auch speziell die
Neigung einer
Stelle der Erdoberfläche gegen die Rotationsachse der
Erde, welche von ihrer geographischen
Breite
[* 2] abhängig ist. In dieser mathematisch-astronomischen Bedeutung wird das
Wort Klima
[* 3] nach dem Vorgang der alten Geographen,
namentlich des
Ptolemäos, auch in Bezug auf die größten Tageslängen einer Gegend der
Erde gebraucht, indem
man Klimate (astronomische) die
Zonen zwischen je zwei
Parallelkreisen der
Erde nennt, für welche vom
Äquator nach den
Polarkreisen
zu die Dauer des längsten
Tags um eine halbe
Stunde zunimmt.
Man unterscheidet hiernach auf jeder
Halbkugel, vom
Äquator bis zum
Polarkreis fortschreitend, 24 Klimate, zu welchen zwischen
dem
Polarkreis und dem
Pol selbst noch sechs hinzutreten, für welche die Dauer des längsten
Tags von einer
Zone (oder einem Klima) zur andern immer um einen
Monat wächst. Am
Pol selbst muß der längste
Tag 6
Monate dauern. Während die
Klimate am
Äquator mehrere
Grade breit sind, sinken sie bei
Annäherung an den
Polarkreis auf die
Breite
von einigen
Minuten herab und erreichen dann erst wieder in der kalten
Zone, wo die Dauer des längsten
Tags von Klima zu um einen
Monat wächst, eine größere
Breite. Die folgende
Tabelle gibt für die nördliche
Halbkugel die
Daten für einige dieser Klimate
an:
Wegen der
Strahlenbrechung
[* 4] oder
Refraktion der
Sonne
[* 5] ist in jedem dieser Klimate die Dauer des längsten
Tags immer etwas größer
als die angegebenen
Zahlen, welche aus den verschiedenen
Stellungen der
Sonne berechnet sind. Auch ist noch
die
Bewegung der
Erde in der
Ekliptik von Einfluß auf die Tageslängen, also auch auf diese Klimate. Diese von den alten Geographen
eingeführte
Einteilung der Erdoberfläche in Klimate bezweckte, die geographische
Breite eines
Ortes nach
der Dauer des längsten
Tags an diesem
Ort zu bestimmen. Jetzt ist diese
Einteilung der Erdoberfläche in astronomische Klimate
nicht mehr gebräuchlich.
Jetzt wird das
Wort Klima ausschließlich in meteorologischer u. physisch-geographischer Beziehung
gebraucht. Man übertrug den
Namen Klima zunächst auf die Witterungsverhältnisse eines
Ortes, weil man diese
nur für eine
Funktion der
Breite hielt. Dies würde aber nur dann der
Fall sein, wenn die ganze Erdoberfläche mathematisch genau eine Sphäroidfläche
ohne Unebenheiten wäre und durchweg aus derselben
Substanz bestände. Doch wie verschieden gestalten sich
nicht die Witterungsverhältnisse
unter derselben
Breite je nach der
Lage des
Ortes auf einemGebirge oder im
Flachland sowie nach der
Beschaffenheit
der Erdoberfläche, wenn dieselbe
Meer oder
Festland ist, oder wenn letzteres aus einer trocknen Sandwüste oder aus einem
von
Flüssen durchzogenen Waldgebiet besteht.
Gegenwärtig versteht man unter Klima den Zustand des
Wetters an einem bestimmten
Ort oder in einer bestimmten Gegend oder, was
dasselbe sagt, die
Größe und die
Beschaffenheit der meteorologischen
Elemente sowie deren periodische und nichtperiodische
Veränderungen. Die klimatischen Untersuchungen beziehen sich demnach auf die
Temperatur, die
Feuchtigkeit, den
Luftdruck, den
ruhigen Luftzustand oder die
Wirkung ungleichnamiger
Winde,
[* 6] die
Größe der elektrischen
Spannung, die Reinheit der
Atmosphäre
oder ihre Vermengung mit mehr oder minder schädlichen gasförmigen
Ausdünstungen, endlich den
Grad habitueller
Durchsichtigkeit und Heiterkeit des
Himmels, der nicht bloß wichtig ist für die vermehrte
Wärmestrahlung
[* 7] des
Bodens und die
organische
Entwickelung der
Gewächse, sondern auch für die
Gefühle und Seelenstimmung des
Menschen.
Die
Lehre
[* 8] von den Klimaten der verschiedenen Gegenden bildet den Teil der
Meteorologie (s. d.), welchen
man
Klimatologie nennt. Da die Temperaturverhältnisse den für uns fühlbarsten Einfluß auf das Klima eines
Ortes ausüben,
so hat man die verschiedenen
Zonen, in welche die Erdoberfläche nach den verschiedenen
Konstellationen der
Sonne durch die
beiden
Wendekreise und die beiden
Polarkreise geteilt wird, nach der Wärmemenge, welche die
Orte einer
Zone der
Erde durchschnittlich im
Lauf eines
Jahrs erhalten, die heiße, die wärmere und kältere gemäßigte und die kalte
Zone genannt und danach auch das Klima der Gegenden innerhalb jener
Zonen bezeichnet.
Die durchschnittliche
Wärme
[* 9] oder das Klima der heißen
Zone ist 30-20° C., der wärmern gemäßigten
Zone
20-12° C., der kältern gemäßigten
Zone 12-4° C., der kalten
Zone 4° C. bis -10° C. und darunter. Die mittlere Jahrestemperatur
ist aber keineswegs allein entscheidend für das Klima eines
Ortes; vielmehr sind es die Verteilung der
Wärme im
Lauf eines
Jahrs
und die geographischeLage eines
Ortes sowie seine
Erhebung über den Meeresspiegel, die
Konfiguration der
Erdoberfläche und die dadurch bedingten Änderungen in der
Witterung, welche das Klima desselben bestimmen.
Daher unterscheidet man die durch die
Zonen bestimmten verschiedenen
Formen des Klimas, das tropische, das temperierte oder
gemäßigte und das kalte noch anders voneinander als durch ihre jährliche Mitteltemperatur. Das tropische
Klima zeigt außer einer hohen Mitteltemperatur eine geringe jährliche, aber eine bedeutende tägliche Veränderung
derselben, eine große
Menge Wasserdampf, regelmäßige Windverhältnisse und eine beträchtliche Regenmenge, welche zu bestimmten
Zeiten des
Jahrs fällt, nämlich dann, wenn die Mittagshöhe der
Sonne am größten ist.
Die
Jahreszeiten
[* 10] des tropischen Klimas sind daher: die
Regenzeit, die mit dem höchsten Sonnenstand eintritt,
und die trockne
Jahreszeit, welche mit dem niedrigsten Sonnenstand zusammenfällt. Je nachdem der
Ort weiter vom
Äquator entfernt
ist oder näher an ihm liegt, wechseln diese beiden
Zeiten ein oder zweimal im Jahr. Das tropische Klima umfaßt
die
Region der
Passate und der
Monsune und wird in der Mitte geteilt durch den
Gürtel
[* 11] der äquatorialen
Windstillen oder
Kalmen
(s. d.). Das gemäßigte Klima zeigt eine Mitteltemperatur von 20-4°
C. Je weiter man sich vom
Äquator entfernt, desto größer wird durchschnittlich die jährliche Veränderung der
Temperatur,
desto geringer die
Menge des
¶
mehr
Wasserdampfes, desto unregelmäßiger die Windverhältnisse und desto schwächer und ungleichmäßiger verteilt die Menge
des atmosphärischen Niederschlags. Das kalte Klima umfaßt die Gebiete der beiden kalten Zonen; ihre Mitteltemperatur ist 4°
C. und darunter. Gerade in diesem Klima ist die Temperatur das meteorologische Element, welches den entscheidenden Einfluß auf
die klimatologischen Zustände ausübt. Die Temperaturbeobachtungen in den Polargegenden sind zwar vorläufig
noch lückenhaft, doch hat es sich bereits herausgestellt, daß auf der nördlichen Halbkugel die niedrigste mittlere Jahrstemperatur
nicht auf den geographischen Nordpol fällt, der geographische Nordpol und der Kältepol also verschiedene Punkte sind.
Obgleich in den letzten Dezennien während der Überwinterungen in arktischen Gegenden mehrfache Temperaturbeobachtungen
ausgeführt sind, so fehlt doch noch viel, bis wir über die Witterungsverhältnisse der kalten Zone aufgeklärt sein werden.
Als charakteristisches Kennzeichen des Polarklimas kann man ansehen, daß während der strengen Kälte des Winters (als niedrigste
Temperatur hat man in Floeberg Beach, Grantland, 82° 27' nördl. Br., im Winter 1875/76 -58,8° C. beobachtet)
der Himmel
[* 13] klarer ist als im Sommer, wo bei etwas milderer LuftNebel mit Regen und Schnee
[* 14] zu wechseln pflegt.
Die Perioden eines heitern Himmels dauern dann, wenn südliche oder westliche Winde über das vom Eis
[* 15] freie Meer wehen, meistens
nur wenige Tage oder selbst auch nur Stunden. Außer den durch die Zonen bedingten Klimaten unterscheidet
man nun noch das ozeanische oder See-, Insel- oder Küstenklima im Gegensatz zum kontinentalen oder Binnenlandklima, das Gebirgsklima
im Gegensatz zum Tieflandsklima und das Klima von Hochebenen. Das ozeanische oder Seeklima zeichnet sich aus durch relativ
hohe Wintertemperatur und relativ niedrige Sommertemperatur, geringe jährliche und tägliche Veränderung der Temperatur,
große Feuchtigkeit, starke Winde, zumal im Winter, viel Niederschlag und dichte Bewölkung; das kontinentale oder Binnenlandsklima
durch warmen Sommer und kalten Winter, trockne Luft, schwache und unregelmäßige Winde, klaren Himmel und wenig Niederschlag.
Das feste Land, welches die Wärmestrahlen leichter absorbiert und ausstrahlt als das Meer, wird sich
schneller erwärmen und leichter wieder erkalten als dieses, welches wegen der größern spezifischen Wärme des Wassers nicht
so schnell erwärmt wird, aber die einmal erlangte Wärme auch nicht so rasch wieder abgibt. Die Temperatur der Meeresoberfläche
ist deshalb gleichförmiger und die Größe ihrer Schwankungen, sowohl der jährlichen als auch der täglichen,
geringer als in der Mitte der großen Kontinente.
Außerdem wird die Ausgleichung der Temperaturextreme in der Nähe der Küsten auch noch dadurch bewirkt, daß der Himmel hier
meistens bedeckt ist und dadurch sowohl der wärmende Einfluß der Sonnenstrahlen im Sommer als auch die
Erkaltung der Erdoberfläche durch Wärmestrahlung im Winter verhindert wird. Inseln, Küsten und Halbinseln teilen das weniger
veränderliche Seeklima, während die Unterschiede zwischen Sommer- und Wintertemperatur desto größer werden, je weiter
man sich von den Küsten entfernt. Einige besonders charakteristische Beispiele von See- und Kontinentalklima sind
in der folgenden Tafel zusammengestellt, in welcher außer der mittlern Jahrestemperatur auch die Mitteltemperatur für den
kältesten und wärmsten Monat und deren Differenz angegeben ist:
Europa
[* 16]
ist unter allen Ländern gleicher geographischer Breite in Bezug auf seine Wärmeverhältnisse ganz besonders günstig
gelegen, indem es bei verhältnismäßig warmem Sommer und gelindem Winter im Sommer dem Kontinentalklima
und im Winter dem Seeklima zugehört und darin das Gegenteil von Nordamerika
[* 17] bildet, welches mit seinem verhältnismäßig
kühlen Sommer zum Seeklima und mit seinem strengen Winter zum Kontinentalklima gehört. Daß die Einflüsse des Land- und
Seeklimas auf das Gedeihen der Kulturpflanzen von der größten Bedeutung sind, ist klar. An vielen OrtenSibiriens wird z. B. bei einer mittlern Jahrestemperatur von -10,3°
C. während des kurzen und heißen SommersGetreide
[* 18] auf einem Boden gebaut, welcher in einer Tiefe von 1 m stets gefroren bleibt,
während auf Island
[* 19] bei einer viel höhern mittlern Jahrestemperatur und einem viel mildern Winter der Bau vonGetreide
nicht mehr möglich ist, weil die dort herrschende niedrige Sommertemperatur dasselbe nicht mehr zur Reife gelangen läßt.
Das Klima von Gebirgen ist dadurch charakterisiert, daß die Temperatur mit wachsender Erhebung über die Meeresfläche abnimmt,
und daß große Gebirgsmassen die Luft durch die auf ihnen angesammelten Eis- und Schneemassen abkühlen.
Auch haben die Gebirge einen wesentlichen Einfluß auf die atmosphärischen Niederschläge, die in unsern Gegenden vorzugsweise
auf der südwestlichen Seite erfolgen und bei isoliert liegenden Gebirgen, wie z. B. beim Harz, wesentlich verschiedene Feuchtigkeitsverhältnisse
auf der südwestlichen und der nordöstlichen Seite zur Folge haben.
die Feuchtigkeit der Atmosphäre und bewirken ein Zurückhalten der Bodenfeuchtigkeit, während vegetationslose Gegenden entgegengesetzte
Verhältnisse hervorrufen. Auch das Wohlbefinden der Menschen ist in hohem Grad von der Gleichmäßigkeit des Klimas abhängig,
wobei noch die Verteilung der Wärme innerhalb 24 Stunden in Betracht kommt. Gesellen sich zur gleichmäßigen Verteilung der
Wärme noch Reinheit der Luft und Beständigkeit im Feuchtigkeitsgehalt derselben, so kann ein Ort mit solchem
Klima den wohltuendsten Einfluß auf den Menschen ausüben, und wie in solchen Gegenden manche Krankheiten niemals aufzutreten
pflegen, so können Menschen, die mit denselben behaftet sind, durch einen längern oder kürzern Aufenthalt an einem sogen.
»klimatischen Kurort« (s. d.) geheilt werden.
In Bezug auf das Klima eines Ortes ist hier noch die Frage zu erledigen, ob sich dasselbe im Lauf der geschichtlichen Zeit ändern
kann. Die Temperatur der Erde ist, soweit die Beobachtungen reichen, dieselbe geblieben. Aus der Thatsache, daß in Palästina
[* 23] heute noch Weinstock und Dattelpalme nebeneinander kultiviert werden wie zur Zeit Moses', schließt Arago,
daß sich das Klima jenes Landes nicht wesentlich geändert haben kann, weil die geographische Südgrenze für den Weinstock mit
der Nordgrenze für die Dattelpalme zusammenfällt.
Bei den klimatischen Veränderungen eines Landes hat außer der Wärme auch die atmosphärische Feuchtigkeit einen
wesentlichen Einfluß, und für Europa deuten verschiedene Thatsachen darauf hin, daß die Feuchtigkeit in historischen Zeiten
abgenommen hat. Das Aussterben gewisser Pflanzen in nördlichen Gegenden sowie das Zunehmen des Eises an der Ostküste Grönlands
stehen zwar unzweifelhaft fest, doch kann man daraus ebensowenig wie aus den vielfach beobachteten Veränderungen in der
Lage des untern Randes einiger Alpengletscher auf eine säkulare Veränderung im K. schließen, da derartige Erscheinungen
vorübergehend und durch andre Verhältnisse als durch klimatische Änderung veranlaßt sein können. Ob eine säkulare Veränderung
im K. eines Landes stattgefunden hat oder nicht, wird sich erst nachweisen lassen, wenn Beobachtungen über eine
längere Zeit vorliegen als bisher.
Jahre (Stufenjahre, kritisches Alter), diejenigen Lebensjahre, in welchen der menschliche
Organismus scharf ausgeprägten, gewissermaßen stoßweise auftretenden Veränderungen unterworfen sein soll. Solche
stoßweise Veränderungen kommen jedoch genau genommen nicht vor, alle Umwandlungen und Entwickelungsvorgänge am Organismus
geschehen vielmehr allmählich. Gegenwärtig pflegt man als klimakterische Jahre diejenigen zu bezeichnen, in welchen
beim Weib die geschlechtlichen Funktionen erlöschen, wo die Frau zur Matrone wird, also etwa das 44.-48.
Lebensjahr. In diesem Lebensabschnitt gehen allerdings augenfällige Veränderungen mit dem weiblichen Körper vor sich. Auch
ist das Erlöschen der Geschlechtsfunktionen sehr oft mit allerhand Beschwerden und selbst krankhaften Störungen, namentlich
im Bereich der Sexualorgane, verknüpft.
Zeit (Tempus climactericum), früher jede astrologisch gefahrdrohende Zeit, d. h.
eine Zeit, in der die
Konstellation zweier Gestirne für den Einzelnen oder für das Allgemeine Gefahr andeuten soll, so z. B.,
wenn Mars
[* 26] und Merkur
[* 27] divergieren: Krieg und Hungersnot, etc.
Daß klimatische Kurorte nicht in der Nähe großer gewerblicher Betriebe, welche die Luft verunreinigen, liegen können, ist selbstverständlich.
In Bezug auf die Benutzung von Heilzwecken unterscheidet man das See- und Küstenklima von den Klimaten des Binnenlandes,
die sich wieder wesentlich modifizieren, je nachdem es sich um höher oder niedriger gelegene Ebenen, um Thäler, Berge, um
höhere Gebirge oder um das eigentliche Hochgebirge handelt. Die höhern Gebirge unterscheiden sich wieder wesentlich, je nachdem
sie unter dem Einfluß von Hochgebirgen stehen oder nicht. Dabei bleibt immer die Hauptfrage, ob der
Gang
[* 30] der Meteorationserscheinungen ein gleichmäßiger ist oder nicht. Besondere Beachtung verdienen die Winterstationen,
in welchen sich der Winter verhältnismäßig günstig zu gestalten pflegt. Man unterscheidet folgende Gruppen:
3) MittlereHöhen unter alpinem Einfluß (500-900 m); sie unterscheiden sich von den vorigen nur graduell,
sind im allgemeinen trockner und von schrofferm Temperaturwechsel, so daß sie stärker
¶
4) eigentlichen Hochgebirge (900 m Höhe und darüber) mit seiner hohen Evaporationskraft der Luft, seiner
dünnen, leicht durchsichtigen, meist trocknen Atmosphäre, welche schroffen Temperaturwechseln ausgesetzt ist und deshalb
noch intensiver anregend auf alle vegetativen Körperfunktionen, Atmung, Verdauung, Blutzirkulation, einwirkt. Natürlich verlangt
die Anwendung dieser Höhenkurorte kräftige, widerstandsfähige Konstitution. Sie wirkt günstig bei manchen Formen von Bleichsucht
mit nervösen Störungen, von Verdauungsträgheit infolge von übertriebener Ernährung, bei nervösem
und bronchialem Asthma, Skrofulose, chronischen Lungenentzündungen und beginnender Schwindsucht, jedoch, wie eingangs hervorgehoben
worden, nur mit individueller Auswahl, da sich ja der Ruf der Höhenkurorte gegenüber der Schwindsucht nur in sehr beschränktem
Maß bewährt hat.
Als Winteraufenthalt ist besonders Davos im Oberengadin (1556 m) bekannt, dessen klare, sonnige, im Winter
mehr gleichmäßige Luft einen Aufenthalt von ca. 6½ Stunden im Freien gestattet und manchen Kranken zuträglich ist; jedoch
darf man bereits elende und schwerleidende Schwindsüchtige diesem Klima nicht aussetzen. Hier sind zu nennen: St. Beatenberg
im Berner Oberland (1150 m), Bergün (1389 m) am Albulapaß, Churwalden (1212 m), welches sich als Übergangsstation
vor und nach dem Aufenthalt in noch höher gelegenen Orten besonders empfiehlt, Engelberg in Unterwalden (1019 m) in sehr geschützter
Lage, Fettan (1647 m), St. Moritz, Samaden, Pontresina, SilsMaria (sämtlich ca. 1800 m hoch) im Engadin, Tarasp (1270 m)
ebenda.
5) Das Seeklima ist ausgezeichnet durch hohen Luftdruck bei reichlicher Feuchtigkeit, größere Gleichmäßigkeit der Temperatur
als im Binnenland, stärkende, kräftige Winde, hohen Ozongehalt. Die klimatischen Kurorte an den Seeküsten wirken kräftig
auf die Atmung und Wärmebildung, anregend auf die Herzthätigkeit und sehr erregend auf das Nervensystem; es ist also
hier, wie bei den Höhenkurorten, eine widerstandsfähige Konstitution notwendig, da schwächliche und reizbare Personen vom
Seeklima überwältigt werden.
Alle diese Winterkurorte sind für schwache Rekonvaleszenten, für Lungenkranke und leicht erregbare nervöse Patienten geeignet,
sofern diesen die Möglichkeit geboten wird, während des ganzen Winters fast täglich die freie Luft zu
genießen und im allgemeinen unter klimatischen Einflüssen zu leben, die nicht hohe oder doch nicht allzu hohe Anforderungen
an die vitalen Kräfte des Organismus stellen. Speziell für Lungenkranke hat man an mehreren klimatisch begünstigten Orten
Einrichtungen getroffen, welche die Ausnutzung des Winters zu erfolgreicher ärztlicher Behandlung gestatten,
so namentlich in Falkenstein im Taunus, zu Görbersdorf in Schlesien und zu Reiboldsgrün in Sachsen.
[* 62] Wintergärten, nach Süden
offene Wandelbahnen, drehbare Pavillons und vor allem der nahe Wald gestatten dem Patienten ausgiebigen Genuß der freien Luft.
Görbersdorf und Falkenstein verzeichneten nur fünf Wintertage pro Jahr, an welchen die Kranken das Haus
nicht verlassen dürfen. Auch die schlesischen Bäder, besonders Reinerz, sind der Ausführung ähnlicher Einrichtungen näher
getreten.
In den klimatischen Kurorten sind in neuester Zeit mehrfach Einrichtungen getroffen worden, welche dieselben nach ÖrtelsMethode
als Terrainkurorte bei Kreislaufstörungen benutzbar machen (vgl. Fettsucht). Neben einer eigentümlichen
Diät haben die Patienten vom Arzt genau vorgeschriebene kürzere oder längere Spaziergänge auf mehr oder weniger steigendem
Terrain auszuführen. Es sind daher die Wege genau reguliert und nach Wegstunden eingeteilt, so daß z. B. alle zehn Minuten
eine Marke am Weg angebracht ist.
Bedingung für einen Terrainkurort ist die Lage in einem nicht zu breiten Gebirgsthal, welches, von Anhöhen
und Bergen
[* 63] umgeben, die Kranken vor Wind und schroffen Temperaturwechseln schützt. Die Wege sind mit Ruhebänken versehen,
auch ist für Schutz gegen plötzlich hereinbrechendes Unwetter gesorgt. Örtel unterscheidet ebene Wege, Wege von geringer
und solche von starker Steigung und steile Bergpfade, von denen jede Abteilung wieder besondere Bedingungenin sich schließt und nur Nutzen gewährt, wenn alle Vorschriften betreffs der Ruhepausen etc.
innegehalten werden. Von den bis jetzt eingerichteten Terrainkurorten empfehlen sich im Vorfrühling: Meran-Mais, Bozen-Gries,
Arco, Abbazia;
Helfft-Thilenius, Handbuch
der Balneotherapie (9. Aufl., Berl. 1882);
Braun und Fromm, Systematisches Lehrbuch der Balneotherapie (5. Aufl., Braunschw.
1886; daraus die oben erwähnte Schrift von Fromm besonders abgedruckt);
im weitern Sinn Bezeichnung für Leute aus Vorderindien überhaupt.
Der Name geht wohl
auf das altindische Reich Kalinga des Plinius zurück, das im Süden der Gangesmündung (in der Gegend des heutigen Orissa?)
lag und in lebhafter Handelsverbindung mit den östlichen Inseln stand.
Mit seiner Gattin, einer gewandten Schauspielerin, unternahm er auch mehrere Kunstreisen in Deutschland, deren Erlebnisse er in
dem Werke »Kunst und Natur« (Braunschw. 1819, 2 Bde.)
schilderte. 1830 zum Generaldirektor des Hoftheaters ernannt, starb er in Braunschweig. Als
dramatischer Dichter bekundete ein entschiedenes theatralisches Geschick für die Wahl der Stoffe und die Anordnung der Szene;
Originalität und Phantasie gehen seinen Stücken ab, seine Sprache ist übertrieben derb.
der sich als ein Zerrbild der Goetheschen
Dichtung darstellt. Klingemanns Dramen erschienen gesammelt unter dem Titel: »Theater« (Stuttg. u. Tübing. 1809-1820, 3 Bde.)
und »Dramatische Werke« (Braunschw. 1817-18, 2 Bde.).
Äußerlich und flach wie seine Schauspiele waren auch seine einst beliebten Romane.
(Clingen), Stadt im FürstentumSchwarzburg-Sondershausen, Unterherrschaft, an der Helbe, hat Tuffsteingruben
u. Ornamentenfabriken, 4 Mahl- und 2 Ölmühlen, bedeutenden Zuckerrübensamenbau, eine Käsefabrik und (1885) 1121 evang.
Einwohner.
Stadt im bayr. Regierungsbezirk Unterfranken, Bezirksamt Obernburg, am Main und an der
LinieAschaffenburg-Amorbach der Bayrischen Staatsbahn, hat ein Amtsgericht, ein Schloß, eine Burgruine mit schöner Aussicht,
wichtige Thongruben, Obst- und guten Weinbau (der rote Klingenberger war sonst hoch geschätzt) und (1885) 1013 meist
kath. Einwohner.
FriedrichMaximilian von, deutscher Dichter der Sturm- und Drangperiode, geboren im Februar 1752 (nicht 1753)
zu Frankfurt
[* 80] a. M., Sohn eines Stadtartilleristen, verlor früh seinen Vater, der die Seinigen in den dürftigsten
Umständen zurückließ, half sich durch eignen Fleiß und Energie weiter und ging um 1772 nach Gießen,
[* 81] um. Jurisprudenz zu
studieren. Viel eifriger als mit dieser beschäftigte er sich indes mit schöner Litteratur und gewann damals die FreundschaftGoethes, den er mit den beiden Stolberg
[* 82] 1775 auf der Reise nach Zürich
begleitete und später auch in Weimar
[* 83] besuchte.
Auch erhielt er die Rente eines Kronguts in Kurland
[* 89] auf Lebenszeit und wurde 1811 zum Kurator der UniversitätDorpat
[* 90] ernannt,
welche Stelle er bis 1817 bekleidete. Im J. 1820 suchte er um Enthebung von allen seinen Ämtern nach,
zog sich aber erst 1830 ganz zurück und starb in Petersburg. Von seinen dramatischen Werken, welche meist in die
erste Hälfte seines Lebens fallen, heben wir hervor die Trauerspiele: »Die Zwillinge« und »Konradin«, ersteres eine Dichtung
voll übersprudelnder Kraft, Leidenschaftlichkeit und hochtragischer Elemente, letzteres hervorstechend
durch energische Charakterzeichnung;
ferner das wild verworrene renommistische Schauspiel »Sturm und Drang«, von dem die ganze
Epoche, in der es entstand, den Namen empfing, »Simsone Grisaldo«, »Der Günstling«;
Inhaltreicher und bedeutender als die Dramen Klingers (gesammelt als »Theater«, Leipz. 1786-87, 4 Bde.,
und »NeuesTheater«, das. 1790, 2 Bde.)
waren seine von Rousseauschen Anschauungen erfüllten, zu gleicher Zeit derb-realistischen und philosophisch-reflektierenden
Romane: »FaustsLeben, Thaten und Höllenfahrt« (Petersb. 1791),
»Der Weltmann und der Dichter«, sein bestes Werk, in der That
eine unvergängliche Leistung voll Kraft und psychologischer Feinheit (Leipz. 1798),
und »Sahir, EvasErstgeborner
im Paradies« (das. 1798). Eine Sammlung des Besten seiner Werke hat Klinger selbst veranstaltet (Königsb. 1809-15, 12 Bde.;
neue Ausg., Stuttg. 1842, 12 Bde.);
eine andre Auswahl erschien in 8 Bänden (Stuttg. 1878-80).
vonUngarland, eine durchaus sagenhafte Persönlichkeit, welche in dem Gedicht vom Wartburgkrieg auftritt
und dort die Rolle eines Schiedsrichters spielt. Er stammt aus Wolfram vonEschenbachs »Parzival«, in welchem
er als Herzog von Capua in Unteritalien erscheint, der, wegen einer Liebschaft entmannt, sich durch Zauberei an der Menschheit
rächte und ein Wunderschloß erbaute, in welches er eine Menge von Rittern und Frauen entführte.
(griech.), eigentlich der Unterricht am Krankenbett (griech. kline); dann eine Anstalt, welche den Zweck hat,
den Studierenden die Krankheiten in Natur vorzuführen und die Erkennung und Behandlung derselben am Krankenbett zu
lehren sowie
die Wirkungsart der Arzneimittel zu zeigen. Es gibt dreierlei Arten von klinischen Anstalten:
1) Die eigentliche oder stationäre Klinik ist ein Hospital, dessen Patienten als Unterrichtsmaterial verwendet,
d. h. unter Anleitung und Aufsicht des ärztlichen Vorstands und seiner Assistenzärzte von den Studierenden untersucht und
behandelt werden.
2) Bei der Poliklinik (Stadtklinik) dagegen werden die Kranken in ihren Wohnungen in der Stadt von den klinischen Praktikanten
unter Aufsicht des Lehrers behandelt, indem der Lehrer den geübten Praktikanten die Kranken zur eignen Behandlung
übergibt, jedoch nicht, ohne sich selbst von Zeit zu Zeit von dem Verlauf der Krankheit zu unterrichten, über schwierige
Fälle Rücksprache mit den Praktikanten zu nehmen und die Rezepte von Tag zu Tag einer Revision zu unterwerfen.
3) Die ambulatorische Klinik endlich besteht darin, daß Kranke oder Berichterstatter von bestimmten Krankheitsfällen
sich an einem bestimmten Ort versammeln und hier die ärztlichen Verordnungen entgegennehmen. - Kliniker, Lehrer (auch Praktikant)
in der Klinik.