zaunkönig drei
Jahre, ein Hund drei Zaunkönigsalter, ein Roß drei Hundsalter, ein Mensch drei Roßalter erleben u. s. f.
bis zum Eichbaum, der nach dieser Rechnung 20,000 Jahre erleben sollte.
Auch die Forscher haben sich mit der Frage nach den Ursachen, durch welche den verschiedenen Lebewesen eine so ungleiche Lebensdauer zugemessen
werde, seit langem beschäftigt. Baco von Verulam meinte, die Lebensdauer richte sich nach der Dauer des Wachstums, je langsamer ein
Wesen die Reifezeit erreiche, desto länger lebe es, und da sich die Tiere um so langsamer entwickelten,
je größer sie seien, so lebten die größern Tiere, wie z. B. die Elefanten, auch am längsten, viele kleinere Tiere, wie
die Insekten, dagegen nur kurze Zeit, Monate, Wochen, Tage undStunden.
Einzelne Insekten, wie z. B. die Eintagsfliegen, leben bekanntlich im ausgebildeten Zustand nur wenige
Stunden und sterben, ohne Nahrung zu sich genommen zu haben, bald nach ihrer Begattung. Flourens glaubte aus seinen Beobachtungen
am Menschen und wenigen andern Wesen die Lebensdauer der fünffachen Wachstumsdauer gleichsetzen zu dürfen, und noch andre Forscher
schrieben der Energie des Lebens einen bestimmenden Einfluß auf die Abnutzung der Organe zu, was aber schon
dadurch widerlegt wird, daß sich unter den Vögeln, die sich bekanntlich des lebhaftesten Naturells und Stoffwechsels erfreuen,
gerade die langlebigsten Tiere befinden. So hat man Raubvögel
[* 48] selbst in Menagerien über 100 Jahre ausdauern sehen.
Die letzterwähnte Ansicht fußt auf der andern, daß Unbrauchbarwerden der Gewebsteile des Körpers durch
sogen. Involution die eigentliche Ursache des Alterns und Sterbens darstelle. Aber schon der Umstand, daß Tiere sehr verschiedener
Klassen und Lebensweisen ein gleiches Lebensalter erreichen (z. B. Pferde, Katzen
[* 49] und Kröten 40 Jahre), spricht dagegen. Von
einem mehr wissenschaftlichen Standpunkt ist die Frage erst in neuerer Zeit behandelt worden. Zunächst
zeigte Dönhoff, daß man hierbei die mittlere Lebensdauer, welche eine bestimmte Art im natürlichen Verlauf der Dinge zu erleben pflegt,
streng von der höchsten Lebensdauer trennen muß, die sie unter besonders günstigen Verhältnissen erleben kann.
So hat man beispielsweise in einem EdinburgerAquarium eine Seeanemone mehr als 60 Jahre am Leben erhalten,
ein Alter, das sie vermutlich in der Freiheit nicht erlebt.
Da man nun bei solchen Tieren, die keine (größere Schwankungen erzeugende) enorme Vermehrungsfähigkeit besitzen, und deren
natürliche Lebensverhältnisse nicht sehr stark vom Menschen beeinflußt werden, wie z. B. bei gewissen Standvögeln,
Wildarten etc., bemerken kann, daß ihre Zahl, von geringern Schwankungen abgesehen, im wesentlichen
von Jahr zu Jahr dieselbe bleibt, so müssen ebenso viele Tiere sterben, als durchschnittlich Junge aufkommen. Wir sehen somit
die mittlere Lebensdauer in ein bestimmtes Verhältnis zur Vermehrungsfähigkeit treten.
Die hierin obwaltende Beziehung ist aber nicht so einfach, wie A. Götte vermutete, der im Fortpflanzungsakt
selbst die Ursache des schnellern oder langsamern Hinsterbens sehen wollte, weil einige Insektenmännchen gleich nach der
Begattung und die Weibchen bald nach der Brutablage sterben, sondern es handelt sich, wie Weismann gezeigt hat, bei der mittlern
Lebensdauer um ein Zusammenwirken von Vermehrungsfähigkeit, Entwickelungsdauer, Ernährungsverhältnissen,
Zahl der Vertilger etc. Im allgemeinen werden demnach Tiere, die im Jahr wenig Junge aufbringen, länger leben müssen als
solche mit reicher Nachkommenschaft. Man muß also annehmen, daß diese äußern, den Kampf ums¶
mehr
Dasein bildenden Verhältnisse, welche beinahe für jede einzelne Art andre sind, aber in gewissen Grenzen
[* 51] konstant bleiben,
den Organismus sozusagen zu einer Feder von bestimmter Stärke
[* 52] gestalten, deren Spannkraft nur eine gewisse Zeit über die wahrscheinliche
Lebensdauer hinaus vorhält; die letztere würde sonach zu den sogen. Anpassungserscheinungen
zu rechnen sein. Wahrscheinlich darf man annehmen, daß ebenso, wie jedem Organismus eine bestimmte mittlere
Körpergröße zukommt, die durch eine Grenze der Zellenvermehrung gesetzt wird, sich auch eine Grenze der Regeneration der
Zellen für jede Art eingeführt hat, mit deren Annäherung das Altern und langsame Absterben beginnt. Da nun offenbar jeder
Organismus in seinem LebenBeschädigungen ausgesetzt ist, die nicht vollständig ausgebessert werden können,
so muß schon aus diesem Grunde die Beschränkung der Lebensdauer als eine Zweckmäßigkeitseinrichtung bezeichnet werden, und ohne
sie wäre eine Entwickelung zu höhern Formen kaum denkbar gewesen.
Die genauere Betrachtung dieser Verhältnisse hat einige auffällige Thatsachen ans Licht gebracht, z. B.
die unbegrenzte Lebensdauer der niedersten Wesen, deren Körper nur aus einer einzigen oder aus mehreren völlig gleichartigen Zellen
besteht. Sowohl bei den erstern, die sich durch eine immerfort wiederholte Teilung vermehren, als bei den letztern, wo aus
jeder einzelnen Zelle des aufgelösten Verbandes ein neuer Zellenkomplex hervorgeht, kann von einem natürlichen
Absterben aus Altersschwäche keine Rede sein, sie unterliegen nur der gewaltsamen Vernichtung. - Bei den Pflanzen schließt
sich die Lebensdauer, ähnlich wie bei vielen Insekten, teilweise an den regelmäßigen Cyklus der günstigen Entwickelungsperioden
im Jahreslauf.
Demgemäß sind die meisten Pflanzen ein- oder zweijährig, je nachdem sie ein oder zwei Jahre bis zur
Entwickelung der Samen gebrauchen. Bei den mehrjährigen oder ausdauernden Kräutern, Sträuchern und Bäumen handelt es sich
um ein jährliches Neuergrünen der mit Reservestoffen erfüllten Wurzelstöcke oder Äste, resp. um einen allmählichen Ersatz
der Blätter bei immergrünen Pflanzen, und alle solche ausdauernde Gewächse (die man aber kaum mehr als
einfache Individuen ansehen darf) können unter Umständen ein sehr hohes Alter erreichen, wie man denn häufig von tausendjährigen
Eichen, Rosenstöcken etc., ja selbst von mehrtausendjährigen Farnen, Drachen- und Affenbrotbäumen etc. spricht.
(Vitalität), im ärztlichen Sinn derjenige Zustand eines neugebornen Kindes, in welchem dasselbe nach
seinem Alter und nach der Bildung seiner Organe befähigt ist, fortzuleben, d. h. die durchschnittliche
Lebensdauer des Menschen zu erreichen. Eine fünfmonatliche Frucht, sie mag noch so wohlgebildet sein, ist nicht lebensfähig,
da sie das richtige Alter zum Fortleben nicht erreicht hat, und
eine Frucht von zehn Monaten kann nicht fortleben, wenn eins
oder mehrere der zum Leben wichtigsten Organe in der Weise verbildet sind, daß deren notwendige Verrichtungen nicht von statten
gehen können.
Ein kurzes Leben von Minuten oder Stunden kommt also hierbei nicht in Betracht. Es ist von der größten Wichtigkeit, den Begriff
der Lebensfähigkeit in solcher Weise zu beschränken, obgleich die Gesetze regelmäßig behufs der Entscheidung über
Erbfähigkeit, Legitimität etc. nur Leben im allgemeinen verlangen. Auch in strafrechtlicher Beziehung wurde früher zwischen
Leben und Lebensfähigkeit insofern unterschieden, als der Kindesmord schwerer bestraft wurde, wenn das Kind lebensfähig gewesen war, als
im umgekehrten Fall. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch macht jedoch einen solchen Unterschied nicht.
Auch in Beziehung auf die Frage, ob gewisse angeborne Mißbildungen, welche durch die Kunst möglicherweise beseitigt werden
können, den Begriff der Lebensfähigkeit ausschließen oder nicht, gibt es verschiedene Ansichten. Aber mit Recht entscheidet sich Casper
dahin, daß solche Mißbildungen, wie z. B. der angeborne häutige Verschluß des Mastdarms oder der Harnröhre,
welche ohne Kunsthilfe zum Tod führen, auch den Begriff der Lebensfähigkeit ausschließen müssen, indem er ausführt, wie die Annahme der
Lebensfähigkeit einer auf diese Weise mißgebildeten Frucht die Folgerung einer verschiedenen Lebensfähigkeit der Kinder der Armen und Reichen, der Stadt-
und Landbewohner zulassen würde. In allen neuern Gesetzgebungen ist das Alter von 210 Tagen oder die 30. Schwangerschaftswoche,
sieben Kalendermonate, als der Termin der beginnenden Lebensfähigkeit angenommen, der auch naturgemäßer erscheint als der von Hippokrates
aufgestellte von 180 Tagen oder sechs Kalendermonaten, welcher noch von dem rheinischen Gesetzbuch festgehalten wird.
Angeborne Bildungsfehler, welche im stande sind, das Fortleben unmöglich zu machen, sind im ganzen selten
und dann in der Regel so sehr in die Sinne fallend, daß über ihre Bedeutsamkeit in der Regel kein Zweifel obwalten kann. Weniger
leicht und oft erst nach einigen Tagen machen sich innere Mißbildungen (s. d.) bemerkbar, wie z. B.
Verschließung der Speiseröhre, Verschluß des Afters und der Harnröhre, Zwerchfellbruch, bei dem die
Eingeweide
[* 54] des Unterleibs in die Brusthöhle gedrungen sind, u. dgl.
nach Flourens eine kleine, wenige Millimeter umfassende graue Partie des verlängerten
Marks an der Spitze des Calamus scriptorius (dem hintern Ende der Rautengrube und der vierten Hirnhöhle), weil deren Verletzungen
rasch den Tod durch plötzlichen Stillstand der Atembewegungen und des Herzens herbeiführen, während das gesamte große Gehirn
nebst den Ganglien an seiner Basis bei Tieren abgetragen werden kann, ohne daß Atmung und Herzthätigkeit
unmittelbar alteriert oder gar aufgehoben werden.
Während Flourens glaubte, daß in der fraglichen Stelle das Zentrum des Lebens des Nervensystems und somit des tierischen Lebens
überhaupt liege, haben spätere Forscher gefunden, daß diese Stelle identisch ist mit dem Atemzentrum (s. Atmung, S. 16),
und daß infolge ihrer Zerstörung bei den höhern Tieren Erstickungstod durch Sistierung der Lungenatmung
herbeigeführt wird. Frösche
[* 55] und andre Tiere, bei denen die Haut- oder Darmatmung genügt, den Gaswechsel des Organismus zu regeln,
leben
¶
mehr
noch viele Monate nach der Zerstörung des Lebensknotens.
Wie man in der Gegenwart noch nicht im stande ist, alle Lebensvorgänge durch die auch in der unbelebten
Natur herrschenden chemischen und physikalischen Gesetze zu erklären (vgl. Leben), so war dies vor Jahrhunderten noch weit weniger
möglich. Man sah sich deshalb nach andern Erklärungsgründen für die Erscheinungen der organischen
Natur um, da man doch auch auf diesem Gebiet eine strenge Gesetzmäßigkeit nicht verkennen konnte. In frühern Jahrhunderten
nahm man sogen. Lebensgeister (spiritus vitales s. animales) an, welche die Aufgabe haben sollten, die Verrichtungen
des Lebens zu besorgen.
Später wurde der wachsende Organismus für das Werk einer unbewußt bildenden Keimseele ausgegeben, welcher
man einen eignen Bildungstrieb (nisus formativus, s. d.) zuschrieb. Als diese Erklärung nicht mehr Stich halten wollte, nahm
man Lebenskräfte oder auch nur eine Lebenskraft an. Autenrieth hielt die Lebenskraft sogar für eine von der Materie ablösbare, selbständige
Kraft. LetztereAnsicht bricht schon deshalb in sich zusammen, weil sie auf einer gänzlichen Verkennung
des metaphysischen Wesens der Kraft beruht.
Die neuere Physiologie hat den Begriff der Lebenskraft als einer solchen, welche von den übrigen, auch in der unbelebten Natur herrschenden
Kräften verschieden sei, ganz aufgegeben. Sie betrachtet das Leben nicht als Ursache, sondern als das Produkt
eines Systems von Bedingungen und Mitteln, welche nach denselben mechanischen, physikalischen und chemischen Gesetzen wirken,
die in der übrigen Natur gelten, so daß die eigentümliche Gesamtwirkung, wegen deren wir Belebtes von Unbelebtem unterscheiden,
nicht von einer Verschiedenheit der Kräfte und Gesetze, sondern von einer Verschiedenheit der in den organischen
Keimen dargebotenen Angriffspunkte für diese Kräfte abhängt.
Diese Auffassung der Lebenserscheinungen nennt man die mechanische, im Gegensatz zu der früher herrschenden dynamischen.
Sie macht den Versuch, die Gesetze des Lebens mit den sonst bekannten Naturgesetzen in Übereinstimmung zu bringen. Die mechanische
Ansicht vom organischen Leben ist allerdings erst dann bewiesen, wenn alle Bewegungen im Organismus wirklich
als Wirkungen der den Atomen auch sonst innewohnenden Kräfte nachgewiesen sind, was vorläufig noch nicht entfernt geschehen
ist.
Sie empfiehlt sich aber nicht bloß von vornherein durch ihre größere Wahrscheinlichkeit und Einfachheit, sondern sie wird
auch durch den ganzen Entwickelungsgang fast zur Gewißheit erhoben. Dieser zeigt nämlich auf das unzweideutigste,
daß ganz proportional der Vertiefung der Forschung die Lebenskraft an Boden verloren hat.
Das ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt oder Nichteintritt bei jeder Versicherung (s. Versicherungswesen)
die Erfüllung des Vertrags abhängig sein muß, ist bei der Lebensversicherung der Tod des Menschen oder das Erleben eines bestimmten Alters.
Man spricht auch wohl von der Lebensversicherung im weitern Sinn bei denjenigen Versicherungsarten, bei welchen diese
Ungewißheit der individuellen
Lebensdauer neben einem oder mehreren andern ungewissen Ereignissen mit in Frage kommt, wie
bei der Invalidenpension, der Witwenversorgung; ja, man dehnt wohl gar, ohne zureichende Gründe, den Begriff der auf alle Versicherungen
aus, welche die Integrität der menschlichen Gesundheit zum Gegenstand der Spekulation genommen haben, wie Krankenkassen (s. d.)
u. a. -
Von der eigentlichen Lebensversicherung hat man zwei Arten zu unterscheiden:
Bei der Kapitalversicherung auf den Todesfall kommt die Versicherungssumme nach dem Tode der betreffenden Person zur Auszahlung,
bei der Versicherung auf den Erlebensfall (Aussteuerversicherung), wenn der Versicherte nach Ablauf
[* 59] einer bestimmten Zeit noch
lebt. Kapitalversicherungen auf den Todesfall, welche nur auf ein Jahr oder auf eine bestimmte Reihe von
Jahren so abgeschlossen werden, daß die Versicherungssumme nur dann zahlbar wird, wenn der Tod innerhalb der Versicherungszeit
erfolgt, nennt man kurze Versicherungen.
Sie werden wenig benutzt, während die sogen. gemischten Kapitalversicherungen oder abgekürzten Lebensversicherungen, bei
welchen die Versicherungssumme entweder nach Zurücklegung eines bestimmten Alters fällig wird oder durch
den Tod, wenn der Versicherte vor der Erreichung dieses Alters stirbt, in neuerer Zeit mehr Anklang gefunden haben, weil damit
oft der Zweck von Altersversorgungen oder Aussteuerbeschaffung verbunden wird. Auch auf zwei Personen zugleich kann sich die
Kapitalversicherung erstrecken und zwar derart, daß ausbedungen wird, die Versicherungssumme fällig
werden zu lassen entweder für die Eventualität, daß eine bestimmte Person eine bestimmte andre überlebt (Überlebungsversicherung),
oder für den Todesfall der zuerst von zwei Versicherten sterbenden Person (Versicherung verbundener Leben, verbundene Überlebensversicherung).
Die Kombinationen, welche über die Gewährung der Prämien und der Versicherungssumme durch die Police
vereinbart werden können, sind sehr zahlreich, wie auch die Zwecke, die durch die Versicherung erfüllt werden sollen, sehr
mannigfaltig sein können; doch bleibt die einfache Versicherung auf Lebenszeit mit fortlaufenden Prämien die vorherrschende.
Die Leistung, welche den Versicherungsgesellschaften für die Kapitalversicherung zu gewähren ist, die Prämie, pflegt
in pränumerando zu machenden Jahreszahlungen ausbedungen zu werden, für deren Entrichtung indes halb- oder vierteljährliche,
auch monatliche Raten unter entsprechender Verzinsung der gestundeten Beträge zugestanden werden; es kann aber auch die Prämienzahlung
durch eine beschränkte Anzahl entsprechend höherer Prämien oder eine einmal zu leistende Summe abgelöst werden, so daß
damit die Versicherung eine für die Folge beitragsfreie wird. Oft wird bei der Lebensversicherung gegen Zahlung einer Zusatzprämie
ausbedungen, daß am Ende der Versicherung die Prämien (natürlich ohne Zinsen) zurückgewährt werden (Gegenversicherung).
Weiteres über Prämie s. unter Versicherungswesen.
Das Lebensversicherungsgeschäft wird nicht von einzelnen Unternehmern, sondern nur von Gesellschaften, von Gegenseitigkeits-
und Aktienanstalten, betrieben. Die erstern verteilen die erzielten
¶
mehr
Überschüsse (Dividenden) bei rationeller Geschäftsführung nicht sofort nach Feststellung der Rechnungsabschlüsse, sondern
behalten dieselben mehrere Jahre zurück als Sicherheitsfonds, welcher dann, ebenso wie die Garantie- oder Sicherheitsfonds
der Aktiengesellschaften, zu eventueller Deckung unvorhergesehener Verluste durch eine die Berechnung übersteigende Sterblichkeit
etc. bereit liegt. Die großen deutschen Gegenseitigkeitsanstalten verteilen die Dividenden erst nach
Ablauf von vier oder fünf Jahren und zwar meistens durch ratierliche Anrechnung auf die Prämien.
Man unterscheidet demgemäß Brutto- und Nettoprämie. Letztere ist gleich dem Unterschied zwischen der Bruttoprämie und der
auf dieselbe entfallenden Dividende. In neuerer Zeit ist von einigen Anstalten die Verwendung der Dividenden zu einer
allmählich wachsenden, die Prämien allmählich verringernden, bei guten Resultaten dieselben schließlich völlig ausgleichenden
Vergütung eingeführt worden, so daß dabei die Prämien im umgekehrten Verhältnis zu dem mit der Versicherung verbundenen,
in der Regel wachsenden Risiko sich verringern. In England werden die Dividenden häufig für die Interessenten wie Sparkassengelder
angesammelt, um dann neben der Versicherungssumme als sogen. Bonus ausbezahlt zu werden.
Meistens werden Dividenden nur so lange gewährt, als die Versicherung in Kraft ist; einzelne Anstalten geben aber für jede
Prämie, welche ihnen bezahlt wurde, also auch über den Tod und das Erlöschen der Versicherung bei Lebzeiten hinaus, die entsprechende
Dividende. Neuerdings haben auch je mehr und mehr Aktiengesellschaften, welche man deshalb wohl »gemischte«
zu nennen pflegt, die Einrichtung getroffen, daß sie neben Versicherungen zu fester Prämie auch solche abschließen, denen
sie von den Überschüssen einen Anteil vergüten.
In den Geschäftsresultaten der Lebensversicherungsgesellschaften zeigt sich eine viel größere Gleichmäßigkeit als
in denjenigen fast aller andern Versicherungsinstitute, weshalb das Gegenseitigkeitsprinzip sich besonders
bei der Lebensversicherung bewährt hat, so daß die alten großen deutschen Anstalten dieser Art eine ziemlich konstante
hohe Dividende verteilen, während freilich der Mangel an einem genügenden Gründungskapital, an Erfahrungen und hinreichendem
Versicherungsbestand einige junge Gesellschaften zur Einforderung von Nachschüssen genötigt hat.
Der Grund für jene Gleichmäßigkeit der Geschäftsergebnisse liegt darin, daß man in dem Absterben einer großen Anzahl von
Menschen, in den Zahlenverhältnissen sowohl der innerhalb der einzelnen Zeitabschnitte, z. B.
Jahre, Sterbenden zu den Überlebenden als auch der in den einzelnen Altersjahren Sterbenden zu den Gleichalterigen eine
gewisse relativ große Stetigkeit beobachtet, dieselbe in den sogen. Sterblichkeits- (Mortalitäts-) Tafeln
statistisch festgestellt und die mittlere Lebensdauer der Menschen sowie die wahrscheinliche Lebensdauer von Personen eines bestimmten
Alters zu berechnen gelernt hat, womit für die Berechnung der Lebensversicherungsprämien eine weit festere, wissenschaftlichere
Grundlage als für die andrer Versicherungsprämien gegeben ist.
Schon zu Ausgang des 17. Jahrh. wurden von einzelnen Gelehrten, zuerst von Halley nach den Totenlisten der
Stadt Breslau
[* 61] 1693, Sterblichkeitstafeln berechnet; bei der Ungenauigkeit der Beobachtungen, welche diesen Tafeln zu Grunde
liegen, können die letztere indes auf Zuverlässigkeit keinen besondern Anspruch erheben. In der Folge wurde eine große
Anzahl von Tafeln veröffentlicht und darunter in
neuerer Zeit auch solche, zu denen die Erfahrungen einzelner
Lebensversicherungsanstalten selbst benutzt worden waren.
Diese letztern Tafeln sind natürlich für Lebensversicherungszwecke die geeignetsten. Die bekannteste derselben ist die
sogen. Tafel der 17 englischen Gesellschaften, welche aus den Beobachtungen von 17 englischen Lebensversicherungsgesellschaften
durch hervorragende Techniker berechnet ist und darum im Ruf ganz besonderer Zuverlässigkeit steht. Ihrer
bedienen sich gegenwärtig wohl die meisten deutschen Gesellschaften. Neuerdings haben sowohl die Gothaer Lebensversicherungsbank
für Deutschland als auch der Verein deutscher Lebensversicherungsanstalten nach den Erfahrungen der betreffenden Gesellschaften
Sterblichkeitstafeln aufstellen und veröffentlichen lassen.
Schon die oberflächliche Betrachtung der Mortalitätstafel zeigt, daß von einer Anzahl gleichalteriger
Personen im Durchschnitt während eines gewissen Zeitraums, also z. B. während eines Jahrs, um so mehr sterben, je älter diese
Personen sind. Nach der Tafel der 17 englischen Gesellschaften sterben von 1000 vierzigjährigen Personen während des ersten
Jahrs 14, von 1000 fünfzigjährigen 16, von 1000 sechzigjährigen 33, von 1000 achtzigjährigen 140. Würden
die Gesellschaften von jedem Versicherten in jedem Jahr denjenigen Beitrag fordern, welcher genau der Sterblichkeitsgefahr
entspricht, welcher derselbe in dem betreffenden Jahr unterliegt, so würde jeder Versicherte eine von Jahr zu Jahr steigende
Prämie zu entrichten haben.
Die Lebensversicherungsgesellschaften haben bis auf eine einzige, die Hannöversche, welche jedoch auch
ihrerseits wieder davon zurückgekommen ist, dieses für den Versicherten meist lästige System der immer steigenden Prämie
nicht angenommen; sie erheben vielmehr an Stelle dieser steigenden Prämie eine Durchschnittsprämie, welche in gleicher Höhe
(und zwar in der Regel während der ganzen Versicherungsdauer) fortgezahlt wird. Bei dem System der gleichbleibenden
Durchschnittsprämie zahlt der Versicherte in den ersten Jahren seiner Versicherung mehr und in den spätern weniger, als er
nach dem System der steigenden Prämie zu zahlen haben würde.
Aus den Mehrzahlungen der ersten Jahre, welche die Gesellschaft ansammelt, wird unter Hinzufügung der Zinsen und Zinseszinsen
der sogen. Prämienreservefonds (oder kurzweg Reservefonds) gebildet. Tritt dann mit der Zeit der Versicherte
in das Lebensalter, für welches die Sterblichkeitsgefahr so groß ist, daß sie durch die Durchschnittsprämie nicht mehr
gedeckt wird, so muß zur Ausgleichung des Fehlenden diese Prämienreserve in Anspruch genommen werden.
Der Prämienreservefonds dient nicht, wie der Sicherheits- oder Garantiefonds der Versicherungsgesellschaft,
oder wie die Reservefonds bei Bank- und Kreditinstituten, als Schutzmittel gegen außergewöhnliche Schäden, sondern vielmehr
dazu, der Gesellschaft die Erfüllung von Verbindlichkeiten zu ermöglichen, welche infolge des wachsenden Alters ihrer Versicherten
und der dadurch bedingten größern Anzahl von Sterbefällen mit Notwendigkeit (wenn auch erst nach einer
Reihe von Jahren) an sie herantreten müssen. So ist also auch die erforderliche Höhe des Prämienreservefonds wissenschaftlich
zu berechnen, wofür die erste Methode der SchottePrice aufstellte. Natürlich muß Gleichmäßigkeit in den Sterblichkeitsverhältnissen
der Lebensversicherungsgesellschaften im allgemeinen um so sicherer zu erwarten sein, je größer die Anzahl der in
Betracht kommenden Personen, der Versicherten, ist.
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