Unterdrückung der kretischen Seeräuber durch
Metellus Creticus (67
v. Chr.) waren die
Römer
[* 2]
Herren der
Insel.
Später den griechischen
Kaisern gehörend, wurde sie diesen 823
n. Chr. von den Arabern entrissen.
NikephorosPhokas eroberte sie 961 wieder,
und sie
blieb nun den Griechen, bis
Konstantinopel
[* 3] 1204 von den
Kreuzfahrern erobert wurde, worauf sie in die
Hände
der Genuesen und dann der
Venezianer geriet, welche sie bis 1645 behaupteten. Die Hauptstadt
Kandia ging aber erst nach einer
dreijährigen, höchst blutigen Belagerung, wobei fast 150,000
Menschen geopfert wurden, 1668 an die
Türken über, unter deren
Herrschaft die
Insel verwilderte. Im griechischen
Aufstand nahm sie
Mehemed Ali von
Ägypten
[* 4] als
Ersatz für
die
Kriegskosten dem
Sultan weg, mußte sie ihm jedoch 1841 wieder herausgeben.
Als durch die Entthronung König
Ottos in
Griechenland
[* 5] die national-hellenische
Bewegung sich wieder belebt hatte und die Mißernten
der Jahre 1863-65 den türkischen Steuerdruck wieder recht empfindlich machten, kam es 1866 zu einem
allgemeinen
Aufstand gegen die Fremdherrschaft, dessen Bekämpfung wegen der gebirgigen
Beschaffenheit der
Insel den durch 6000 Ägypter
verstärkten
Türken große Schwierigkeiten verursachte. Überdies wurde der
Aufstand von
Griechenland aus durch
Freiwillige
und Geldsendungen unterstützt, und selbst die Großmächte, außer
England, rieten der
Pforte zur Abtretung der
Insel an
Griechenland.
Diese wurde abgelehnt, und die
Neutralen beschränkten sich darauf, die Einwohner
vor derRache der
Türken nach
Griechenland
in Sicherheit zu bringen. 1867 gelang es endlich
Omer Pascha, durch kombinierte
Operationen den
Aufstand einzuengen und durch
rücksichtslose Strenge die
Ruhe in dem okkupierten Gebiet zu erhalten. Zugleich gewährte die
Pforte eine
allgemeine
Amnestie und zeigte sich zu
Reformen bereit. Der
GroßwesirAali Pascha selbst begab sich im
Oktober 1867 nach Kreta und
berief eine Delegiertenversammlung nach
Kanea, deren
Vorschläge, namentlich ein mehrjähriger Steuererlaß, bewilligt wurden.
Nun erlahmte der
Aufstand; die Mächte, durch die türkischen Zugeständnisse zufriedengestellt, lehnten jede fernere
Unterstützung ab und zwangen auch
Griechenland Anfang 1869, alle
Verbindung mit Kreta abzubrechen. Nach 2½jährigem
Kampf ward
so Kreta wieder den
Türken unterworfen, welche sich übrigens bemühten, den Einwohnern ihre Herrschaft weniger drückend zu
machen. Namentlich gewährte
Mukhtar Pascha, der 1878 zur Dämpfung neuer
Unruhen nach Kreta geschickt wurde, den
Einwohnern erhebliche Zugeständnisse, wie die
Berufung einer aus christlichen und mohammedanischen
Deputierten gebildeten
Provinzialversammlung, finanzielle Selbständigkeit, Beschränkung der
Dienstpflicht auf die Gendarmerie u. dgl. Auch
wurde ein Grieche, Photiades, zum
Generalgouverneur ernannt.
Ganz wurden die
Opposition der christlichen Einwohner gegen die türkische Herrschaft und die Annexionsgelüste der Griechen
damit allerdings nicht erstickt.
eine endemische, in ihren
Ursachen noch nicht genau bekannte
Entwickelungskrankheit, welche bei den davon
befallenen Individuen
(Kretins,
Fexe,
Trotteln, Gocken,
Gauche,
Simpel) eine eigentümliche Mißgestaltung
der körperlichen
Organisation und meist einen hohen
Grad geistiger
Schwäche zur
Folge hat. Woher das
WortKretin stammt, ist
nicht sicher; weder die
Ableitung von creta
(Kreide)
[* 8] noch die von chrétien (weil die Unglücklichen als
»Segen des
Himmels«
bezeichnet wurden) läßt sich in irgend einer
Weise begründen. Am wahrscheinlichsten ist das
Wort eine
jener zahlreichen im Volksmund befindlichen Bezeichnungen für
Geistesschwäche und entstand in einer von der
Krankheit heimgesuchten
Gegend mit romanisch sprechender
Bevölkerung
[* 9] als
Provinzialismus.
Manche bringen es, obgleich auch dafür ein Nachweis nicht geführt werden kann, in Beziehung zu dem
Wort cretira (creatura),
welches s. v. w. elendes Geschöpf,Tropf bedeutet. Der Kretinismus war schon im
Altertum bekannt, aber erst vom 16. Jahrh.
ab finden sich
Dokumente über das Vorkommen desselben in der
Schweiz
[* 10]
(Paracelsus,
Agricola). Eingehender wurde die
Krankheit
erst seit dem Anfang dieses
Jahrhunderts studiert, und besonders haben sich Fodéré,
Saint-Lager, Baillarger, Parchappe, auch
der
Präfekt de Rambuteau,
Iphofen,
Meyer-Ahrens,
Stahl,
Virchow,
Klebs u. a. an diesen Forschungen beteiligt.
Der Kretinismus macht sich bei den davon befallenen Individuen, wenn nicht schon bei der
Geburt, so doch in frühster
Jugend bemerklich.
Je nach dem
Grade der
Ausbildung, welchen die
Symptome der
Krankheit erreichen, und also auch nach dem
Grade der
körperlichen
Mißbildung und geistigen
Schwäche unterscheidet man die vollkommenen
Kretins, die Halbkretins und die Kretinösen.
In physischer Beziehung bietet nun der Kretinismus die folgenden wichtigern
Charaktere. Die
Statur ist klein (vollständige
Kretins werden
nicht größer als 1 m), untersetzt und dick, die
Brust flach, der
Unterleib aufgetrieben.
Die unternGliedmaßen sind kurz, an den
Gelenken aufgetrieben und zeigen mannigfache
Verkrümmungen; die
obern sind lang und dünn, mit breiten, dicken
Händen und kurzen
Fingern. Der sehr große
Kopf wird nur schwer aufrecht getragen.
Der
Schädel ist sehr unregelmäßig gebaut: in seinem vordern und obern Teil klein und wie zusammengedrückt, vergrößert
er sich vom
Scheitel aus nach hinten zu einem auffälligen
Umfang. Dabei ist die behaarte Kopfhaut stark
gewulstet; die dichten, starken
Haare
[* 11] gehen vorn tief herab.
Das
Gesicht
[* 12] gewährt einen monströsen Anblick. Es ist breit, besonders im obern Drittel;
die dicken, wulstigen, nach außen gewandten
Lippen umschließen
den offenen
Mund, aus welchem die dicke, fleischige
Zunge oft vorsteht und der
Speichel ausfließt.
Die
Gesichtshaut ist faltig, runzelig und welk, ihre
Farbe erdfahl; die
Physiognomie ist
¶
mehr
ohne Ausdruck, und das ganze Gesicht hat schon von Jugend auf ein greisenhaftes Aussehen. Die Zähne
[* 16] sind fast immer lückenhaft,
unregelmäßig eingepflanzt und kariös; ihre Entwickelung verspätet sich in den meisten Fällen. Der Hals ist kurz und dick
und trägt einen bald mehr, bald weniger entwickelten Kropf. Im allgemeinen charakterisiert sich der Körperbau
der Kretins durch den Mangel der Symmetrie und Proportionalität der verschiedenen Körperteile und durch das gänzliche Fehlen
von Harmonie in seinen Formen (s. Abbildung, nach einem Bild inVirchows »Gesammelten Abhandlungen«).
Die Funktionen dieses abnormen Organismus gehen stumpf und träge von statten. Die Bewegungen sind langsam und
unsicher; die Arme hängen schlaff herab; der Gang
[* 17] ist schleppend und wackelnd, zuweilen ganz unmöglich. Die Sinnesorgane sind
stumpf, ihre Wahrnehmungen, wenn überhaupt welche vorhanden sind, unvollkommen. Die geschlechtliche Entwickelung verspätet
sich meist sehr bedeutend. Vollkommene Kretins haben keinen Geschlechtstrieb und sind nicht zeugungsfähig; Halbkretins und
Kretinöse dagegen zeigen nicht selten eine starke geschlechtliche Erregung und sind auch zeugungsfähig.
Geistige Fähigkeiten mangeln den vollständigen Kretins gänzlich. Es geht ihnen selbst der Instinkt der Selbsterhaltung ab;
man muß sie wie kleine Kinder füttern (wobei sie unterschiedslos verschlucken, was man ihnen gibt) und reinlich halten.
(Vgl. hierüber Idiotie.)
Nach den Untersuchungen Virchows ist die Schädelform der Kretins im wesentlichen bedingt durch eine vorzeitige
Verknöcherung der die einzelnen Teile des Schädelgrundbeins trennenden Knorpel
[* 18] und durch die so entstandene Verkürzung der
Schädelbasis. Die neuern Untersuchungen von Klebs ergeben nun, daß diese vorzeitige Verwachsung der Knochen
[* 19] der Schädelbasis
nur eine Teilerscheinung eines über das ganze Skelett
[* 20] verbreiteten pathologischen Vorganges ist, welcher
darin besteht, daß die Wucherung der Knorpelelemente, welche normalerweise der Verknöcherung vorausgeht, nicht stattfindet.
Demgemäß ist der als eine eigentümliche Ernährungsstörung des wachsenden Organismus aufzufassen, welche sich charakterisiert
durch ein vorzeitiges Aufhören der Knochenbildung und durch eine dieser allgemeinen Hemmung des Längenwachstums der
Knochen gegenüberstehende übermäßige Entwickelung der Weichteile, namentlich der äußern Haut,
[* 21] der Schleimhäute des Mundes,
des Rachens und der Zunge, vielleicht auch des Gehirns. Der Kretinismus im weitern Sinn, als Endemie betrachtet, macht sich nicht bloß
bei den im engern Sinn kretinistisch gestalteten
Individuen bemerklich, sondern die ganze Bevölkerung an den befallenen
Orten zeigt sich von der Krankheitsursache betroffen.
Außer den eigentlichen Kretins, Halbkretins und Kretinösen findet sich eine Menge kropfiger, schwachköpfiger, verkümmerter
und schlecht proportionierter Individuen, Taubstummer, Stotterer und Stammler, Schwerhöriger, Schielender; es geht ein allgemeiner
Zug
körperlicher Degeneration und geistiger Verdumpfung durch die ganze eingeborne Bevölkerung, und auch die
für gesund und klug geltenden Individuen sind durchschnittlich unschön, beschränkt und träge.
Besonders hervorzuheben ist das Verhältnis des Kretinismus zum Kropf. Der Kretinismus kommt nie vor, ohne daß auch der Kropf endemisch ist,
so daß man den letztern als den geringern Grad der Einwirkung derselben Ursache ansehen kann, welche den
erstern erzeugt. Abgesehen davon, daß die meisten Kretins sehr bedeutende Kröpfe haben, bringen Eltern mit Kröpfen häufiger
und vollkommnere Kretins zur Welt als solche ohne Kröpfe. Gesunde erwachsene Personen, welche in Kretingegenden einwandern, werden
von Kröpfen befallen; ja, selbst die Tiere (Pferde,
[* 22] Hunde)
[* 23] leiden in solchen Gegenden am Kropf.
NachMorel ist der in den befallenen Gegenden endemische Kropf nur das äußerliche Merkmal einer schweren
Erkrankung des ganzen Organismus (Kropfkachexie), und diese Erkrankung hat bei der Deszendenz der davon betroffenen Personen
den Kretinismus zur Folge. Sollte diese Auffassung, welche den anderweitigen AnsichtenMorels über die fortschreitende Degeneration bei
Nerven- und Geisteskrankheiten entspricht, auch nicht stichhaltig sein, so ist jedenfalls die innige Verbindung
zwischen dem endemisch vorkommenden Kropf und dem Kretinismus sicher konstatiert (»Le
[* 24] goître est le père du crétinisme«, Fabre).
mittlern Teil der Gebirge gelegene tiefe, enge und mehr oder weniger abgeschlossene Thäler. Auch die Flußläufe scheinen
Einfluß zu haben. Nach Klebs ist für Böhmen die Dichtigkeit der Kretinbevölkerung am größten in den Quellgebieten der
WildenAdler
[* 34] und der Elbe, dann der Eger
[* 35] und der Wottawa; sie nimmt ab in den untern Flußläufen und wieder
zu beim Zusammenfließen derselben, namentlich da, wo die Strömungsgeschwindigkeit infolge des senkrechten Einfallens der
Nebenströme in den Hauptstrom abnimmt.
Die Ursachen des Kretinismus sind noch unbekannt, es wird angeschuldigt ein hoher Feuchtigkeitsgehalt der Luft, Stagnation und mangelnde
Ventilation derselben, nicht ausreichende Besonnung, Unreinlichkeit der Wohnungen, soziales Elend, Fehlen der industriellen
Thätigkeit, Abgeschlossenheit und selbstgewählte Isolierung einer wenig intelligenten, in Vorurteilen und
alten, oft schädlichen Gewohnheiten befangenen Bevölkerung, Heiraten unter Blutsverwandten und die Vererbung; alle diese und
andre gesundheitswidrige Einflüsse bereiten den Boden vor, auf welchem jenes unbekannte, aber wesentliche Agens den endemischen
Kropf und Kretinismus zur Entwickelung bringt.
Eine eigentliche Behandlung des ausgebildeten Kretinismus ist nicht möglich, auch sind Kretins einer geistigen
Entwickelung nicht fähig, dagegen müssen die hygieinischen Verhältnisse nach Möglichkeit gebessert werden. Hebung
[* 38] des Wohlstandes,
Beseitigung von Vorurteilen und alten Gewohnheiten, Vermeidung der Verwandtschaftsehen;
Beschaffung guten Trinkwassers durch Zisternen oder durch Zuleitung aus unverdächtigen Quellen;
Regelung der
Flußläufe, Trockenlegung von Sümpfen und Austrocknung des Bodens überhaupt, Abholzung von Wäldern: dies sind die Mittel,
durch welche man dem Kretinismus entgegenzutreten im stande sein wird.
Speziell für Kretins bestimmte Anstalten
gibt es seit dem Eingehen der Guggenbühlschen auf dem Abendberg wohl nicht mehr; die Unglücklichen sind teils in den allgemeinen
Siechenhäusern, teils in Idioten- oder Irrenanstalten unterzubringen.
Vers, ein Vers der Alten, welcher aus dem Kretikus oder Amphimacer (‒⏑‒) zusammengesetzt ist und zuerst
von den Kretensern bei Tänzen angewandt wurde, bildet meist Gruppen der größern lyrischen Kompositionen, besonders als Tetrameter
in den Chorliedern der griechischen Tragiker und Komiker, wobei häufige Auflösungen der Länge in zwei
Kürzen beliebt sind. Im Deutschen hat ihn besonders Platen verwendet.
Konkurs in Brüssel
[* 55] 1868 ebenfalls der erste Preis zuerkannt wurde, und durch seine beiden, an verschiedenen TheaternDeutschlands
[* 56] mit großem Erfolg aufgeführten Opern: »Die Folkunger« (1874) und »Heinrich der Löwe« (1877). Außer diesen Werken hat noch
drei Messen und andre Kirchenkompositionen, zahlreiche Lieder, mehrere Orchesterkompositionen mit und ohne Chor
(darunter »Die Pilgerfahrt«),
(Creußen), Stadt im bayr. Regierungsbezirk Oberfranken,
Bezirksamt Pegnitz, am RotenMain und an der LinieSchnabelwaid-Baireuth der Bayrischen Staatsbahn, hat besuchte Viehmärkte und (1885) 1100 evang.
Einwohner. Kreußen ward 1003 von KaiserHeinrich II. belagert und kam 1251 in den Besitz der Burggrafen von Nürnberg.
[* 72] In Kreußen blühte
vom Ende des 16. bis zum Ende des 17. Jahrh. eine lebhafte Steinzeugindustrie, welche vornehmlich
Krüge,
[* 73] Kannen und Humpen von dunkelbrauner Masse und Glasur mit bemalten Reliefverzierungen erzeugte (s.
Abbildung bei »Apostelkrug«).
[* 74] Die Kreußener Krüge werden jetzt allgemein nachgeahmt.
Die daselbst bereitete Molke wetteifert infolge der reichen Alpenvegetation mit den besten derartigen
Anstalten der Schweiz; dabei ist die Luft wegen der häufigen Regen eine mehr feuchte, beschleunigt aber durch ihre größere
Dünnheit die Respiration und Zirkulation, erhöht die peripherische Thätigkeit und beschränkt die krankhaften Sekretionen.
Zugleich werden zu Kreuth Solbäder (von der Sole von Rosenheim) und Kiefernadelbäder verabreicht, und eine
Bittersalzquelle (zum »HeiligenKreuz«,
[* 78] fälschlich meist als erdig-salinische Schwefelquelle aufgeführt) von 11° C. Temperatur
bildet eine schätzenswerte Beigabe für die Brust- und Unterleibskranken, welche nach Kreuth gesandt werden. Die Saison dauert
von Juni bis Mitte September.
Vgl. Primavesi, Bad Kreuth (2. Aufl., Münch. 1872);
1) Rudolf, Violinspieler und Komponist, geb. zu Versailles
[* 84] von deutschen Eltern, erhielt durch Stamitz
und ViottiUnterricht im Violinspiel und wurde, indem er die Spielart des letztern weiter ausbildete, ein Hauptvertreter jener
berühmten Violinistenschule, die, von Italien
[* 85] ausgegangen, in Frankreich durch Baillot, Kreutzer und Rode¶
Bald danach durch wiederholte Schlaganfälle geschwächt, starb er auf einer Gesundheitsreise in Genf.
[* 88] Von Kreutzers
zahlreichen Kompositionen haben nur die für sein Instrument, darunter 19 Konzerte und die noch jetzt zur Ausbildung
eines Violinisten unentbehrlichen Etüden, ihn überlebt. Ein unvergängliches Denkmal wurde ihm überdies von Beethoven durch
die Widmung seiner Violinsonate Op. 47, der sogen. Kreutzer-Sonate,
errichtet.
Eine künstlerisch für ihn erfolglose Reise nach Paris
[* 91] abgerechnet, wirkte er auch ferner in Wien bis 1840, die letzten sieben
Jahre als Kapellmeister am JosephstädterTheater.
[* 92] Von da an lebte er in verschiedenen Städten, unter andern mehrere Jahre in
Köln,
[* 93] zuletzt in Riga,
[* 94] wo er starb. Von seinen zahlreichen Bühnenwerken, denen es zwar nicht
an Grazie und Innigkeit, jedoch an Tiefe und dramatischer Wirksamkeit fehlt, haben nur das »Nachtlager
zu Granada«
[* 95] (1834 für das JosephstädterTheater inWien geschrieben) und die Musik zu Raimunds »Verschwender« ihre Anziehungskraft
bis zur Gegenwart bewahrt; seine lyrischen Arbeiten dagegen, namentlich die Chöre für Männergesang,
sind noch heute in großer Anzahl verbreitet und Lieblingsstücke der betreffenden Kreise. In seiner Vaterstadt ist dem Komponisten
ein Denkmal (von HansBaur) errichtet worden.
[* 78] (lat. Crux), ein aus zwei sich schneidenden Balken gebildeter Körper und die dem entsprechende
[* 78]
Figur; insbesondere
ein namentlich bei den Alten übliches Werkzeug von dieser Form zur Ausführung der Todesstrafe (s. Kreuzigung). Die speziell
zu diesem Zweck dienenden Kreuze waren die von LipsiusCrux immissa und Crux commissa genannten. Das erstere bestand aus einem
Längs- und einem unter rechten Winkeln eingefügten Querbalken; über diesem wurde der sogen. Titulus,
eine weiße Tafel, auf der die Schuld des Verurteilten stand, angebracht,
und ungefähr in der Mitte des Langholzes befand
sich das Sitzholz (sedile).
Ein Fußbrett läßt sich im antiken Strafverfahren nicht nachweisen. Bei der Crux commissa (auch Antonius- oder ägyptisches
Kreuz genannt) bildet der Querbalken den obern Abschluß des Längsbalkens (T). Nach den ältesten Schriftstellern
soll letztere die Form des Kreuzes gewesen sein, an welchem Christus gekreuzigt wurde. Andre Kreuzesarten in Gestalt eines
X (Andreaskreuz, crux decussata) oder Y (Schächer- oder Gabelkreuz) lassen sich nicht als gebrauchte Strafwerkzeuge erhärten.
Einige andre Kreuzesformen kommen in der Kunst- und Kulturgeschichte vor (s. die Abbildungen). Das sogen.
lateinische Kreuz entsteht, wenn der Querbalken oberhalb der Mitte des Längsstammes angebracht ist; diese
[* 78]
Figur
umgekehrt nennt man das Petruskreuz, weil dieser Apostel mit dem Kopf zur Erde gekehrt gekreuzigt worden sein soll. Sind die
vier Arme gleich lang, so haben wir das griechische Kreuz. Das russische Kreuz, besonders
auf Kirchen, hat zwei Querbalken, deren unterer auch schräg gestellt ist. Auf prähistorischen Gefäßen und Geräten kommt
das Swastikakreuz vor, welches auch bei den Buddhisten in Indien religiöses Symbol ist. Bei den Ägyptern findet man das Henkelkreuz,
d. h. ein Antoniuskreuz, das oben mit einem Henkel oder Öhr versehen ist, als Sinnbild des künftigen Lebens.
Als Erinnerung an den Kreuzestod Christi wurde das Kreuz, anfangs in der Gestalt der Crux commissa, von den Christen zu einem heiligen
Zeichen, zum Symbol des Inbegriffs des Christentums, zum Sinnbild des tiefsten Schmerzes und des höchsten Heils, zum Erkennungszeichen
der Christen erhoben. Der Gebrauch, sich zu bekreuzen, d. h. mit den Fingern das Kreuzeszeichen vor sich
hin in die Luft zu bilden, reicht bis ins 3. Jahrh. zurück und ging sehr bald auch in den öffentlichen
Gottesdienst über.
dem Kreuz auch Wunderkraft bei, wie sein Zeichen noch heutzutage vom Volk vielfach als Schutzmittel gegen böse Geister angewendet
wird. Die im 5. Jahrh. aufgekommene Sitte, unter dem ein Lamm darzustellen, aus dessen BrustBlut fließt, wurde auf dem sechsten
Konzil zu Konstantinopel 680 verboten und verordnet, anstatt des Lammes den Heiland in Gestalt eines am Kreuz hängenden
Menschen abzubilden. So entstand das Kruzifix (s. d.), d. h. ein Kreuz mit
dem Bilde des sterbenden Erlösers, das auch die evangelische Kirche als Erinnerungszeichen an den Tod Jesu beibehalten hat und
deshalb auf dem Altar
[* 99] aufstellt (Altarkreuz).
Vgl. Stockbauer, Kunstgeschichte des Kreuzes (Schaffh. 1870);
Die Quellen sind am vollständigsten gesammelt in Zöckler, Das Kreuz Christi, kirchlich-archäologische Untersuchungen (Gütersl.
1875).
Die Sitte, daß des Schreibens Unkundige anstatt ihrer Namensunterschrift drei Kreuze zeichnen (s.
Analphabeten, am Schluß), findet sich schon im 6. Jahrh. und mag sich so erklären, daß das Kreuzeszeichen
die Unterzeichnenden an die Pflicht der Wahrhaftigkeit erinnern sollte. Überhaupt war es gewöhnlich, bei Unterschriften von
Urkunden selbst außer dem Namen noch drei Kreuze zu zeichnen; auch findet man dieses Zeichen häufig im
Eingang von Diplomen und andern Handschriften anstatt der Anrufung des NamensGottes. Die griechischen Kaiser schrieben ihr Kreuzeszeichen
mit roter, die byzantinischen Prinzen mit grüner Tinte, die englischen Königevor der normännischen Eroberung in Gold.
[* 101]
Die Kreuze der altnordischen Runensteine haben ihren Ursprung von dem in Kreuzesform gestalteten Hammer
[* 102] des
Thor. Auf Münzen
[* 103] und Siegeln bedeutet ein Kreuz die Stelle, wo man die Umschrift zu lesen anfangen soll. Mehrere Münzen haben von
dem Gepräge des Kreuzes ihren Namen, z. B. der Kreuzer (s. d.), der Kreuzpfennig der Stadt Bremen,
[* 104] der Kreuzgroschen, der Kreuzdukaten
der Könige von Frankreich seit Franz I., die portugiesische Crusade etc.
Im Kartenspiel ist Kreuz die deutsche Benennung für das französische Trèfle; in der Mathematik als stehendes Kreuz (+, plus) Additionszeichen,
als liegengendes ^[richtig: liegendes] Kreuz (×) Multiplikationszeichen; bei Thermometerangaben bezeichnet + die
Grade über 0.
In der Heraldik kann das Kreuz wohl als das älteste Wappenzeichen bezeichnet werden, denn die Heere, welche
nach dem Morgenland zogen, um das Heilige Grab zu
befreien, führten ein auf Fahne, Schild
[* 105] und Gewand. Des heiligen ReichsFahne
trug schon vor 1200 ein Kreuz; es ist das St. Georgenbanner, welches dem heil. Georg nach der Sage ein Engel vom Himmel
[* 106] brachte.
KaiserFriedrich III. nahm das in aller Form in das kaiserliche Wappen
[* 107] auf, doch machten seine Nachfolger
von demselben keinen Gebrauch. In der Heraldik kommen die verschiedensten Kreuzformen vor. Die Kreuze, welche in den Schildesrand
verlaufen, nennt man die eigentlich heraldischen Kreuze: das gemeine Kreuz, bei dem alle vier Arme gleich
lang sind (auch griechisches Kreuz genannt,
[* 98]
Fig. 1), das Andreas- oder Schrägkreuz (auch burgundisches Kreuz genannt,
[* 98]
Fig. 2),
das Gabel- oder Schächerkreuz
[* 98]
(Fig. 3), das Antoniuskreuz (auch ägyptisches Kreuz genannt,
[* 98]
Fig. 4) u.
das Tatzenkreuz (auch mantuanisches Kreuz genannt,
[* 98]
Fig. 5), ein gemeines Kreuz, das
breitendig ausgeschweift ist. Berührt das Kreuz den Schildesrand nicht, so nennt man es abgeledigt oder
schwebend: gemeines Kreuz, schwebend
[* 98]
(Fig. 6) und breitendig
[* 98]
(Fig.
7). Ist der untere Arm des letzten Kreuzes zugespitzt, so entsteht das Nagelspitzkreuz
[* 98]
(Fig. 8). Die Enden der vier Arme des
Kreuzes werden in der mannigfaltigsten Weise gemustert. So entsteht das Kleeblattkreuz
[* 98]
(Fig. 9), das Ankerkreuz
[* 98]
(Fig. 10), das Krückenkreuz
[* 98]
(Fig. 11), das wiederholte Kreuz (franz.
croix croisée,
[* 98]
Fig. 12), das Hakenkreuz
[* 98]
(Fig. 13), das Halbkrücken- oder Pfötchenkreuz
[* 98]
(Fig. 14).
Endlich sind noch die Passions- oder Hochkreuze zu nennen, deren unterer Arm erheblich verlängert ist
[* 98]
(Fig. 15); Hochkreuze
mit zwei oder mehr Armen heißen Patriarchenkreuze
[* 98]
(Fig. 16).
Über die Kreuze der geistlichen und weltlichen Ritterorden s. die einzelnen diesen Orden
[* 108] gewidmeten Artikel.
In der Musik sind das Kreuz (♯) und Doppelkreuz (×) Erhöhungszeichen, s. Erhöhung. Ein im Generalbaß ohne Ziffer
überschriebenes Kreuz bezieht sich auf die Terz. Das aufrechte Kreuz (+) ist in englischen Musikalien das Zeichen für den Daumen
(s. Fingersatz). Über die Bedeutung des + in der neuern Harmonielehre vgl. Klangvertretung. - Im Maschinenwesen ist Kreuz die
Vorrichtung, durch welche eine Stangenkunst mit den Kolbenstangen eines Pumpwerkes in Verbindung gesetzt
wird. Das ganze Kreuz besteht aus zwei rechtwinkelig sich durchkreuzenden starken Hölzern, deren vier Enden durch eiserne Schienen
verbunden sind; eine eiserne, in Lagern ruhende Welle geht durch die Mitte des Kreuzes. Das halbe