Schiffsmakler Kargador genannt. Das deutsche
Handelsgesetzbuch bestimmt Art. 825, daß der
Schade, der durch das Verschulden
des Kargadeurs (in dieser seiner
Eigenschaft) entsteht, bei
Versicherung von
Gütern oder imaginärem
Gewinn dem Versicherer
nicht zur
Last fällt. Übrigens sendet man jetzt nur noch dann Kargadeure aus, wenn man neue Absatzgebiete zu
erschließen sucht.
Kreisstadt im russ.
GouvernementOlonez, an der
Onega, früher
Residenz eigner
Fürsten, hat 19
Kirchen, ein Nonnenkloster,
bedeutende Pelzfabrikation (besonders werden Eichhörnchenfelle verarbeitet) und (1881) 2448 Einw.
Der
Kreis
[* 2] ist von großen Waldungen und einer
Masse von
Seen bedeckt, daher wenig bevölkert.
Von
Körper waren die Kariben groß und stark, daher auch A. v.
Humboldt ihre Abstammung aus
Nordamerika,
[* 8] die
sie selbst behaupteten, annimmt. Zur Zeit des
Kolumbus verstanden sie, Baumwollzeuge zu weben und rot zu färben, und waren
geschickte Seefahrer und
Händler. Sie verehrten ein höheres
Wesen, daneben einen vom
Himmel
[* 9] gekommenen Stammvater, lebten
in
Polygamie und machten sich durch
Menschenfresserei gefürchtet. Das
WortKannibalen wird von Kariben abgeleitet.
Die
Frauen einiger
Stämme sprechen eine von der der
Männer verschiedene
Sprache,
[* 10] wohl die von Völkern, welche bis auf die
Frauen von den Kariben vernichtet wurden.
Meer, ein amerikan.
Mittelmeer, liegt zwischen den
Antillen, die es vom Atlantischen
Ozean trennen, und der
festländischen
Küste von
Mittel- undSüdamerika,
[* 12] und steht durch die 120 km breite Yucatanstraße mit
dem
Golf von
Mexiko
[* 13] in
Verbindung. Die Äquatorialströmung tritt zwischen
Trinidad und
Grenada und in geringerm
Grad auch durch
die Windwardpassage, zwischen
Cuba und
Haïti, in das Karibische Meer ein und durch die Yucatanstraße aus demselben aus.
Diese Strömung, verbunden mit dem acht
Monate hindurch stetig wehenden Nordostpassat, erleichtert die
Verbindung zwischen den einzelnen
Inseln und dem
Festland. Nur während der
Regenzeit (Juli bis
Oktober) wehen
Winde
[* 14] aus W. und
SW., und es entstehen dann, im
O. der
KleinenAntillen, jene gefürchteten westindischen
Orkane.
Seinen Tiefenverhältnissen nach
besteht das Karibische Meer aus zwei
Becken, die durch eine von
Untiefen und
Bänken besetzte submarine
Halbinsel getrennt werden, welche sich von
Honduras-Nicaragua aus nach
NO. erstreckt und an
ihrem äußersten Ende die
InselJamaica trägt. Das größere, östliche
Becken hat eine Tiefe von 6272 m (Bartlett-Tiefe), das westliche von 6261 m (Blake-Tiefe).
Beide stehen durch die über 1000 m tiefe,
Jamaica von
Cuba und
Haïti trennende
Straße in
Verbindung. S.
Karte
»Westindien«.
Sie dehnten ihre Herrschaft über die Westküste
Kleinasiens bis
Lesbos hinauf und über fast alle
Inseln des Ägeischen
Meers
aus, wurden aber von den
Ioniern ins
Binnenland getrieben und verloren an dieselben auch die südlichen
und südwestlichen Küstenstriche. Sie waren ein kriegerisches
Volk und von den Griechen gehaßt als die furchtbarsten Seeräuber.
Vor der Perserherrschaft stand Karien unter eignen
Königen, welche, weil sie sich den Persern freiwillig unterwarfen, als Lehnsfürsten
oder
Satrapen Gebiet und
Gewalt behielten.
(lat.), Knocheneiterung, s.
Knochenfraß^[= (Caries), eine Eiterung im harten Knochengewebe, also eiterige Knochenentzündung (Ostitis). ...] und
Zahnfäule.
franz. Besitzung auf der
KüsteKoromandel in
Ostindien,
[* 21] 134 qkm (2½ QM) groß mit (1883) 93,055 Einw., im
Mündungsgebiet der
Kaweri, wohlbewässert und fruchtbar.
Handel mit
Reis und Beförderung indischer
Kulis nach den französischen
Kolonien aus der gleichnamigen Hauptstadt.
(v. ital. caricare, ȟberladen,
übertreiben«, franz. charger), Zerr- oder Spottbild, eine charakteristische
Darstellung, in welcher der dargestellte Gegenstand
unverkennbar getroffen ist, einzelne Merkmale aber in Übertreibung hervortreten. In künstlerischer Beziehung hat die Karikatur gleiches
Recht wie die
¶
mehr
burleske Satire in der Poesie. Der Karikaturist kann, wie Hogarth, ganze (moralische oder soziale) Gattungen charakterisieren,
wie den Dummen, den Geizigen, den Prahler, den Murrkopf, den Hochmütigen, den Wollüstling, den Spieler etc.; die an verschiedenen
Repräsentanten einer Gattung hervortretenden Merkmale, auf das Abbild eines einzigen Individuums gehäuft, machen dasselbe
zur Karikatur; umgekehrt wird dagegen das nur an Einem Individuum, sonst nicht wiederkehrende Merkmal, karikiert
aufgefaßt, zum Typus einer ganzen Gattung.
Die politische Karikatur, eine mächtige Waffe in den Parteikämpfen, ist zuerst in England und Frankreich gepflegt worden, von da
aber auch nach allen übrigen Kulturstaaten gekommen und spielt heute eine bedeutende Rolle, namentlich in den Händen der
Opposition gegen die Staatsgewalt. In England steht der »Punch« allen Karikaturisten voran, stark hauptsächlich
in der persönlichen Karikatur, worin sich überhaupt die Engländer hervorthun. Cruikshank ist der bedeutendste auf diesem Gebiet.
In Frankreich waren während der großen und nach der Julirevolution Karikaturen (der sich selbst guillotinierende Henker, von
Geköpften umgeben, als auf die Schreckenszeit; die »Birne« und der »Regenschirm« als auf das
Bürgerkönigtum) häufig.
Die geistreichsten Karikaturen seit der Bewegung von 1848 schuf der Berliner
[* 26] »Kladderadatsch«, nach dessen Vorbild bald in allen
großen und größern deutschen Städten Karikaturblätter und politische Witzblätter entstanden (in Wien der »Figaro«, der
»Floh«). Bleibenden Wert aber haben fast nur die Parlamentskarikaturen
von Banü und die berühmt gewordenen Zeichnungen von Schrödter zu DetmoldsSchrift »Thaten und Meinungen des Herrn Piepmeyer,
Abgeordneten zur konstituierenden Nationalversammlung in Frankfurt
[* 27] a. M.« erlangt.
Während
der Konfliktszeit in Preußen
[* 28] nahm die politische Karikatur, deren Spitze sich vornehmlich gegen Bismarck richtete, einen
neuen Aufschwung, der sich durch die Kriege von 1866 und 1870 noch steigerte. Namentlich gab letzterer
Veranlassung zu einer Hochflut von Karikaturen, die besonders Napoleon III. zum Gegenstand hatten. Eine umfangreiche, alle
Länder umfassende Sammlung derselben befindet sich in der königlichen Bibliothek zu Berlin.
[* 29] Auf dem Gebiet der nichtpolitischen
Karikatur haben sich in Deutschland in den 60er Jahren besonders HerbertKönig undL.Löffler, neuerdings neben
den Zeichnern der »FliegendenBlätter« (Harburger, Oberländer, Meggendorfer) besonders W. Busch (s. d. 5) einen Namen gemacht.
Das fast rings von Land eingeschlossene, bis in die neueste Zeit noch sehr wenig bekannte Becken des Karischen Meers ist seit 1860 Gegenstand
vielfacher Untersuchungen geworden; namentlich sind die von norwegischen und schwedischen Schiffern (zunächst
von E. H. Johannesen, der das Meer 1869 zuerst nach allen Richtungen durchkreuzte, neuerdings von Nordenskjöld) ausgeführten
Expeditionen von Bedeutung, da dieselben zur Gewißheit erheben, daß im Karischen Meer, welches man bisher das ganze Jahr
hindurch ganz mit Treibeismassen erfüllt glaubte, im Sommer eine fast vollständige Eisschmelze stattfindet und
somit einer Schiffahrt auf dem Meer, welche einen Seeweg von Europa
[* 32] nach Sibirien eröffnen würde, während der Sommermonate
nur im westlichen Teil, wo das Eis
[* 33] vergeblich einen Ausweg sucht, zeitweilig Hindernisse entgegenstehen. Diese letztern haben
das Mißglücken der ältern Nordostfahrten verursacht, sind aber für eine umsichtige und geduldige Schiffsführung keineswegs
¶
mehr
unüberwindlich. Von 1869 bis 1882 stehen elf günstigen Jahren nur zwei ungünstige gegenüber. Unter den die Vermeidung
der bisherigen Mißerfolge und Zeitverluste betreffenden Vorschlägen ist derjenige, welcher die Errichtung von Depots an einer
der südlichen Straßen bezweckt, ohne Zweifel der beste. S. Karte »Nordpolarländer«.
[* 35]
nach A. Wagner Bezeichnung für die Wirtschaftsorganisation, in welcher die Liebe eine Triebfeder für
wirtschaftliche Handlungen abgibt und unvergoltene Güterübertragungen bewirkt (private Armenpflege, Wohlthätigkeitsanstalten
etc.).
Die Bezeichnung »System« ist übrigens zur Erklärung der einfachen Thatsache wenig geeignet, daß die Liebe als Beweggrund
menschlicher Handlungen nicht allein auf die wirtschaftlichen Erscheinungen einen Einfluß ausübt, sondern auch vielfach eine
wohlthätige ergänzende und ausgleichende Rolle zu spielen berufen ist.
1) Karl Martell, der »Hammer«,
[* 39] der Sohn des Majordomus Pippin von Herstal und der
schönen Chalpaida, geboren um 688, wurde nach dem Tod seines Vaters (714) von den austrasischen Franken zum Herzog gewählt,
schlug die Neustrier unter ihrem König Chilperich II. und dem Majordomus Raganfrid 716 und 717 bei Amblève
und Vincy. Er erhob nun Chlotar IV., nach dessen frühem Tode Theuderich IV. auf den Thron
[* 40] und wurde, als Chilperich von Neustrien 720 starb,
Majordomus des ganzen Frankenreichs.
Indem er kirchliche Ämter Anhängern, meistens Laien, verlieh, manchem von ihnen sogar mehrere Bistümer übertrug, wußte
er die reichen Hilfsmittel der
Kirche für die Ausbreitung seiner Macht nutzbar zu machen. Denn in Wahrheit
herrschte er, nicht der König, obwohl man dem Merowinger noch immer königliche Ehren erwies. Als Theuderich 737 starb, hat
Karl Martell keinen König mehr eingesetzt. Nachdem er die Friesen meist unterworfen (722) und sogar die Sachsen
[* 41] bekriegt hatte
(724), bewältigte er die widerstrebenden deutschen Stämme, wie Bayern
[* 42] (728) und Alemannen (730). Indem
er dann die Araber, deren gewaltigem Anprall das Westgotenreich in Spanien
[* 43] und das Herzogtum Aquitanien erlegen waren, in der
denkwürdigen Schlacht bei Poitiers (auch bei Tours
[* 44] genannt) 732 und bei Narbonne 737 besiegte und ihrem Vordringen für
immer Halt gebot, hat er sich ein Anrecht darauf erworben, als der Retter der christlich-germanischen Kultur gepriesen zu
werden. Die Macht seines Hauses hatte Karl Martell begründet, die des Frankenreichs wiederhergestellt; dem Papst konnte er gegen
die Langobarden nicht mehr helfen, denn er starb schon 22. Okt. 741 in Kiersy, nachdem er die Herrschaft unter
seine SöhneKarlmann und Pippin den Kleinen geteilt hatte.
Vgl. Breysig, Jahrbücher des fränkischen Reichs 714-741 (Leipz. 1869).
2) Karl I., der Große, König der Franken und römischer Kaiser, Enkel des vorigen, ältester Sohn Pippins des Kleinen und der
Bertha, einer Tochter Chariberts, Grafen von Laon, geb. 2. April 742. Sein Geburtsort ist unbekannt, Aachen
[* 45] oder
Ingelheim sind nur durch die Sage oder spätere Schriftsteller beglaubigt. Karl wurde nach dem Tod seines Vaters (768) mit seinem
BruderKarlmann zum König gesalbt und erhielt Austrasien und einen Teil von Aquitanien, bemächtigte sich aber nach seines BrudersTod 771 mit Zustimmung der Großen des ganzen Reichs, worauf KarlmannsWitwe samt ihren unmündigen Söhnen zu ihrem Vater, dem
Langobardenkönig Desiderius, floh. 773 zog er gegen letztern, zwang ihn nach einer zehnmonatlichen Belagerung in Pavia, sich
zu ergeben, schickte ihn in ein Kloster und ließ sich als König der Langobarden huldigen (Juni 774).
Daneben beschäftigte ihn bereits seit 772 der Plan, die noch unabhängigen Sachsen zu unterwerfen und zugleich zum Christentum
zu bekehren.
Nachdem sich auch die Reichsversammlung zu Worms
[* 46] für den Krieg entschieden hatte, drang in das Land des sächsischen Stammes
der Engern ein, nahm die Eresburg (an der Stelle des heutigen Stadtberge) ein und zerstörte die Irminsul,
nach sächsisch-heidnischem Glauben die das Weltall tragende Säule (unweit Altenbeken). Die Engern versprachen Unterwerfung
und Annahme des Christentums. 774 empörten sie sich wieder, wurden aber durch ein fränkisches Heer geschlagen und gezüchtigt. 775 wurden
dann nicht nur die Engern, sondern auch die Ostfalen und Westfalen,
[* 47] die andern Stämme der Sachsen, unterworfen;
allein sie empörten sich immer wieder (so 776 und 778). Am gefährlichsten war der Aufstand von 782. Widukind, ein westfälischer
Fürst, kehrte damals aus Dänemark,
[* 48] wo er bisher eine Zuflucht gefunden hatte, zurück, reizte die Sachsen, welche gerade
auf einem Zuge gegen die feindlichen SorbenHeeresfolge leisten sollten, auf, und sie vernichteten ein fränkisches Heer am Süntelgebirge.
Karl erschien alsbald und ließ zum warnenden Beispiel 4500 Sachsen zu Verden
[* 49] an der Aller enthaupten. Nun erhoben sich die Sachsen
von neuem zahlreicher als je, aber Karl schlug sie 783 bei Detmold
[* 50] und entscheidender an der Hase.
[* 51] Damit
war der sächsische Krieg eigentlich beendet, besonders da sich 785 Widukind und Albion, ein andrer Häuptling, unterwarfen
und zu Attigny taufen ließen. Zwar griffen die Sachsen noch mehrmals zu den Waffen,
[* 52] aber beim Herannahen Karls ergaben sie sich
gewöhnlich. Die Nordalbinger (Sachsen nördlich der Elbe) wurden erst
¶
Diese Grenze wurde von letzterm auch 811 anerkannt. Als Karl 788 den unbotmäßigen Herzog von Bayern, Thassilo,
abgesetzt hatte (derselbe wurde ins KlosterJumièges geschickt und die herzogliche Würde in Bayern aufgehoben), wurde er in
einen Krieg mit dessen Verbündeten, den räuberischen Avaren, verwickelt. 791 drang Karl bis zur Raab
[* 64] vor, der
MarkgrafErich von Friaul erstürmte 795 den Hauptring der Avaren an der Theiß, und 796 zwang Karls Sohn Pippin dieselben zur Unterwerfung.
In KarlsGeiste durchdringen sich politische und religiöse Interessen: er betrachtete sich nicht allein
als weltlichen Herrscher, sondern auch als Haupt der Kirche, welcher alle Reichsgenossen angehörten. Seine Herrschaft besaß
einen universalen Charakter, noch bevor das römische Kaisertum wieder erstand. Schon vorher war Karl Patricius von Rom,
[* 68] wie sein
Vater; er besaß die Schlüssel zum Grab des heil. Petrus und hatte das Gelöbnis der Treue vom Papst empfangen,
nur der kaiserliche Name fehlte.
Auch diesen empfing er, als ihm am Weihnachtstag 800 Leo III. in der Peterskirche zu Rom die goldene Krone aufs Haupt setzte.
Ostrom erkannte ihn 812 als
Kaiser an, auch die christlichen Angelsachsen und Schotten betrachteten ihn als Oberherrn. Selbst
in dem PatrimoniumPetri, dessen Besitz Karl 774 dem Papst versprochen hatte, wenn er seine Ansprüche als
begründet nachweisen könne, waren des Kaisers Herrschaftsrechte unbestritten. Karl hat auf die neue Würde großes Gewicht gelegt; 802 ließ
er sich von seinen Unterthanen einen neuen Eid leisten: nicht das altgermanische Verhältnis der Treue sollte
fortan das einzige Band
[* 69] zwischen Fürst und Volk sein, sondern es kam der christliche Gehorsam gegen den Oberherrn der Kirche
hinzu. Im fränkischen Reich war die Besetzung der Bistümer, die Verleihung der Pfründen immer in der Hand
[* 70] des Königs gewesen;
Karl hat aber auch in die Lehre
[* 71] der Kirche eingegriffen.
Die Kirchenversammlungen berief er nicht nur, sondern er änderte auch ihre Beschlüsse nach Gefallen ab, überwachte den Wandel
der Geistlichen mit aufmerksamem Auge
[* 72] und stellte ihnen die Regel des heil. Benedikt zum Vorbild auf. Auch in den weltlichen
Gesetzen hat er damals geändert, was gegen GottesGebote zu verstoßen schien; doch das germanische Recht
und die auf nationaler Grundlage erwachsene Organisation des fränkischen Reichs hat er nicht angetastet, vielmehr naturgemäß
weiter entwickelt.
Durch seine Erlasse (Kapitularien) suchte er höchstens eine größere Einheit in dem vielsprachigen Reich herzustellen. Sie
wurden auf den beiden Reichsversammlungen beschlossen, welche Karl im Mai und im Herbst zu berufen pflegte.
Da erschienen und erstatteten Bericht die Sendboten (missi), welche in den Provinzen umhersandte, um den Kultus, die Finanzen
und das Gerichtswesen zu überwachen. Sie hielten in ihrem Bezirk viermal jährlich Gericht als eine über den Grafen stehende
Instanz. An Stelle der Herzöge, deren Ämter Karl beseitigt hatte (außer Benevent), wurden sie vorgesetzte
Behörde der Grafen. In jedem Gaugab es einen Grafen; seine Funktionen waren richterlicher und militärischer Art. Dreimal im
Jahr hielt er die ordentliche Gerichtsversammlung ab, zu welcher alle Freien erscheinen mußten, und führte den Heerbann seines
Gaues in den Krieg; doch waren nicht alle Freien zur Heeresfolge verpflichtet, zumal da man bisweilen in die
weite Ferne ziehen und sich selbst verpflegen mußte.
Dem Eigengut wurde damals schon das gegen Treueid empfangene Lehen (beneficium) gleich geachtet, und die Lehnsleute zogen
unter Führung ihrer Herren in den Krieg. Die Beamten bezogen keinen Gehalt, sondern wurden durch Landverleihungen
und Anteil an den Gerichtsbußen entschädigt. Deshalb konnte Karl auch ohne Steuern auskommen. Der größte Teil des Staatseinkommens
floß aus den Erträgen der königlichen Domänen, deren Verwaltung Karl mit Sorgfalt und großer Sachkenntnis leitete.
Dazu kamen Gerichts- und Heerbannbußen, freiwillige Geschenke, welche von jeher üblich waren, und schließlich
gewaltsame Einziehungen, welche über treulose Große verhängt wurden. Daneben war jeder zum Vorspann, zur Verpflegung des
Königs, wenn er im Land umherzog, verpflichtet. So gewann Karl erhebliche Geldmittel und konnte sogar gewaltige
Unternehmungen, wie einen Donau-Mainkanal, den er wenigstens begann, und glänzende Bauten von Kirchen und Pfalzen ausführen,
wie in Nimwegen,
[* 73] Ingelheim und vor allen in Aachen. Diese Verfassung, wie sie Karl im Lauf der Jahre ausbildete, muß man als durchaus
germanisch bezeichnen; nur in Äußerlichkeiten gab er römischen oder byzantinischen Einflüssen Raum, wie im Zeremoniell,
indem er bei Hof
[* 74] den Kniefall und Fußku߶
mehr
duldete. SeinHerz hing an der altfränkischen Heimat: hier pflegte er die Großen um sich zu versammeln, hier feierte er am
liebsten das Weihnachtsfest (19mal in Aachen, nur 6mal in Gallien). Dahin begleiteten ihn seine beiden ersten Räte, der Apokrisiarius,
welcher den geistlichen, der Pfalzgraf, welcher den weltlichen Angelegenheiten vorstand. Daran schloß
sich ein Kreis von Vertrauten: es waren die gelehrtesten Männer ihrer Zeit, die der kaiserliche Mäcen in seine Nähe zog. 781 veranlaßte
er auf seinem Zug
nach Italien
[* 76] den gelehrten AngelsachsenAlkuin, ihm an seinen Hof zu folgen;
Die Handschriften der Bibel
[* 79] und der angesehensten römischen Autoren ließ er durch geschickte Mönche abschreiben,
um eine leichtere Benutzung dieser Werke zu ermöglichen. Aus jener Schule sind Männer hervorgegangen wie Angilbert, der zugleich
Dichter und Staatsmann war, und Einhard, des Kaisers Biograph. In gleicher Weise haben geistliche und weltliche Würdenträger
daselbst oder in den Zweigschulen, welche in Tours und Pavia später begründete, ihre Bildung empfangen.
Eine allgemeine Volksbildung anzubahnen, hat Karl nicht versucht; er mußte sich begnügen, der Geistlichkeit und den höhern
Ständen eine gelehrte Bildung zu verschaffen. Auch der vaterländischen Litteratur hat er sein Interesse zugewandt. Einhard
erzählt uns, daß der Kaiser alte Lieder aus der germanischen Heldensage habe sammeln lassen; diese Sammlung
ist aber leider verloren gegangen.
Karl war von breitem, kräftigem Körperbau, von stattlicher Größe (sie betrug sieben seiner Füße), hatte große, lebhafte
Augen, eine bedeutende Nase;
[* 80] der Hals war dick und etwas zu kurz, sonst war der Körper ebenmäßig gebaut. Sein
Aussehen war würdig und achtunggebietend, der Gang
[* 81] fest, die Stimme heller, als man nach seiner Erscheinung erwarten sollte.
Er erfreute sich dauernder Gesundheit, nur in seinen vier letzten Lebensjahren war er vom Fieber geplagt. Seine Tracht war die
fränkische; fremdländische verschmähte er, und nur bei Festlichkeiten erschien er in einem goldgewirkten
Kleid, mit Schuhen, an denen Edelsteine
[* 82] funkelten, und einem Diadem aus Gold
[* 83] und Edelsteinen.
Einfach war auch seine Lebensweise: er war mäßig im Essen
[* 84] und Trinken, weniger jedoch in ersterm als in letzterm, weil,
wie er sagte, das Fasten seinem Körper schade. Im Regiment bewahrte er sich Selbständigkeit. Er war fromm,
und religiöse Beweggründe bestimmten seine politischen Maßregeln vielfach;
doch war er kein Diener derGeistlichkeit, am
wenigsten des Papstes. Er verband durchdringende Verstandesschärfe mit unbeugsamer Willenskraft.
Das Höchste galt ihm nicht
für unerreichbar, aber auch das Kleinste nicht zu gering. Er war von leidenschaftlichem Temperament und für Frauenschönheit
empfänglich, wie er denn neben seinen Gemahlinnen mehrere Beischläferinnen bei sich hatte; aber geschlechtliche Ausschweifungen,
sogar mit
einer Schwester, hat ihm nur die neidische Sage angedichtet. Viermal war er vermählt: erstens mit Desiderata, des
langobardischen KönigsDesiderius Tochter, die er 771 verstieß;
Als Otto III. (1000) das Grab öffnen ließ, fand man den Kaiser auf seinem marmornen Thron sitzend, im Kaisermantel
und das Schwert an der Seite, auf seinen Knieen lag die Bibel. FriedrichBarbarossa erwirkte bei dem Gegenpapst Paschalis III.
die HeiligsprechungKarls und weder Alexander III., der rechtmäßige Papst, noch dessen Nachfolger
haben Widerspruch dagegen erhoben. Nun erschien es wichtig, die heiligen Gebeine zu bergen; deshalb ließ Friedrich noch
einmal die Gruft öffnen und den Leichnam, mit Ausnahme des Kopfes und eines Schenkels, in einem silbernen Schrein bergen, der
seinen Platz auf dem Altar
[* 85] fand. Doch den kommenden Geschlechtern schwand die Kunde von diesem Vorgang,
und erst 1843 entdeckte man, daß der Schrein, in dem man die Reliquien des heil. Leopardus vermutete, des großen Kaisers Gebeine
enthalte. Der Kopf und ein Schenkel waren in der Sakristei aufbewahrt und dort Jahrhunderte hindurch den Fremden gezeigt worden.
Seit ChristiGeburt hat kein Sterblicher die Phantasie der Nachgebornen so beschäftigt wie Karl: nicht allein die Nationen, über
deren Vorfahren er einst geherrscht, Deutsche,
[* 86] Franzosen, Niederländer, Italiener, nahmen ihn als den Ihrigen in Anspruch
und umwoben seine weltgebietende Gestalt mit dem verklärenden Schimmer der Sage, sondern auch bei Engländern,
Skandinaviern und Spaniern, mit denen ja Karl nur wenig in Berührung gekommen ist, knüpft sich nach Jahrhunderten eine umfangreiche
Litteratur an seine Person.
Vorbildern. Ähnlich ist es in Italien; hier enthält nur die Chronik von Novalese (aus dem 11. Jahrh.) einheimische Sagen über
Karl und zwar meist von feindseliger Tendenz; die französischen Dichtungen wurden schon im 12. Jahrh. bekannt und haben ein
Heer von Nachahmungen hervorgerufen, deren bedeutendste Ariosts »Rasender Roland« ist. Auch bei den übrigen
oben genannten Nationen sind die zahlreichen Dichtungen über auf französische Vorbilder zurückzuführen, selbst die »Karlamagnus-Saga«,
welche im 13. Jahrh. in Island
[* 89] entstand (weiteres s. Karlssage).
Dagegen trieb ihn die Ländergier oft zum Kampf gegen seinen tapfern Bruder, Ludwig den Deutschen. 861 fiel
Karl mitten im Frieden in die Provence, das Land seines Neffen Karl, ein, mußte aber unverrichteter Sache umkehren. Als dieser
dann 863 starb, hat Karl die Teilung des Landes durch Ludwig den Deutschen und Lothar II. ruhig geschehen lassen. Mit letzterm lebte
er seit 860 fortwährend in Zwietracht, zu einem Krieg ist es jedoch nicht gekommen. Kaum war Lothar II.
aber ohne legitime Erben gestorben (869), so fiel in sein Land ein und ließ sich 9. Sept. 869 in Metz
[* 96] zum König
von Lothringen
krönen.
Doch schon eine Gesandtschaft Ludwigs des Deutschen genügte, ihn zur Räumung des angemaßten Landes zu
bewegen. Darauf verabredeten die Brüder eine Teilung, die dann auch 8. Aug. 870 zu Mersen vollzogen wurde. Damals erhielt Karl außer
Südfriesland das Land westlich von der Maas, Ourthe, Mosel und dem Rhône. Die weltlichen Großen bemühte sich Karl vergeblich
unter seine Botmäßigkeit zu bringen. Er stützte sich in seinem Land auf die Geistlichkeit, der er als
Mann von gelehrter, selbst theologischer Bildung sehr nahe stand.
Dieselbe gewann damals durch Reichtum und die persönliche Bedeutung ihrer meisten Vertreter (Hinkmar von Reims)
[* 97] den größten
Einfluß auf die Verwaltung des Landes. Karl nahm auch ihre Partei gegen Rom, so 872 gegen die Anmaßungen
PapstHadrians II. Dieser suchte einen Bruch mit Karl zu vermeiden; noch mehr schloß sich sein Nachfolger Johann VIII. an den
König an. Als KaiserLudwig II. 875 starb, rief der Papst, von Mißtrauen gegen den energischen Ludwig den Deutschen erfüllt,
Karl nach Italien und setzte ihm 25. Dez. 875 in Rom die Kaiserkrone aufs Haupt. Die lombardischen Großen erkannten
ihn (Februar 876) zu Pavia als König von Italien an, und auch die westfränkische Geistlichkeit erklärte sich auf der Synode
zu Ponthion (Juni 876) mit dieser Rangerhöhung Karls einverstanden. Als dieser aber nach Ludwigs des DeutschenTod
in dessen Land einfiel, wurde er von dem jüngern Ludwig bei Andernach(8. Okt. 876) geschlagen.
Karlmann, Ludwigs des Deutschen andrer Sohn, wollte ihn sogar aus Oberitalien
[* 98] vertreiben, wohin er sich, vom bedrängten Papst
gerufen, 877 begeben hatte. Die bloße Nachricht von Karlmanns Herannahen bewog den unkriegerischen Kaiser zum schleunigen
Rückzug über die Alpen;
[* 99] aber kaum hatte er denMont Cenis überschritten, so ergriff ihn ein Fieber, dem er6. Okt. 877 in einem
Weiler im Thal des Arc erlag. Karl war zweimal verheiratet: zuerst mit Irmintrud, der Nichte des Grafen Adalhard;
nach deren Tod
mit Richilda, der Witwe eines Grafen Buwin. In seiner ersten Ehe waren ihm acht Kinder geboren.
Von seinen
vier Söhnen hatte er Ludwig zum König von Neustrien, Karl zum König von Aquitanien krönen lassen; jedoch beide empörten
sich gegen den Vater 862. Dieser unterwarf sie aber bald und ließ nur dem ältern sein Reich. Gegen seine
Kinder war Karl lieblos, ja grausam, am meisten gegen Karlmann, den er wider dessen Willen zum Geistlichen bestimmte und, als er
sich empörte, blenden ließ. Da der jüngere Karl 866 starb, ging das Reich bei des VatersTod auf Ludwig über.
4) Karl III., seit dem 12. Jahrh. der Dicke genannt, Ludwigs des Deutschen und der Welfin Hemma dritter Sohn, geb. 839, erhielt 876 in der
Teilung mit seinen beiden BrüdernKarlmann und Ludwig Alemannien und das Elsaß, erbte aber nach dem Tode
dieser beiden (880 und 882) auch deren Länder, mit Inbegriff Lothringens, welches Ludwig der jüngere gewonnen, sowie er endlich 885 auch
die Herrschaft über Westfrancien durch die Wahl der dortigen Großen erhielt. Vom Papst gegen die Sarazenen zu Hilfe gerufen,
hatte er 879 das KönigreichItalien erworben und war im Februar 881 in Rom zum Kaiser gekrönt worden. Dann
war er heimgekehrt, ohne den Kampf gegen die Sarazenen überhaupt zu beginnen. Die Normannen, die damals die Gegenden am Niederrhein
verwüsteten, umzingelte er 882 in ihrem Lager
[* 102] bei Elsloo an
¶