hatten, aber in verkehrter Anwendung, wie sie sich bis auf den heutigen
Tag gehalten haben. Über die Bedeutung der
Namen bei
den Griechen vgl.
Griechische Musik (Oktavengattungen).
Die Kirchentöne waren:
1) Der erste Kirchenton oder erste authentische (Authentus protus) DEFGa^cd (unser:
d e fgahc'd'), seit
Hucbald der dorische
Ton genannt.
2) Der zweite oder plagale erste (Plagius proti, plaga proti, lateralis, subsugulis proti) ABCDEFGa (= AHcdefga),
der hypodorische
Ton.
3) Der dritte oder zweite authentische (Authentus deuterus) EFGa^cde(=efgahc'd'
e'), der phrygische
Ton.
4) Der vierte oder plagale zweite (Plagius deuteri) BCDEFGa^ (=Hcdefgah), der hypophrygische
Ton.
5) Der fünfte oder dritte authentische (Authentus tritus) FGa^cdef(= fgahc'd'e'f'), der lydische
Ton.
6) Der sechste oder plagale dritte (Plagius triti) CDEFGa^c (=cdefgahc'), der hypolydische
Ton.
7) Der siebente oder vierte authentische (Authentus tetartus) Ga^cdefg (= gahc'd'e'f'g'), der mixolydische
Ton.
8) Der achte oder plagale vierte (Plagius tetarti) DEFGa^cd (=defgahc'd'), der hypomixolydische
Ton (seit dem 11. Jahrh.).
Die plagalen
Töne (2. 4. 6. 8.) galten als bloße
Verschiebungen der authentischen, sie hatten den
Hauptton (Schlußton,
Finalis)
nicht als Grenzton der
Oktave, sondern in der Mitte, als vierten
Ton;
Finalis des 1. und 2.
Tons ist also D, des 3. und 4. E,
des 5. und 6. F, des 7. und 8. G. Der 8. und 1. sind deshalb keineswegs identisch.
Keiner der vier authentischen
Töne hat den Schlußton C oder
A; es fehlen daher die beiden
Tongeschlechter, welche heute die einzigen sind:
(C)
Dur und
(A)
Moll.
Das 16. Jahrh., welches zuerst die Prinzipien der
Harmonie begriff (vgl.
Zarlino) und den Weg zu den modernen
Tonarten fand, stellte deshalb zwei neue
authentische Töne nebst ihren plagalen auf, den ionischen cdefgahc' und äolischen
ahc'd'e'f'g'a', resp. hypoionischen GAHcdefg und hypoäolischen efgahc'd'e'; so daß nun 12 Kirchentöne existierten
(vgl.
Glareanus). Das
Beste über die harmonische Behandlung der Kirchentöne im 16.-17. Jahrh.
hat Kirchentöne v. Winterfeld im 2.
Band
[* 2] seines Werkes
»JohannesGabrieli und sein
Zeitalter« (1834) geschrieben.
Unterschieden werden von den Kirchenvätern nach katholischem Brauch die
Kirchenschriftsteller
(Scriptores ecclesiastici),
deren
Orthodoxie nicht in allen
Punkten feststeht, wie Tertullian,
Clemens von Alexandria und
Origenes. Von Gesamtausgaben der
Kirchenväter sind besonders
zu nennen: »Maxima bibliotheca veterum patrum«
(Leid. 1677, 27 Bde.; darin die griechischen
Schriften in lateinischer Übersetzung);
Mignes (s. d.) in
Paris
[* 5] seit 1844 erscheinender »Patrologiae cursus completus«.
Eine Fortsetzung liefert
Horoy: »Medii aevi bibliotheca patristica sive patrologia ab anno 1216 usque ad
concil. Tridentinum«; 1.
Serie:
»Doctores eccl. lat.« (Par. 1879 ff.).
Eine auf Vergleichung aller bekannten
Handschriften beruhende
Ausgabe liefert die
WienerAkademie als
»Corpus
scriptorum ecclesiasticorum latinorum«
(Wien
[* 6] 1866-86, Bd. 1-14). Eine Auswahl in deutscher Übersetzung
bietet die von Reithmayr und Thalhofer herausgegebene
»Bibliothek der Kirchenväter«
(Kempten,
[* 7] seit 1869).
die rechtliche
Organisation derKirchengemeinschaft. Die frühsten Christengemeinden hatten
die Gestalt jüdischer
Synagogen und wurden durch nichts als durch ihre Glaubensgemeinschaft, durch das natürliche Übergewicht
der
Mutterkirchen und durch den Apostolat zusammengehalten. Seit dieser ausstarb, traten an der
Spitze von Presbyterkollegien
größerer
GemeindenBischöfe (der
Name kam ursprünglich allen
Presbytern, vorzugsweise aber den an der
Spitze derDiakonen stehenden
Vermögensverwaltern der
Gemeinde zu) hervor, die ihr
Kirchenregiment dann auch über
Presbyter benachbarter kleinerer
Gemeinden
ausdehnten. Im 3. Jahrh. erheben sich ähnlich über den
Bischöfen die
Erzbischöfe, je einer über einen
Kreis
[* 8] von
Bischöfen,
der dadurch zusammengehalten wird, daß er am erzbischöflichen Sitz regelmäßige
Synoden (s. d.) zu halten gewohnt ist.
Da es keinem von beiden
Patriarchen gelang, allgemeine
Anerkennung zu gewinnen, so trennten sich die griechische
und die römische
Kirche. In der griechischen behauptet der konstantinopolitanische
Patriarch noch heute einen Rest seines
Einflusses, nur daß er für Rußland durch ein oberstes, vom
Kaiser ernanntes Regierungskollegium (heilige
Synode) ersetzt
ist. In der römischen
Kirche gelang es dem Nachfolger
Petri, indem er im
Lauf der Zeit als Stellvertreter
Christi anerkannt wurde, eine absolut monarchische
Gewalt zu entwickeln, so daß
Erzbischöfe und
Bischöfe zu päpstlichen
Bevollmächtigten
herabsanken.
Dies seit
PapstGregor VII. durchgeführte sogen. kuriale oder papale
System hat der päpstliche
Hof
[* 11] seitdem als das gottgeordnete
und daher ausschließlich gültige verteidigt, mußte aber erleben, daß seit dem 14. Jahrh.
sich im
Gegensatz dazu eine
Ansicht ausbildete, welche vielmehr der Gesamtheit der
Erzbischöfe und
Bischöfe (dem Generalkonzilium)
die oberste Regierungsgewalt in der
Kirche zuschrieb und den
Papst bloß als vorsitzenden Beamten dieser
Aristokratie anerkennen
wollte (sogen.
¶
mehr
Episkopalsystem). Die heutige römisch-katholische Kirche hat die Verfassungsformen der vorreformatorischen Kirche festgehalten,
und seit 1870 ist ihr die Beseitigung des Episkopalsystems wirklich gelungen (s. Kirchenpolitik). Die Reformation brachte in
den protestantischen Territorien die Kirchengewalt an die Landesherren, und die Kirche erschien hier fortan lediglich als ein
Bestandteil des Staats (Territorialsystem). Die Aufsicht über die Kirche des Landes (das Kirchenregiment) ließ
jetzt der Landesherr durch kollegialisch verfaßte, aus Theologen und Juristen gemischte Behörden, Konsistorien, und unter
ihnen durch von ihm angestellte Superintendenten verwalten (sogen. Konsistorialverfassung). Wo das Kirchenregiment solchergestalt
von der Landesherrschaft nicht übernommen werden konnte, weil sie, wie z. B. in
Frankreich, der Reformation, ohne sie doch unterdrücken zu können, feindlich gegenüberstand, da gestaltete sich die evangelische
als Verein; in Frankreich speziell unter dem Einfluß der Calvinschen Idee: die Einrichtung, daß die Einzelgemeinde von einem
Ältestenkollegium (Presbyterium, consistoire) regiert werde, gehöre zur göttlich vorgeschriebenen Kirchenform. So formierte
Einzelgemeinden schlossen sich dann zu größern Kreisen zusammen, die sich durch Synoden, aus geistlichen
und weltlichen Abgeordneten der Presbyterien zusammengesetzt, gemeinschaftlich regierten.
Diese Gestalt der evangelischen Kirchenverfassung, die von Belgien
[* 13] und Holland her zur Zeit der Albaschen Verfolgung auch an den Niederrhein
verpflanzt wurde, wird von ihren zwei Hauptelementen die presbyterial-synodale genannt (Presbyterial-Synodalverfassung).
Sie hat sich in Deutschland
[* 14] weiter ausgebreitet, seit durch die Entwickelung der staatlichen Toleranz das Landeskirchentum zurücktritt,
erscheint hier aber gewöhnlich in der Art, daß Presbyterien und Synoden nur neben beibehaltenen Konsistorien und Superintendenturen
eingerichtet werden (sogen. gemischte Kirchenverfassung). S. Kirche.
(Kirchengut), der Inbegriff der im Eigentum der Kirche stehenden Sachen und der ihr zukommenden sonstigen
Vermögensrechte. Während nämlich das römische Recht die der Gottheit geweihten Sachen (res sacrae) als dem göttlichen Recht
angehörig (res divini juris) und eben darum als dem bürgerlichen Rechtsverkehr entzogen (res extra commercium)
betrachtete, stehen dieselben nach moderner Rechtsanschauung und nach gemeinem Kirchenrecht regelmäßig im Eigentum der betreffenden
Kirche oder eines sonstigen kirchlichen Instituts, z. B. eines Bistums, einer Pfarrei etc., welche als juristische Personen aufgefaßt
werden, oder sie sind, wie nach preußischem Landrecht, Eigentum der Kirchengemeinden; ja, sie können auch, wie z. B. Privatkapellen,
Familienerbbegräbnisse u. dgl., Privatpersonen zugehören.
Nur insofern ist das Kirchenvermögen nach gemeinem Recht heutzutage in rechtlicher Beziehung noch ausgezeichnet, als die Kirche in Ansehung
der Ersitzung, der Verjährung sowie der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand privilegiert ist, Testamente und Legate zu kirchlichen
Zwecken nicht an die strengen Formvorschriften des allgemeinen Rechts gebunden sind und die Entwendung der
dem Gottesdienst geweihten Sachen besonders streng bestraft wird. Dagegen ist die von der Geistlichkeit des Mittelalters in Anspruch
genommene Steuerfreiheit des Kirchenvermögens (immunitas) fast durchweg beseitigt.
Besonders erschwert ist die Veräußerung
von Kirchengütern, indem eine solche regelmäßig nur aus besonders dringenden
Gründen gestattet, auch dazu die Zustimmung der obern Kirchenbehörden, in protestantischen Ländern sogar
zuweilen die Genehmigung des Landesherrn und der Stände erfordert wird. Man teilt die zum Kirchenvermögen gehörigen Stücke ein in Res sacrae,
die unmittelbar zu den Zwecken des Gottesdienstes bestimmten Sachen, und Res ecclesiasticae, solche Gegenstände, welche entweder
zur Unterhaltung der Kirchendiener bestimmt sind (sogen. bona de mensa oder beneficii), oder zur Erhaltung der
Kirchengebäude und zur Bestreitung des äußern Aufwandes des Gottesdienstes dienen.
Unter den hierher gehörigen Einnahmen war, abgesehen von den eigentlichen Revenuen der Kirchengüter, in frühern Zeiten der
Zehnte von besonderer Bedeutung, welcher jedoch jetzt wohl überall durch Ablösung beseitigt ist. Dagegen
werden nach katholischem Kirchenrecht zur Bestreitung des Aufwandes der päpstlichen Kurie noch jetzt die sogen. Pallientaxen
von den neugewählten Bischöfen, ferner die bei der Verleihung kirchlicher Benefizien zu erlegenden Annaten sowie die Dispenstaxen,
soweit letztere nicht in die Kasse der Bischöfe fließen, erhoben.
Auch die Stolgebühren, d. h. die nach katholischem wie nach protestantischem Kirchenrecht für die Vornahme
gewisser kirchlichen Handlungen zu entrichtenden Gebühren, gehören hierher, deren Abschaffung jedoch in neuerer Zeit vielfach
bewirkt ist oder doch angestrebt wird und gewiß der Würde des geistlichen Standes förderlich sein dürfte. Für die Erhaltung der
Kirchengebäude haben übrigens auch die Kirchenpatrone und die Parochianen Sorge zu tragen, wie denn
überhaupt die Kirchengemeinden zur Erhaltung derKirche und der Kirchendiener, nötigen Falls durch Aufbringen von Kirchensteuern
(Kirchenumlagen), verpflichtet sind, soweit das eigentliche Kirchenvermögen nicht ausreicht.
Dazu kommen noch die Dotationen oder Zuschüsse von seiten des Staats, namentlich in den protestantischen
Staaten, woselbst sie gewissermaßen durch die Billigkeit zur Ausgleichung des Unrechts als geboten erscheinen, welches in der
vielfach vorgekommenen Säkularisation (Einziehung) des Kirchenguts infolge der Reformation immerhin erblickt werden muß. Die
Verwaltung des Kirchenvermögens erfolgt durch die dazu bestellten Kirchenbehörden, in protestantischen Ländern durch die
Organe der Kirchengemeinden unter Oberaufsicht der staatlichen Organe.
die von der obern Kirchenbehörde durch besondere Kommissare an Ort und Stelle vorzunehmende Untersuchung
des gesamten kirchlichen Zustandes einer oder mehrerer Kirchengemeinden und der amtlichen Thätigkeit ihrer Geistlichen. Schon
in der alten Kirche kam es vor, daß die Bischöfe sich persönlich von dem kirchlichen Zustand der ihnen
untergebenen Gemeinden eigne Anschauung verschafften. In den fränkischen Gesetzen wurde dem Bischof sogar ein königlicher Comes
(Graf) beigeordnet, damit es ihm nicht an der Stütze der weltlichen Macht gebreche.
Mit der Entwickelung der Archidiakonatsverhältnisse geschah es, daß nicht mehr der Bischof selbst die
Visitationen vornahm, sondern daß sich dieselben zu einer Amtsbefugnis der Archidiakonen gestalteten, bis die Synode zu Trient
[* 17] die Bischöfe an ihre Pflicht nachdrücklich erinnerte und zugleich die Zulässigkeit der von Archidiakonen und andern niedern
Prälaten vorzunehmenden Visitationen an ihre Genehmigung knüpfte. Seitdem führten mehr oder weniger die
¶
Die Superintendenten unterliegen wieder der Visitation durch die Generalsuperintendenten oder ein andres
Mitglied des Oberkirchenrats oder der Konsistorialbehörde. In manchen Ländern sind neben den Spezialvisitationen der Superintendenten
noch Generalvisitationen des ganzen Konsistorialbezirks durch Mitglieder dieser Behörde üblich, welche sich in gewissen
Zwischenräumen wiederholen. Berühmt ist Melanchthons »Visitationsbüchlein oder Unterricht der Visitationen an die
Pfarrherrn im Kurfürstentum Sachsen«,
[* 19] welches anläßlich der oben erwähnten, großen sächsischen Generalvisitation geschrieben
ward.
(Advocatus ecclesiae), in früherer Zeit der weltliche Schutzherr einer Kirche oder eines geistlichen Stifts.
Die Schutzgewalt, auch wohl der Bezirk derselben wurde Vogtei genannt. Mit der Vogtei wurden vielfach Dynastengeschlechter
vom Kaiser, aber auch von geistlichen Fürsten und von den zu schützenden Abteien, Klöstern, Stiftern etc. selbst beliehen.
Da die Kirchenvögte jedoch den betreffenden geistlichen Körperschaften oft lästig wurden, war man darauf bedacht, die Vogtei
mehr und mehr in ein bloßes Ehrenamt umzuwandeln, und mit diesem Charakter findet sich dieselbe noch hier
und dort vor, oder es sind doch noch Spuren davon vorhanden. - Kirchenvogt ist an manchen Orten auch die Bezeichnung eines Kirchendieners
niederer Art.
(Bußzucht, Kirchendisziplin, Disciplina ecclesiastica), der Inbegriff aller der Mittel, deren sich das Kirchenregiment
bedient, um das kirchliche Gemeindeleben in seinem christlichen Bestand zu erhalten oder wiederherzustellen; im engern Sinn
eine direkte Einwirkung auf die Individuen, welche durch notorische und schwere sittlich-religiöse Verirrungen einer christlichen
Gemeinde als solcher ein Ärgernis gegeben haben. Schon die alte Kirche schritt unter Umständen bis zur
Ausstoßung aus der Gemeinde vor. Die Wiederaufnahme ward an gewisse Bedingungen geknüpft (s. Buße). Später traten Geldstrafen
und die Auflegung gewisser Bußwerke an deren Stelle. Auch in der protestantischen Kirche, besonders in der reformierten und
unter den Puritanern, fand die Kirchenzucht Eingang; doch ist dieselbe heutzutage nahezu bedeutungslos, wenigstens
insofern es sich um erwachsene Personen handelt. Vgl. Geistliche Gerichtsbarkeit.
später beschäftigte
er sich ausschließlich mit dem Studium der Hieroglyphen und andern archäologischen Gegenständen. Er
starb in Rom. Er schrieb: »Ars magna lucis et umbrae«
(Rom 1646, 2. Bde.; 2. Ausg.,
Amsterd. 1671, 2 Bde.);
»Polygraphica seu artificium linguarum, quocum omnibus totius
mundi populis poterit quis correspondere« (Rom 1663);
»Latium, id est nova et parallela Latii, tum veteris tum novi, descriptio«
(das. 1671).
Kircher war ein Mann von der umfassendsten Gelehrsamkeit, viele Sonderbarkeiten und Extravaganzen
machen indes manche seiner Werke jetzt nur noch zu Kuriositäten. Mit Ausnahme des »TurrisBabel« und der »Arca Noë« sind seine
Schriften über die Altertumskunde am geschätztesten. Eine Beschreibung seiner Antiquitäten- und Modellsammlungen lieferten
Buonanni (Rom 1709) und Lattara (das. 1773). Zu seinen Erfindungen gehört unter andern der nach ihm benannte
Brennspiegel, auch, weil der erste Versuch damit auf der InselMalta gemacht wurde, der maltesische Spiegel
[* 24] genannt, beschrieben
in »Specula melitensis encyclica« (Messina
[* 25] 1638). Auch gilt er als Erfinder der Laterna
[* 26] magika. Im Collegio Romano zu Rom trägt
noch heute die von ihm gestiftete ausgezeichnete Sammlung von Altertümern (darunter die berühmte »Ficoronische
Ciste«) seinen Namen (Museo Kircheriano).
Vgl. Brischar, Athanasius ein Lebensbild (Würzb. 1878).
derWöchnerinnen, eine von den Juden in die christliche Lebensordnung übergegangene
Sitte, nach welcher Mütter ihren ersten Ausgang zugleich mit dem neugebornen Kind in die Kirche machen, wo eine besondere Danksagung
und Fürbitte für sie gesprochen wird. Bei den Juden war dieser Gang
[* 27] mit einem Reinigungsopfer verbunden, das nach der Geburt
eines Sohns am 40., nach der einer Tochter am 80. Tage gebracht werden mußte. Die römische Kirche hat
keine bestimmte Zeit dafür festgesetzt, die griechische dagegen den 40. Tag.
1) Stadt im preuß. Regierungsbezirk Frankfurt,
[* 28] KreisLuckau, an der KleinenElster
[* 29] und der LinieBerlin-Dresden
der Preußischen Staatsbahn, hat ein Amtsgericht, Schafleder-, Tuch-, Leim- und Knochenmehlfabrikation, Holzschneiderei und
(1885) 3524 fast nur evang. Einwohner. - 2)
Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel,
[* 30] am Einfluß der Wohra in die Ohm und an der LinieKassel-Frankfurt a. M. der Preußischen
Staatsbahn, hat eine lutherische und eine reform. Pfarrkirche, ein Amtsgericht und (1885) 1796 fast nur evang. Einwohner.
Amtsgericht, ein Forstamt, Holzdraht-, Zigarrenkisten-, Schuh- und Schäftefabrikation, Buchbinderei und (1885) 3395 meist
evang. Einwohner. Auf dem schönen Kirchhof ein Denkmal für die hier gefallenen Freischärler. Kirchheimbolanden ist Hauptort
der Herrschaft Kirchheimbolanden und Stauff, die ehemals im Besitz der Fürsten von Nassau-Weilburg war.
unterTeck, Oberamtsstadt im württemberg. Donaukreis, an der Lauter und der Kirchheimer
Eisenbahn, unweit der Teck, eines mit einer Schloßruine versehenen Bergkegels vor dem Nordwestrand der Rauhen Alb, 311 m ü. M.,
hat ein königliches Schloß, eine Latein- und eine Realschule, eine Handelslehranstalt, ein Amtsgericht, ein Forstamt, ein reiches
Hospital, Fabrikation von Baumwollwaren, Damast, Fortepianos, Maschinen, Zement, Lampions etc., mehrere Wollspinnereien,
Bierbrauereien, eine Getreideschranne, ansehnliche Schweine-, Holz- und Fruchtmärkte, den bedeutendsten Wollmarkt in Süddeutschland
(jährlicher Umsatz etwa 8000 Doppelzentner Wolle) und (1885) 6606 meist evang. Einw.
der eine Kirche umgebende Platz, bis zum 14. Jahrh. fast allgemein der Begräbnisort für die betreffende
Kirchengemeinde, daher der NameCoemeterium (Ruhestätte);
Mit Bunsen entdeckte er die Spektralanalyse,
[* 40] der er in dem berühmten Kirchhoffschen Gesetz über das Verhältnis von Emission
und Absorption die theoretische Grundlage gab. Folge dieser Entdeckung war die genaue Durchmusterung des
Sonnenspektrums und Bestimmung derjenigen dunkeln Linien desselben, welche mit hellen Linien in den Spektren irdischer Stoffe
zusammenfallen (»Untersuchungen über das Sonnenspektrum und die Spektren chemischer
Elemente«. Abhandlungen der BerlinerAkademie, 1861). Es erschienen von ihm: »Vorlesungen über mathematische Physik. Mechanik«
(Leipz. 1876; 3. Aufl. 1883);
»Gesammelte Abhandlungen« (das. 1882).
2) Adolf, ausgezeichneter Philolog und Altertumsforscher, geb. zu Berlin, besuchte seit 1842 die Universität daselbst,
wurde 1846 Adjunkt, dann Oberlehrer und Professor am Joachimsthalschen Gymnasium, 1860 ordentliches Mitglied der Akademie der
Wissenschaften und 1865 ordentlicher Professor der klassischen Philologie an der Universität. Kirchhoff hat sich
teils um die Kritik griechischer Schriftsteller, teils um die Epigraphik hohe Verdienste erworben. In ersterer Beziehung lieferte
er besonders für Homer »Quaestionum Homericarum particula« (Inauguraldissertation, Berl. 1846),
für Äschylos eine Textausgabe (das. 1880). Von seinen epigraphischen Studien bezogen sich die ersten Resultate auf
Italien;
[* 41] es erschienen: »Die umbrischen Sprachdenkmäler« (mit Aufrecht, Berl. 1849-51, 2 Bde.)
und »Das Stadtrecht von Bantia« (das. 1853). Sodann veröffentlichte er
über die germanischen Runen:
[* 42] »Das gotische Runenalphabet« (Berl.
1852) und »Die fränkischen Runen« (in Haupts »Zeitschrift für deutsches Altertum«, 1855). Endlich und vorzüglich hat er die
griechische Inschriftenkunde gefördert. Er bearbeitete für das »Corpus inscriptionum graecarum« den 2. Faszikel des 4. Bandes
(die christlichen Inschriften enthaltend, Berl. 1859) und führte das ganze Unternehmen zu
Ende, leitet im Auftrag der Akademie das »Corpus inscriptionum atticarum«, zu welchem er selber den 1. Band (die Inschriften
vor Euklid enthaltend, das. 1873) geliefert hat, und schrieb: »Studien zur Geschichte des griechischen Alphabets« (das. 1863, 4. Aufl.
1887). Auch war er 1866-81 an der Redaktion des »Hermes«
[* 43] beteiligt.
3) Albrecht, Bibliograph und Buchhändler, Bruder des vorigen, geb. zu Berlin, eröffnete mit dem Buchhändler GeorgWigand in Leipzig
[* 44] 1856 eine Antiquariatsbuchhandlung, die nach dem TodWigands (1858) in seinen alleinigen Besitz überging, bis
er 1863 seinen BruderOtto als Teilhaber aufnahm. Er bearbeitete zwei Bände des »Fünfjährigen Bücherkatalogs«
(1851-60),
dessen Fortsetzung von der Hinrichsschen Buchhandlung herausgegeben wurde, und machte sich besonders durch einige
historische Untersuchungen verdient: »Beiträge zur Geschichte des deutschen Buchhandels« (Leipz. 1851-53, 2 Tle.);
Auch besorgte er die
Herausgabe des von Fr. Kapp unvollendet hinterlassenen ersten Bandes von dessen »Geschichte des deutschen
Buchhandels« und veröffentlichte außerdem: »Die Anfänge der kirchlichen Toleranz in Sachsen. August der Starke und die Reformierten«,
zwei Vorträge (Leipz. 1872),
»Volapük. Hilfsbuch zum schnellen und leichten Erlernen
dieser Weltsprache« (1.-3. Aufl., Halle 1887).
Seit 1885 gibt er unter Mitwirkung von Fachgelehrten ein umfangreiches Handbuch
der Erdkunde: »Unser Wissen von der Erde« (Leipz. u. Prag),
[* 52]
heraus. Auch bearbeitete er die 5. und 6. Auflage
von Peschels »Völkerkunde« (Leipz. 1881 u. 1885) und veröffentlichte
»Rassenbilder« (Kassel 1883, 12 Tafeln); »Charakterbilder zur Länderkunde« (mit A.
Supan, das, 1884).
Gesetze der elektrischen Stromverzweigung bilden eine Erweiterung des Ohmschen Gesetzes (s. d.),
welche die Anwendung des letztern auch dann gestatten, wenn der Stromkreis einer galvanischen Batterie nicht durch eine einfache
Leitung gebildet wird, sondern in beliebiger Weise verzweigt ist. Diese Gesetze sind folgende zwei: 1. An jeder Verzweigungsstelle
ist die algebraische Summe der Stromstärken gleich Null, wenn man die gegen den Verzweigungspunkt hinfließenden
und die von ihm wegfließenden Ströme mit entgegengesetzten Zeichen nimmt. 2. In jedem geschlossenen Stromkreis, der durch
die Verzweigung gebildet wird, ist die Summe der elektromotorischen Kräfte gleich der Summe der Produkte aus den Stromstärken
und den Widerständen der einzelnen Strecken. - Über Kirchhoffs Gesetz in der Optik s. Absorption, S. 63.
Dorf im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg,
[* 53] Landkreis Dortmund,
[* 54] hat eine evang. Kirche, Steinkohlenbergbau
und (1885) 7804 meist evang. Einwohner.
Dorf im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg, KreisOlpe, an der Hundem, einem Zufluß der Lenne, hat eine kath.
Kirche, ein Amtsgericht, Eisenwerke und (1885) 4200 Einw.
Wegen Ablehnung der Anklage gegen den Frankfurter Abgeordneten GrafenReichenbach
[* 59] wurde er 1850 einem Disziplinarverfahren unterworfen;
von 1856 bis 1863 beurlaubt, blieb er bis 1867 in seiner Stellung zu Ratibor. Ein Vortrag im BerlinerArbeiterverein über die
Notwendigkeit der Bevölkerungseinschränkung gab, als gegen die sittlichen Prinzipien verstoßend,
die Veranlassung zu seiner disziplinarischen Amtsentsetzung ohne Pension. Kirchmann lebte seitdem in Berlin, teils philosophischen
Studien, teils politischer Thätigkeit als Abgeordneter zum preußischen Landtag und deutschen Reichstag sich widmend. Er starb Seine
schriftstellerische Thätigkeit galt ursprünglich der Jurisprudenz, in deren Kreisen das Pamphlet: »Die
Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft« (1.-6. Aufl. Berl. 1848) besonderes Aufsehen
machte. Als philosophischer Schriftsteller trat Kirchmann mit einer »Philosophie des Wissens« (Berl. 1864, Bd.
1) sowie einer anregenden Schrift: »Über Unsterblichkeit« (das. 1865),
2) Friedrich, philosoph. Schriftsteller, geb. zu Spandau,
[* 66] studierte in Halle und BerlinTheologie, Philosophie und Geschichte,
leitete dann zwei Jahre lang das Studentenkonvikt Johanneum zu Berlin und fand als Gymnasiallehrer in BerlinAnstellung. Seine
philosophischen Schriften sind: »De deo omnipraesenti eodemque personali« (1873);
in England (parish) auch zugleich Verwaltungsbezirk,
namentlich für die Armenpflege, Steuererhebung u. dgl. Das Wort Kirchspiel (mittelhochd. kirspel) geht auf das althochdeutsche spël,
»Rede, Verkündigung«, zurück und bezeichnet somit den »Bezirk, soweit die Verkündigung der Kirche reicht«.
die religiöse Handlung, durch welche eine neuerbaute oder ihrer Bestimmung eine Zeitlang
entzogene Kirche dem gottesdienstlichen Gebrauch feierlich gewidmet wird. Sie hat ihren Ursprung in der jüdischen Tempelweihe
(Encaenia), die auch das »Fest der Lichter« hieß, weil man während desselben die Wohnungen erleuchtete. In der christlichen
Kirche ist sie erst seit Konstantin d. Gr. bezeugt. Nach Vollendung einer Kirche wird dieselbe vom Bischof
unter den im Pontificale Romanum vorgeschriebenen symbolischen Handlungen konsekriert. Am Tag zuvor hat der Bischof die Reliquien
eines Heiligen in den Hochaltar innerhalb des neuen Gebäudes einzusenken und davor die Vigilien zu halten, und dieser Heilige
gilt dann als Patron der Kirche, welcher er gewöhnlich seinen Namen leiht. In neuerer Zeit benannte man
die Kirchen auch nach kirchlichen Ereignissen oder christlichen Glaubenssätzen (z. B. Kirche zur Verkündigung, Himmelfahrt,
Dreifaltigkeit, zum HeiligenGeist etc.). In der evangelischen Kirche werden neuerbaute oder restaurierte Gotteshäuser bloß
in einem feierlichen Gottesdienst dem kirchlichen Gebrauch übergeben.
Sowohl bei Katholiken als bei Protestanten finden alljährlich zum Andenken an die Kircheneinweihung Feste
statt, welche den Namen Kirchweihe, auch Kirchmesse und im gemeinen Leben zusammengezogen Kirmse, Kirmes führen. Sie kommen schon im 9. Jahrh.
vor und sind im Lauf der Zeiten zu bloßen Volksfesten geworden, deren Hauptzweck Belustigung ist. In einigen Ländern, wie in
Österreich,
[* 68] werden alle Kirchweihtage an einem und demselben Tage gehalten und finden dann im Herbst nach
vollendeter Ernte
[* 69] statt, indem sie mit einer kirchlichen Feier eingeleitet werden.
(Kirghisen), türk. Volk in den SteppenMittelasiens, dessen Gebiet nördlich etwa bis zum nördlichen Abhang
des transilischen Alatau oder Alexandergebirges, westlich bis zum obern Lauf desAmu Darja, südlich bis
zum Kuenlün, also in die Umgegend von Jarkand und selbst von Chotan, östlich im Thianschan bis zum Meridian von Kuldscha reicht.
Ihr Name bedeutet türkisch so viel wie Räuber; sie selbst nennen sich Kassak (Chazak). Die eigentlichen Kirgisen sind nur die im
Thianschan wohnenden, die im 5. Jahrh. am Jenissei und in den Sajanischen Bergen
[* 70] ihren Wohnsitz gehabt haben
sollen und von hier im 10. Jahrh. durch die Hokas vertrieben sind; dieselben werden von den
Russen Dikokammenije Kirghisy (»wilde Steinkirgisen«),
von den Chinesen und KalmückenBuruten, von den Kassaken Karakirgisen
(»schwarze Kirgisen«) genannt. Alle andern kirgisischen Völker außerhalb des Thianschangebirges führen die
Bezeichnung der Kirgiskaisaken. Die äußere Erscheinung des Kirgisen (s. Tafel »AsiatischeVölker«,
[* 71] Fig. 8) verrät die mongolische
Abstammung, obgleich es seine Schwierigkeiten hat,
einen konstanten Charakter für Typus und Habitus herauszufinden. Die Kirgisen scheinen
ein Gemisch der verschiedenartigsten Elemente zu sein, deren hauptsächlichstes wohl das türkische ist;
ihre Sprache ist ein rein türkischer Dialekt.
Die ziemlich stark hervorspringenden Backenknochen, die in den Winkeln etwas schief herabgezogenen Augen, welche wegen der
wulstigen Ränder schmal geschlitzt und blinzelnd erscheinen, die meist etwas abgeplattete, breitflügelige Nase,
[* 72] der durchgehends
große Mund mit besonders entwickelter wulstiger Unterlippe dürfen als die Rasseneigentümlichkeiten
angesehen werden. Von Natur sind sie mittelgroß bis klein, aber gedrungen und kräftig gebaut; ihre Hautfarbe ist im ganzen
dunkler als die der Europäer und hat einen mehr oder minder bräunlichen, zum Teil ins Gelbbräunliche ziehenden Ton. Sie
sind Mohammedaner, von kriegerischem, wild unbändigem Charakter, noch vor 15 Jahren als Wegelagerer gefürchtet.
Die echten Kirgisen zerfallen in zwei Völkerschaften, die Rechten (On) und die Linken (Sol), die wiederum in viele Hauptstämme und
Geschlechter auseinander gehen; ihre Zahl wird auf 850,000 angegeben, wovon 169,000 unter russischer Herrschaft stehen.
Die letztern zahlen keine Geldabgaben, sondern sind nur zu Naturalleistungen, Stellung von Transporttieren,
Treibern und Wegweisern verpflichtet; die Verwaltung ist den Stammesoberhäuptern überlassen. Das Gastrecht ist dem Kirgisen heilig.
Der Reiche unterscheidet sich nicht vom Armen, auch nicht der Herr vom Diener. Die Kirgisen verraten viel Anlage zur Musik, und die kriegerischen
Improvisatoren stehen bei ihren Nachbarn, den Kassaken, in großem Ansehen. Ihr Anzug besteht aus weiten
Hosen
[* 73] und Röcken von Wolle und aus hohen ledernen Stiefeln. IhreReligion ist der Islam; seine Gebote halten sie aber nicht streng,
und die Priester (Mullas) haben geringern Einfluß als unter den Kassaken. Als echte Nomaden leben sie hauptsächlich von der
Viehzucht.
[* 74]
IhreNahrung besteht aus Schaffleisch; Pferde
[* 75] werden nur bei großen Festen geschlachtet, und das Rindfleisch
verachten sie. Wie alle mongolischen Nomaden, sind sie zum Trunke geneigt; ihr Lieblingsgetränk ist der Kumys (s. d.). Der
Ackerbau ist mehr Nebenbeschäftigung, wird aber, wo er betrieben wird, mit Umsicht unter Anlage von Bewässerungen ausgeübt.
IhreIndustrie ist nur Hausgewerbe, die Frauen weben und spinnen Wolle und wirken dauerhaften Filz. Fast alle
notwendigen Bedürfnisse erhalten die Kirgisen durch den Handel.
2) Orta-dschus (»mittlere Hundert«) und 3) Kitschi-dschus (»kleine Hundert«); zur letztern
gehört noch die im GouvernementAstrachan auf europäischem Boden nomadisierende sogen. innere oder Bukeische
Horde. Ihre Gesamtzahl wird von einigen auf etwas über eine Million, von andern auf über zwei Millionen angegeben. Der Ackerbau
beginnt sich unter ihnen allmählich einzubürgern und gilt nicht mehr wie früher als fast entehrend; ihr Hauptreichtum
aber sind noch immer die Herden, auf denen ausschließlich ihre Existenz und ihr Erwerb beruhen. Durch vorzügliche
Eigenschaften sind ihre Pferde ausgezeichnet, die das Material für die Armee, das Transportwesen und die ungeheuern Frachtzüge
im sibirischen Verkehr liefern. Einzelne Kirgisen sollen mehr als 5000 StückPferde besitzen. Das zweitwichtigste Herdentier der
Kirgisen ist das Schaf,
[* 76] von welchem einzelne Reiche 20,000 Stück besitzen sollen. Im ganzen wird die Gesamtzahl
ihrer Pferde¶