(spr. schakar),JosephMarie,
Mechaniker, geb. zu
Lyon, erlernte die Buchbinderei,
ward hierauf Schriftgießer, dann
Arbeiter in einer
Fabrik für broschierte Seidenstoffe, legte später eine eigne Werkstätte
zur Verfertigung gemusterter Seidenstoffe an, verlor aber darüber seine ganze
Habe.
Schon vor 1790 suchte
er an den Zugstühlen
für gemusterte
Stoffe den Ziehjungen, der die vorgerichteten
Schnüre nach bestimmter
Ordnung anziehen
mußte, um die
Kettenfäden des
Gewebes in der erforderlichen
Weise zu jedem
Einschuß zu heben, durch einen mechanischen
Apparat
entbehrlich zu machen.
Während der Revolutionsunruhen trat er als Freiwilliger in die Rheinarmee, kehrte aber bald nach
Lyon zurück und führte
hier 1801 endlich seinen
Apparat aus. Er nahm nun zunächst die
Konstruktion einer
Maschine
[* 12] zum Netzstricken
in
Angriff, die ihm 1804 eine
Anstellung im
PariserKonservatorium der
Künste und
Handwerke einbrachte. Hier lernte er
Vaucansons
Trommelmaschine kennen, eignete sich einige der darin verkörperten
Gedanken an, wußte aber das Entlehnte mit größtem
Scharfsinn
zu verändern und gelangte so bis 1808 zu einer durchaus originalen Vorrichtung, welche mit seiner ersten
Maschine nicht die entfernteste
Ähnlichkeit
[* 13] besaß.
Trotz des
Widerstandes der Stuhlarbeiter gelang es ihm, seinen Webapparat allmählich in den
LyonerFabriken einzuführen, und
so waren 1812 in
Frankreich schon 18,000 Jacquardsche
Webstühle
[* 14] im
Gang,
[* 15] welche seit 1815 auch in andern
Ländern Eingang
fanden. J. starb in
Oullins bei
Lyon, wo er seine letzten Lebensjahre verbracht hatte; 1840 wurde auf dem Sathonayplatz
zu
Lyon sein von
Foyatier gearbeitetes Standbild errichtet.
Vgl. Grandsard, J., sa vie etc. (3. Aufl.,
Lille
[* 16] 1884);
(spr.
schack'már), 1)
Albert, franz. Schriftsteller, geb. 1808 zu
Paris, trat in das
Finanzministerium und wurde 1865 Büreauvorstand in der Zollverwaltung;
starb daselbst. J. besaß
ausgebreitete Kenntnisse in der
Keramik.
[* 19] Er schrieb: »Flore des dames«
(Botanik für
Frauen, Par. 1840, 2. Aufl. 1841);
»Nouveau
langage des fleurs« (1841);
»Histoire artistique, industrielle et commerciale de la porcelaine« (1862);
»Notices sur les majoliques de l'ancienne collection
Campana« (1863);
»Les merveilles de la céramique« (1866-69, 3 Bde.; 4. Aufl.
1883);
2) Jules, Kupferstecher, Sohn des vorigen, geb. zu
Paris, trat zuerst 1861 als
Maler und
Stecher
im
»Salon« auf, widmete sich aber später ausschließlich dem
Stich. Er hat verschiedene
Blätter nach
Fr.
Hals, van der
Meer,
Rembrandt, Meissonnier ^[richtig:
Meissonier],
Greuze,
Reynolds u. a. geliefert; hauptsächlich aber war er thätig für die
Illustration von Werken, so für die seines
Vaters, für
Barbet deJouys »Gemmes et joyaux de la couronne«,
für die »Annales archéologiques«, die
»Gazette des Beaux-Arts« etc. Anfangs noch etwas trocken, erreichte er eine
Technik
von unübertrefflicher Virtuosität, die den
Glanz und die
Textur der
Vasen,
[* 20]
Edelsteine
[* 21] etc. mit malerischer Vollendung wiedergibt.
Er starb inNizza.
Unter seinen zahlreichen Werken befinden sich Symphonien, größere Vokalkompositionen, Kammermusikstücke
(Quartette, Trios), Lieder etc. Besonders fleißig hat J. den Kanon kultiviert und in dieser von ihm mit technischer Meisterschaft
beherrschten Form treffliche Erzeugnisse in weiterm und engerm Rahmen geliefert. Er schrieb: »Lehrbuch der Harmonie« (Leipz.
1883);
(Jahde), schiffbarer Küstenfluß im Großherzogtum Oldenburg,
[* 40] entsteht bei Loy, 4 km nördlich von der Stadt Oldenburg,
und mündet
nach 22 km langem Lauf in den 190 qkm (3½ QM) großen Jadebusen der Nordsee, der durch den
Andrang der vielen Sturmfluten, von denen eine 1511 fünf Kirchspiele verschlang, entstanden ist. Die Einfahrt, von der Norderweser
durch Sandbänke, wie der Hohe Weg, die Norderplatte etc., getrennt, ist bei der 3-4 m steigenden Flut für Schiffe
[* 41] jeder Größe
fahrbar.
Das Fahrwasser ist meist 2 km breit, und die Hauptströmungen der Ebbe und Flut frieren nie zu. Diese günstigen
Verhältnisse, verbunden mit der militärisch-politisch wichtigen Lage der Jademündung, hatten schon die AufmerksamkeitNapoleons
I. auf sich gezogen, der das Projekt zu einem dort anzulegenden Kriegshafen ausarbeiten ließ, dessen Ausführung jedoch unterblieb. 1853 erwarb
Preußen,
[* 42] dem eine Nordseestation Lebensbedingung einer künftigen Kriegsmarine war, von Oldenburg zwei
kleine Landstreifen am östlichen und westlichen Ufer des Busens zur Anlage eines Kriegshafens, denen später noch andre kleine
Gebiete hinzugefügt wurden; auch ward durch Vertrag vom die Beschränkung beseitigt, welche für Preußen hinsichtlich
der Anlage eines Handelshafens, einer Handelsstadt sowie der Ansiedelung von Handwerkern und Gewerbtreibenden
bestanden hatte.
Die Hafenarbeiten wurden 1855 in Angriff genommen, schritten aber wegen der Terrainschwierigkeiten nur langsam fort. Am wurde
der Kriegshafen eingeweiht. Der eigentliche Hafen ist 376 m lang und 220 m breit, die Einfahrt zu demselben (Hafenkanal) 110 m
breit. Auf der Reede hat das Fahrwasser zur Zeit der Ebbe eine Tiefe von 11 m. An den Kriegshafen schließen sich drei Trockendocks
und zwei Hellinge (zum Bau vonPanzerschiffen) an. Im S. des Kriegshafens liegt der Handelshafen, und unweit desselben mündet
der im Bau begriffene Ems-Jadekanal. Trinkwasser ist 1865 in der Tiefe von 210 m erbohrt worden. Die Gesamtkosten
für die Hafenanlagen belaufen sich auf mehr als 60 Mill., für die Festungswerke auf 36 Mill. Mk.
Das Jadegebiet gehört gegenwärtig zur preußischen ProvinzHannover,
[* 43] bildet einen eignen Amtsgerichtsbezirk des KreisesWittmund
im Regierungsbezirk Aurich
[* 44] und hat nur eine einzige Ortschaft, die Stadt Wilhelmshaven
[* 45] (s. d.). S. Karte
»Oldenburg«.
Alfred, Klavierspieler und Komponist, geb. zu Triest,
[* 47] erhielt den ersten Musikunterricht von seinem
VaterEduard I., der, ehemals Musikdirektor in Wien und tüchtiger Violinspieler, 1839 eine Musikschule
in Triest gründete. Kaum elf Jahre alt, machte J. seine erste Kunstreise nach Italien und errang hier sowie später in Wien
solchen Beifall, daß sich KarlCzerny erbot, seine weitern Studien zu leiten. Seit 1844 unternahm J. Kunstreisen durch Italien,
Deutschland, Belgien,
[* 48] Frankreich, Nordamerika
[* 49] und ward 1857 vom König von Hannover zum Hofpianisten ernannt.
Später lebte er mit seiner GattinMarie, gebornen Trautmann, einer vortrefflichen Klavierspielerin und ungewöhnlich begabten
Komponistin, in Paris, wo er als Virtuose und als Lehrer hochangesehen war und starb. Jaells Spiel war vorzugsweise
glänzend, an Thalberg erinnernd. Seine Kompositionen, bestehend in Salonstücken, Transskriptionen, Phantasien über Opernmotive
etc., zeichnen sich mehr durch Brillanz und Wohlklang als durch Tiefe aus.
¶
(spr. chha-èn), span. Provinz in der LandschaftAndalusien, grenzt im N. an die ProvinzCiudad Real, im O. an Albacete,
im S. an Granada
[* 51] und im W. an Cordova und hat ein Areal von 13,480 qkm (244,8 QM.). Das Land ist zum größern
Teil gebirgig und gehört in seinem nördlichen Teil dem marianischen Gebirgssystem mit dem Hauptzug
der Sierra Morena und den südlichen Vorlagen Loma de Chiclana und Loma de Ubeda, im südlichen Teil dem bätischen Gebirgssystem
an, von dem es die steile Sierra Magina (2179 m), den Jabalcuz, die Sierra de Lucena, dann die östlich zum südvalencianischen
Bergland führenden Verbindungsglieder Sierra del Pozo (1369 m), Sierra de Cazorla und Sierra de Segura enthält.
Die östlichen Gebirge enthalten große Kiefernwaldungen. Der Hauptreichtum der Provinz sind die Bleigruben von Linares und
Umgebung, welche in Bezug auf Qualität und Quantität zu den ersten der Welt gehören und vom Staat sowie von Privaten (über 800 Bergbaukonzessionen)
ausgebeutet werden. Die Produktion beläuft sich auf mehr als 800,000 metr. Ztr.
Erz. Der Silbergehalt dieser Erze wechselt zwischen. 20 und 60 g Silber auf 50 kg Blei.
[* 56] Mit dem Bergbau
[* 57] stehen Bleigießereien
in Verbindung, welche vorzüglich Tafeln, Kugeln, Schrot und Bleiweiß
[* 58] herstellen.
s. Gräber^[= Die Bestattungsarten waren schon in der Vorzeit je nach den verschiedenen Zeitperioden und Völkersc ...] (prähistor.), Megalithische Monumente und Dolmen.
Küstenstadt der türk. ProvinzSyrien, 55 km westnordwestlich von Jerusalem, liegt amphitheatralisch auf einem
Hügel am Mittelmeer und wird auf der Landseite von schönen Fruchtgärten umgeben. Die ehemals starken Befestigungen sind verfallen,
die Straßen eng; nur auf dem höchsten Punkt
finden sich breitere Straßen mit Schulen, Warenhäusern, den
Wohnungen der fremden Konsuln. J. ist auch Sitz eines deutschen Konsuls. Die Stadt hat 3 Moscheen, ein römisch-katholisches,
griechisches und armenisches Kloster und 8000 Einw. (davon vier Fünftel Mohammedaner).
Außerhalb sind von einem Franzosen und einem Russen zwei große Hospitäler errichtet worden. Die Reede
ist schlecht und voll Klippen,
[* 63] dennoch ist J. durch seinen Pilgerverkehr (jährlich 80,000) und als Hafen von Jerusalem von
Bedeutung. 1883 liefen 236 fremde Schiffe von 14,786 Ton. ein; J. ist Station des Österreichischen Lloyd. Die Einfuhr (Petroleum,
Fabrikate) wertete 1885: 4,7, die Ausfuhr (Seife, Getreide, Ölfrüchte u. a.) 5,2 Mill.
Mk. In der Nähe eine blühende Kolonie württembergischer Templer (s. Tempelgesellschaft), welche 1868 eine zwei Jahre vorher
gegründete, aber zu Grunde gegangene amerikanische Kolonie dicht bei der Stadt übernahmen und in kurzer Entfernung davon Sarona
gründeten. Am Weg nach Jerusalem eine gleichfalls blühende Kolonie der Alliance Israélite und weiter
nach der Küste hin eine verkommene ägyptische Kolonie. - J., das Japho der Bibel
[* 64] und Joppe der Alten, war schon im Altertum
eine berühmte, feste Seestadt der Phöniker.
Hierher ließ König Salomo von Tyros aus die Baumaterialien zum Tempel
[* 65] schaffen. Simon Makkabäus entriß die Stadt dauernd den
Syrern, befestigte sie und erweiterte den Hafen. Später ein berüchtigter Piratensitz, wurde J. von Vespasian
zerstört. Unter Konstantin d. Gr. wurde die Stadt zum Bischofsitz erhoben. Der KalifOmar eroberte sie 636. Eine große Bedeutung
erhielt sie als Hauptlandungsplatz der Kreuzfahrer, die sie 1099 nahmen. 1102 siegte hier König Balduin vonJerusalem über
den Sultan von Ägypten;
[* 66] 1187 nahm SultanSaladin, 1191 Safaddin die Stadt mit Sturm, und schon war die Besatzung
der Citadelle im Begriff, zu kapitulieren, als Richard Löwenherz mit einigen Kriegsfahrzeugen von Ptolemais kam und die Sarazenen
aus der Stadt warf.
Doch fiel J. später noch mehrmals in die Hände der Sarazenen, ward 1252 durch Ludwig den Heiligen neu befestigt,
ging aber 1267 bei einem Einfall der Ägypter auf immer für die Christen verloren. In der neuern Geschichte ist J. besonders
durch die Erstürmung seitens der Franzosen unter Napoleon I. und durch das über die türkischen Gefangenen verhängte
Blutbad merkwürdig. 1832 bemächtigte sich Mehemed Ali der Stadt, doch ward ihm dieselbe 1840 von den Türken mit britischer
und österreichischer Hilfe wieder entrissen. Die günstige Lage ließ J. nach jeder Zerstörung immer wieder aufblühen.
welcher die »Geschichte des DeutschenReichs
unter Konrad III.« (Hannov. 1845) folgte. Er trat sodann als Mitarbeiter bei den »Monumenta Germaniae historica« ein,
für welche er eine große Zahl vorzüglicher Quellenausgaben geliefert hat. Da er indes von seiten des Leiters derselben,
Pertz, dafür nicht die gebührende Anerkennung fand und als Jude keine Aussichten auf eine akademische Laufbahn hatte, unterbrach
er 1850 seine historischen Arbeiten, um Medizin zu studieren. Nachdem er 1853 promoviert und das medizinische
¶
mehr
Staatsexamen bestanden, kehrte er doch zu seiner frühern wissenschaftlichen Thätigkeit als Mitarbeiter an den »Monumenta«
zurück und ward 1862 zum außerordentlichen Professor der historischen Hilfswissenschaften an der Universität zu Berlin ernannt.
Obwohl seine Vorlesungen über Paläographie, Chronologie, Diplomatik u. dgl. große Anerkennung und viele Zuhörer fanden, erlangte
er doch, auch nachdem er 1868 zum Christentum übergetreten war, nicht die erstrebte höhere wissenschaftliche
Stellung, und zerfallen mit seinen frühern Freunden, in seinem Ehrgeiz bitter gekränkt, nahm er sich in Wittenberge
durch einen Schuß selbst das Leben. Seine selbständigen Hauptwerke sind die »Regesta pontificum romanorum«
(Berl. 1851; 2. Aufl., Leipz.
1885) und die »Bibliotheca rerum germanicarum« (Berl. 1864 bis
1872, 6 Bde.), beides Musterwerke an tief eindringender Sachkenntnis,
kritischem Scharfsinn und genauester Sorgfalt.
SeinRuf war immer mehr gewachsen, so daß man ihn zum Nachfolger Dawisons in Dresden
[* 77] ausersah, in dessen Stellung er 1864 eintrat.
J. nimmt unter den deutschen Schauspielern eine hervorragende Stellung ein, obwohl er dem modernen Virtuosentum wie der Reklame
fern steht. Seine Hauptrollen: Nathan, Richard III., Shylock, Jago, FranzMoor, Mephisto, Philipp II., Marinelli, Carlos, Thorane,
Narziß, Tartüff, OnkelMoses etc., haben auch bei seinen zahlreichen Gastspielen ungeteilte Anerkennung
gefunden.
Das Aufsuchen, Verfolgen und Aneignen des Wildes bildet auf einer gewissen niedern Stufe der Entwickelung die Hauptbeschäftigung
der Völker (Jägervölker). Die Raubtiere
[* 78] werden gejagt, um sich vor den Angriffen derselben zu schützen und die Haut zu erbeuten;
das Fleisch des erlegten eßbaren Wildes dient zur Hauptnahrung, die Haut zur Kleidung. Diese Beschäftigung
bildet zugleich den kriegerischen Sinn aus. Krieg und Fehdeherrschen daher auch bei den Jägervölkern in hervorragender Weise
und werden meist zu dem Zweck geführt, um die ausgedehnten Jagdgründe gegen Übergriffe benachbarter Stamme zu schützen.
Auch die alten Germanen betrieben die J. mit Vorliebe und erlegten in den Wäldern noch manches Wild, das
heute ausgestorben ist. Mit zunehmender Kultur bilden Viehzucht undAckerbau die Hauptbeschäftigung der Völker, die J. wird
mehr Gegenstand des Vergnügens, besonders des Adels und der Fürsten, welche sich Bannforsten anlegten, in denen sie sich das
Jagdrecht vorbehielten. Auch die J. auf die größern Jagdtiere nahmen sie ausschließlich für sich in
Anspruch.
Mit dem 16. Jahrh. wurde das JagdrechtRegal (s. Jagdhoheit). Zur Beaufsichtigung und Verwaltung der J., welche auch bei gutem
Wildstand nicht unbeträchtliche Einnahmen lieferte, wurden besondere Beamte
angestellt, von welchen man eine berufsmäßige
Ausbildung forderte. Dadurch wurde die Jägerei zu einer besondern Kunst, die von den Berufsjägern zunftmäßig
erlernt werden mußte. Die Ausübung der J. wurde nach gewissen Regeln betrieben, Jagdgeräte (s. Jagdzeug) und Fangapparate
wurden verbessert, und es bildete sich die Weidmannssprache als eine besondere Jagdkunstsprache aus.
Die Jagdausübung (das Weidwerk) teilte sich in verschiedene Zweige und zwar sowohl infolge des erworbenen
Rechts einzelner, gewisse Wildarten in bestimmten Gemarkungen mit Ausschluß andrer zu fangen oder zu erlegen, als auch infolge
des kunstmäßigen Betriebs der einzelnen Jagdarten. Man unterscheidet hiernach allgemein die hohe und die niedere J. Erstere,
auch Großweidwerk genannt, umfaßt von den Spalthufern in der Regel das Edel- (auch Rotwild genannt), Elch-
(Elen-), Dam-, Reh- und Schwarzwild, den Steinbock und die Gemse; vom Geflügel das Auer- und Birkwild, die Fasanen, Trappen, Kraniche,
Reiher und Schwäne; von den Raubtieren den Bären, Wolf und Luchs.
Alle übrigen Tiere gehören der niedern J. an. In einigen Ländern hat sich die Einteilung in hohe, mittlere
und niedere J. herausgebildet. Zur hohen J. gehören alsdann Edel-, Elch-, Damwild, Steinbock, Gemse, Luchs, Bär, Auerwild, Trappen,
Kraniche, Reiher, Schwäne; zur mittlern (Mittel-) J. das Reh,
[* 79] die Sauen und der Wolf, das Birk- und Haselgeflügel und der große
Brachvogel; zur niedern J. alles übrigeWild. In den preußischen Staatsforsten ist für die J., insofern
dieselbe durch die Forstbeamten administriert oder an diese und auch wohl an Private verpachtet wird, die letztere Einteilung
mit geringen Modifikationen maßgebend.
Die J. auf Gemsen bildet eine besondere, in ihrer Örtlichkeit und Ausübung eigenartige J., für welche
eine besondere Spezialität der berufsmäßigen Jäger sich erhalten hat. Im übrigen unterscheidet man nach dem Gebrauch von
Jagdhilfsmitteln (Geräten) und den dabei benutzten Tieren, sodann nach den verschiedenen jagdlichen Berufskreisen, wie sich
solche geschichtlich entwickelt haben:
2) Falkeniere, welche abgerichtete Edelfalken zur Erreichung der Jagdbeute benutzen (s. Falken, S. 10). Die Beize wird gegenwärtig
nur noch in Holland sowie im Orient ausgeübt und gehört im übrigen fast nur der Vergangenheit an. 3)
Deutsche
[* 81] hirschgerechte Jäger, welche sich vorzugsweise mit der hohen J. beschäftigen, die Fertigung und den Gebrauch der
Netze, Tücher und Lappen, wie solche bei der hohen J. dienen, verstehen, eine genaue Kenntnis der Fährten des Hochwildes nach
seinen Arten, seinem Alter und Geschlecht besitzen, die Arbeit des Leit- und Schweißhundes kennen, die Kunst,
das Hochwild aufzusuchen, zu beschleichen, zu erlegen und zu zerlegen (zerwirken), sich angeeignet haben.
4) Feldjäger, welche vorzugsweise der niedern J. obliegen und wegen vorwiegender Beute an Flugwild besonders im Gebrauch der
Flinte geübt sein müssen. Ihnen liegt die Aufgabe ob, das kleine Wild in Netzen, das Raubwild in Eisen
[* 82] und
Fallen
[* 83] zu fangen, sowie auch die Erziehung und Dressur des Hühnerhundes, welcher meistens auch auf Wasserjagd abzurichten ist.
beschäftigen. Dieselben müssen auch die Kenntnis des Fanges der Raubtiere, welche den Fasanen gefährlich sind, besitzen.
Die berufsmäßigen Jäger mußten in früherer Zeit es namentlich auch verstehen, große Jagden als besondere Hoffestlichkeiten
zu veranstalten. Damit eine große Menge von Wild in kurzer Zeit sicher von fürstlichen Jagdherren erlegt werden konnte,
wurde das Wild in beträchtlicher Zahl in eingestellten Jagen, die mit Jagdzeug (s. d.) umschlossen waren, sogen. Hauptjagen,
[* 85] zusammengetrieben. Als nach dem Beispiel des französischen Hofs der Luxus auch bei den übrigen Hofhaltungen sich verbreitete,
boten mit besonderm Prunk veranstaltete Hauptjagen (Festinjagen) Gelegenheit zur Verherrlichung von Hoffesten und ersetzten
die früher üblichen Turniere und Ritterspiele.
Die Jägerei erschien dabei in Gala-Uniform, die Jagdschirme waren reich verziert, Musikchöre spielten dabei auf, die Herrschaft
erschien in wunderlichen Verkleidungen, die Damen als Dianen und Nymphen auf Wagen, die von Hirschen gezogen wurden, und außerdem
fanden dabei auch Kämpfe von fremden, dazu besonders herbeigeschafften Tieren, als Löwen,
[* 86] Bären etc.,
statt. Mehrere solcher Jagden, die bei Gelegenheit von Hochzeitsfesten etc. abgehalten wurden
und die dabei mehr Maskeraden als eigentliche Jagden waren, sind uns von Schriftstellern der damaligen Zeit ausführlich beschrieben.
Zur Ermäßigung der großen Kosten, welche solche Jagden erforderten, wurden Jagdfronen, Jagdtreibedienste, Wildbretfuhren,
Jagdzeugfuhren etc. auferlegt. Ferner mußten entrichtet werden: Wolfsjagddienstgelder, Hecken-, Wald-,
Wildhufenhafer. Einzelne Höfe hatten die Verpflichtung, die Hunde
[* 87] des Jagdberechtigten zu füttern, wenn sie nicht gebraucht
wurden, oder auch die Jägerei bei sich einzuquartieren. Alle diese Lasten, welche im Lauf der Zeit schon weit weniger drückend
geworden waren, sind in neuerer und neuester Zeit fast in allen deutschen Ländern aufgehoben, oder es
ist deren Ablösung in den Gesetzen über die Ablösung derartiger Prästationen ausgesprochen worden.
Selbstverständlich mußten diese besonders den Besitzern ländlicher Grundstücke auferlegten Lasten in jener Zeit um so mehr
große Erbitterung hervorrufen, als außerdem der in großer Menge gehegte Wildstand bedeutenden Schaden
an den Feldfrüchten verursachte. Bei solchen fast unerträglichen Verhältnissen mußte durch gesetzliche Bestimmungen Wandel
geschaffen werden. Dies geschah zuerst in Frankreich, wo durch das Gesetz vom die Befreiung des Grund und Bodens von
fremden Jagdrechten ausgesprochen wurde; diesem Beispiel folgten die Gesetzgebungen mehrerer deutscher Einzelstaaten, und wurde
in Preußen unter Aufhebung aller privatrechtlichen Beziehungen zu ältern oder neuern Eigentumserwerbungen das Jagdrecht auf
fremdem Grund und Boden ohne jede Entschädigung aufgehoben und eine Trennung jenes dinglichen Rechts von letzterm für die Zukunft
als nicht statthaft erklärt.
Infolge eingebrachter Reklamationen ehemaliger Jagdberechtigten ist in einzelnen deutschen Staaten (Kurhessen,
Württemberg,
[* 88] Hannover, Sachsen, Altenburg)
[* 89] zum Teil eine Entschädigung teils aus der Staatskasse, teils durch Aufbringung der
früher Verpflichteten gewährt worden. Die neuere Jagdgesetzgebung bezweckt besonders den Schutz des Feldes und des Waldes
gegen Beschädigung von seiten des Wildes; daher die gesetzlichen Bestimmungen über Beschränkung des Wildstandes, über
Vergütung des Wildschadens und über Aufgang und Schluß der J. Namentlich suchte man auch die Gesetze über Wilddieberei, welche
trotz der strengen Strafen in manchen Gegenden Deutschlands
[* 90] mit großer Frechheit betrieben ward und hier
und da einen förmlichen
Kriegszustand zwischen Forstbeamten und Wilddieben zur Folge hatte, mit den allgemeinen strafrechtlichen
Grundsätzen in Einklang zu bringen.
Die Aufhebung des Jagdrechts auf fremdem Grund und Boden mußte außerdem zu Beschränkungen rücksichtlich der Ausübung desselben
führen, weil sonst voraussichtlich Ausrottung des Wildes und Unfälle durch unvorsichtige Handhabung der Schußwaffen seitens
Unkundiger die unausbleiblichen Folgen gewesen wären. In Preußen wurde die Ausübung der J. durch das
Jagdpolizeigesetz vom und das Wildschongesetz vom geregelt, und dadurch kamen die frühern Forst-, Mast-
und Jagdordnungen für die einzelnen Provinzen, deren Bestimmungen außerdem teilweise veraltet und unzeitgemäß geworden
waren, meist in Wegfall. Bearbeitungen der Jagdgesetzgebung lieferten unter andern: für Preußen Kohli (Berl.
1884), R. Wagner (das. 1883) und Grunert (Trier
[* 91] 1885), für Bayern
[* 92] Feßmann (Ansb. 1880) und Trunk (Eichstätt
[* 93] 1880), für SachsenEinsiedel (Leipz. 1885), für Hessen
[* 94] Haller (3. Aufl., Darmst. 1884), für Baden
[* 95] Schenkel (Tauberbischofsheim 1886), für Elsaß-Lothringen
[* 96] Huber (Straßb. 1881) etc. Für Österreich
[* 97] vgl. Anders, Das Jagd- u. Fischereirecht (Innsbr. 1885).
Jeder, der die J. ausüben will, muß einen Jagdschein lösen, und es läßt sich daher aus der Zahl solcher Jagdscheine leicht
ersehen, in welchem Verhältnis sich die Zahl der Personen vermehrt hat, welche die J., die jetzt meist zum Vergnügen und zur
Erholung der wohlhabendern Bevölkerung dient, ausüben. Nach v. Hagen
[* 98] ist die Zahl der ausgegebenen Jagdscheine
in Preußen von 80,559 im J. 1850/51 auf 154,094 im J. 1880/81 angewachsen (im Durchschnitt 21,3 auf 1000 männliche Bewohner
über 20 Jahren). Letztere verteilten sich auf die einzelnen Provinzen wie folgt:
Die gesamte Fleischmasse dieses jährlichen Abschusses von eßbarem Wild wird auf 5,420,618 kg (pro Kopf 0,2 kg) und der Gesamtgeldwert
einschließlich der Schwarten und Häute auf 6,470,502 Mk. veranschlagt. Hiernach ist also der Jagdertrag
ein nicht unerheblicher Faktor für die Volksernährung und die Volkswirtschaft. Die Ausübung der J. auf dem fiskalischen
Grundbesitz ist in Preußen so geregelt, daß gewöhnlich die niedere J. in den Staatsforsten und
¶
mehr
auf den Domänen den Revierverwaltern, resp. den Domänenpachtern verpachtet ist, während die
hohe und mittlere J. für den Fiskus administriert wird. Auf den Gemeinde- und Kommunalgrundstücken wird die J. auf den daraus
gebildeten Jagdbezirken verpachtet, und hierdurch ist es ermöglicht, daß die Gemeinden erhebliche Pachtbeträge beziehen,
sowie daß größere Schichten der Bevölkerung sich Jagden anpachten können, wodurch das den Körper stärkende
und die Sinne schärfende Jagdvergnügen immer weitere Ausbreitung gewonnen hat.
Zur Hebung
[* 102] und größern Sicherung der Wildstände sind in neuerer Zeit in kleinern und größern Kreisen Jagdverträge und
Jagdschutzvereine entstanden. Dieselben bezwecken teils eine gleichmäßige Ausübung der J. auf bestimmte
Wildgattungen und Geschlechter (z. B. Nichtabschuß starker Hirsche
[* 103] behufs Erzielung stärkern Wildbrets und vollkommener ausgebildeter
Geweihe
[* 104] oder bei Rehen die Schonung sämtlicher Ricken für mehrere Jahre zur Hebung des Rehstandes größerer Jagdbezirke), teils
sind dieselben zur gemeinschaftlichen Anpachtung bedeutender Flächenkomplexe für bestimmte Jagdarten, namentlich die Hetzjagden
mit Windhunden, oder zur Hebung des Sports durch (Parforce-) Jagen mit Jagdhundmeuten, welche auf Vereinskosten
unterhalten werden, geschlossen worden.
Auch haben jene Vereine die Tendenz, sich gegenseitig selbst und die Staatsbehörden in Bezug auf Durchführung der Gesetze über
Jagdpolizei und Wildschonung zu unterstützen sowie den Wilddiebstahl und den Handel mit gestohlenem Wildbret nachdrücklich
zu verfolgen. Sie erreichen die letztgedachten Zwecke durch Prämienzahlung für entdeckte Wilddiebstähle
und durch Benutzung der Presse.
[* 105] Außerdem haben sich Vereine gebildet, welche sich die Aufgabe stellten, die Erhaltung und Züchtung
reiner Hunderassen zu erstreben und zu fördern (s. Hund, S. 802). Auch die Jagdlitteratur (s. unten) ist in neuerer Zeit
ebenso wie die Litteratur über die Kynologie durch eine überaus große Zahl von Büchern und Zeitschriften bereichert worden.
ferner: »Neuw Jag vnnd Weydwerk Buch« (das. 1582);
sodann: »New Jägerbuch: Jacoben von Fouilloux, einer
führnehmen Adelsperson in Frankreich etc.« (Straßb. 1590; letzte deutsche Ausgabe, Danz. 1726).
Hervorragende Wichtigkeit
hat die »Oeconomia ruralis et domestica, darinne das ganze Ampt aller treven HaußVäter, Hauß Mütter... auch Wild- und Vogelfang,
Weidwerk, Fischerei,
[* 106] Holzfällung, von JacobColer« (Wittenb. 1591-1601, viele spätere Auflagen) und die
»Fürstliche Jäger-Burg von Vit. Bremer« (Hamb. 1657). Eine hohe jagdliche Autorität besitzen wir in HansFriedrich v. Flemming,
Der vollkommene teutsche Jäger (Leipz. 1719), welchem sich gleichwertig anschließt: Döbel, Neu eröffnete Jäger-Praktica
oder vollständige Anweisung zur hohen und niedern Jagdwissenschaft (das. 1746; 4. Aufl.,
neu [aber schlecht] bearbeitet von Döbel u. Benicken, 1828). Aberglaube und Geheimniskrämerei durchdringen bei dem Mangel
wirklicher wissenschaftlicher Begründung die Werke der ältern Jagdautoren, doch sind sie durchweht von einem gewissen romantischen
Hauch.
Erst am Ende des vorigen Jahrhunderts beginnt Bechstein in seinem »Vollständigen Handbuch der Jagdwissenschaft«
(Nürnb. 1801-1809, Gotha
[* 107] 1820-22) die Jagdkunde wissenschaftlich zu behandeln. An seine bahnbrechende
litterarische Thätigkeit reihen sich an: Jester, Die kleine J. (Königsb. 1793; 5. Aufl. von Riesenthal,
Leipz. 1884; für angehende Jäger);
Hartig, Lehrbuch für Jäger (Stuttg. 1811, 10. Aufl. 1877);
Dietr.
aus dem Winckell, Handbuch für Jäger, Jagdberechtigte und Jagdliebhaber (Leipz. 1804-1805; 5. Aufl.
vonTschudi, 1878, 2 Bde.);
Gödde, Die J. und ihr Betrieb in Deutschland (2. Aufl., Berl. 1881).
Dazu sind noch zu erwähnen:
Pfeil, Vollständige Anweisung zur Jagdverwaltung und Jagdbenutzung (Leipz. 1848);
Monographien über
unsre einzelnen Wildarten s. bei den betreffenden Artikeln. Das bedeutendste Werk über Tiergärten ist das vom GrafenMellin:
»Unterricht, eingefriedigte Wildbahnen oder große Tiergärten anzulegen« (Berl. 1800). Jagdlexika wurden herausgegeben
von v. Hartig (2. Aufl., Berl. 1861),