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Vorbildern. Ähnlich ist es in Italien; [* 2] hier enthält nur die Chronik von Novalese (aus dem 11. Jahrh.) einheimische Sagen über Karl und zwar meist von feindseliger Tendenz; die französischen Dichtungen wurden schon im 12. Jahrh. bekannt und haben ein Heer von Nachahmungen hervorgerufen, deren bedeutendste Ariosts »Rasender Roland« ist. Auch bei den übrigen oben genannten Nationen sind die zahlreichen Dichtungen über auf französische Vorbilder zurückzuführen, selbst die »Karlamagnus-Saga«, welche im 13. Jahrh. in Island [* 3] entstand (weiteres s. Karlssage).
Den historischen Karl haben neuere Dramatiker auf die Bühne zu bringen gesucht, wie die Tragödien von Märcker ( Karl der Große«, 1861),
Kösting (»Zwei Könige«, 1863) u. a. erweisen.
Vgl. Einhard (s. d.),
Vita Caroli Magni, in den »Monumenta hist. germ.«, II, 55 (deutsch von O. Abel, 2. Aufl., Leipz. 1880);
S. Abel, Jahrbücher des fränkischen Reichs unter Karl d. Gr. (fortgesetzt von B. Simson, Berl. 1866-84, 2 Bde.);
Dippoldt, Leben Kaiser Karls d. Gr. (Tübing. 1810);
Vétault, Charlemagne (Tours [* 4] 1876);
Brosien, Karl d. Gr. (Leipz. u. Prag, [* 5] 1885);
v. Döllinger, Das Kaisertum Karls d. Gr. und seiner Nachfolger (Münch. 1864);
v. Wyß, Karl d. Gr. als Gesetzgeber (Zürich [* 6] 1869);
Paris, [* 7] Histoire poétique de Charlemagne (Par. 1865);
Lorentz, Karls d. Gr. Privat- und Hofleben (in Raumers »Historischem Taschenbuch« 1832).
3) Karl II., der Kahle, einziger Sohn Ludwigs I., des Frommen, aus dessen zweiter Ehe mit Judith, der Tochter des bayrischen Grafen Welf, geb. 13. Juni 823 zu Frankfurt [* 8] a. M., erhielt 829 Alemannien, was den Zwist Kaiser Ludwigs mit seinen ältern Söhnen zur Folge hatte, dann auf dem Reichstag zu Aachen [* 9] 837 das mittlere Francien zwischen Weser und Loire und wurde auf der Reichsversammlung zu Kiersy sur Oise 838 zum König gekrönt. 839 zu Worms [* 10] gab ihm der leicht bestimmbare Vater sogar ganz Westfrancien mit Ausnahme von Südburgund.
Als jedoch nach Ludwigs des Frommen Tod (840) dessen ältester Sohn, Kaiser Lothar, das ganze Reich in Anspruch nahm, vereinigte sich Karl 841 mit dem andern Stiefbruder, Ludwig dem Deutschen. Beide lieferten 25. Juni d. J. bei Fontenoy, unfern Auxerre, dem Lothar eine entscheidende Schlacht und erneuerten in Straßburg [* 11] 14. Febr. 842 den Schwur gegenseitiger Treue, der in romanischer und deutscher Sprache [* 12] noch erhalten ist. Dann zwangen sie Lothar zum Teilungsvertrag von Verdun [* 13] 10. Aug. 843, welcher das Reich in drei fortan selbständige Teile trennte.
Durch diesen Vertrag erhielt Karl Westfrancien, d. h. Aquitanien, Septimanien nebst der spanischen Mark, das westliche Burgund, Neustrien, die Bretagne und Flandern. Damals begannen die Raubzüge der Normannen (aus Norwegen [* 14] und Dänemark), [* 15] welche mit kleinen Schiffen die Mündungen der Seine, Loire, des Rhône hinauffuhren und 845 sogar Paris plünderten. Karl, dem kriegerische Tüchtigkeit ganz fehlte, hat ihren Rückzug wiederholt durch schimpflichen Tribut erkaufen müssen.
Dagegen trieb ihn die Ländergier oft zum Kampf gegen seinen tapfern Bruder, Ludwig den Deutschen. 861 fiel Karl mitten im Frieden in die Provence, das Land seines Neffen Karl, ein, mußte aber unverrichteter Sache umkehren. Als dieser dann 863 starb, hat Karl die Teilung des Landes durch Ludwig den Deutschen und Lothar II. ruhig geschehen lassen. Mit letzterm lebte er seit 860 fortwährend in Zwietracht, zu einem Krieg ist es jedoch nicht gekommen. Kaum war Lothar II. aber ohne legitime Erben gestorben (869), so fiel in sein Land ein und ließ sich 9. Sept. 869 in Metz [* 16] zum König von Lothringen krönen.
Doch schon eine Gesandtschaft Ludwigs des Deutschen genügte, ihn zur Räumung des angemaßten Landes zu bewegen. Darauf verabredeten die Brüder eine Teilung, die dann auch 8. Aug. 870 zu Mersen vollzogen wurde. Damals erhielt Karl außer Südfriesland das Land westlich von der Maas, Ourthe, Mosel und dem Rhône. Die weltlichen Großen bemühte sich Karl vergeblich unter seine Botmäßigkeit zu bringen. Er stützte sich in seinem Land auf die Geistlichkeit, der er als Mann von gelehrter, selbst theologischer Bildung sehr nahe stand.
Dieselbe gewann damals durch Reichtum und die persönliche Bedeutung ihrer meisten Vertreter (Hinkmar von Reims) [* 17] den größten Einfluß auf die Verwaltung des Landes. Karl nahm auch ihre Partei gegen Rom, [* 18] so 872 gegen die Anmaßungen Papst Hadrians II. Dieser suchte einen Bruch mit Karl zu vermeiden; noch mehr schloß sich sein Nachfolger Johann VIII. an den König an. Als Kaiser Ludwig II. 875 starb, rief der Papst, von Mißtrauen gegen den energischen Ludwig den Deutschen erfüllt, Karl nach Italien und setzte ihm 25. Dez. 875 in Rom die Kaiserkrone aufs Haupt. Die lombardischen Großen erkannten ihn (Februar 876) zu Pavia als König von Italien an, und auch die westfränkische Geistlichkeit erklärte sich auf der Synode zu Ponthion (Juni 876) mit dieser Rangerhöhung Karls einverstanden. Als dieser aber nach Ludwigs des Deutschen Tod in dessen Land einfiel, wurde er von dem jüngern Ludwig bei Andernach (8. Okt. 876) geschlagen.
Karlmann, Ludwigs des Deutschen andrer Sohn, wollte ihn sogar aus Oberitalien [* 19] vertreiben, wohin er sich, vom bedrängten Papst gerufen, 877 begeben hatte. Die bloße Nachricht von Karlmanns Herannahen bewog den unkriegerischen Kaiser zum schleunigen Rückzug über die Alpen; [* 20] aber kaum hatte er den Mont Cenis überschritten, so ergriff ihn ein Fieber, dem er 6. Okt. 877 in einem Weiler im Thal [* 21] des Arc erlag. Karl war zweimal verheiratet: zuerst mit Irmintrud, der Nichte des Grafen Adalhard;
nach deren Tod mit Richilda, der Witwe eines Grafen Buwin. In seiner ersten Ehe waren ihm acht Kinder geboren.
Von seinen vier Söhnen hatte er Ludwig zum König von Neustrien, Karl zum König von Aquitanien krönen lassen; jedoch beide empörten sich gegen den Vater 862. Dieser unterwarf sie aber bald und ließ nur dem ältern sein Reich. Gegen seine Kinder war Karl lieblos, ja grausam, am meisten gegen Karlmann, den er wider dessen Willen zum Geistlichen bestimmte und, als er sich empörte, blenden ließ. Da der jüngere Karl 866 starb, ging das Reich bei des Vaters Tod auf Ludwig über.
Vgl. Voß, De Carolo Calvo (Halle [* 22] 1844);
Gfrörer, Geschichte der ost- und westfränkischen Karolinger von 840 bis 918 (Freiburg [* 23] 1848, 2 Bde.).
4) Karl III., seit dem 12. Jahrh. der Dicke genannt, Ludwigs des Deutschen und der Welfin Hemma dritter Sohn, geb. 839, erhielt 876 in der Teilung mit seinen beiden Brüdern Karlmann und Ludwig Alemannien und das Elsaß, erbte aber nach dem Tode dieser beiden (880 und 882) auch deren Länder, mit Inbegriff Lothringens, welches Ludwig der jüngere gewonnen, sowie er endlich 885 auch die Herrschaft über Westfrancien durch die Wahl der dortigen Großen erhielt. Vom Papst gegen die Sarazenen zu Hilfe gerufen, hatte er 879 das Königreich Italien erworben und war im Februar 881 in Rom zum Kaiser gekrönt worden. Dann war er heimgekehrt, ohne den Kampf gegen die Sarazenen überhaupt zu beginnen. Die Normannen, die damals die Gegenden am Niederrhein verwüsteten, umzingelte er 882 in ihrem Lager [* 24] bei Elsloo an ¶
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der Maas, schloß dann aber, als ob er besiegt worden wäre, einen schimpflichen Vergleich mit dem Normannenkönig Gotfried, dem er 2412 Pfd. Gold [* 26] und Silber zahlte. Als die Normannen 886 Paris belagerten, erschien Karl wiederum nur, um den Frieden für 700 Pfd. Silber von ihnen zu erkaufen. Der Neid der Großen zwang in die Entlassung seines vornehmsten Ratgebers, des Erzkanzlers Liutward von Vercelli, zu willigen (887), und als die Verleumdung die Kaiserin Richarda sträflichen Umgangs mit diesem Günstling zieh, trennte sich die tief gekränkte Frau von dem indolenten Gemahl.
Die Schwäche des Kaisers, die durch sein Siechtum (Epilepsie) noch vermehrt wurde, rief in allen Gauen Unzufriedenheit hervor. Als daher Herzog Arnulf von Kärnten, Karlmanns illegitimer Sohn, gegen den Oheim mit einem Heer heranzog, fielen die gerade in Tribur versammelten Großen von Karl ab (November 887) und huldigten Arnulf zu Frankfurt a. M. Karl zog sich auf einige Güter in Schwaben zurück, die ihm der Neffe gelassen hatte, starb aber, von dem jähen Unglücksfall gebrochen, schon 13. Jan. 888 in Neidingen (bei Fürstenberg) an der Donau und wurde in der Klosterkirche auf dem Eiland Reichenau bestattet. Seine Ehe war kinderlos gewesen, er hinterließ bloß einen Bastard, Bernhard.
Vgl. Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reichs, Bd. 2 (Berl. 1865).
[Deutsche Kaiser und Könige.]
5) Karl IV., Sohn des Königs Johann von Böhmen, [* 27] Enkel Kaiser Heinrichs VII. von Luxemburg, [* 28] geb. zu Prag, hieß ursprünglich Wenzel und erhielt erst bei seiner Firmung den Namen Karl Von der Natur mit trefflichen Anlagen, namentlich einem hellen Verstand, ausgestattet, hatte er in seiner Jugend am französischen Hof [* 29] eine gute Erziehung erhalten und sich eine Fülle von Kenntnissen erworben: er sprach und schrieb fünf Sprachen. Er übernahm 1331 an seines Vaters Statt das diesem vom Kaiser Ludwig dem Bayern [* 30] übertragene Reichsvikariat von Italien, sodann das Markgrafentum Mähren und die Verwaltung von Böhmen.
Diese Erblande seines Hauses regierte er vortrefflich und stellte die Macht des Königtums in denselben wieder her. Bei seiner Wahl als Gegenkaiser Ludwigs des Bayern zu Rhense) gestand er dem Papst alles zu, was dieser von ihm verlangte, namentlich sich nie in die italienischen Angelegenheiten mischen zu wollen, wie er denn überhaupt stets die bereitwilligste Unterordnung unter die Kirche zur Schau trug, um dafür auf des Papstes Gegendienste rechnen zu können, namentlich in der Besetzung der deutschen Erzbistümer und Bistümer mit Männern, die ihn bei seinen Entwürfen unterstützten.
Schon war er in Bonn [* 31] gekrönt worden, ließ aber zu Aachen die Krönung wiederholen, als er den nach Ludwigs Tod von der wittelsbachischen Partei aufgestellten Gegenkaiser Günther von Schwarzburg [* 32] zur Verzichtleistung vermocht hatte. Durch die Unterstützung des falschen Waldemar, von dem er sich 1348 die Niederlausitz abtreten ließ, bewog er die Wittelsbacher zur Nachgiebigkeit und Huldigung (1350). Hierauf unternahm er 1354 einen Zug nach Italien und ließ sich in Mailand [* 33] zum König von Italien und in Rom (5. April) zum Kaiser krönen. Seinen Aufenthalt in Italien benutzte er dazu, einen Waffenstillstand zwischen der lombardischen Liga und den Visconti von Mailand herzustellen, war aber nicht geneigt, der Herrschsucht des Papstes förderlich zu sein. Der Gedanke, die kaiserliche Herrschaft in Italien wiederherzustellen, lag dem nüchtern urteilenden Monarchen fern; deshalb kehrte er nach der Krönung unverzüglich nach Deutschland [* 34] zurück. Hier erließ er 1356 die Goldene Bulle (s. d.), eine Verfassung für das Deutsche Reich, [* 35] welche ihrem Zweck zuwider die Zerstückelung desselben noch vermehrt hat.
Denn Karl, bestrebt, in den Kurfürsten sich eine ergebene Macht zu schaffen, verlieh ihren Territorien so umfangreiche Rechte, daß sie zu Sonderstaaten im Reich wurden. Auf einer Zusammenkunft mit Urban V. zu Avignon (1365) verabredete Karl einen zweiten Römerzug, um den Papst nach Rom zurückzuführen, und unternahm ihn auch 1367, ließ sich jedoch sogleich zu einem Frieden mit den dem Papst feindlichen Visconti herbei, der dann aber so wenig beachtet wurde, daß der Papst es wiederum für geraten hielt, nach Avignon zurückzukehren.
Die Goldene Bulle war den Städten nicht günstig; besonders verabscheute Karl deren Bündnisse, als dem Königtum gefährlich, und suchte an deren Stelle kaiserliche Landfriedensbündnisse zu stellen, die er wiederholt beschwören ließ. Er unterschätzte aber die Macht der Städte; er konnte 1376, als er die Partei der Ritter in Schwaben ergriff, den Widerstand des schwäbischen Städtebundes nicht brechen, belagerte vergeblich Ulm [* 36] und schloß für sich einen Waffenstillstand, indem er die Fortsetzung des Kampfes dem Adel überließ.
Dagegen stellte er in seinem Erbland, welches ihm sein Vater in völliger Zerrüttung hinterlassen hatte, einen Zustand her, welcher allen deutschen Ländern jener Zeit als Muster gelten konnte. Er sorgte dort für Sicherheit der Straßen und des Verkehrs, förderte den Handel und Gewerbfleiß, den Acker- und Bergbau, [* 37] machte die Moldau schiffbar, baute die Moldaubrücke in Prag, brachte das Gerichtsverfahren in geordneten Gang, [* 38] gründete zu Prag ein Erzbistum und 1348 die erste deutsche Universität und zog eine Menge deutscher Künstler und Handwerker an seinen Hof.
Als Gegengewicht gegen die Fürstenmacht hielt er eine umfangreiche Vergrößerung seiner Hausmacht für dringend notwendig. Seine Erfolge hierin hatte er einem ungewöhnlichen diplomatischen Talent, seiner Sparsamkeit, endlich einer bei Fürsten wenig löblichen Dreistigkeit, Geld herbeizuschaffen, woher es auch sei, zu verdanken. 1353 erwarb er zu Böhmen und Mähren noch die nördliche Hälfte der Oberpfalz, 1368 den Rest von Schlesien [* 39] und der Lausitz, worüber ihm schon früher die Oberherrlichkeit zustand, und 1373 die Mark Brandenburg. [* 40]
Auch mit dem Haus Habsburg schloß er eine Erbverbrüderung (1364 zu Brünn), [* 41] welche sich damals sogar zu gunsten der Luxemburger bald zu erfüllen schien. In allen Gegenden Deutschlands [* 42] kaufte er sich an, und viele schwäbische, fränkische und bayrische Edelleute mußten in das Vasallenverhältnis zur Krone Böhmen treten. Die Wahl seines Erstgebornen, Wenzel, zum Nachfolger (1376) kostete ihm hohe Geldsummen für die Kurfürsten; ja, Karl wurde sogar der bei der Goldenen Bulle befolgten Politik ungetreu, indem er die Zustimmung des Papstes dazu einholte, um den Widerspruch der Kurfürsten zu beseitigen.
Nachdem er 1377 diesem seinem ältesten Sohn außer der Kaiserwürde Böhmen, Schlesien und den größten Teil der Lausitz, dem zweiten, Siegmund, die Mark Brandenburg, dem dritten, Johann, das Herzogtum Görlitz [* 43] und die Neumark als Erbe bestimmt hatte (Mähren war an Karls Neffen Jobst und Prokop übergegangen), starb er in Prag, wo ihm 1848 ein Denkmal (von Hähnel) errichtet wurde.
Vgl. seine treffliche Selbstbiographie »Vita Caroli IV. ab ipso conscripta« (bis 1346) in Bohmers »Fontes ¶
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rerum germanicarum«, Bd. 1 (Stuttg. 1843; deutsch von Ölsner, Leipz. 1885);
Pelzel, Geschichte Kaiser Karls IV. (Prag 1780, 2 Bde.);
Werunsky, Geschichte Kaiser Karls IV. und seiner Zeit (Innsbr. 1880 ff., 4 Bde.);
Huber, Die Regesten des Kaiserreichs unter Kaiser Karl IV. (das. 1877);
Friedjung, Kaiser Karl IV. und sein Anteil am geistigen Leben seiner Zeit (Wien [* 45] 1876);
Gottlob, Karls IV. private und politische Beziehungen zu Frankreich (Innsbr. 1883).
6) Karl V., deutscher Kaiser und (als Karl I.) König von Spanien, [* 46] ältester Sohn Philipps, des Erzherzogs von Österreich, [* 47] und Johannas, der Erbtochter des Königs Ferdinand von Aragonien und seiner Gemahlin Isabella von Kastilien, geb. zu Gent, [* 48] wurde unter der Aufsicht seiner Tante, der Erzherzogin Margarete, in den Niederlanden erzogen. Nach dem Tod seines Vaters (1506) ward er Herr der Niederlande; [* 49] 1515 wurde er großjährig erklärt; 1516 nach Ferdinands Tod fiel ihm die spanische Erbschaft zu, da seine Mutter Johanna geisteskrank und zur Regierung unfähig war.
Seine Ausbildung hatte er erhalten von Wilhelm von Croy, Herzog von Chièvres, und dem Utrechter Priester Hadrian Floriszoon (dem nachmaligen Papst Hadrian VI.). 1517 ging er mit niederländischem Gefolge nach Spanien. Er und seine Günstlinge erregten dort großen Unwillen, schon 1518 gab es ernstliche Reibungen mit den Cortes; ehe sie geschlichtet waren, kehrte Karl 1520 nach den Niederlanden zurück, worauf 1521 der sogen. Aufstand der Communeros ausbrach, der erst 1522 unterdrückt wurde. Karl war nämlich von den deutschen Kurfürsten in Frankfurt a. M. zum Kaiser erwählt worden und wurde nun in Aachen gekrönt.
In der ihm auferlegten Wahlkapitulation vom hatte er unter anderm auch die Errichtung eines Reichsregiments während seiner voraussichtlich öftern Abwesenheit von Deutschland versprochen. Zu diesem Zweck berief er im Januar 1521 einen Reichstag nach Worms. Auf diesem traf er auch eine für seine ganze Regierung bedeutungsvolle Entscheidung: er nahm Partei gegen die von Luther erstrebte Kirchenreform. Karl war ein fanatischer Katholik, der sich zwar nicht verbarg, daß in der Kirche manches schlecht genug bestellt war und der Besserung bedurfte, auch entschlossen, eine solche Besserung herbeizuführen, dem aber eine so radikale Veränderung, wie sie die deutschen Protestanten erstrebten, nicht nach seinem Sinn war.
Auf dem Wormser Reichstag wurde unter Karls persönlicher Teilnahme Luther als Ketzer in die Acht gethan und durch das Wormser Edikt vom 8. Mai die Unterdrückung seiner Lehre [* 50] befohlen. Noch 1521 brach der Krieg mit Franz I. von Frankreich, der durch Karls Übermacht ernstlich bedroht war, über die Herrschaft in Italien aus. Der Papst Leo X., durch Luthers Verurteilung gewonnen, und fast alle Staaten Italiens, [* 51] selbst Heinrich VIII. von England, traten auf Karls Seite. Der Kampf wurde in Italien eröffnet; Mailand ward 1521 den Franzosen entrissen, die 1522 nach der Niederlage ihres Feldherrn Lautrec bei Bicocca Italien ganz räumen mußten. Karl entwarf hierauf mit seinen Verbündeten den Plan, ganz Frankreich zu erobern und sich in die Beute gemeinschaftlich zu teilen. Er ließ deshalb sein Heer in Frankreich einfallen, und wesentlichen Nutzen gewährte ihm der Übertritt des Connetables Karl von Bourbon auf seine Seite. Schon belagerte das kaiserliche Heer Marseille, [* 52] als es von Franz zum Rückzug nach Italien gezwungen wurde; hier erlitten aber die französischen Waffen [* 53] eine neue Niederlage bei Pavia Franz selbst fiel in Gefangenschaft, wurde nach Spanien gebracht und mußte in dem ungünstigen Frieden zu Madrid [* 54] auf Italien verzichten und Burgund zurückzugeben versprechen.
Aber sofort nach seiner Freilassung erhob er aufs neue die Waffen und fand bereitwillige Genossen gegen die drohende Übermacht des Kaisers. Papst Clemens VII. schloß 1526 ein Bündnis mit den Hauptstaaten in Italien sowie mit König Franz gegen Karl. Die kaiserlichen Truppen drangen hierauf in Italien ein, zogen gegen Rom und erstürmten und plünderten die Ewige Stadt der Papst hielt sich in der Engelsburg eingeschlossen und entkam erst 1528 aus Rom. Nun erklärten Frankreich und England 1528 dem Kaiser den Krieg; eine französische Armee unter Lautrec eilte dem Papst zu Hilfe, drang bis an die neapolitanische Grenze vor und belagerte Gaeta, mußte aber, als Andrea Doria, der Admiral von Genua, [* 55] zum Kaiser überging, unverrichteter Sache abziehen. Ein zweites französisches Heer, das im Sommer 1528 in Italien erschien, ward ebenfalls zurückgeworfen, und der darauf folgende Friede von Cambrai (1529) war daher für Franz wiederum ein sehr ungünstiger. 1529 reiste Karl, nachdem er 29. Juni Barcelona [* 56] sich mit dem Papst vertragen hatte, aus Spanien durch Italien nach Deutschland; er ließ sich noch unterwegs von Clemens VII. in Bologna zum Kaiser krönen.
Die französischen und italienischen Angelegenheiten hatten ihn bis dahin so in Anspruch genommen, daß er in die deutschen Zustände noch nicht hatte eingreifen können; 1530 schickte er auch dazu sich an. Die Reformation hatte inzwischen große Fortschritte in Deutschland gemacht, durchaus gegen den Willen des Kaisers, an dessen Absetzung sogar die Fürsten gedacht hatten, als er das Reichsregiment auflöste; der Sieg von Pavia hatte aber diesen Plan gehindert.
Wiederholt hatte an Vollstreckung des Wormser Edikts gemahnt, aber ohne Erfolg, auch die Beschlüsse des zweiten Speierer Reichstags gegen die Reformation waren fruchtlos geblieben; jetzt gedachte er ernstlich einzuschreiten. Von den ungarischen Angelegenheiten und einem Einfall der Türken beunruhigt, besonders aber um dem umsichgreifenden Protestantismus entgegenzuwirken, schrieb auf 1530 einen Reichstag nach Augsburg [* 57] aus; hier überreichten ihm die Protestanten ihr Glaubensbekenntnis (s. Augsburgische Konfession), stießen aber auf seinen entschiedenen Widerspruch. Im Reichsabschied befahl Karl den Protestanten unter scharfen Drohungen die Rückkehr zur katholischen Kirche. Er trug bei dem Papst auf ein allgemeines Konzil an, ebenso um den Protestantismus zu unterdrücken, wie um eine Kirchenverbesserung nach seinem Sinn einzuführen; gleichzeitig aber war er entschlossen, die Widerstrebenden mit Gewalt zum Gehorsam zu bringen.
Aber weder 1530 noch 1531 gestattete ihm seine Lage, diesen Entschluß auszuführen; ja, 1532 war er gezwungen, den Protestanten Konzessionen zu gewähren: es kam der erste Nürnberger Religionsfriede zu stande. Mit einer Armee von 80,000 Mann brach der Kaiser hierauf 1532 nach Ungarn [* 58] gegen die Türken auf und nötigte sie zum Rückzug. Dann kehrte er durch Italien nach Spanien zurück. Unausgesetzt drohte ihm ein neuer französischer Krieg; unwiderstehlich verbreitete sich in Deutschland der Protestantismus, und der Papst war in keiner Weise zur Berufung des Konzils zu bewegen. 1535 unternahm Karl einen Zug wider die unter dem Schutz der Pforte an der afrikanischen Küste sich bildenden Raubstaaten, erstürmte ¶
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den Hafen von Tunis, [* 60] Goletta, schlug Chaireddin in einer großen Feldschlacht, setzte den verjagten Dei Mulei Hassan in Tunis wieder ein und befreite 20,000 Christensklaven aus den Händen der Barbaresken. Während dieser glücklichen Kämpfe war aber König Franz von Frankreich von neuem mit Heeresmacht in Savoyen und Oberitalien eingebrochen. Zwar ward er aus dem größten Teil der savoyischen Länder wieder vertrieben; das kaiserliche Heer aber, das in die Provence einfiel und sogar 1536 Marseille belagerte, sah sich zum Rückzug genötigt. Durch die Bemühungen des neuen Papstes Paul III., der Karl auch die Berufung eines Konzils versprach, wurde 1538 zu Nizza [* 61] ein zehnjähriger Waffenstillstand geschlossen, und 14.-16. Juli d. J. fand zwischen beiden Monarchen eine vertrauliche Besprechung zu Aigues-Mortes statt, wo beide die Verlängerung [* 62] des Waffenstillstandes beschlossen.
Nach kurzem Aufenthalt in Spanien rief eine wegen verweigerter Kriegssteuer ausgebrochene Empörung den Kaiser in die Niederlande. Er nahm seine Reise durch Frankreich, erschien 1540 vor dem aufständischen Gent, unterwarf es und strafte die Rebellen aufs strengste. Von den Niederlanden ging Karl 1541 durch Deutschland, von da nach Italien. Dann unternahm er einen Zug gegen Algier, begleitet von der Blüte [* 63] des spanischen und italienischen Adels und den Malteserrittern. Am 20. Okt. erreichte die Flotte die Höhe von Algier.
Eintretender Sturm zerstreute jedoch seine Schiffe; [* 64] die gelandeten Truppen sahen sich den Angriffen der Feinde wehrlos preisgegeben, und Karl kehrte mit einem kümmerlichen Reste derselben zurück. Diese Bedrängnis Karls glaubte Franz von Frankreich endlich als den rechten Augenblick zur Niederwerfung seines Feindes benutzen zu müssen. Ein an zwei französischen Gesandten bei ihrer Durchreise durch das mailändische Gebiet verübter Mord, wofür der Kaiser keine Genugthuung gewährte, war der Vorwand, daß Franz 1542 fünf Armeen auf einmal ins Feld stellte und in Spanien, Luxemburg, Brabant, Flandern und Mailand zugleich angriff.
Aber Andrea Doria blieb Meister zur See, und die französischen Armeen erreichten nicht den gewünschten Erfolg. Karl brachte 1543 mit schnellen Schlägen den Herzog von Kleve zur Unterwerfung, der sich Franz hatte anschließen wollen, und 1544 drang das kaiserliche Heer unter Karls Führung siegreich bis in die Nähe von Paris. Plötzlich schloß er Frieden mit Franz zu Crépy in welchem Franz ohne weitere Verluste davonkam, wofür er nur Karls Absichten betreffs des Konzils und des Kriegs gegen die Protestanten zu unterstützen versprach.
Nun endlich gewann der Kaiser wieder Muße, seine Aufmerksamkeit dem Deutschen Reich zuzuwenden; er hatte die Absicht, die frühern Beschlüsse der Reichstage hinsichtlich der Protestanten in Vollzug zu setzen. Er hatte sich dazu mit dem Papst verbündet und seine Rüstungen inzwischen betrieben. Im Juli 1546 auf dem Regensburger Reichstag ließ er endlich die lange vorgehaltene Maske der Milde und Versöhnlichkeit fallen: er erklärte die Führer der Protestanten als Rebellen in die Acht.
Aber die schmalkaldischen Bundesgenossen kamen ihm in der Kriegsrüstung zuvor, und mit Not hielt sich Karl gegen die überlegene protestantische Heeresmacht. Erst als der Herzog Moritz von Sachsen [* 65] in das Land seines Verwandten, des Kurfürsten Johann Friedrich, einfiel, erhielt Karl das Übergewicht. Da die schmalkaldischen Verbündeten eilig nach Sachsen abzogen, so konnte Karl die süddeutschen Bundesgenossen derselben einen nach dem andern unterwerfen; endlich gab die Schlacht bei Mühlberg an der Elbe auch den Kurfürsten von Sachsen und freiwillige Unterwerfung den Landgrafen von Hessen [* 66] in seine Hand. [* 67]
Nach Vernichtung des Schmalkaldischen Bundes beschäftigte sich Karl aufs neue mit dem Plan, die Religionsparteien wieder zu vereinigen, und erließ zu dem Ende das sogen. Interim (s. d.), das jedoch den gewünschten Erfolg nicht hatte. Die Gewaltthaten des Kaisers sowie sein Ansinnen an die Kurfürsten, seinen Sohn Philipp zum dereinstigen Kaiser zu bestimmen, brachten eine neue Koalition der protestantischen Fürsten gegen ihn zu stande und bewogen namentlich den Kurfürsten Moritz von Sachsen zum Abfall.
Letzterer benutzte die ihm von Karl 1550 übertragene Achtsvollstreckung gegen Magdeburg [* 68] zur Zusammenbringung einer hinreichenden Anzahl von Truppen, schloß insgeheim Verbindungen mit Heinrich II. von Frankreich und mit mehreren deutschen Fürsten und erhob sich im Frühjahr 1552 gegen den Kaiser; er drang im Mai in Tirol [* 69] ein und verfolgte Karl persönlich, so daß dieser von Innsbruck [* 70] nur mit genauer Not nach Villach entkam. Karls Macht war durch diesen Aufstand gebrochen, er mußte widerwillig in den von seinem Bruder Ferdinand vermittelten Passauer Vertrag vom willigen.
Gleichzeitig aber hatte Heinrich II. von Frankreich die lothringischen Bistümer Metz, Toul [* 71] und Verdun in Besitz genommen, und Karl versuchte vergeblich, Metz zurückzuerobern; im Februar 1556 schloß er mit Frankreich zu Vaucelles einen Waffenstillstand auf fünf Jahre. Gebeugt durch solche Unfälle und von anhaltenden gichtischen Schmerzen gequält, lebte der Kaiser fortan in Brüssel [* 72] und zwar so zurückgezogen, daß sich das Gerücht von seinem Tod in ganz Europa [* 73] verbreitete.
Das Schicksal Deutschlands hatte er schon ganz seinem Bruder Ferdinand überlassen, der auch ohne Karl den Religionsfrieden in Augsburg bewilligte. Im Oktober 1555 trat Karl seinem einzigen Sohn, Philipp, zu Brüssel die Niederlande ab, ebendaselbst auch Spanien und Neapel. [* 74] Den deutschen Kurfürsten ließ er im September d. J. seine förmliche Abdankungsurkunde zugehen. Er selbst zog sich in das Kloster San Yuste bei Placencia in Estremadura zurück, wo er den Rest seines Lebens in Zurückgezogenheit, aber doch unter lebhafter Teilnahme an den Weltereignissen und den Staatsgeschäften zubrachte und starb; er wurde 1574 im Escorial beigesetzt.
Seine Gemahlin Isabella von Portugal hatte ihm Philipp II., seinen Nachfolger in Spanien, Maria, die Gemahlin Maximilians II., und Johanna, die Gemahlin des Thronfolgers Johann von Portugal, geboren. Johann von Österreich (s. Juan d'Austria) und Margarete, die Gemahlin des Herzogs von Parma, [* 75] später Statthalterin der Niederlande, waren natürliche Kinder Karls. Sein Reich hatte Spanien mit den amerikanischen Kolonien, Neapel, die Niederlande u. Österreich umfaßt; er hatte 1536 das Herzogtum Mailand noch hinzugefügt, 1521 aber schon Österreich seinem Bruder Ferdinand zediert; er pflegte die Niederlande durch Verwandte regieren zu lassen, anfangs durch seine Tante Margarete, später durch seine Schwester Maria. Karl war ein hervorragender Staatsmann voll großer Gedanken und Pläne und gleichzeitig ein sehr eifriger Katholik. Herrschsüchtig, ehrgeizig, zäh und ausdauernd, strebte er nach der Beherrschung der Welt, wie sie die Kaiser des Mittelalters geübt hatten. Er war ein absoluter Monarch, der die Mitherrschaft ständischer Körper zu ¶
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brechen versuchte. Das Schlimmste war, daß er, zur Herrschaft Deutschlands berufen, für die deutschen Interessen und Wünsche keinen Sinn und für die deutschen religiösen und kirchlichen Ideen kein Verständnis hatte. Sein Wirken für Deutschland und besonders für die Reformation muß deshalb ein unheilvolles genannt werden. Er hat sein Leben 1550 selbst beschrieben. Lange verloren, ist erst kürzlich eine portugiesische Übersetzung seiner Memoiren aufgefunden und von Kervyn de Lettenhove unter dem Titel: »Commentaires de Charles-Quint« (Brüss. 1862) veröffentlicht worden.
Die gleichzeitigen Historiker Jovius, Sleidanus, Sepulveda, Adriani u. a. haben seine Geschichte behandelt, im 17. Jahrh. Sandoval aus spanischen Relationen »Vida y hechos del emperador Carlos V.« (1604) zusammengestellt. In späterer Zeit ist seine Geschichte oft behandelt, z. B. von Robertson, History of the Emperor Charles V. (Lond. 1769; neue Ausg., das. 1869; deutsch, 3. Aufl., Braunschw. 1795, 3 Bde.); Baumgarten, Geschichte Karls V. (Stuttg. 1885 ff.), u. a.
Vgl. ferner Höfler, Karls I. (V.) Wahl (Wien 1874);
Lanz, Korrespondenz des Kaisers Karl V. (Leipz. 1844-46, 3 Bde.);
Gachard, Correspondance de Charles V et d'Adrien VI (Brüss. 1859);
Rösler, Kaiserwahl Karls V. (Wien 1868);
Gachard, Retraite et mort de Charles-Quint au monastère de Juste (Brüss. 1855, 2 Bde.);
Stirling, Das Klosterleben Karls V. (a. d. Engl., Leipz. 1852);
Mignet, Charles-Quint, son abdication, son séjour et sa mort au monastère de Yuste (10. Aufl., Par. 1882);
Ranke, Deutsche Geschichte im Reformationszeitalter (6. Aufl., Leipz. 1881, 6 Bde.);
Maurenbrecher, Karl V. und die deutschen Protestanten (Düsseld. 1865);
v. Druffel, Kaiser Karl V. und die römische Kurie 1544-46 (Münch. 1877);
Henne, Histoire du règne de Charles-Quint en Belgique (Brüss. 1858-60, 10 Bde.);
G. de Leva, Storia documentate di Carlo V. in correlazione all' Italia (Vened. 1875 ff., Bd. 1-4);
Mignet, Rivalité de Charles V et François I (Par. 1875, 2 Bde.).
7) Karl VI. Joseph Franz, Sohn Leopolds I. aus dessen dritter Ehe mit Eleonore von der Pfalz, geb. trat 1700 bei dem Tod Karls II., des letzten spanischen Habsburgers, als Prätendent der spanischen Krone auf und wurde hierbei von den das Übergewicht der Bourbonen in Europa bekämpfenden Seemächten unterstützt (s. Spanischer Erbfolgekrieg). Bevor Karl, nachdem er 1703 in Wien als Karl III. zum König von Spanien ausgerufen worden, das Land seiner Väter verließ, schloß er zwei Verträge mit seinem Vater, dem Kaiser Leopold I., und seinem Bruder, dem römischen König Joseph I., wonach alle Rechte und Ansprüche des Hauses auf die spanischen Länder ihm übertragen wurden. Karl reiste 1703 zunächst nach England, schiffte sich dort im Januar 1704 mit 12,000 Mann englisch-holländischer Truppen ein und landete zuerst in Lissabon, [* 77] in der Residenz des ihm befreundeten portugiesischen Hofs, dann in Katalonien.
Nur hier fand Karl ernstliche Anhänger und Freunde, die ihm auch später nach Österreich folgten. Die Mehrzahl der Spanier, namentlich die Länder der Krone Kastilien, hingen dem Bourbon Philipp V. an. In Madrid, wo er zweimal seinen Einzug hielt, behauptete er sich nur eine kurze Zeit und mußte bei dem Haß der katholischen Spanier gegen die fremdländischen, meist protestantischen Truppen, bei der Uneinigkeit im Kriegsrat und der militärischen Überlegenheit Frankreichs trotz der umsichtigen Kriegstüchtigkeit und heroischen Ausdauer Guidos von Stahremberg nach der Gefangennehmung Stanhopes seine Hoffnungen auf die spanische Krone immer mehr aufgeben lernen, wie zäh er auch an ihnen festhielt.
Als sein Bruder Joseph I. 1711, ohne männliche Erben zu hinterlassen, starb, setzte Karl seine Gemahlin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg (geb. mit welcher er sich 1708 in Barcelona vermählt hatte, in Spanien als Regentin ein und kehrte nach Deutschland zurück, wo er die Herrschaft über die habsburgischen Lande übernahm und im Dezember 1711 auch als Karl VI. zum Kaiser gekrönt wurde. Während die Siege der verbündeten Armeen unter Marlborough und Eugen dem König Ludwig XIV. verderblich wurden, endete doch der spanische Successionskrieg mit der Anerkennung Philipps V. und der Abtrennung der europäischen Nebenländer von der spanischen Krone im Frieden von Utrecht [* 78] 1713, welchem aber Karl VI. sich nicht fügen wollte.
Erst nach Verlauf eines weitern fruchtlosen Kriegsjahrs gestattete Karl seinem großen Feldherrn Eugen den Friedensabschluß in Rastatt [* 79] dem die Ratifikation in Baden [* 80] für das Deutsche Reich 7. Sept. folgte. Die für Österreich neugewonnenen Gebiete aus der spanischen Erbschaft, Belgien, Mailand, Neapel, Sardinien, [* 81] welches später gegen Sizilien [* 82] ausgetauscht wurde, erhielten durch Karl eine besondere Verwaltung, bei welcher lediglich spanische Emigranten Einfluß übten.
Trotz des glücklichen Türkenkriegs, den Prinz Eugen 1716 begann und durch den glänzenden Frieden von Passarowitz 1718 beendete, durch welchen Serbien [* 83] und die Walachei an Österreich fielen, vermochte derselbe seine frühere Stellung in den österreichischen und Reichsangelegenheiten nicht zu behaupten und sah sich durch die spanische und Jesuitenpartei am Hof überall zurückgesetzt. Karls höchstes Interesse schien sich dahin zu konzentrieren, seiner eignen weiblichen Deszendenz für den Fall seines söhnelosen Ablebens den Vorrang vor den zur Erbfolge berechtigten Töchtern Josephs I. zuzusichern.
Durch dieses Bestreben Karls entstand das Grundgesetz, die Pragmatische Sanktion, die zuerst veröffentlicht und von noch größerer Wichtigkeit wurde, als der einzige Sohn Karls 1716 starb. Als sich nun die Töchter seines Bruders mit den Prinzen von Bayern und Sachsen vermählten, wurden sie gezwungen, allen Rechten zu entsagen, welche ihnen aus der früher aufgerichteten Erbfolgeordnung entspringen würden. Hierauf begann Karl Unterhandlungen mit den Ständen seiner Länder, mit Kroatien, Ungarn, Tirol, Böhmen, Österreich etc., zuletzt mit den Niederlanden (1724), und erlangte die Zusicherung, daß erstens die sämtlichen österreichischen Länder im Fall seines Todes ungeteilt bleiben und zweitens an seine älteste Tochter, Maria Theresia, und deren gesamte Nachkommen vererbt werden sollten. Karl suchte nun während der großen europäischen Verwickelungen durch eine Reihe von Verträgen sich die Garantie der Großmächte für die Pragmatische Sanktion auf alle Weise zu verschaffen.
Doch ging er hierbei namentlich den deutschen Mächten gegenüber mit sehr engherzigem Sinn zu Werke, während er Spanien und Frankreich, allerdings die gefährlichsten Mächte, durch die weitgehendsten Konzessionen zu beschwichtigen suchte und auf diese Weise 1735 nach dem unglücklichen polnischen Erbfolgekrieg Neapel und Sizilien verlor und den Gewinn Lothringens für die französische Krone vorbereitete. Den protestantischen Mächten dagegen suchte man sorgfältig jeden Vorteil vorzuenthalten, der ihnen aus der großen habsburgischen Erbschaft entspringen konnte. ¶
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Den Holländern wurde zwar 1731 die Ostindische Handelskompanie geopfert; dem König von Preußen [* 85] dagegen glaubte man durch Versprechungen genugthun zu können, die sich auf Jülich und Berg bezogen und nicht ernstlich gemeint waren. Auch zogen diese Verhandlungen Karl von wichtigen Interessen Österreichs ab und bewirkten, daß er die Wehrkraft desselben verfallen ließ, so daß der 1736 mit Rußland begonnene neue Türkenkrieg unglücklich verlief und Österreich im Frieden von Belgrad [* 86] alle Vorteile des Passarowitzer Friedens wieder verlor. Formell betrachtet, konnte indes das Resultat aller dieser Verhandlungen als ein äußerst günstiges betrachtet werden und Karl in dem Glauben sterben, daß er seiner ältesten, seit 1736 mit Franz von Lothringen verheirateten Tochter seine Länder in Ruhe und Sicherheit vererbe.
Mit ihm erlosch der habsburgische Mannesstamm. Karl war nicht ohne Begabung und Bildung, hatte Interesse für Künste und Wissenschaften, aber wenig politische Einsicht und war eigensinnig, ohne energisch und beharrlich zu sein.
Vgl. »Leben und Thaten Kaiser Karls VI. von einem deutschen Patrioten« (Frankf. u. Leipz. 1741);
Massuet, Histoire de l'empereur Charles VI (Amsterd. 1741, 2 Bde.; deutsch, Regensb. 1742);
Schirach, Biographie Kaiser Karls VI. (Halle 1776);
Radics, Kaiser Karl VI. als Staats- und Volkswirt (Wien 1886);
P. A. à la Lande, Histoire de l'empereur Charles VI (Haag [* 87] 1843).
Von besonderm Wert sind: Foscarinis (des venezianischen Gesandten) »Arcane memorie, ossia segreta historia del regno di Carlo VI.« (Padua [* 88] 1750).
8) Karl VII. Albrecht, ältester Sohn des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, geb. zu Brüssel, als sein Vater Statthalter der Niederlande war, fiel im Krieg desselben wider Österreich (1706) in Gefangenschaft und wurde mit seinen Brüdern als Graf von Wittelsbach in Klagenfurt, [* 89] später in Graz [* 90] erzogen. Nach seiner Freilassung (1715) unternahm er Reisen und befehligte 1717 im Türkenkrieg bayrische Hilfstruppen. 1722 vermählte er sich mit Maria Amalie, jüngerer Tochter des Kaisers Joseph I., die jedoch allen Erbansprüchen entsagte. Nach dem Tod seines Vaters folgte er diesem in Bayern und in der Kurwürde.
Seinem Haus brachte er Hohenwaldeck und die wartenbergischen Herrschaften zu. Zu Österreich trat er nur kurze Zeit in ein freundliches Verhältnis und stellte dem Kaiser Karl VI. ein Hilfskorps gegen die Türken (1738). Unmittelbar nach dem Tode des Kaisers protestierte er aber gegen die Pragmatische Sanktion, schloß mit Frankreich 1741 ein Bündnis gegen Österreich zu Nymphenburg, welchem Spanien und Sachsen, bald auch Preußen beitraten, fiel in Österreich ein, ließ sich hier als Erzherzog huldigen, rückte dann in Böhmen ein, gewann 25. Nov. durch Überrumpelung Prag und ließ sich als König von Böhmen huldigen. Am wurde er zum deutschen Kaiser gewählt.
Alsbald aber wandte sich das Kriegsglück, Maria Theresia warf mit Hilfe der Ungarn den Feind aus Oberösterreich und eroberte in kurzem ganz Bayern. Karl flüchtete nach Frankfurt. Noch größer wurde seine Bedrängnis, als Österreich, Schlesien opfernd, mit Preußen Frieden schloß. Karls letzte bedeutende Macht, das bayrisch-französische Heer, wurde in Prag von den Österreichern so eng umstellt, daß der französische Befehlshaber Belleisle mitten im Winter den Rückzug aus Böhmen antreten mußte.
Zwar gestattete ein Sieg Seckendorfs Karl einen kurzen Besuch in München; [* 91] aber gleich darauf schlug Georg II. von England die Franzosen bei Dettingen und gewann Karl von Lothringen einen Sieg über die Bayern bei Simbach, worauf Österreich sich in Bayern huldigen ließ. Die Hilfe Friedrichs II., der 1744 in Böhmen einfiel, verbesserte Karls Lage, und Seckendorf führte Karl 23. Okt. d. J. in seine Residenzstadt München zurück, wo derselbe starb.
Vgl. Heigel, Der österreichische Erbfolgestreit und die Kaiserwahl Karl VII. (Nördling. 1876);
»Tagebuch Kaiser Karls VII. aus der Zeit des österreichischen Erbfolgekriegs« (hrsg. von Heigel, Münch. 1883).
[Baden.]
9) Karl Friedrich, Großherzog von Baden, Sohn des Erbprinzen Friedrich von Baden-Durlach, geb. folgte seinem Großvater, dem Markgrafen Karl Wilhelm in Baden-Durlach, erst unter Vormundschaft seines Oheims und dann seit 1746 selbständig in der Regierung und führte dieselbe im Sinn der Humanität und der Aufklärung. Als ihm 1771 Baden-Baden [* 92] zufiel, erleichterte er auch hier vielfach das Los der untern Stände, indem er 1783 die Leibeigenschaft aufhob, gab das erste Beispiel des Freizügigkeitssystems, trug die Landesschulden ab, beförderte Ackerbau, Gewerbe, Handel und geistige Bildung und schrieb selbst einen »Abrégé des principes de l'économie politique« (Karlsr. 1772). Sein Hof ward von vielen Dichtern und Gelehrten besucht. 1785 schloß er sich dem Fürstenbund an. Infolge des Revolutionskriegs verlor er 1796 seine Besitzungen auf dem linken Rheinufer, ward aber 1803 mit dem Stift Konstanz, [* 93] der rechtsrheinischen Pfalz mit Heidelberg, [* 94] wo er die Universität zu neuer Blüte erhob, etc. entschädigt und Kurfürst von Baden.
Durch den Preßburger Frieden erhielt er den Breisgau und die Stadt Konstanz. 1806 trat er als souveräner Fürst dem Rheinbund bei, nahm den Titel Großherzog an und erhielt abermals einen Länderzuwachs, so daß unter ihm Baden zu einem Staat von 14,300 qkm mit 430,000 Einw. anwuchs. Er starb Ihm folgte, da sein Sohn erster Ehe mit der edlen, geistvollen Karoline Luise von Hessen (gest. 1783), der Erbprinz Karl Ludwig, 1801 gestorben war, sein Enkel Karl Ludwig Friedrich, geb. seit 1806 mit Stephanie von Beauharnais vermählt, seit 1808 Mitregent. Er gab die Verfassung vom starb aber nach dreijähriger Krankheit ohne Söhne zu hinterlassen.
Außerdem hatte Karl Friedrich aus erster Ehe noch zwei Söhne, Markgraf Friedrich (1756-1817) und Ludwig, den spätern Großherzog (1818-30). 1787 vermählte er sich in zweiter Ehe mit Luise Karoline, Freiin Geyer von Geyersberg, welche der Kaiser 1796 zur Reichsgräfin von Hochberg erhob, und die 1820 starb. Aus dieser Ehe stammten der nachmalige Großherzog Leopold (1830-52), Markgraf Wilhelm (1792-1859) und Markgraf Maximilian (1796-1882).
Vgl. Nebenius, Karl Friedrich von Baden (Karlsr. 1868);
Kleinschmidt, Karl Friedrich von Baden (Heidelb. 1878).
[Bayern.]
10) Karl Theodor Maximilian August, Herzog von Bayern, geb. zu Mannheim, [* 95] zweiter Sohn des Herzogs Maximilian Joseph von Pfalz-Zweibrücken, nachherigen Kurfürsten und seit 1806 Königs von Bayern, erhielt eine vorwiegend militärische Ausbildung, ward bereits im Juni 1813 zum Generalmajor und Brigadier der Infanterie ernannt, focht mit Auszeichnung in den Befreiungskriegen an der Seite des Generals Wrede als Kommandant der 1. Brigade der Division ¶