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Derby unweit der Mündung des Fitzroy in den Kingsund, mit gutem Hafen.
Derby unweit der Mündung des Fitzroy in den Kingsund, mit gutem Hafen.
(spr. kimmberli), John Wodehouse, Graf von, brit. Staatsmann, geb. studierte in Oxford [* 2] und folgte 1846 seinem Großvater als dritter Baron Wodehouse. Er wurde unter dem Ministerium Aberdeen [* 3] 1852 Unterstaatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten und behielt dies Amt auch unter Palmerston bis 1856, in welchem Jahr er als britischer Botschafter nach Petersburg [* 4] ging. 1858 zurückberufen, erhielt er in Palmerstons zweitem Ministerium seinen alten Posten wieder und behauptete ihn bis 1861. Im J. 1863 war er in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit mit einer speziellen Sendung an die nordischen Höfe beauftragt. In Lord Russells zweitem Ministerium war er vom Oktober 1864 bis Juli 1866 Lord-Statthalter von Irland, in Gladstones Ministerium vom Dezember 1868 bis Juli 1870 Siegelbewahrer, von da ab bis zum Februar 1874 Kolonialminister, welches Amt er im April 1880 in Gladstones zweitem Ministerium zum zweitenmal übernahm, aber 1882 mit dem Ministerium für Indien vertauschte. 1885 trat er mit Gladstone zurück. Zum Grafen von Kimberley ward er bei seinem Rücktritt von der irischen Statthalterschaft 1866 erhoben.
Volk, s. Cimbern. ^[= und Teutonen, zwei germanische Völker, welche als die ersten Germanen mit den Römern in Berührung ...]
1) Joseph, der erste jüd. Gelehrte, welcher in christlichen Ländern (Provence) eine hebräische Grammatik verfaßte (um 1150-70) und sich als Übersetzer und rationeller Schrifterklärer (Sprüche Salomonis, Hohelied u. a.) Verdienste erwarb.
Vgl. Bacher, J. Kimchi et Aboulwalid (Par. 1883).
2) Moses, war in gleicher Weise wie der Vater, dem er an Gediegenheit nachstand, thätig. Verfasser einer hebräischen Grammatik, welche unter dem Titel: »Liber viarum linguae sanctae« (Par. 1520; mit lat. Übersetzung von Seb. Münster, [* 5] Basel [* 6] 1531; mit der Erklärung des Elias Levita und Noten von Konst. Lempereur, Leid. 1631 u. öfter) erschien, und synagogaler Gedichte.
3) David (abgekürzt Rdak, d. h. Rabbi David Kimchi), der berühmteste Sproß der Familie als Grammatiker, Lexikograph und Exeget noch heute hochgeschätzt, geboren um 1160 zu Narbonne. Außer seinen Bibelerklärungen zur Genesis, Chronik, zu den Propheten und den Psalmen schrieb er eine Grammatik: »Michiol« (Vened. 1545, Leid. 1631 u. Fürth [* 7] 1793),
ein hebräisches Wörterbuch: »Sefer haschoraschim« (Wurzelwörterbuch),
das nach ältern Drucken (Neapel [* 8] 1490, Vened. 1529 u. 1552) von Lebrecht und Biesenthal (Berl. 1838-48, 2 Tle.) neu herausgegeben wurde. Neuerdings wurde eine kleine Schrift Kimchis unter dem Titel: »Et sofer«, welche über Massora und Accente handelt (Lyck [* 9] 1864), und sein Psalmenkommentar von Schiller-Szinessy (Cambridge 1885) herausgegeben. Kimchis grammatisches System ward bekämpft von dem Katalonier Profiat Duran, genannt Efodi, um 1400 lebend.
Vgl. Tauber, David als Grammatiker (Bresl. 1867).
(Kimmung), im Seewesen der sichtbare Horizont; [* 10]
die krumme Linie des Überganges vom Boden zu den Seiten des Schiffskörpers, welche auf den Außenplanken, bez. -Platten konvex und mittschiff am meisten gekrümmt ist.
(in Österreich [* 11] Grinsel), scharfe Vertiefung oder Erhöhung, besonders dreieckiger Einschnitt im Visier der Handfeuerwaffen [* 12] und Geschütze, [* 13] durch dessen untere scharfe Spitze über das Korn die Richtung genommen wird;
s. Visier.
s. Juraformation. ^[= (oft bloß Jura, nach dem gleichnamigen Gebirge so genannt, Oolithgebirge, Terrains jurassiques, ...] [* 14]
(Cimmerii), fabelhaftes Volk, das Homer in den äußersten Westen am Ozean versetzt und ewig in Finsternis und Nebel eingehüllt sein läßt, daher kimmerische Finsternis. Die historischen ein nomadisches Reitervolk an der Nordküste des Schwarzen Meers, fielen, von Skythen aus ihren Sitzen vertrieben, zu Anfang des 7. Jahrh. v. Chr. in Kleinasien ein und plünderten um 650 Sardes, belagerten Ephesos [* 15] und zerstörten Magnesia, bis sie durch Alyattes von Lydien aufgerieben wurden. Die Taurier auf der Krim [* 16] sind wahrscheinlich sitzen gebliebene Reste der Kimmerier.
Bosporus, [* 17] s. Bosporus. ^[= (griech., "Rinderfurt", türk. Istambul Boghasi), Name der Meerenge, welche aus dem ...]
s. Schiff. ^[= # im allgemeinen jedes gefäßartig geformte Transportmittel zu Wasser, mit vorwaltender Längenausdeh ...] [* 18]
der Winkel, [* 19] um welchen das über den Meereshorizont erhöhte Auge [* 20] die Höhe eines Gestirns zu hoch mißt.
s. Luftspiegelung; ^[= (Fata Morgana, franz. Mirage), eine optische Lufterscheinung, welche dadurch entsteht, ...] [* 21]
auch s. v. w. Kimm.
(bei den Seefahrern Argentiera), eine der Kykladen, zur Eparchie Milos gehörig, zwischen Milos und Siphenos gelegen, meist kahl, ohne Quellen und wenig angebaut, 42 qkm groß mit (1879) 1337 Einw. Berühmt ist die kimolische Erde, ein Seifenthon, der, wie im Altertum, noch heute zum Waschen, Walken und Baden [* 22] benutzt wird. Auch trefflicher weißer Baustein wird ausgeführt, dagegen nicht mehr, wie im Mittelalter, Silber gefunden. Die Reste der antiken Stadt Kimolos liegen auf einer heute von der Insel fast getrennten Klippe im SO.
1) Sohn des Stesagoras und Vater des Miltiades, ward unter Peisistratos aus Athen [* 23] verbannt, dann zurückgerufen, aber von den auf seine in den Olympischen Spielen gewonnenen Siege eifersüchtigen Söhnen des Tyrannen ermordet.
2) Enkel des vorigen, Sohn des Miltiades und der thrakischen Fürstentochter Hegesipyle, einer der ausgezeichnetsten Feldherren und einflußreichsten Staatsmänner seiner Zeit. Kimon verlebte eine traurige Jugend, da sich wegen der Strafschuld von 50 Talenten, die sein Vater nicht bezahlen konnte, die Atimie auf ihn forterbte, bis er durch die Verbindung seiner Halbschwester Elpinike mit dem reichen Kallias die Summe erhielt. Aber das Unglück hatte ihn geläutert: er entsagte dem frühern leichtsinnigen Leben, und in den Kämpfen gegen Xerxes gelang es ihm, sich durch Beweise von Mut und kriegerischen Talenten die Achtung des Volkes und die Freundschaft des Aristeides, dem er durch Wahrheitsliebe und Rechtlichkeit verwandt war, zu erwerben.
Beide wurden nach der Schlacht bei Mykale 479 v. Chr. an die Spitze der attischen Flotte gestellt und erwarben sich das Verdienst, die mit den Lakedämoniern unzufriedenen Bundesgenossen für Athen und damit diesem die Hegemonie zu gewinnen. Kimon brachte die Feste Eion in seine Gewalt, eroberte die durch Seeräuberei ihrer Bewohner berüchtigte Insel Skyros und brachte von da die Gebeine des Theseus nach Athen. 465 errang er den berühmten Doppelsieg am Eurymedon, indem er die Flotte und das Landheer der Perser vernichtete und auch noch eine zu Hilfe eilende phönikische Flotte zerstreute, eroberte den thrakischen Chersones und unterwarf 462 das 464 abgefallene Thasos wieder. Er stand nun im vollen Glanze seines Ruhms und war der mächtigste Mann in Athen seit Themistokles' Verbannung und Aristeides' Tod. Durch weise Mäßigung suchte er im Innern und nach außen Athens Macht zu kräftigen und den Bund mit den übrigen Hellenen, namentlich mit Sparta, aufrecht zu erhalten. Die demokratische Partei suchte ihn durch alle Mittel zu stürzen, indem sie ihn wegen ¶
seines Verhaltens in Makedonien der Bestechung anklagte. Er wurde zwar freigesprochen, vermochte aber trotz seiner Popularität nicht zu hindern, daß die Volkspartei immer mehr erstarkte. Als bald darauf das auf Kimons Rat den Spartanern während des dritten Messenischen Kriegs zu Hilfe geschickte Heer von diesen zurückgewiesen wurde, gelang es seinen Gegnern, seine Verbannung auf zehn Jahre durchzusetzen (460). Kurz vor der Schlacht bei Tanagra (457) erschien er wieder, um in den Reihen seiner Landsleute mitzustreiten.
Da man indes seine patriotische Absicht verdächtigte, verließ er das Heer; seine Freunde aber, von ihm zur Tapferkeit ermuntert, bewiesen durch ihre Aufopferung ihre Ergebenheit gegen das Vaterland. Dies und der unglückliche Ausgang der Schlacht, der den Wunsch nach Frieden mit Sparta immer lauter werden ließ, brachte eine Gesinnungsänderung zu gunsten Kimons hervor. Perikles selbst beantragte die Zurückberufung desselben. So kehrte er denn 454 nach Athen zurück und brachte 451 zwischen Athen und Sparta einen Waffenstillstand auf fünf Jahre zu stande.
Kimons alleiniges Streben galt der Wiederherstellung der Ruhe in Griechenland, [* 25] um die hellenischen Streitkräfte wieder zur Bekriegung der Perser verwenden zu können. Im Frühjahr 449 segelte er mit 140 Schiffen aus, um die Insel Kypros wiederzuerobern. Er schloß Kition ein, starb aber daselbst; nach seinem Tod noch errang seinem Schlachtplan gemäß die Flotte über die Perser den Sieg bei Salamis. Kimon wurde in Athen bestattet und ihm ein Denkmal errichtet, das noch zu Plutarchs Zeiten stand. In Kimon verlor Athen einen seiner ausgezeichnetsten Bürger, voll reiner Vaterlandsliebe, ohne Eitelkeit und Selbstsucht. Der sogen. Kanonische Friede zwischen Persien [* 26] und Griechenland, den die spätern attischen Redner als nach Kimons Tod zu stande gekommen erwähnen, ist in Wirklichkeit nicht abgeschlossen worden, er bezeichnet nur den thatsächlichen Friedenszustand, der nach Kimons Siegen [* 27] zwischen Griechenland und Persien eintrat, und ist demnach als das Ende der Perserkriege anzusehen.
1) (Kampulung) Hauptstadt des Kreises Mutschel (Muscel) in der Großen Walachei, in einem anmutigen Karpathenthal, an der Straße über den Törzburger Paß [* 28] nach Siebenbürgen, mit 24 Kirchen und 10,000 Einw., Stapelplatz der aus Siebenbürgen kommenden Waren. In der Nähe das Dorf Baghia mit Schwefelquellen. - 2) (Campo longo) Marktflecken in der Bukowina, Endpunkt der Lokalbahn Hatna-Kimpolung, mit (1880) 5534 Einw., Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts. Der nahe große Kimpolunger Wald liefert ausgezeichnete Schiffsmasten. Westlich von Kimpolung liegt Pozoritta mit Kupferbergbau u. Schmelzhütte.
Kirchdorf im russ. Gouvernement Twer, Kreis [* 29] Kortschewa, mit 2 Kirchen und über 3000 Einw.;
ist berühmt durch seine Schuhmacherei. 1807 und 1812 versorgte dies eine Dorf einen großen Teil der russischen Armee mit Fußbekleidung.
s. v. w. Kätty (s. d.). ^[= (engl. Catty), in China Handelsgewicht à 16 Tael = 1/100 Pikul, im Verkehr mit Fremden ...]
uraltes chines., zitherartiges Instrument, dessen (5-25) Saiten aus Seidenfäden gedreht sind.
(griech.), s. v. w. Päderast;
Kinädismos, Päderastie. ^[= (griech., "Knabenliebe"), auf geistigem und sinnlichem Wohlgefallen beruhende Zuneigung ...]
ein Spartaner, der unter dem König Agesilaos, erbittert über die Vorrechte des spartanischen Geburtsadels, der Homöen, eine weitverzweigte Verschwörung zur Ermordung derselben anstiftete.
Der Plan wurde aber verraten und Kinadon mit den übrigen Häuptern der Verschwörung hingerichtet (397 v. Chr.).
kleine, 1860 geschleifte Festung [* 30] im russ. Gouvernement Taurien, westlich auf einer Landzunge an der Mündung des Dnjepr, südlich gegenüber Otschakow, wurde 1736 von den Russen geschleift, von den Türken wieder aufgebaut, im ersten Türkenkrieg unter Katharina II. 1771 von den Russen erobert und 1774 im Frieden von Kütschük Kainardschi an Rußland abgetreten. Der zweite Türkenkrieg begann 1787 mit einem Angriff der Türken auf Kinburn, welchen Suworow zurückschlug. Am erschienen die Alliierten vor Kinburn, dessen drei Forts bombardiert wurden, worauf die 1500 Mann starke Besatzung kapitulierte und dem Feind 70 Kanonen überließ. Jetzt ist ein ganz unbedeutender, nur von einigem Fischern und Zollwächtern bewohnter Ort.
(spr. -kardinschir, Mearns), Grafschaft im nordöstlichen Schottland, erstreckt sich von der Nordsee bis zum Kamm der Grampians und hat einen Flächenraum von 999 qkm (18,1 QM.) mit (1881) 34,464 Einw. Eine Hügelkette trennt den unfruchtbaren Küstenstrich von der fruchtbaren How (»Höhlung«) of Mearns, einer Fortsetzung der Strathmore-Ebene, welche sich bis in die Nähe von Stonehaven erstreckt. Zweige der Grampians (mit dem 748 m hohen Mount Batlock an der Grenze) durchziehen den Nordwestteil der Grafschaft.
Der wichtigste Fluß ist der Dee, welcher durch ein fruchtbares Thal [* 31] fließt und einen Teil der Nordwestgrenze bildet. Ackerbau, Viehzucht und [* 32] Fischfang bilden die Haupterwerbsquellen. 46 Proz. des Areals sind (1885) angebaut; 3,5 Proz. bestehen aus Weiden, 11 Proz. aus Wald. Man zählte 1885: 25,922 Rinder, [* 33] 29,987 Schafe. [* 34] Aus dem Mineralreich gewinnt man Porphyr, Granit, Sandstein, Kalkstein, im S. auch Porzellanerde. Die industrielle Thätigkeit beschränkt sich auf Wollwarenfabrikation und Flachsspinnerei. Kincardine, die ehemalige Hauptstadt, ist bis auf den Kirchhof und Ruinen eines Palastes zusammengeschrumpft und Stonehaven an ihre Stelle getreten.
(Infans), im engern Sinn der Mensch von seiner Geburt bis zu seiner geschlechtlichen Entwickelung (s. Pubertät); im weitern Sinn der Mensch sowohl während dieser Periode als im ungebornen Zustand (s. Embryo). Das Ende der Kindheit (infantia, aetas infantilis) ist aus dem Grund nicht genau zu bestimmen, weil die Pubertät (s. d.) bei dem einen Individuum früher als bei dem anderen eintritt. Man kann folgende Abschnitte des Kindesalters unterscheiden: das Alter des Neugebornen, die ersten 5-6 Tage nach der Geburt bis zum Abfall der Nabelschnur in sich begreifend;
das Alter des Säuglings, bis zum 9. oder 12. Lebensmonat reichend und mit dem Entwöhnen des Kindes endigend;
das eigentliche Kindesalter, vom 1.-7. Lebensjahr, wo der Zahnwechsel beginnt;
das Jugendalter, vom 7. Lebensjahr bis zum Eintritt der Mannbarkeit.
Ein neugebornes, reifes Kind hat durchschnittlich eine Körperlänge von 45-50 cm und ein Gewicht von 3-3,5 kg. Alle Teile des Körpers sind gehörig voll und abgerundet. Die Nägel [* 35] sind hornartig und ragen an den Fingern über die Spitzen hervor. Die Ohren sind hart und knorpelig, die Brüste gewölbt, die Brustwarzen etwas hervorstehend. Der Hodensack ist gerunzelt, und in demselben befinden sich gewöhnlich die Hoden. Der Kopf ist mit Haaren bedeckt, an den Augen sieht man Augenbrauen und Wimpern. Das Gesicht [* 36] ist im Verhältnis zum Schädelgewölbe sehr klein und niedrig, die Nase [* 37] klein, ¶
kurz; die Nasenhöhlen [* 39] sind eng, die Kinnladen sehr niedrig, die Augen groß, die Kopfknochen in den Nähten schwach beweglich. Der Kopf ist verhältnismäßig groß und sitzt auf einem dünnen, kurzen Hals. Die Bauchhöhle ist verhältnismäßig länger als der Brustkasten. Die Gliedmaßen sind im Verhältnis zum Rumpfe von geringerm Umfang, Hände und Füße verhältnismäßig klein und kurz. Bei einem zu früh gebornen Kind sind die Gliedmaßen schmächtig, welk, mager; die Haut [* 40] ist nicht gleichmäßig über den Körper gespannt, sondern faltig, runzelig, rot und mit Wollhaaren besetzt.
Der Kopf ist auffallend groß im Vergleich zum übrigen Körper; seine Knochen [* 41] sind nicht fest, Fontanellen und Nähte weit, die Kopfhaare weiß, fein, zart, die Ohren dünn, häutig, am Kopf anliegend. Die Hoden sind gewöhnlich nicht im Hodensack. Gewicht und Länge richten sich nach dem Fruchtmonat, in dem das Kind geboren, sind aber selbstverständlich geringer als die oben angegebenen Gewichte und Maße. Der beginnende Atmungsprozeß ist nach erfolgter Geburt des Kindes das wichtigste Zeichen des neuen Lebens.
Durch das erste Atmen erweitert sich der Brustkasten, die Rippen treten weiter auseinander, der Durchmesser der Brust von vorn nach hinten wird vergrößert, die beiden Seiten des Brustkastens heben sich und erscheinen in einem größern Bogen, [* 42] die ganze Brust wird mehr gewölbt. Das Zwerchfell drängt sich gegen die Bauchhöhle, wodurch es den Anschein gewinnt, als atmete das Kind vorzugsweise mit dem Bauch. [* 43] Die bei dem Fötus sehr kleinen Lungen werden bei kräftigem Einatmen in wenigen Minuten von Luft angefüllt, das Parenchym der Lungen wird dadurch aufgelockert und bedeutend vergrößert, die dunkel blaurote Färbung der Lungen der Frucht verwandelt sich in eine hell zinnoberrote.
Die Lungen bleiben, wenn die Respiration erfolgt ist, auch nach dem Tode des Kindes von der Luft ausgedehnt, wodurch sie spezifisch leichter werden, so daß sie auf dem Wasser schwimmen. Die Lungen von Kindern, die nicht geatmet haben, sind spezifisch schwerer als Wasser. Auch der Blutumlauf bekommt mit der Respiration eine andre Richtung. Sobald das Kind geatmet hat, verkündet dasselbe gewöhnlich durch lautes Schreien sein Dasein. Zu früh geborne Kinder geben in der Regel nur einen wimmernden Ton von sich, und dies um so mehr, je kürzer der Termin der Schwangerschaft ist, in welchem sie geboren worden sind. Bald nach dem ersten Schreien schläft das ein und schläft, wenn es gesund ist und keine äußere Störung eintritt, so lange fort, bis es Bedürfnis nach Nahrung empfindet.
Wenn das Kind zur Welt kommt, ist es mit einer zarten, fettigen, gelblichen, seifenartigen Schmiere (Kindsschleim, smegma, Vernix caseosa) überzogen, namentlich reichlich in den Weichen, in den Achselhöhlen, in den Kniebeugen, hinter den Ohren etc. Dieselbe besteht aus einem innigen Gemenge von Hauttalg und Oberhautzellen. Die rötliche Färbung der Haut der Neugebornen nimmt in den ersten Tagen nach der Geburt nach und nach ab und geht häufig allmählich in eine gelbliche, selbst gelbe über.
Die Epidermis [* 44] ist kurz nach der Geburt zart, weich, sehr wenig fest, wird aber bald trocken und exfoliiert sich. Der an dem Kind gebliebene Rest der Nabelschnur fängt gewöhnlich schon 12-18 Stunden nach der Geburt an, welker zu werden, und trocknet allmählich ein. Nach vollständiger Vertrocknung, zwischen dem 4. und 6. Tag, stößt sich der Nabelstrangrest vom Nabel des Kindes los. Bald nach der Geburt und bis zum 3. Tag entleert das Kind eine grünlich- oder bräunlichschwarze Masse, das sogen. Meconium oder Kindspech (s. d.). Der Urin, der anfangs wasserhell und von ganz schwachem Geruch ist, nach und nach aber mehr gefärbt und konzentrierter erscheint, wird gewöhnlich in kurzen Zwischenräumen entleert.
Die Muskeln [* 45] des Neugebornen sind noch sehr wenig entwickelt, weshalb seine Bewegungen sehr beschränkt sind; nur die zum Saugen dienenden Muskeln sind vollkommen ausgebildet. Das Knochensystem ist noch sehr unvollkommen. Die Epiphysen der Röhrenknochen bestehen noch aus Knorpeln und die meisten platten Knochen aus mehreren Stücken, zwischen welchen sich noch Knorpelmasse befindet. Die Knochenmasse selbst ist noch weniger kompakt und viel gefäßreicher als beim Erwachsenen.
Die Kopfknochen sind wenig ausgebildet, bestehen teilweise noch aus mehreren Stücken und haben die Fontanellen und Nähte zwischen sich, woher es kommt, daß die Knochenränder, die nicht, wie bei dem Erwachsenen, gezahnt sind, sich nicht berühren. Wo die Stirn-, die Kronen- und die Pfeilnaht zusammentreffen, bildet sich ein viereckiger Raum, der gewöhnlich so groß ist, daß er mit zwei Fingerspitzen bedeckt werden kann, und den man die große oder vordere Fontanelle nennt. Wo die Pfeilnaht und die Hinterhauptsnaht zusammentreffen, wird ein kleiner, dreieckiger knochenfreier Raum gebildet, welchen man die kleine oder hintere Fontanelle nennt.
Die knochenfreien Stellen zwischen dem Seitenwandbein, dem Keil- und Schläfenbein und die zwischen dem Hinterhaupts-, dem Schläfen- und Seitenwandbein auf jeder Seite nennt man Seitenfontanellen. Die Beckenknochen bestehen bei dem neugebornen Kind aus drei Stücken, dem Hüftbein, dem Sitzbein und dem Schoßbein. Diese drei Stücke sind durch Knorpel [* 46] miteinander verbunden und vereinigen sich da, wo die Pfanne liegt. Das Gehirn [* 47] des Neugebornen ist weicher als bei dem Erwachsenen.
Die Hirnhäute sowohl als das Gehirn sind äußerst reich mit Blutgefäßen versehen. Im ganzen besitzt das neugeborne Kind verhältnismäßig weit mehr Gehirnmasse als der Erwachsene. Das Rückenmark und die einzelnen Nervenfäden sind ebenfalls verhältnismäßig stärker als bei dem Erwachsenen. Die einzelnen Sinne sind bei dem neugebornen noch höchst wenig ausgebildet. Am meisten scheint der Geschmackssinn entwickelt zu sein, denn gleich nach der Geburt gibt das Kind unverkennbare Merkmale, daß es Dinge durch den Geschmack unterscheiden kann.
Das Gefühl wird durch die neuen Reize (Luft, Licht, [* 48] Wärme [* 49] etc.), die auf das eben geborne Kind einwirken, vielfach angeregt und schnell entwickelt. Wohl- und Übelgeruche unterscheidet das neugeborne Kind nicht. Auch der Gehörssinn des neugebornen Kindes scheint völlig unentwickelt zu sein, denn es gibt selbst bei großem Geräusch kein Zeichen der Wahrnehmung, obgleich das Trommelfell bei ihm sehr oberflächlich liegt. Der Gesichtssinn ist ebenfalls noch nicht entwickelt.
Die Regenbogenhaut aller Neugebornen hat eine dunkelblaue Färbung. Hinsichtlich der Nahrung ist das neugeborne Kind ganz auf die Mutterbrust angewiesen, für die es in der künstlichen Auffütterung (s. d.) nur einen notdürftigen Ersatz findet. Auch nach der Entwöhnung verlangt das Kind vorzugsweise noch Milchnahrung, und nur allmählich ist ein Übergang zu Fleisch, Brot [* 50] und Gemüse zu machen; stets aber muß diese Kost mild, reizlos, nahrhaft und leichtverdaulich sein. Das Gewöhnen an Regelmäßigkeit im Essen, [* 51] das Aufhalten in reiner, warmer, freier Luft, das Schlafen in luftigen und lichten Räumen, die Übung der Sinne, Sprache [* 52] und Bewegungen, ¶
eine ganz allmählich steigende Abhärtung sind die Hauptmomente der physischen Erziehung des Kindes. Die weitere Entwickelung des Kindes s. Alter.
Vgl. auch die folgenden Artikel: Kindergärten, Kinderheilstätten, Kinderkrankheiten, Kinderschutz etc., ferner Bednar, Kinderdiätetik (Wien [* 54] 1857);
Fürst, Das Kind und seine Pflege (2. Aufl., Leipz. 1877), Krug, Die Kindererziehung für das erste Lebensjahr (2. Aufl., das. 1884);
Ploß, Das in Brauch und Sitte der Völker (2. Aufl., das. 1884);
1) Johann Friedrich, Dichter und Schriftsteller, geb. zu Leipzig, [* 55] studierte daselbst Rechtswissenschaften, ließ sich 1793 als Rechtsanwalt in Dresden [* 56] nieder, entsagte aber 1814 der juristischen Praxis, um sich ungestört seiner schriftstellerischen Thätigkeit widmen zu können. Er starb in Dresden. Unter seinen belletristischen Arbeiten fanden seine Novellen und Erzählungen bei ihrer plattromantischen Darstellungsweise, wie: »Natalia« (Züllichau 1802-1804, 3 Bde.),
»Leben und Liebe Rynos und seiner Schwester Minona« (das. 1805, 2 Bde.),
»Malven« (das. 1805, 2 Bde.),
»Tulpen« (das. 1806-10, 7 Bde.),
»Die Harfe« (das. 1814-19, 8 Bde.),
»Lindenblüten« (das. 1819, 4 Bde.) u. a., vielen Beifall. Auch von seinen dramatischen Dichtungen (»Theaterschriften«, Leipz. 1821-27, 4 Bde.) hielten sich einige, wie »Wilhelm der Eroberer«, »Van Dycks Landleben« etc., längere Zeit auf der Bühne. Am meisten Glück aber machten seine Operntexte: »Das Nachtlager von Granada« [* 57] (von Kreutzer komponiert),
»Der Holzdieb« (Musik von Marschner) und besonders der durch M. v. Webers Musik unsterblich gemachte »Freischütz« (mit Briefen des Komponisten herausgegeben, Leipz. 1843). 1815 gab Kind Beckers »Taschenbuch zum geselligen Vergnügen« heraus; 1817-26 besorgte er mit Winkler (Th. Hell) die Redaktion der »Abendzeitung«, später auch eine Zeitlang die der »Dresdener Morgenzeitung«. Kinds »Gedichte« (Leipz. 1808, 5 Bde.; 2. Aufl., das. 1817 bis 1825) trugen durchaus das Gepräge schwächlicher Nach- und Anempfindung, welches nahezu allen Dichtern des Dresdener Abendzeitungskreises eigen war.
2) Karl Theodor, neugriech. Philolog, geb. zu Leipzig, studierte daselbst die Rechte, ließ sich 1824 als Advokat nieder, war 1835-46 Mitglied der Juristenfakultät, dann mit dem Titel Justizrat bis 1856 Mitglied des Spruchkollegiums und starb in Leipzig. Neben der juristischen Praxis beschäftigte ihn seit 1821 insbesondere das Studium der neugriechischen Sprache, um deren allgemeine Kenntnis er sich wesentlich verdient gemacht hat. Von seinen hierher gehörigen Schriften nennen wir: »Neugriechische Volkslieder im Original und mit deutscher Übersetzung« (Grimma [* 58] 1827);
»Neugriechische Chrestomathie« (Leipz. 1835);
des Alex. Sutsos »Panorama Griechenlands«, mit grammatischen Erklärungen und einem Wörterbuch (das. 1835);
»Geschichte der griechischen Revolution« (das. 1833, 2 Bde.);
»Handwörterbuch der deutschen und neugriechischen Sprache« (das. 1841);
»Neugriechische Anthologie« (das. 1844);
»Neugriechische Volkslieder« (das. 1849) und »Anthologie neugriechischer Volkslieder« (das. 1861).
3) Karl Gotthelf, Techniker, geb. zu Linde bei Freiberg [* 59] in Sachsen, [* 60] war mit 13 Jahren Bergarbeiter, beteiligte sich zu Anfang der 20er Jahre an Bohrversuchen bei Pegau und an einigen andern Orten und stellte als Bohrmeister in Stotternheim bei Erfurt [* 61] unter den größten Schwierigkeiten zwei Bohrlöcher her. 1835 unternahm er die ersten Seilbohrversuche nach der Methode der Chinesen. Seit 1836 arbeitete er in Luxemburg, [* 62] erreichte bei Cessingen die größte damals bekannte Tiefe von 535 m und wandte bei Echternach an der Sauer zuerst hölzerne Bohrstangen und Freifallbohrer an. 1848 faßte er die Idee, sein verbessertes Bohrverfahren zum Abteufen sehr weiter, fahrbarer Bohrlöcher (Schächte) zu verwenden, und erzielte in Schöneken bei Forbach [* 63] mit einem 4,15 m weiten Bohrloch die günstigsten Erfolge.
In der Folge führte er mit Chaudron nach einem verbesserten Verfahren mehrere sehr weite Bohrungen aus. 1855-61 erbohrte er einen artesischen Brunnen [* 64] in Passy bei Paris, [* 65] der pro Stunde 1300 cbm Wasser lieferte. Seit 1868 lebte Kind zurückgezogen auf seinem Gute »die goldene Bremm«, am Fuß der Spicherer Höhen, und starb hier Seine durchgreifendsten Verbesserungen und Erfindungen waren: das Bohren mit hölzernen Stangen, der Freifallbohrer, der Erweiterungs- oder Nachnahmebohrer, Versicherungen, durch welche vorkommende Bohrerbrüche sogleich erkannt und mit zu Tage gefördert werden können, Schachtbohrer und Mittel zur Wasserdichtmachung der abgebohrten Schächte. Er schrieb: »Anleitung zum Abteufen der Bohrlöcher« (Luxemb. 1842).
s. Liquidambar. ^[= L. (Amberbaum), Gattung aus der Familie der Hamamelidaceen, balsamreiche Bäume mit immergrünen ...]
s. Wochenbett. ^[= (Puerperium), der Zeitraum von der völligen Ausstoßung der Frucht und der Nachgeburt ...]
(Puerperalfieber, Febris puerperalis), eine schnell verlaufende, sehr gefährliche Krankheit der Wöchnerinnen, welche zu den Wund- oder Ansteckungskrankheiten gerechnet werden muß. Das Kindbettfieber kommt zeitweise in epidemischer Verbreitung, seltener in vereinzelten Fällen vor und sucht namentlich die Entbindungsanstalten heim, um so mehr, je größer und je mehr sie belegt sind. Die Ursache des Kindbettfiebers besteht in der Ansiedelung niederster pflanzlicher Organismen (Mikrokokken) auf der bei der Entbindung entstehenden großen Wundfläche der Gebärmutter [* 66] und im Übertritt derselben in das Blut der Mutter.
Diese mikroskopisch kleinen Pilze [* 67] werden niemals durch die Luft allein, sondern stets durch Untersuchungen und Operationen mit unreinen Fingern und Instrumenten in die zur Aufnahme vorbereiteten Geschlechtsteile eingeführt. Je nach der Stelle, an welcher sich die Keime ansiedeln, und nach der Heftigkeit, mit welcher sie am eigentlichen Erkrankungsherd selbst und dann in der Blutbahn ihre Zersetzungen einleiten, ist der Verlauf bald ein leichterer, bald ein schwererer oder unter stürmischem Fieber und nervösen Anfällen rasch zum tödlichen Ende führend (Prämie).
Beschränken sich die Veränderungen auf die Wundfläche im Innern der Gebärmutter, welche nach jeder Entbindung zurückbleibt, so entsteht eine Endometritis puerperalis, welche sich von einfacher Eiterabsonderung zu diphtherischer oder brandiger Entzündung, Jauchebildung und allgemeiner Blutvergiftung steigern kann. Hat die Wand der Gebärmutter sich beteiligt, so liegt eine Metritis vor, sind die Fettgewebslagen zwischen den Platten der breiten Mutterbänder Hauptsitz, so besteht Parametritis, Vorgänge, die ebenfalls von entzündlichen Schwellungen zu Eiter- und Jauchebildung schwanken können und allgemein in das Gebiet der Phlegmonen (s. d.) gehören. Am meisten gefürchtet ist die Entzündung des Bauchfellüberzugs der Gebärmutter, weil sie sich überaus leicht zu einer allgemeinen Bauchfellentzündung (s. d.) ausbreitet. Bei allen diesen Formen pflegen sich die Eileiter und die Eierstöcke selbst in verschiedenem Grad zu beteiligen. ¶
Aus dieser Darstellung ergibt sich, daß die Krankheitserscheinungen unmöglich zu einem gemeinschaftlichen Bild sich vereinigen lassen. Entweder trübt sich langsam das Allgemeinbefinden, der Wochenfluß wird sparsam, übelriechend, oder das Kindbettfieber setzt plötzlich mit heftigen Fieberbewegungen und Schüttelfrost ein. Die Milchabsonderung läßt nach, tiefer Druck auf die Beckenorgane ist schmerzhaft, die Schmerzhaftigkeit steigert sich bald bis zum Unerträglichen, der Leib wird durch Gase [* 69] aufgetrieben, schon nach wenigen Tagen kann der Tod eintreten.
Ist der Verlauf langsamer, so gesellen sich nicht selten Entzündungen der Herzklappen, der Lungen oder des Brustfells hinzu, welche die Kranken zu Grunde richten, oder es kann auch ein Lungenschlag durch Verstopfung (s. Embolie) der Lungenarterie mit abgerissenen Blutgerinnseln dem Leben ein jähes Ende setzen. Zuweilen nimmt das Kindbettfieber einen chronischen Verlauf; die Wundfläche im Innern der Gebärmutter heilt aus, die fibro-muskuläre Wand zieht sich zusammen und bildet sich normal zurück; während in der Umgebung, namentlich in den breiten Mutterbändern, Abscesse zurückbleiben, welche sehr langsam ausheilen, zu Verwachsungen der Beckenorgane führen und oft noch jahrelang sehr lästige und schmerzhafte Zustände hinterlassen. Die letztern bilden den Hauptanteil der sogen. Frauenkrankheiten (s. d.).
Die Behandlung des Kindbettfiebers folgt vollständig den Vorschriften, welche für die Behandlung äußerer Wunden maßgebend sind, d. h. Entfernung des Wundsekrets (Wochenflusses) nach außen, Entfernung und Abtötung der entzündungserregenden Mikrokokken, Verhütung ihrer weitern Ausbreitung und Kräftigung des ganzen Organismus der Kranken. Man versucht dies zu erreichen durch Ausspülung der Geburtswege mit reichlichen Mengen von Wasser, welchem fäulniswidrige Mittel (Karbolsäure, Salicylsäure etc.) zugesetzt sind. Je häufiger und energischer dies geschieht, je sorgfältiger etwa vorhandene Blutgerinnsel, Eihautreste oder sonstige zersetzungsfähige Massen aus der Uterushöhle ausgeräumt worden sind, um so mehr Aussicht ist vorhanden, daß die Entzündung auf die Wundfläche selbst beschränkt bleibt.
Wenn bereits eine Ausbreitung auf die tiefern Schichten der Gebärmutter oder gar in die Mutterbänder erfolgt ist, so wirken reichliche Blutegel, [* 70] Einreibung mit grauer Quecksilbersalbe, Eisbeutel auf den Unterleib zuweilen günstig; jedoch ist eine energische lokale Behandlung durch Ausspülen immer noch notwendig, damit nicht immer von neuem Entzündungserreger von der Wundfläche aus in die Tiefe gelangen und die Eiterung im Becken unterhalten können. Sobald die Eiterung zu einer allgemeinen Bauchfellentzündung führt, ist die Aussicht auf Heilung äußerst gering. In allen Stadien ist für Bekämpfung des Fiebers, für Erhaltung der Herzthätigkeit und allgemeine Ernährung zu sorgen, wobei nach ärztlichem Ermessen Kälte (in Form kalter Umschläge, Eisblasen, Bäder) mit Darreichung von Chinin, Wein, starkem Kaffee, Moschus, Kampfer und Einführung kräftiger Nahrung (event. Klystiere von Peptonlösung) miteinander abwechseln müssen.
Das Kindbettfieber ist eine unter allen Umständen lebensgefährliche Krankheit; je weiter die Eiterung im Becken um sich greift, um so weniger wirkt die Behandlung ein. Die in neuester Zeit mit gutem Erfolg ausgeführte totale Entfernung der erkrankten Gebärmutter wird wohl auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. So hoffnungslos aber auch die Bekämpfung der schweren Formen des Kindbettfiebers ist, so große Erfolge leisten gerade hier geeignete Vorbeugungsmaßregeln. Da es feststeht, daß nur durch eine Verunreinigung der Geburtswege die Keime der Entzündungserreger in dieselben gelangen können, so ist die peinlichste Reinlichkeit und Desinfektion [* 71] oberstes Gesetz.
Das Wochenzimmer muß hoch, luftig, sauber, der Fußboden staubfrei sein, alle überflüssigen Möbel, [* 72] namentlich Polstermöbel, Teppiche, sind zu entfernen. Das Wochenbett, die Bettwäsche, das Nachtgeschirr, Handtücher, Leibwäsche muß tadellos rein gehalten werden. Wer mit der Entbindung zu thun hat, muß Hände und alle etwa notwendigen Instrumente nicht nur waschen, sondern abbürsten, mit Sublimatlösung 1:1000 oder 5proz. Karbollösung desinfizieren.
Niemals darf eine Hebamme oder Wärterin eine Entbindung leiten, wenn sie vorher bei einer am Kindbettfieber kranken Frau Dienste [* 73] gethan hat, und dies ist die Stelle, an welcher die Gesetzgebung nicht streng genug leichtfertige Übertretungen bestrafen kann. Der Erfolg dieser Vorbeugungsmaßregeln ist ein so durchschlagender, daß aus gut geleiteten Entbindungsanstalten das Kindbettfieber so gut wie der Hospitalbrand aus den chirurgischen Kliniken beseitigt oder doch auf seltene Ausnahmefälle beschränkt worden ist.
s. Wochenbettfluß. ^[= s. Lochien.]
Stadt im preuß. Regierungsbezirk Erfurt, Kreis Weißensee, an der Wipper, hat eine Papierfabrik und (1885) 1668 evang. Einwohner.
Über die in der Industrie, die Übelstände derselben und die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung s. die Artikel »Industrielle Arbeiterfrage« und »Fabrikgesetzgebung«. In der Landwirtschaft hat die Kinderarbeit nicht die schlimmen Folgen wie in der Industrie. Sie findet vorzugsweise im Sommer statt und nur zu bestimmten Zeiten, namentlich während der Ernte [* 74] und bei gutem Wetter, [* 75] schädigt nicht die Gesundheit und die Moral. Dagegen hat sie den Vorteil, daß sie das Einkommen der Arbeiterfamilie erhöht, die Kinder frühzeitig an eine für ihre körperliche und geistige Ausbildung förderliche Thätigkeit gewöhnt. Aber eine mißbräuchliche Ausdehnung [* 76] der Kinderarbeit kann auch hier stattfinden, namentlich auf Kosten der Schulbildung der Kinder. Dieser Übelstand kann indes leicht ohne Schädigung des landwirtschaftlichen Betriebes vermieden werden durch zweckmäßige Schulvorschriften und deren strenge Durchführung sowie durch eine obrigkeitliche Überwachung auch dieser Kinderarbeit.
Vgl. v. d. Goltz, Die ländliche Arbeiterfrage etc. (2. Aufl., Danz. 1874).
s. Aussetzung. ^[= das Verbrechen, welches derjenige begeht, der eine wegen jugendlichen Alters, Gebrechlichkeit ...]
s. Kleinkinderschulen. ^[= . Die traurige Lage der kleinen Kinder, deren Eltern ihrem täglichen ...]
s. Menschenraub. ^[= (Plagĭum), das Verbrechen desjenigen, welcher sich eines Menschen durch List, Drohung oder ...]
Anstalten (Vorschulen) für kleine Kinder im vorschulfähigen Alter (von 3-6 Jahren), eine Schöpfung des Pädagogen Friedrich Fröbel (s. d.). Fröbel wurde zu der Gründung der Kindergärten nicht nur durch die Rücksicht auf die Familien geleitet, welche durch irgend welche Ursachen (Armut, gesellige Beziehungen etc.) gehindert sind, ihren unmündigen Gliedern die gehörige Beachtung und Anregung zu gewähren, sondern er wollte vielmehr das ganze Unterrichts- und Erziehungswesen von Grund auf umgestalten, und dazu sollte durch die Kindergärten der Grund gelegt werden. Als Grundsatz seiner pädagogischen Reformpläne stellt er wiederholt auf, daß der Mensch als »Gliedganzes« in Analogie mit dem Leben der organischen Natur harmonisch entwickelt werden müsse. Der Mensch soll sich von Haus aus als Ganzes und doch zugleich als Glied [* 77] einer größern ¶
Gemeinschaft fühlen lernen. Daher genügt auch schon im vorschulfähigen, zarten Alter die häusliche Erziehung nicht. Fröbel vereinigte deshalb die Kinder wenigstens einige Stunden des Vormittags in seinem Kindergarten zu gemeinsamem Spiel und gemeinsamer Beschäftigung. Den Namen wählte er, weil ein Garten [* 79] zur Beobachtung des organischen Lebens der Natur, zur Erfrischung etc. wesentlicher Bestandteil der Anstalt ist, und weil in dieser die Kinder als Pflanzen Gottes gepflegt und entwickelt werden sollen. Er sagt: »Der Kindergarten soll die Kinder des vorschulfähigen Alters nicht nur in Aufsicht nehmen, sondern ihnen auch eine ihrem ganzen Wesen entsprechende Beschäftigung geben, ihren Körper kräftigen, ihre Sinne üben und den erwachenden Geist beschäftigen, sie sinnig mit der Natur und Menschenwelt bekannt machen, besonders auch Herz und Gemüt richtig leiten und zur Einigkeit mit sich führen«. Zu diesem Zweck läßt er die Kinder beobachten, besonders Tiere und Pflanzen, auch sonst schöne und bedeutsame Körperformen, und diese Beobachtungen aussprechen und besingen.
Daneben leitet er sie zu allerhand Spielen an. Diese sind Bewegungsspiele (Freiübungen, s. d.) und Geistesspiele. Die erstern beginnen mit dem Ball und schreiten dann zur (harten) Kugel, zum Würfel, zur Walze, zum Bauen mit verschiedenen Körpern fort. Durch die Bauspiele sowie durch das Flechten, [* 80] Falten, Ausschneiden, Zeichnen etc. wird der Übergang vom Spiel zu ernsterer Beschäftigung angebahnt. Auch diesen Spielen gehen Sprech- und Singübungen zur Seite, für welche Fröbel selbst Sprüche und Lieder in großer Zahl herausgegeben hat.
Die Leitung der Kindergärten sollte eigens dazu ausgebildeten Kindergärtnerinnen übertragen werden. In der Ausführung seiner Pläne findet sich bei Fröbel manches Seltsame und Schiefe. [* 81] Dennoch hat das Unternehmen einen gesunden Kern und verdiente nicht die Feindseligkeit der Regierungen und die Abneigung der Lehrer und Erzieher, der es vielfach begegnete. Mit der wachsenden Verbreitung (besonders durch die eifrige Propaganda der Frau v. Marenholtz-Bülow in Dresden und das Eintreten von Kindergärten Schmidt und A. Köhler in Gotha, [* 82] W. Lange in Hamburg [* 83] u. a.) ist manches Fehlerhafte abgestreift.
Vom pädagogischen wie volkswirtschaftlichen Standpunkt aus ist ihnen ferneres Wachstum zu wünschen. Nur müssen sie den bestehenden Schulen nicht feindlich gegenübertreten oder deren Lehrplänen in falschem Ehrgeiz vorgreifen, sondern der Schulerziehung verständig vorarbeiten. In Österreich wurde durch Erlaß des Ministers v. Stremayr vom die Gründung von Kindergärten und die Heranbildung von Kindergärtnerinnen amtlich empfohlen und geregelt. Dagegen ist in Preußen [* 84] zwar das frühere Verbot schon 1861 aufgehoben, aber die Bevorzugung der Kindergärten vor ähnlichen Veranstaltungen für die vorschulpflichtige Jugend stets abgelehnt worden, namentlich durch Erlaß des Ministers Fall vom Vielfach berühren sich die in der Praxis mit den nahe verwandten Kleinkinderschulen (s. d.), Bewahr- oder Pfleganstalten.
Vgl. die Schriften von Friedrich Fröbel (s. d.), namentlich dessen »Pädagogik des Kindergartens« (hrsg. von W. Lange, 2. Aufl., Berl. 1874);
Goldammer, Der Kindergarten, Handbuch der Fröbelschen Erziehungsmethode (4. Aufl., das. 1885);
Köhler, Der Kindergarten in seinem Wesen dargestellt (2. Aufl., Weim. 1874);
Derselbe, Die Praxis des Kindergartens (3. Aufl., das. 1878 ff., 3 Bde.);
Barth, Bilder aus dem Kindergarten (Leipz. 1873);
v. Marenholtz-Bülow, Der Kindergarten (2. Aufl., Dresd. 1878);
Dieselbe, Theoretisches und praktisches Handbuch der Fröbelschen Erziehungslehre (Kassel [* 85] 1886, 2 Bde.);
Seidel, Katechismus der praktischen Kindergärtnerei (3. Aufl., Leipz. 1887);
Cassau, Fr. Fröbel und die Pädagogik des Kindergartens (Wien 1882).
Anstalten zur ärztlichen Pflege und zur klimatischen Erfrischung kranker oder kränklicher, durch mangelhafte Ernährung und ungesunde Verhältnisse heruntergekommener Kinder. Seit Ende des vorigen Jahrhunderts befindet sich eine königliche Anstalt für skrofulöse Kinder zu Margate in England. 1856 begründete Barellai zu Florenz [* 86] in Viareggio bei Pisa [* 87] ein Ospizio marino für Kinder, dem seither mehr als 20 ähnliche Anstalten in Italien [* 88] nachgebildet wurden. In Frankreich, England, Nordamerika, [* 89] Holland, Belgien und Dänemark [* 90] fand dieser Vorgang Nachfolge, und nicht bloß an der Seeküste, sondern auch sonst in Badeorten, klimatischen Kurorten etc. wurden nach und nach zahlreiche Kinderheilstätten errichtet. In Deutschland [* 91] und Österreich ist etwa seit 1850 eine Reihe besonderer Kinderheilstätten errichtet, teils als Krankenhäuser in Städten, teils als Pensionshäuser in Badeorten; in Verbindung mit Solbädern bestehen allein 18 derartige Häuser und Barackenanstalten (Wildbad, Jagstfeld, Rothenfelde [61 Betten], Nauheim, Frankenhausen, Elmen, Oldesloe, Kreuznach [* 92] etc.). In den meisten dieser Anstalten haben die Kinder ein geringes Verpflegungsgeld, in Frankenhausen z. B. bei Armutszeugnis 45 Mk. bei voller Pension, zu zahlen und ein Gewisses an Kleidungsstücken mitzubringen.
Die Dauer des Aufenthalts ist sehr wechselnd und schwankt meist zwischen drei Wochen und mehreren Monaten. In den großen Seehospizen Italiens [* 93] und Englands ist die Dauer des Aufenthalts auf 45-80 Tage bemessen, so daß ein mindestens zweimaliger Turnus stattfindet. Den genannten Anstalten schließen sich die ländlichen Sanatorien oder Rekonvaleszentenhäuser an, welche den Kindern neben dem Aufenthalt in guter Luft auch den notwendigsten Schulunterricht gewähren.
Solcher Schulsanatorien existieren in Italien drei, eins bei Turin, [* 94] zwei bei Mailand; [* 95] in Belgien soll eine großartige Anstalt an den Ufern des Meers gleichzeitig 400 Kindern nebst Lehrern und Wartepersonal Aufnahme gewähren. Es sollen vom 1. Mai bis 1. Okt. jedes Jahrs 500 Kinder 4 Wochen, 1000: 14 Tage und 4000: 8 Tage sich daselbst aufhalten können, um die gute Luft zu genießen, Bäder zu nehmen und gleichzeitig im Freien Unterricht zu empfangen. In Deutschland haben wir ein Sanatorium zu Augustusbad bei Radeberg, eins zu Godesberg bei Bonn, [* 96] ferner das evangelische Johannesstift zu Plötzensee bei Berlin, [* 97] welches allerdings kaum als außerhalb der Stadt liegend anzusehen ist, und das Elisabethenhaus zu Marburg. [* 98]
Spät erst ist man darauf gekommen, die Seehospize Englands und Italiens bei uns einzuführen. »Seestationen« verschiedener Diakonissenhäuser bestehen in Norderney (1876 vom Henriettenstift, Hannover), [* 99] Großmüritz (1880 von Ludwigslust), Heringsdorf (von Bethanien, Berlin), Kolberg. [* 100] Seit 1880 besteht in Berlin ein Verein zur Errichtung von an den deutschen Seeküsten, welcher seither Heilstätten in Wyk auf Föhr, Norderney, Großmüritz, Zoppot begründete und noch weiter für möglichste Vermehrung derartiger Sanatorien wirken wird.
Vgl. »Bericht über die Ergebnisse der Sommerpflege (Ferienkolonien, Kinderheilstätten) im Jahr 1885« (Berl. 1886);
Lammers, Öffentliche Kinderfürsorge (das. 1885). ¶