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Beccari (gest. 1590) u. a., die um die Mitte des Jahrhunderts zur Aufführung kamen. Auch von dem sonst als Redner und Dichter bekannten Luigi Groto, genannt il ciêco d'Adria (gest. 1585),
hat man außer einigen mittelmäßigen Tragödien zwei Schäferspiele: »Callisto« und »Il pentimento amoroso«. Die allgemeinste Bewunderung erregte der »Aminta« des Tasso, der 1573 am Hofe von Ferrara [* 2] aufgeführt und bald in fast alle Sprachen übersetzt wurde. Eine Nachahmung des »Aminta«, nur daß die Hirtenzustände auf das Fischerleben übertragen sind, ist der »Alceo« des Antonio Ongaro. Auch Angiolo Ingegneri (gest. 1613) schrieb ein 1583 aufgeführtes Pastorale: »La danza di Venere«, und Cristoforo Castelletti ein Hirtendrama: »Amarilli«, worin die romantische Richtung sich geltend macht. Alles dies und andres wird verdunkelt durch den »Pastor fido« des Battista Guarint (1537-1612, von ihm selbst »Tragicommedia pastorale« genannt),
welcher den Gipfel dieser Gattung in der italienischen Litteratur bezeichnet. Den dritten Preis im Hirtendrama erteilt man gewöhnlich den »Filli di Sciro« des Grafen Guidobaldo de' Bonarelli (gest. 1607),
welche aber nichts als eine matte Nachahmung des »Aminta« und des »Pastor fido« sind. Schon bisher waren einzelne kleine Gedichte in den Zwischenakten der Komödien unter Musikbegleitung gesungen, ja sogar Wechselgesänge von Nymphen und Satyrn [* 3] musikalisch aufgeführt worden. Auch die »Favola d'Orfeo« des Poliziano (s. oben) war bereits von Instrumentalmusik begleitet gewesen. Es war also nur noch ein Schritt zu thun, um ein dramatisches Werk überhaupt mit Musik zu begleiten und musikalisch aufzuführen. Der erste, welcher den Gedanken erfaßte und ausführte, ein ganzes Stück singen zu lassen, war Emilio dei Cavallieri, welcher 1590 selbst zwei Pastoralen dazu dichtete: »La disperazione di Sileno« und »Il Satiro«. Allein von Übereinstimmung der Musik und der Worte, von musikalischer Deklamation war dabei noch nicht die Rede. Diese Erfindung gehört zwei Florentinern, dem Dichter Ottavio Rinuccini (gest. 1621) und dem Musiker Jacopo Peri; jener schrieb die »Dafne«, und dieser setzte die Musik dazu. So entstand 1594 die erste Oper. Derselbe Dichter schrieb 1600 noch eine »Euridice« und etwas später die »Arianna« und den »Narcisso«, welche alle teils von Peri, teils von Giulio Caccini komponiert wurden. Fast gleichzeitig hatte Orazio Vecchi aus Modena eine Komödie: »Antiparnasso« ^[richtig: »Amfiparnasso«], geschrieben, die gleichfalls in Musik gesetzt wurde: die erste Opera buffa (vgl. Oper).
In der lyrischen Poesie ward viel produziert. Mehrere der hervorragendsten epischen und andern Dichter dieser Periode, wie Ariosto, B. und T. Tasso, Machiavelli, Tansillo, Guarini u. a., gehören auch zu den ausgezeichnetsten Lyrikern. Unter denen, welche vorzüglich nur als solche bekannt sind, verdienen hervorgehoben zu werden: Pietro Bembo aus Venedig [* 4] (gest. 1547), der Nachahmer Petrarcascher Eleganz und Korrektheit in der Sprache; [* 5]
Francesco Maria Molza (gest. 1544), nach T. Tasso wohl das bedeutendste lyrische Talent des Jahrhunderts;
Giovanni Guidiccioni aus Lucca [* 6] (gest. 1541);
Giovanni della Casa (gest. 1556);
Annibale Caro (gest. 1566), welcher sich durch eine meisterhafte Übersetzung der »Äneide« bekannt machte;
Angelo di Costanzo (gest. 1591) und endlich Michelangelo Buonarroti (gest. 1564), welcher, fast gleich groß als Maler, Bildhauer und Architekt, auch als Dichter durch Gedankenfülle und Tiefe einen hervorragenden Platz einnimmt.
Außer diesen gab es damals noch viele Dichter zweiten Ranges: Francesco Beccuti (mit dem Zunamen il Coppetta), Antonio Broccardo, Galeazzo di Tarsia, die Gebrüder Lodovico und Vincenzo Martelli, Bernardo Cappello, Claudio Tolommei, Luca Contile, Bernardino Rota, Domenico Veniero, Gabriele Fiamma u. a. Auch die Frauen blieben nicht zurück, und zwar zählt dies Jahrhundert unter seinen Dichterinnen drei, welche genannt zu werden verdienen: die berühmte Vittoria Colonna (gest. 1547), deren Gedichte alle religiösen und ernsten Inhalts sind, ihre Freundin Veronica Gambara (gest. 1550), endlich Gaspara Stampa (gest. 1554), die italienische Sappho, welche in wenig gefeilter, aber natürlicher Sprache eine unglückliche Liebe besungen hat.
Die Zahl der Prosaiker dieser Periode steht nicht hinter derjenigen der Poeten zurück. Der Roman fehlt eigentlich der italienischen Litteratur bis auf die Neuzeit. Zwar hatten Boccaccio in seinem »Filocopo« und vor ihm schon Bosone da Gubbio im »Avventuroso Ciciliano« sowie die früher erwähnten Volksbücher, vorzüglich der »Guerrino il Meschino«, diese Bahn betreten; aber die poetische Bearbeitung der Sagenwelt in den allgemein beliebten Ritterromanen einerseits und die ebenso beliebte Zersplitterung des Stoffes in der Novelle anderseits befriedigten das Bedürfnis der poetischen Mitteilung vollständig und erstickten jene frühern Keime, welche erst in unsern Tagen durch fremde Anregung sich wieder entwickelt haben. Unter den höchst zahlreichen Novellendichtern dieses Jahrhunderts steht Matteo Bandello (gest. 1560) obenan, dessen Stil zwar nachlässig und oft inkorrekt, aber nicht ohne Anmut ist; Agnolo Firenzuola (gest. 1548) schrieb in sehr eleganter, echt florentinischer Sprache zehn schlüpfrige Novellen, eine Bearbeitung des »Goldenen Esels« des Apulejus, worein er viel von den lustigen Abenteuern seines eignen Lebens verwebte, und eine Sammlung von Fabeln, »I discorsi degli animali«, die zu einer Art von Roman verbunden sind.
Gianfrancesco Straparola aus Caravaggio (starb nach 1557) veröffentlichte unter dem Titel: »Le [* 7] piacevoli notti« eine Sammlung Novellen, welche besonders dadurch wichtig ist, daß sich in derselben auch die ersten in italienischer Sprache aufgezeichneten Märchen befinden. Wertvoll sind auch die 17 Novellen Girolamo Paraboscos (1550), der auch als Musiker berühmt war; sie führen den Titel: »I diporti« (»Unterhaltungen«),
sind in drei »Tagewerke« (giornate) geteilt und mit Gedichten und Gesprächen untermischt. Von geringerm Interesse, aber in reiner Sprache geschrieben sind die »Sei giornate« des Sebastiano Erizzo (gest. 1585),
welche 36 Novellen enthalten. Er sowie der bereits erwähnte Giraldo Cinzio (gest. 1573) in seinen »Hecatommiti« haben wenigstens das Verdienst, daß sie die in fast allen Erzählungen dieser Art herrschende Unsittlichkeit einigermaßen vermieden haben. Durch anmutige Darstellung nicht minder als durch ausschweifende Lustigkeit zeichnet sich die »Cene« betitelte Novellensammlung des schon wiederholt genannten Fr. Grazzini aus. Sonst sind als Verfasser von Novellen noch zu nennen: Machiavelli, dessen einzige Novelle: »Belfagor«, zu dem Besten in dieser Gattung gehört, Giovanni Brevio, Luigi da Porto, Marco Cademosto aus Lodi (1543), Antonio Cornazzano, Niccolò Granucci, Pietro Fortini, Scipione Bargagli, Giustiniano Nelli, Antonio Mariconda, Franc. Maria Molza, Doni u. a. Während aber die genannten ¶
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Schriftsteller es bloß auf Ergötzung und Zeitvertreib abgesehen hatten, benutzten dagegen andre die im Altertum sehr beliebte Form des Dialogs, um außer heitern und satirischen auch ernste und philosophische Gegenstände zu behandeln. Dahin gehören die unter dem Namen »Gli Asolani« bekannten Gespräche über die Liebe von Pietro Bembo (gest. 1547), die Dialoge des Sperone Speroni (gest. 1588) über die Liebe, die Würde der Frauen, die Pflichten einer Hausfrau etc., die des Antonio Bruccioli (gest. 1567) über Moral, Physik und Metaphysik, die dem Platon nachgebildeten Dialoge des T. Tasso über Adel, die Pflichten eines Familienvaters, weibliche Tugend, Freundschaft und andre moralische Gegenstände, die Dialoge des Leonardo Salviati (gest. 1589) über die Freundschaft, die des Lodovico Dolce, Muzio u. v. a. Der geistreichste unter diesen Schriftstellern ist ohne Zweifel Giambattista Gelli aus Florenz [* 9] (gest. 1563), Verfasser zahlreicher »Lettere« über Dante und Petrarca und der »Capricci del bottajo«, eines Gesprächs zwischen dem Menschen und seiner Seele, welches von der Inquisition verboten wurde. Das berühmteste Buch dieser Art aus jener Zeit ist der »Cortigiano« des Grafen Baldassare Castiglione (gest. 1529),
welcher die Eigenschaften eines vollkommenen Hofmanns darstellt und von der Crusca unter die »Testi di lingua« aufgenommen wurde.
Die Zahl der Geschichtschreiber dieser Periode, sowohl derer, welche lateinisch, als derer, welche italienisch schrieben, ist äußerst bedeutend. Die vielen kleinen Staaten, in welche Italien [* 10] damals noch geteilt war, und wovon jeder eine an äußern und innern Schicksalen reiche Geschichte besaß, veranlaßten viele, die Geschichte ihres Vaterlandes aufzuzeichnen, während von der andern Seite die verschlungenen Verhältnisse dieser Staaten untereinander und die alle Gemüter heftig bewegenden Beziehungen zu größern Mächten, wie Deutschland, [* 11] Frankreich, Spanien, [* 12] und den Päpsten notwendig den Scharfsinn der Staatsmänner beschäftigen und ausbilden und jene von den Neuern Politik genannte Kunst erzeugen mußten, wodurch die Kleinen sich mit argwöhnischer und listiger Gewandtheit gegen die Übermacht der Großen zu schützen suchten.
An der Spitze der Politiker und Geschichtschreiber dieser Zeit steht der ebensoviel bewunderte wie geschmähte Niccolò Machiavelli (1469-1527), der vorzüglichste Prosaiker des Jahrhunderts, dessen Schriften, die Erzeugnisse einer unfreiwilligen Muße und daher Arbeiten eines ruhig forschenden und denkenden Geistes, der Historiographie eine neue Bahn gebrochen haben. Hierher gehören seine »Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio«, »Dell' arte della guerra«, die »Storie fiorentine« und der »Principe«.
Neben ihm verdienen angeführt zu werden: Scipione Ammirato (gest. 1601),
dessen »Discorsi sopra C. Tacito« vorzüglich gegen Machiavelli gerichtet sind, und von dem man auch eine Geschichte von Florenz hat;
Paolo Paruta aus Venedig (gest. 1598),
Verfasser von »Discorsi politici« und einer Geschichte von Venedig;
Giovanni Bottero aus Piemont (gest. 1617),
in dessen »Della ragione di stato« und »Relazioni universali« die ersten gesunden Prinzipien über Besteuerung und Nationalwohlstand enthalten sind.
Unter denen, welche die allgemeine Geschichte ihrer Zeit geschrieben, ragen hervor: Paolo Giovio aus Como (gest. 1552),
welcher authentische Nachrichten sammelte und sie in einem lateinisch geschriebenen und auch durch Schönheit der Latinität berühmten Werk: »Historiae sui temporis ab anno 1494-1547«, verarbeitete;
Francesco Guicciardini aus Florenz (gest. 1540),
dessen »Storia d'Italia« in einem schwerfälligen, hochtrabenden Stil geschrieben und nichts weniger als eine zuverlässige Quelle [* 13] ist;
Bernardo Ruccellai (Oricellarius, gest. 1514),
dessen gleichfalls lateinisch abgefaßte Schrift »De bellis italicis« (der Zug Karls VIII.) in Sprache und Darstellung ausgezeichnet ist.
Der Sprache wegen wird gerühmt Pier Francesco Giambullaris »Storia dell' Europa [* 14] dall' anno 887-913«. Noch sind zu nennen: Giambattista Adriani aus Florenz (gest. 1579),
dessen »Storia de' suoi tempi« das Lob der Wahrheit und der Unparteilichkeit verdient;
welcher in zierlichem Latein »Commentarii« über die Kriege im nördlichen Italien von 1521 bis 1530 geschrieben hat;
Giorgio Florio aus Mailand, [* 15] welcher lateinisch die Kriege Karls VIII. und Ludwigs XII. in Italien beschrieb;
Biagio Buonaccorsi aus Florenz, welcher ein trocknes, aber brauchbares »Diario italiano« über die Jahre 1498-1512 geliefert hat.
Auch die Spezialgeschichte der einzelnen Städte hat zahlreiche Bearbeiter gefunden. Florenz hat neben Machiavelli noch folgende Geschichtschreiber aufzuweisen: Jacopo Nardi, Filippo Nerli, Benedetto Varchi, Bernardo Segni, Vincenzio Borghini, Giammichele Bruto, Gino und Neri Capponi und Giovanni Cavalcanti. Die Geschichte Venedigs ist lateinisch bearbeitet im »Chronicon venetum«, in italienischer Sprache von einem Ungenannten, von Andrea Mocenigo und Pietro Bembo, dessen »Rerum venetarum historiae« auch von ihm selbst ins Italienische übersetzt worden sind.
Genua [* 16] hat außer Agostino Giustiniani als Geschichtschreiber aufzuweisen: Jacopo Bonfadio und Uberto Foglietta. Des erstern »Annales genuenses ab anno 1528-50« sind wahrhaft klassisch geschrieben und auch sonst bedeutend, und nicht weniger Lob verdient des letztern lateinisch geschriebene Geschichte von Genua in zwölf Büchern. Für die Geschichte van Ferrara sind von Bedeutung das Werk des Giraldi Cinzio: »De Ferraria et Atestinis« und die »Storia de' principi d'Este« von Giambattista Pigna.
Geschichtschreiber Neapels in dieser Periode waren der schon als Dichter erwähnte Angelo di Costanzo und Gianantonio Summonte, der die Geschichte Neapels vom Ursprung der Stadt bis 1582 schrieb. Auch die Geschichte fremder Länder ist von Italienern, welche dort in kirchlichen oder diplomatischen Geschäften angestellt waren, damals vielfältig, wenn auch nicht immer mit voller Sachkenntnis beschrieben worden. Dahin gehören die Geschichte Frankreichs von Paolo Emili aus Verona [* 17] (gest. 1529) in lateinischer Sprache, die Schriften über Spanien von Lucio Marino aus Sizilien, [* 18] welcher lange am Hofe Ferdinands des Katholischen lebte; ferner die ebenfalls lateinisch geschriebene Geschichte Englands von Polidoro Vergilio (gest. 1555), die »Commentarj delle cose d'Europa, specialmente de' Paesi bassi, dal 1529-60« von Lodovico Guicciardini, welcher lange in den Niederlanden gelebt, und zwei wichtige Werke über die neuentdeckten Länder: »De insulis nuper inventis« und »De rebus oceanicis et orbe novo« von Pietro Martire d'Anhiera aus Arona (gest. 1526) wie die »Historiae indicae« von Giampietro Maffei (gest. 1603), welche er im Auftrag des Königs Heinrich von Portugal schrieb. Die bisher vernachlässigte Kirchengeschichte wurde infolge der Anfeindungen der Protestanten in Angriff genommen, so namentlich von Cäsar Baronius (gest. 1607), dessen Riesenwerk, die »Annales ecclesiastici«, ¶
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wenigstens des Verfassers eisernen Fleiß bezeugt. Auch theoretisch oder praktisch belehrende Werke erschienen jetzt. Das Hauptwerk für die Geschichte der Kunst sind ohne Vergleich die »Vite de' più eccellenti pittori, scultori ed architetti« von Giorgio Vasari aus Arezzo (gest. 1574). Mehr theoretisch handelt von der Malerei und Skulptur »Il riposo« von Rafaello Borghini, in Gesprächsform. Nicht minder wichtig sind die Schriften des wissenschaftlich ungebildeten, aber höchst originellen Benvenuto Cellini (gest. 1570),
besonders seine Selbstbiographie, sowie die Abhandlungen »Dell' arte della pittura« von Giampolo Lomazzi aus Mailand, die »Pareri sopra la pittura« von dem Maler Bernardino Campi aus Cremona und »De' veri precetti della pittura« von Giambattista Armenino aus Faenza. Die Baukunst [* 20] behandelte Andrea Palladio aus Vicenza (gest. 1580) in seinem großen Werk »Dell' architettura«. Schlecht in der Sprache, aber bedeutend für die Kunst ist die »Idea d'architettura universale« von Vicenzo Scammozzi (1616),
in dessen Werken sich schon der verdorbene Geschmack des folgenden Jahrhunderts zeigt. Die Litteraturgeschichte war noch äußerst dürftig bearbeitet. Die Schrift »Dell' origine della poesia rimata« von Giammaria Barbieri (gest. 1571) enthält gute Untersuchungen über die älteste Poesie der Provençalen und Italiener. Die gelehrten Arbeiten des Antonio Possevino, seine »Bibliotheca selecta« und »Apparatus sacer«, sind mehr Encyklopädien als Litteraturgeschichten. Von den Philosophen, welche mit Hintansetzung der bisherigen Systeme sich eine eigne, kühne Bahn der Forschung schufen, sind nennenswert: Girolamo Cardano (gest. 1576); Giordano Bruno (gest. 1600) und Lucilio Pompeio Vanini (gest. 1619).
Vierte Periode (17. und 18. Jahrh.).
Die vierte Periode reicht vom Ende des 16. bis gegen das Ende des 18. Jahrh. und ist die Zeit des Verfalls der italienischen Litteratur. Übertriebene Verfeinerung und Weichlichkeit, Blasiertheit und Genußsucht in den gebildetern Ständen, Abstumpfung, Aberglaube, Verdummung und Liederlichkeit dagegen in den niedern Klassen des Volkes sowie der Argwohn und die Verfolgungssucht der in den einzelnen Republiken aufgetauchten Dynastien und einer herz- und geistlosen Geistlichkeit mögen die Hauptursachen dieses bedauerlichen Rückganges gewesen sein.
Was die Poesie anlangt, so wird in dieser Periode des verdorbenen Geschmacks die poetische Wahrheit und Natürlichkeit der Darstellung ersetzt durch leere Wortfülle, durch unpassende, oft plumpe und falsche Bilder, durch falschen Witz, Wortspiele, geschraubte Antithesen und unsinnige Metaphern. Doch ist nicht zu leugnen, daß deutliche Spuren dieses Übels sich schon bei Petrarca finden, und daß die Lust daran sich durch das ganze 16. Jahrh. hindurchzieht und namentlich auch bei Tasso nicht zu verkennen ist. Je mehr nun die spätern Dichter ohne innere Begeisterung die Poesie nur als ein heiteres Spiel zur Befriedigung der Eitelkeit und zur Erheiterung fremden Müßigganges betrachteten, um so mächtiger mußte auch jene falsche Richtung hervortreten.
Die Zahl der Dichter, namentlich der Lyriker, ist Legion. Als Urheber des Verderbens pflegt Giambattista Marini (gest. 1625), der Verfasser des großen Gedichts »Adone«, genannt zu werden. Die allgemeine Bewunderung, welche er fand, rief eine ganze Dichterschule (Marinisten) hervor, welche die Fehler ihres Meisters nachzuahmen und nach Kräften noch zu überbieten suchte. Bis zum tollsten Übermaß aber wurde diese Manier von zwei Juristen aus Bologna, Claudio Achillini (gest. 1640) und Girolamo Petri (gest. 1626), getrieben. Mit ernstem Streben, wenn auch nicht mit großem Erfolg suchten einige Dichter durch Werke gediegener Art dem Verderben zu steuern, als deren bedeutendster Gabriello Chiabrera aus Savona (gest. 1637) zu nennen ist. Derselbe versuchte der italienischen Lyrik den Geist und die Formen der Alten zu geben, weshalb er denn auch die sogen. pindarische Ode an die Stelle der Kanzone setzte; aber nur seine lyrischen Gedichte zeigen diesen edlern Stil, während er in seinen Epen selbst oft in hohlen Schwulst verfällt. Desselben Fehlers wie Chiabrera macht sich auch häufig Fulvio Testi (gest. 1646) schuldig. Männlicher und edler ist der patriotische Dichter Vincenzo da Filicaja (gest. 1707) aus Florenz, dessen Kanzonen auf die Belagerung und Befreiung Wiens berühmt sind. Benedetto Menzini aus Florenz (gest. 1704) gehört ebenfalls, besonders durch seine Satiren und seine »Arte poetica«, zu den bessern Dichtern seiner Zeit. Die Königin Christine von Schweden, [* 21] welche ihre letzten Jahre in Rom [* 22] verlebte, hatte sich eine Art von poetischem Hof [* 23] gebildet, zu welchem außer Menzini auch Alessandro Guidi (gest. 1712), welcher in der Art des Chiabrera dichtete, Giambattista Felice Zappi (gest. 1719), Francesco de Lemene (gest. 1704), Carlo Maria Maggi (gest. 1699) u. a. gehörten. Die Mitglieder dieser und einer ähnlichen Privatgesellschaft vereinigten sich später unter Gravinas und Crescimbenis Leitung zu der Akademie der Arkadier, welche ursprünglich den Zweck hatte, auf eine größere Einfachkeit und Natürlichkeit in der Dichtkunst hinzuwirken, thatsächlich aber nur neue Geschmacklosigkeiten an die Stelle der frühern setzte. Einen bei weitem höhern Platz würde Carlo Frugoni aus Genua (gest. 1768) beanspruchen können, wenn seine zahlreichen Poesien weniger ungleich wären. Ganz andrer Art, dem Geiste Dantes und Petrarcas verwandt, sind die nicht zahlreichen Gedichte des auch als Mathematiker und Astronom ausgezeichneten Eustachio Manfredi aus Bologna (gest. 1739); auch Paoli Rollis (gest. 1767) lyrische Gedichte sind nicht ohne Wert. Sehr dürftig fällt in dieser Periode die Rubrik des ernsten Heldengedichts aus. Außer den schon erwähnten, jetzt vergessenen epischen Dichtungen von Chiabrera verdient unter den sogen. Epopöen nur »Il conquista di Granada« [* 24] von Girolamo Graziani (gest. 1675) allenfalls Erwähnung.
Als eine eigentümliche Gattung treten zwei ernste Dichtungen hervor: »Adamo il mondo creato« von Tommaso Campailla (gleichsam ein christlicher Lukrez) und »Visioni sacre e morali« von Alfonso Varano, worin sich eine erfreuliche Rückkehr zur Gesinnung und Sprache des Dante zeigt. Besser gedieh in dieser Zeit politischer Verkommenheit das komische Heldengedicht. Als Meister in dieser Gattung gilt Alessandro Tassoni (gest. 1635), dessen Gedicht »La secchia rapita« noch jetzt auch außerhalb Italiens [* 25] gelesen wird.
Schwächer ist »Lo schemo degli Dei« von Fr. da Bracciolini aus Pistoja (gest. 1645). Jedem Fremden aber, ja selbst den heutigen Florentinern fast ganz unverständlich ist das »Malmantile racquistato« des Malers Lorenzo Lippi (gest. 1664). Aus der großen Zahl ähnlicher Werke erwähnen wir noch als die berühmtesten: Bartolommeo Corsinis »Torracchione desolato«, des Grafen Carlo de' Dottori »L'asino«, Bartolommeo Bocchinis »Le pazzie de' savj ovvero il Lambertuccio«, Francesco Baldovinos »Il lamento di Cecco da Varlunga«, Gianfrancesco ¶
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Lazzarellis »La Cicceide«, Giambattista Lallis »La Moscheide« und »La Franceide«, Lorenzo Bellinis »La Bucchereide«, Ippolito Neris »La presa di Samminiato«. Als ein Spätling und ein letzter Nachklang einer längst verschollenen Zeit verdient das romantische Epos »Ricciardetto« des römischen Prälaten Niccolò Forteguerra (gest. 1735) eine ehrenvolle Erwähnung. In die Zahl der komischen Dichtungen gehört ohne Zweifel auch noch die poetische Bearbeitung eines ältern Volksbuches: »Astuzie di Bertoldo« von Giulio Cesare Croce (gest. 1620),
einer Art von Eulenspiegel, welches unter dem Titel: »Bertoldo con Bertoldino e Cacasenno« von 20 verschiedenen Verfassern italienisch geschrieben, nachher von ebenso vielen Damen in die bolognesische Mundart übersetzt ward. Ebenso wurden die Späße des Gonello, eines Hofnarren des Herzogs Borso von Ferrara aus dem 14. Jahrh., von Giulio Cesare Becelli (gest. 1750) in Ottave Rime gebracht. Ein wunderliches, in der italienischen Litteratur ganz vereinzelt stehendes Gedicht ist der »Cicerone« von Giovanni Carlo Passeroni (gest. 1803), eine sehr ins Breite [* 27] und Geschwätzige ausartende Satire auf die Zeit des Dichters. Geistreich, aber ganz durchdrungen von der frivolsten französischen Manier ist der Abbé Giambattista Casti (gest. 1803) in seinen »Animali parlanti« und noch mehr in seinen witzigen, aber schlüpfrigen »Novelle galanti«.
Die zuerst im 18. Jahrh. poetisch bearbeitete Fabel hat außer den beiden schon genannten Passeroni und Casti noch aufzuführen: Aurelio Bertola (gest. 1798), welcher zuerst versuchte, Geßners Manier nach Italien zu verpflanzen, und Lorenzo Pignotti (gest. 1812);
ferner Luigi Clasio (Fiacchi) aus Toscana (gest. 1825), der sich durch vorzügliche Sprache auszeichnet.
Das Beste dieser Art ist vereinigt in der »Raccolta di apologhi scritti nel secolo XVIII«. Die Satiren Virginia Cesarinis, Lorenzo Azzolinis sowie Lodovico Adimaris sind verschollen. Mehr, als es geschieht, verdienten die »Sermoni« des Chiabrera (gest. 1637) und die Satiren des Jacopo Soldani (gest. 1641) beachtet zu werden. Außer diesen hat dieser Zeitraum nur einen wahrhaft originellen Dichter dieser Art aufzuweisen, Salvatore Rosa (gest. 1673), dessen sechs Satiren, weil sie zu persönlich und bitter sind, lange nicht gedruckt werden durften. - Von den didaktischen Dichtern dieser Periode ist der berühmteste Giambattista Spalverini (gest. 1763), dessen »Coltivazione del riso« von den Italienern als eins ihrer besten Lehrgedichte angesehen wird. Erwähnung verdienen noch: Giovanni Vincenzo Imperiali (gest. 1645) wegen seines »Stato rustico«, Zaccaria Betti (gest. 1788) wegen seiner »Bachi da seta« und Bartolommeo Lorenzi (gest. 1822),
glücklicher Improvisator und Verfasser des Lehrgedichts »Coltivazione de' monti«.
Die dramatische Poesie ist zu keiner Zeit die glänzende Seite der italienischen Litteratur gewesen, am wenigsten im 17. Jahrh., wo zwar großer Luxus mit Errichtung von Theatern getrieben und große Summen auf Dekorationen und Maschinerie verwandt wurden, aber alles nur, um die Lust des Publikums an der Oper und an äußerm Glanze zu befriedigen. Bombastisch und hohl, ohne Wahrheit und ohne Interesse, oft bis zum Albernen und Lächerlichen herabsinkend sind die meisten Produkte der zahlreichen Tragiker jener Zeit, unter denen höchstens, als die minder unvollkommenen, Giovanni Delfino und Antonio Carraccio zu erwähnen sind.
Die blinde Nachahmung der spanischen Dramatiker namentlich artete in Unsinn und ins Lächerliche aus. Später versuchte man das Publikum durch Dramatisierung alter Legenden, abenteuerliche Darstellungen heiliger Gegenstände und durch Bearbeitung von aus der Bibel [* 28] entlehnten Stoffen anzuziehen. Von dieser Art ist der durch die Sage, daß Milton durch ihn zu seinem »Paradise lost« veranlaßt worden, berühmt gewordene »Adamo« (1613) von dem Schauspieler Giambattista Andreini.
Später, als der Ruf der französischen Dramatiker nach Italien drang, ahmte man diese nach, ohne ihnen jedoch gleichkommen zu können. Der erste, der die französische Tragödie und zwar nicht bloß ihre Methode, sondern auch ihren Vers nach Italien zu verpflanzen suchte, war der Bolognese Pier Jacopo Martello (gest. 1727). Das Beste, was das 18. Jahrh. im Tragischen hervorgebracht, ist ohne Zweifel die »Merope« des schon erwähnten Scipione Maffei (gest. 1755). Ihm steht nicht unwürdig zur Seite der auch als Mathematiker bekannte Antonio Conti aus Padua [* 29] (gest. 1748), obwohl seine vier Tragödien wenig Aufsehen machten.
Gänzlich verschollen sind die Produkte Pietro Chiaris aus Brescia (gest. 1788), welcher in der letzten Hälfte des 18. Jahrh. viele mittelmäßige Komödien und Tragödien, auch einige unbedeutende Romane geschrieben hat. Reicher und bedeutender waren die Leistungen der Italiener während dieses Zeitraums in der Komödie, wobei nicht vergessen werden darf, daß trotz aller Anfeindungen die schon früher erwähnte Commedia dell' arte sich bis herauf in die neueste Zeit behauptete.
Oft waren die Schauspieler auch selbst Verfasser dieser kurzen Stücke, welche nicht selten nach dem Muster eines andern, der schon sein Glück damit gemacht, zugeschnitten und dem Publikum dargeboten wurden. Einer dieser Dichter und Schauspieler, Flaminio Scala, erwarb sich großen Beifall mit seiner Truppe in Paris [* 30] und hat eine bedeutende Zahl seiner Stücke sogar herausgegeben. Noch mehr Aufsehen erregten in Paris die Talente des Neapolitaners Tiberio Fiorelli (gest. 1696), welcher unter dem Namen Scarramuccia ein für Molière gefährlicher Nebenbuhler war. Auch Salvatore Rosa that sich unter dem Namen Signore Formica durch gleiches Talent in Rom und Florenz hervor. Im Anfang des 17. Jahrh. blühte die Komödie vorzüglich in Neapel. [* 31] Der berühmteste unter den dortigen Dichtern ist Giambattista della Porta (geb. 1615), dessen 14 Komödien zum Teil dem Plautus nachgebildet sind; nächstdem erregen die beiden Stücke: »La fiera« und »La Tancia« des jüngern Michelangelo Buonarroti (gest. 1646) unser Interesse.
In den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrh. ward dann die italienische Komödie zugleich mit den Sitten der höhern Gesellschaft ganz dem französischen Einfluß unterthan: an die Stelle des hohlen Bombastes trat nunmehr grenzenlose Nüchternheit, und erst als ein nationaler Geist im 18. Jahrh. zu erwachen begann, vermochte auch das Lustspiel einen Aufschwung und nationalen Charakter anzunehmen. Von den Talenten, welche das 18. Jahrh. für die Komödie entwickelt hat, sind zunächst zu nennen: Girolamo Giglio (gest. 1722), obschon derselbe mehr Übersetzer und Nachahmer als selbständiger Dichter war (nur »La sorella di Don Pilone« hat einigermaßen originale Haltung);
der Lyriker Giambattista Fagiuoli (gest. 1742), der mehrere nicht eben bedeutende Komödien schrieb;
der Marchese Liveri aus Neapel, der zwischen 1740-50 besonders durch reich ausgestattete Volksszenen Aufsehen erregte;
endlich der oben erwähnte Pietro Chiari (gest. 1788), dessen zahlreiche, wenn ¶
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auch mittelmäßige Komödien in Venedig eine Zeitlang Glück machten. Aber alle diese und noch andre wurden verdunkelt durch Carlo Goldoni (1707 bis 1793), den Meister des nationalen Charakterlustspiels und Reformator der komischen Bühne in Italien, dessen Sprache zwar nachlässig, aber selbst nach dem Zeugnis neuerer Italiener natürlicher und wahrer ist als die aller spätern komischen Dichter. An Geist und Poesie übertraf ihn zwar der Graf Carlo Gozzi aus Venedig (1718-1806), der Schöpfer der phantastischen Komödie; doch wetteiferte dieser vergeblich mit Goldoni, und seine an Laune, Poesie und bizarren Einfällen reichen Stücke (»fiabe teatrali«) vermochten nur einen vorübergehenden Erfolg zu erringen. Noch zahlreiche andre Schriftsteller haben für das Theater [* 33] gearbeitet; aber obgleich man bald das französische, bald das deutsche Theater nachzuahmen, bald einen eignen Weg einzuschlagen suchte, hat sich kein einziges wahrhaft bedeutendes Talent mehr hervorgethan. Antonio Avelloni (gest. 1837), Gualzetti aus Neapel, Carlo Greppi aus Bologna (gest. 1811) haben nach den Vorbildern von Beaumarchais, Mercier und Kotzebue gearbeitet. Die weinerliche Komödie (»il genere piagnoso«) hat eine Zeitlang Beifall gefunden in den zahlreichen Stücken von Camillo Federici (gest. 1802). Gherardo de' Rossi (gest. 1827) war glücklicher in der Anlage der Stücke als im Dialog. Italienischer, aber von geringerer Bedeutung sind die Arbeiten des Marchese Albergati-Capacelli (gest. 1806), Napoli Signorellis (gest. 1815), von welchem man außerdem eine Geschichte des Theaters besitzt, des Grafen Alessandro Pepoli (gest. 1796) u. a. Sonst verdienen die meiste Auszeichnung der Graf Giov. Giraud (gest. 1834), ein Römer, [* 34] und der Piemontese Alberto Nota (gest. 1847), dem zwar alle eigentliche komische Kraft [* 35] abgeht, der aber hinsichtlich seiner Sprache großes Lob verdient.
Bei der Oper, dem Lieblingsspiel der Italiener im 17. und 18. Jahrh. wie auch jetzt noch, ward unter dem gewaltigen Aufwand von Dekorationen und Maschinerien, Musik und Tanz die Poesie ganz in den Schatten [* 36] gestellt. Der einzige Fortschritt, welchen die Oper in dieser Zeit machte, bestand darin, daß seit etwa 1613, vorzüglich durch den Grafen Fulvio Testi, die Monotonie der Recitative durch den künstlichern Ariengesang gehoben wurde. Dagegen erreichte diese dichterische Gattung ihren Gipfel im 18. Jahrh. und erlangte eine solche Berühmtheit, daß sie nach vielen ausländischen Höfen verpflanzt wurde. Sie verdankte dies Apostolo Zeno (gest. 1750) und Pietro Trapassi, genannt Metastasio (gest. 1782), von denen der letztere noch jetzt als das unerreichte Muster in dieser Gattung betrachtet wird. Von seinen Zeitgenossen Rolli, Frugoni, Olivieri, Cigna, Damiani, Fattiboni, Ragati etc. kann keiner sich mit ihm messen.
Erfreulicher als der Zustand der schönen Litteratur ist in dieser Periode der der ernsten und strengen Wissenschaft. Was zunächst die Geschichtschreibung betrifft, so hat dieser Zeitraum trotz der jeder freien Forschung und freien Rede sehr ungünstigen Verhältnisse einige der wichtigsten Leistungen aufzuweisen. Die Kirchengeschichte Italiens fand einen einsam stehenden Bearbeiter in dem Serviten Pietro Sarpi (gest. 1623), dessen aus Originalurkunden geschöpfte Geschichte des tridentinischen Konzils ein Meisterwerk ist, in mehrere Sprachen übersetzt, aber von den Anhängern der römischen Kurie auch heftig bekämpft ward.
Als Geschichtswerke, welche einzelne Ereignisse behandeln, sind gleich im Anfang dieser Periode zu nennen: Arrigo Caterino Davilas »Storia delle guerre civili di Francia« (von 1547 bis 1598) und Guido Bentivoglios »Storia della guerra di Fiandra« (von 1559 bis 1607). In lateinischer Sprache schrieb die Geschichte fast des nämlichen Zeitraums (von 1557 bis 1590) der Jesuit Famiano Strada (gest. 1649). Als Werke gelehrten Fleißes sind zu erwähnen: Die Geschichte von Neapel (von Roger I. bis zum Tod Friedrichs II.) von Francesco Capecelatro.
Sehr geachtet ist die Geschichte von Venedig von Battista Nani (den Zeitraum von 1613 bis 1671 umfassend). Durch Wahrheitsliebe zeichnet sich aus die Geschichte seiner Zeit (eine Art Chronik von 1613 bis 1650) von Pietro Giovanni Capriata aus Genua (gestorben um 1650). Berühmter als die Werke der letztern, aber von keinem Wert sind die äußerst zahlreichen Kompilationen des seichten Vielschreibers Gregorio Leti aus Mailand (gest. 1701). Je weiter wir vorschreiten in dieser Periode, desto mehr treten Sammlerfleiß und Erudition, das einzige, was unter dem Druck des damaligen politischen Systems übrigblieb, an die Stelle der großherzigen Gesinnung und des politischen Scharfsinns der Historiker früherer Jahrhunderte.
Als ein Wunder von vielseitiger Thätigkeit ist zu nennen Lodovico Antonio Muratori (gest. 1750), von dessen überaus zahlreichen historischen, antiquarischen und philosophischen Schriften hier besonders seine trefflichen »Annali d'Italia« zu erwähnen sind. Ihm nicht unähnlich war sein Freund, der bereits oben unter den Dichtern angeführte Marchese Scipione Maffei (gest. 1755),
durch seine historisch-antiquarischen Arbeiten (»Storia diplomatica« und »Verona illustrata«). Der bedeutendste Geschichtschreiber dieser Zeit aber ist Pietro Giannone (gest. 1748),
welcher in seinem Werk »Dell' istoria civile del regno di Napoli« vorzüglich den Zustand der Gesetze, der Sitten und der Administration berücksichtigt und als ein entschiedener Feind der Hierarchie auftritt. Unter ihm steht der Vielschreiber Carlo Denina (gest. 1813),
von dessen zahlreichen Werken nur seine »Rivoluzioni d'Italia« heute noch einen gewissen Wert haben. Nicht unerwähnt darf auch des Grafen Pietro Verri (gest. 1797) geschätzte »Storia di Milano« bleiben. Kunsthistoriker sind: Filippo Baldinucci aus Florenz (gest. 1696),
welcher in seinem Hauptwerk: »Notizie de' professori del disegno da Cimabue in quà«, Vasari zu berichtigen suchte, und Carlo Datia (gest. 1675),
der das Leben einiger Maler des Altertums beschrieben hat. Auch sind hier noch die »Vite de' pittori, scultori, architetti ed intagliatori« von G. Baglione, den Zeitraum von 1572 bis 1642 umfassend, zu nennen. Aus späterer Zeit sind Hauptwerke für die Kunstgeschichte: die »Storia pittorica d'Italia« von Luigi Lanzi (gest. 1810),
der sich vorzüglich auch mit den etruskischen Altertümern beschäftigte und die »Storia della scultura« des Grafen L. Cicognara (gest. 1834), die bis auf Canova reicht. Die Oper hat an dem Spanier Arteaga und das Theater überhaupt an Pietro Napoli Signorelli Geschichtschreiber gefunden. Einer der geachtetsten Feldherren seiner Zeit, Raimondo Montecuccoli aus Modena (gest. 1681), ist auch durch seine »Aforismi dell' arte bellica« der erste Militärschriftsteller seines Vaterlandes geworden. Die Geschichte der eignen Litteratur ist von keinem Volk mit so großem Eifer bearbeitet worden wie von den Italienern. Gianvittorio Rossi aus Rom (gest. 1647) gab unter dem Namen Janus [* 37] Nicius Erythreus in seiner »Pinacoteca« eine Geschichte vieler zu seiner Zeit ¶
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lebender Gelehrten und der viel umhergewanderte Arzt Giovanni Cinelli-Calvoli aus Florenz (gest. 1706) in seiner »Biblioteca volante« eine sehr brauchbare Sammlung unzähliger kleiner Schriften. Reicher noch ist die »Biblioteca dell' eloquenza italiana« von Giusto Fontanini (gest. 1736). Der erste, wenn auch schwache Versuch einer wirklichen Geschichte der italienischen Litteratur ist die »Idea della storia dell' Italia letterata« von Giacinto Gimma (gest. 1735). Wichtige Werke über die i. L. sind noch G. Maria Crescimbenis (gest. 1728) »Storia della volgar poesia«, einen großen Schatz von litterarischen Notizen enthaltend, aber im höchsten Grad unkritisch und unzuverlässig; des Jesuiten Francesco Saverio Quadrio (gest. 1756) »Storia e ragione d'ogni poesia«, auch die Litteratur andrer europäischer Völker umfassend, und die »Scrittori d'Italia« des Grafen Giovanni Maria Mazzucchelli (gest. 1765),
ein Werk unendlichen Fleißes, aber unvollendet. Bedeutend höher als die Genannten durch gesundes Urteil und Kritik steht Girolamo Tiraboschi (gest. 1770),
dessen »Storia della letteratura italiana« nur an dem Fehler allzu kleinlicher biographischer und bibliographischer Untersuchungen leidet. Eine Fortsetzung seines Werkes für das 18. Jahrh., aber in jesuitischem Geist, lieferte Antonio Lombardi, eine weitere für das erste Viertel des 19. Jahrh. Ant. Levati. Eine Galerie von Lebensbeschreibungen ausgezeichneter Italiener sind die »Secoli della letteratura italiana« von Giambattista Corniani (gest. 1813),
welche sich vom 13. bis über die Mitte des 18. Jahrh. verbreiten, und in derselben Art, aber mit mehr Kenntnis und Geist verfaßt ist die Fortsetzung dieses Werkes von Camillo Ugoni (gest. 1856) unter dem Titel: »Della letteratura italiana«, welche bis zum Ende des 18. Jahrh. reicht. Ein die ganze Litteratur des Altertums und der neuern Zeit umfassendes, aber wenig gründliches Werk ist: »Dell' origine, progresso e stato attuale d'ogni letteratura« von dem Exjesuiten Giovanni Andrès (gest. 1817). Ältere Werke, welche sich mehr auf einzelne Teile der Litteratur beschränken, sind: Antonio Mongitores »Bibliotheca sicula«, ferner der 1. Band [* 39] der »Epistolae Ambrosii Camaldulensis« (Traversari) von Lorenzo Mehus (gest. 1791),
welcher eine aus handschriftlichen Quellen geschöpfte, höchst interessante Litterärgeschichte des 13. und 14. Jahrh. enthält, Angeli Fabronis »Vitae Italorum doctrina illustrium seculi XVIII« und endlich das »Specimen historiae litterariae florentinae seculi XV« des Bibliothekars Angelo Maria Bandini (gest. 1800). Eine gute, meist aus Tiraboschi geschöpfte Übersicht des Wichtigsten aus der Geschichte der italienischen Litteratur gibt die »Storia della letteratura italiana« von Giuseppe Maffei, welche gegen das 18. Jahrh. abschließt. Um ästhetische Theorie und Kritik verdient machten sich zuerst der schon oben erwähnte Crescimbeni in seinem »Trattato della bellezza della volgar poesia«, der gelehrte Jurist Giov. Vincenzo Gravina (gest. 1718) in »Della ragion poetica«, worin er, die Nachahmung der Natur als höchstes Gesetz ausstellend, sowohl gegen Aristoteles als gegen die Marinisten zu Felde zieht, und Muratori (gest. 1750) in seinem Werk »Della perfetta poesia«. Geistreicher, aber planlos sind die ihrer Zeit vielgelesenen »Ragguagli di Parnasso« des Trajano Boccalini (gest. 1613) und deren Fortsetzung »Pietra del paragone politico«. Durch freie und unabhängige, aber oft auch launenhafte Kritik zeichnete sich vor allen Giuseppe Baretti (gest. 1789) aus. Noch sind als die Häupter derjenigen Schule, welche sich bemühte, französische Bildung in Italien zu verbreiten, zu nennen: Francesco Algarotti (gest. 1764), Saverio Bettinelli aus Mantua [* 40] (gest. 1808, »Lettere Virgiliane«, »Risorgimento d'Italia« etc.) und Melchiore Cesarotti (gest. 1808, »Saggio sulla filosofia della lingua«).
Während die Jurisprudenz seit dem durch die Philosophie herbeigeführten Verfall der Scholastik keine bedeutenden und erwähnenswerten Namen mehr aufzuweisen hat, nahmen dagegen die mathematischen und physikalischen Wissenschaften einen erfreulichen Aufschwung. Die Astronomie, [* 41] die Mathematik, die Physik, die Medizin zählen unter den Italienern des 17. Jahrh. Bearbeiter, wie sie in solcher Zahl kein andres Land aufzuweisen hat. Der glänzendste Name dieser Periode ist der des Galileo Galilei (gest. 1642), dessen Werke auch in sprachlicher Hinsicht ausgezeichnet sind. Unter seinen Schülern sind die berühmtesten: Vincenzo Viviani aus Florenz, der Erfinder des Barometers, Evangelista Torricelli (gest. 1647) aus Faenza und Benedetto Castelli aus Brescia.
Andre berühmte Mathematiker und Physiker dieser Zeit waren: Gianalfonso Borelli aus Neapel, Domenico Guglielmini aus Bologna, Giovanni Domenico Cassini. Der Jesuit Giambattista Riccioli aus Ferrara und Francesco Grimaldi aus Bologna gehörten zu den ausgezeichnetsten Astronomen ihrer Zeit. Die Medizin, bis dahin nur traditionell und unwissenschaftlich betrieben, mußte beim Erwachen der physikalischen Wissenschaften eine neue Gestalt annehmen. Unter ihren ersten Beförderern zeichnen sich aus: Marcello Malpighi, Lorenzo Bellini, vor allen aber Francesco Redi aus Arezzo (gest. 1697), Arzt, Naturforscher und geistreicher Dichter. Später machte sich Antonio Cocchi als Lehrer der Medizin zu Pisa [* 42] und Florenz berühmt. Als Botaniker und Mediziner war ausgezeichnet Domenico Cirillo. - Sowenig dieses Zeitalter den philosophischen Studien günstig war, so fehlte es doch nicht an einzelnen ausgezeichneten Köpfen.
Dahin gehören: Tommaso Campanella (gest. 1639), welcher hauptsächlich danach strebte, einen philosophischen Dogmatismus dem Zweifel der Skeptiker entgegenzustellen;
Giambattista Vico (gest. 1744), welcher durch sein Hauptwerk: »Principj di scienza nuova«, das erste Licht [* 43] in die Geschichte der Römer brachte und in vielen Punkten mit den Resultaten Niebuhrs übereinstimmt.
Gegen das Ende dieser Periode, als durch den Einfluß französischer Ideen auch in Italien ein freierer Geist der Untersuchung bezüglich aller Verhältnisse des Lebens erwachte, zeichneten sich aus: Cesare Beccaria (gest. 1794), dessen lange überschätztes Werk »Dei delitti e delle pene« wenigstens das Verdienst hat, auf Abschaffung der Tortur hingewirkt zu haben, und Gaetano Filangieri aus Neapel (gest. 1788),
dessen treffliches Werk »Scienza della legislazione« leider unvollendet geblieben ist. Noch sind zu nennen: Antonio Genovesi, Ferdinando Galiani, Mario Pagano, Pietro und Alessandro Verri.
Fünfte Periode (Neuzeit).
Diese Periode begreift die neueste Zeit vom Ende des 18. Jahrh. ab. Die politischen Ereignisse der letzten Dezennien des vorigen Jahrhunderts und namentlich die französische Revolution veranlaßten eine Krisis, durch welche eine Regeneration der Sprache, der Litteratur und des Volksgeistes überhaupt für Italien herbeigeführt worden ist. Die Nichtsthuerei, die unmännliche Weichlichkeit der höhern Stände, der kriechende ¶