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Punkt zu räumen gezwungen wurden, und die beginnende Eroberung von Sizilien [* 2] entschieden das Schicksal der südlichen italienischen Länder. Noch Gregor VII. glaubte die normännischen Fürstentümer geteilt erhalten und die Macht Robert Guiscards einschränken zu können, aber 1080 kam eine Aussöhnung zwischen Gregor und Robert durch den Abt Desiderius von Monte Cassino zu stande; Gregor VII. belehnte Robert mit allen von ihm eroberten Gebieten, wofür sich dieser zu einer Lehnsabgabe an den päpstlichen Stuhl verstand.
Als Gregor VII. 1083 von Kaiser Heinrich IV. überwunden wurde und sich ohnmächtig in der Engelsburg einschließen mußte, ward er von Robert 1084 befreit. Unter dem zweiten Herzog Roger von Sizilien gelang es, die sämtlichen normännischen Herrschaften zu vereinigen. Nachdem dieser Apulien und Kalabrien seinem Stammesvettern entrissen, nahm er 1130 den königlichen Titel als Roger I. an und eroberte auch Salerno und Amalfi. Papst Anaklet II. bestätigte Roger diese Eroberungen und den königlichen Titel, und auch Innocenz II., der Roger früher als Anhänger seines Gegenpapstes bekämpfte, versöhnte sich schließlich 1139 mit ihm und erkannte sein neues Reich als päpstlichen Lehnsstaat an.
In Oberitalien [* 3] waren inzwischen die Städte zu noch größerer Macht gelangt; an der Spitze dieser Republiken standen meistens Konsuln, welche bald einen rein aristokratischen, bald einen mehr demokratischen Charakter hatten. Häufig begannen sich Verhältnisse zu entwickeln, welche mit der Tyrannis der alten griechischen Stadtrepubliken Ähnlichkeit [* 4] hatten. Die Städte schlossen zuweilen größere Bündnisse untereinander und stählten ihre Kraft [* 5] in nicht unbeträchtlichen Fehden.
Hierher gehört der Streit, welcher 1111 mit der Zerstörung von Lodi endigte, und der zehnjährige Krieg der verbündeten lombardischen Städte gegen Como 1118-28. Durch die Bezwingung dieser Stadt wurde Mailand [* 6] das anerkannte Haupt der Lombardei, und fast alle Nachbarstädte traten mit ihm in Bündnis. Nur Pavia, um dessen Banner sich andre Städte scharten, rivalisierte noch mit Mailand. Zwistigkeiten zwischen letzterer Stadt und Cremona riefen zwischen den beiden Städtebünden 1129 einen Krieg hervor, welcher unter dem Einfluß des großen Kampfes zwischen Kaiser Lothar und dem staufischen Haus einen tiefern politischen Hintergrund erhielt.
Mit den Namen der beiden in Deutschland [* 7] streitenden Familien der Welfen (Guelfen), der Staufer (Ghibellinen) bezeichnete man in I. noch nach Jahrhunderten die sich befehdenden Hauptrichtungen der Städte und des Adels. Je weniger es sich aber hierbei um das Interesse jener beiden deutschen Geschlechter handelt, desto wandelbarer war in I. der Begriff und die Bedeutung, welche den beiden Parteinamen beigelegt wurden. Im allgemeinen neigten die guelfischen Städte zu einer mehr demokratischen Einrichtung ihrer innern Angelegenheiten und zu Bündnissen mit den kirchlichen Mächten, besonders mit den Päpsten, während die ghibellinischen Städte im Bund mit dem landsässigen Adel dem oligarchischen Stadtregiment in mehr stetiger Entwickelung treu blieben. Daneben unterließen es weder die Ghibellinen noch die Guelfen, auch den allgemeinen Angelegenheiten Italiens [* 8] ihr Augenmerk zuzuwenden; aber auch auf diesen Gebieten zeigten sie einen entschiedenen Gegensatz, indem die einen die Unabhängigkeit und Bedeutung der Nation mehr auf dem Weg einer großartigen Föderation, die andern durch ein starkes, I. als Mittelpunkt des Abendlandes betrachtendes Kaisertum zu erreichen hofften.
Die Politik der Staufer und ihr Untergang.
In der Zeit Kaiser Friedrichs I. und seiner nächsten Nachfolger trat der letztere Gegensatz in der Stellung der beiden großen Parteien wohl am stärksten hervor. Friedrich I. brachte den alten Begriff des römischen Imperiums zur deutlichsten Anschauung. Aus dem in I. neuerweckten Studium des römischen Rechts an den Universitäten und Schulen zog die kaiserliche Macht ihre praktischen Konsequenzen und beanspruchte auf Grund des alten römischen Kaiserrechts, welches zuerst auf dem großen Reichstag auf den Ronkalischen Gefilden (1158) definiert und erläutert wurde, weitgehende politische Befugnisse und Herrscherrechte über die lombardischen Städte.
Die Weigerung derselben, diese Rechte anzuerkennen, führte zum Ausbruch eines erbitterten Kampfes zwischen dem Kaiser und den Städten. Fünfmal zog Friedrich I. mit den besten deutschen Heeren nach I., zweimal demütigte er das stolze Mailand und strafte es furchtbar; aber die Schlacht von Legnano 1176, der Friede von Venedig [* 9] 1177 und der Konstanzer Vertrag mit den lombardischen Städten 1183 vereitelten die strenge Durchführung der ghibellinischen Prinzipien in I. für immer.
Die Kaiserherrschaft vermochte bei dem Widerstand des Papsttums und der Kirche und bei der Macht der Städte nicht zu einer einheitlichen, alle Stände des Reichs beherrschenden Gewalt zu gelangen. Die Konstanzer Bestimmungen blieben aber auf Jahrhunderte die Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen dem deutschen Kaisertum und der Lombardei. In diesem Frieden wurde zwar die kommunale Selbständigkeit der lombardischen Städte anerkannt; aber das Lehnsverhältnis derselben zum Deutschen Reich erhielt einen bestimmtern Ausdruck als bisher, und die Verpflichtungen der Städte in Bezug auf Steuern und andre Leistungen wurden deutlich ausgesprochen. Die kaiserliche Herrschaft war demnach in Oberitalien, wenn auch in engen Grenzen, [* 10] so doch der Hauptsache nach gesichert.
Dagegen wurde der größte Teil von Mittelitalien durch die territorialen Bestrebungen des Papsttums dem Einfluß des Kaisertums mehr und mehr entzogen. Die Bildung des Kirchenstaats im landeshoheitlichen Sinn schritt seit der Mitte des 12. Jahrh. unaufhaltsam fort. Zwar war im Anfang der Regierung Friedrichs I. in Rom [* 11] eine republikanische Bewegung vorhanden, welche, von Arnold von Brescia geleitet, sich in romantischer Anlehnung an das Altertum gegen den Adel so gut wie gegen die weltlichen Tendenzen der Päpste richtete; allein Friedrich I. hatte selbst die Hand [* 12] zur Unterdrückung dieser römischen Revolution geboten, und Arnold von Brescia fand den Tod auf dem Scheiterhaufen (1155). Seitdem arbeiteten die hervorragendsten Päpste an der vollen Entwickelung ihrer landeshoheitlichen Stellung und an ihrer sogen. Unabhängigkeit, indem sie sich einen abgerundeten Besitz zu schaffen suchten, innerhalb dessen der Kaiser jedes Realrecht verlieren, und in welchen er nur zum Empfang der Kaiserkrönung zu kommen berechtigt sein sollte.
Alexander III. benutzte Friedrichs Kampf mit den lombardischen Städten, um endlich in dem schon erwähnten Venezianischen Frieden eine Reihe von hoheitlichen Rechten an sich zu reißen. Innocenz III. aber knüpfte an die Kaiserkrönung die Bedingung einer Eidesleistung, durch welche die Grenzen des Kirchenstaats bestimmt und der unbedingte Herrschaftsbesitz innerhalb derselben dem päpstlichen Stuhl zuerkannt wurde. Die Streitigkeiten um die deutsche Krone nach dem Tod ¶
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Heinrichs VI., der Kampf zwischen Otto IV. und Philipp von Schwaben, gaben dem gewaltigen Innocenz III. Macht und Gelegenheit, im strengern Sinn des Wortes der Gründer des Kirchenstaats zu werden. Er hatte zwar selbst mit dem Welfen Otto IV., dessen Königtum er geschützt und dessen Kaisertum er geschaffen, ein friedliches Verhältnis nicht aufrecht erhalten können; aber er zwang Friedrich II., als er ihn nach Deutschland entließ, um der Wahl der deutschen Fürsten Folge zu leisten, dieselben Bedingungen in Bezug auf den Kirchenstaat einzugehen, welche Otto IV. angenommen hatte.
Angesichts der großen Schwierigkeiten, welche die politische Zersplitterung Oberitaliens, der nationale Unabhängigkeitssinn der großen Stadtrepubliken und die Machtstellung der Päpste der Begründung einer starken monarchischen Gewalt der Kaiser in Ober- und Mittelitalien entgegenstellten, hatte schon Friedrich I. den Gedanken gefaßt, das kräftige Normannenreich von Neapel [* 14] und Sizilien durch Heirat für sein Haus zu erwerben, um an ihm eine starke Stütze für seine Herrschaft in I. zu gewinnen. 1186 vermählte er seinen Sohn Heinrich VI. mit Konstanze, der Erbin des sizilischen Reichs nach dem Tod Wilhelms II., ihres Neffen, welcher 1190 als letzter legitimer Nachkomme Rogers II. starb, und 1194 ergriff Heinrich VI. die Regierung des Königreichs mit starker Hand.
Sein Sohn Friedrich II. mußte freilich, als er 1212 mit Hilfe des Papstes Innocenz III. die deutsche Krone in Besitz nahm, versprechen, daß er sein Erbkönigreich Sizilien nicht in eigner Hand behalten, sondern seinem Sohn Heinrich überlassen wolle. Auf diese Weise sollte Unteritalien lediglich als ein von den Päpsten abhängiger Vasallenstaat, Mittelitalien als päpstlicher Territorialstaat bestehen. Der Plan der Staufer, gerade Sizilien zum Fundament ihrer Macht in I. zu machen, wäre so vereitelt worden.
Indes Friedrich hielt sich, als er seine Herrschaft in Deutschland befestigt und auch die Kaiserkrone erlangt hatte, an sein Versprechen nicht für gebunden. Er organisierte sein Erbkönigreich Neapel und Sizilien, machte die kaiserlichen Rechte in allen Städten Mittelitaliens geltend und beherrschte die Lombardei auf Grund der Bestimmungen von Konstanz, [* 15] aber unter energischem Festhalten der darin dem Kaiser vorbehaltenen Rechte. Deutsche [* 16] Kraft und Kriegskunst gaben ihm die Mittel, seine Stellung in I. eine Zeitlang zu behaupten.
Als die lombardischen Städte sich 1235 gegen ihn empörten, besiegte er sie bei Cortenuova (1237), und sein Sohn Enzio und sein Schwiegersohn Ezzelino da Romano verfochten mit Kühnheit und Kraft die kaiserliche Sache in Oberitalien. Indes wie schon Friedrich I. die Unzulänglichkeit der damaligen Kriegsmittel gegen befestigte Städte hatte erfahren müssen, so vermochte auch Friedrich II. nicht, aller seiner Gegner zugleich und auf die Dauer Herr zu werden. Eine Niederlage wie die von Parma [* 17] (1248) vernichtete mit Einem Schlag alle errungenen Erfolge.
Zugleich wandten die Päpste alle kirchlichen Zuchtmittel gegen ihn an, und während es sich wesentlich um die Fragen des rechtlichen Besitzes und der rechtlichen Machtgrenzen handelte, ward der Kampf vorherrschend durch Gregor IX. und Innocenz IV. zu einer kirchlichen Angelegenheit zugespitzt und nahm schließlich einen so erbitterten, unversöhnlichen Charakter an, daß Papst Innocenz IV. schon auf dem Konzil von Lyon [* 18] 1245 die Ausrottung des staufischen Hauses in I. als Zielpunkt der päpstlichen Politik hinstellte.
Der vereinigten Macht der Kirche und der nationalen Opposition erlagen die Staufer aber erst dann, als die Päpste den Beistand Frankreichs gewannen. 1265 übertrug Clemens IV. Karl von Anjou die Krone von Neapel, 1266 verlor König Manfred Schlacht und Leben bei Benevent, und 1268 endete der letzte Staufer auf dem Blutgerüst. Als Schwiegersohn Manfreds erhob König Peter III. von Aragonien Ansprüche auf das Erbe der Staufer, und die Franzosenherrschaft fand besonders in Sizilien große Gegnerschaft. In Palermo [* 19] kam es am zweiten Ostertag 1282 zu einer furchtbaren Erhebung gegen die Franzosen, welche größtenteils ermordet wurden (Sizilianische Vesper).
Sizilien trennte sich von der Herrschaft der Anjous, und es begann ein Krieg zwischen Peter von Aragonien und Karl von Anjou, welchen auch die Nachkommen derselben fortsetzten. Im Frieden von 1302 blieb Friedrich von Aragonien König von Sizilien. Mehr und mehr gewöhnten sich die italienischen Ghibellinen, da Deutschland seine Kaiserrechte nicht wieder geltend gemacht hatte, ihr Haupt in dem Aragonesen von Sizilien zu erblicken, während die Guelfen sich unter den Schutz der Anjous von Neapel stellten.
Die Zeit politischer Zersplitterung, aber geistiger und materieller Blüte.
In Oberitalien gerieten inzwischen die mächtigen Seerepubliken in immer heftigere Fehden. Vorzugsweise war es Genua, [* 20] welches im Lauf des 13. Jahrh. zu immer größerer Bedeutung emporstieg und die Seeherrschaft an sich riß. So leisteten die Genuesen 1261 dem griechischen Kaiser Michael Paläologos bei der Vertreibung der Venezianer aus Konstantinopel [* 21] Beistand, richteten die Marine der Pisaner, ihrer ghibellinischen Nebenbuhler, zur Zeit des Kampfes Kaiser Friedrichs II. mit Papst Innocenz IV. 1248 zu Grunde und schlugen die venezianische Flotte bei Curzola 1298. Wie Genua die Herrschaft der Guelfen auf dem Meer, so begründete Florenz [* 22] das steigende Ansehen derselben Partei in Mittelitalien. In Mailand erlangten die Visconti eine Alleinherrschaft, nachdem sie die Macht der della Torre gebrochen hatten.
Und indem es auch der neuen Dynastie von Neapel gelang, in mittel- und oberitalienischen Städten Stellungen und städtische Ämter an sich zu reißen, überwog der guelfische Parteistandpunkt im Anfang des 14. Jahrh. vollständig. Aber die ghibellinische Idee der Einheit Italiens unter der Herrschaft des Kaisers erhielt damals ihren großartigsten Ausdruck in den Werken des größten italienischen Dichters Dante, dessen »Göttliche Komödie« und dessen publizistische Schriften auch politisch nicht ohne eingreifende Wirkungen blieben.
Als Kaiser Heinrich VII. den Kampf für die deutschen Reichsrechte in I. zu erneuern kam, nahmen die Ghibellinen einen unerwarteten Aufschwung, und da sich das Papsttum seit Clemens V. (1305) ganz auf Frankreich stützte und endlich die Residenz desselben 1309 nach Avignon verlegt wurde, so schienen in der That die nationalen Ideen von den Guelfen gänzlich aufgegeben zu sein und einzig und allein von den kaiserlich gesinnten Ghibellinen vertreten zu werden. Der Zug Heinrichs VII. wirkte auf die ganze Halbinsel zurück. Auch Neapel und Sizilien nahmen für und gegen die Kaiseridee Partei. So erneuerte sich der Kampf zwischen Friedrich von Sizilien und Robert von Neapel, und erst 1347 wurde die aragonische Dynastie in Sizilien von den Anjous in Neapel vollständig anerkannt. Die kaiserlichen Rechte in Oberitalien verfielen indes mehr und mehr, und nach dem Tod Heinrichs VII. war die Frage der Erwerbung oberitalienischer Besitzungen seitens deutscher Kaiser nur noch ein ¶
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Gegenstand der Hauspolitik. Wie wenig die kaiserliche Macht in I. noch zu bedeuten hatte, zeigten Verlauf und Ergebnis des Römerzugs Ludwigs von Bayern [* 24] (1327-29). Bis zum Jahr 1377, in welchem Gregor XI. den päpstlichen Stuhl wieder nach Rom verlegt hatte, blieb der Einfluß der in Avignon residierenden Päpste nur ein sehr mittelbarer. In Rom selbst waren ähnliche Kämpfe zwischen der demokratischen und aristokratischen Partei an der Tagesordnung wie im 12. Jahrh. Zur Zeit Kaiser Karls IV. erweckte Cola Rienzi noch einmal den Traum einer großen römischen Republik. Aber alle diese Bestrebungen führten zuletzt zu einem gänzlichen Verfall Italiens in politischer Hinsicht, und die unter sich uneinigen Stadtrepubliken vermochten keinen Schutz gegen die Herrschaftsgelüste fremder Dynastien zu bieten.
Während die Kirche durch das große Schisma der römischen und französischen Päpste geschwächt war, hatte König Wenzel von Deutschland die Rechte des Reichs in I. so gut wie gänzlich fallen gelassen. Nachdem die Lombardei unter die Herrschaft der Visconti gekommen war, Giovanni Visconti 1350 auch Bologna durch Kauf von den Pepoli erwarb und Genua 1353 sich vor ihm beugen mußte, auch der toscanische Bund nur geringe Erfolge gegen die Beherrscher Mailands hatte, belehnte König Wenzel Giangaleazzo Visconti 1395 mit dem Herzogtum Mailand, welches sofort begann, sich im Sinn der alten lombardischen Krongewalt auszubreiten.
Giangaleazzo unterwarf 1399 Siena, 1400 Perugia, 1402 Bologna; nur Florenz leistete Widerstand, und wenn auch nach Giangaleazzos Tod seine Herrschaft wieder zerfiel, so wurde dieselbe von seinem Nachfolger Filippo Maria besonders 1416-20 um so umfassender wiederhergestellt. Selbst Genua wurde 1422 der Botmäßigkeit Viscontis unterworfen, welcher vier seiner Räte an die Spitze der Regierung stellte. Dessenungeachtet scheiterte der Plan einer über Ober- und Mittelitalien ausgebreiteten Viscontischen Herrschaft schließlich.
Schon im Frieden von Ferrara [* 25] 1428 sah sich Filippo Maria genötigt, den mit den Florentinern nunmehr verbündeten Venezianern das Gebiet jenseit der Adda abzutreten. Als er 1447 starb, entstand zunächst eine republikanische Bewegung in Mailand, während welcher das gewonnene Übergewicht des mailändischen Herzogtums wieder verloren ging. Aber schon längst hatte der Feldhauptmann Francesco Sforza eine der des Herzogs fast gleiche Macht behauptet, und so wurde es diesem nicht schwer, sich an die Spitze der Republik zu schwingen und von Kaiser Friedrich III. seinem Haus die erbliche Herzogswürde zu erwirken. Zu derselben Zeit wußten auch andre Familien, welche in Städten seit längerer Zeit den Prinzipat behauptet hatten, von den Kaisern die herzogliche Würde zu erlangen; so die Gonzaga in Mantua [* 26] und Montferrat, die Este in Modena, Amadeus VIII. in Savoyen. In Florenz begann das Kaufherrenhaus der Medici einen politischen Einfluß zu gewinnen und mit Giovanni und Cosimo de' Medici an die Spitze der Republik zu gelangen, indem es den Grund zur Entstehung des spätern toscanischen Staats legte. In Neapel endlich trat um die Mitte des 15. Jahrh. eine der entscheidendsten Thronveränderungen ein.
Nachdem in Sizilien oder, wie die Insel seit dem Vertrag von 1372 genannt wurde, in dem Königreich Trinakrien der Sohn Johanns von Kastilien, Ferdinand, welcher die Krone von Aragonien trug, nach langen Wirren als Herrscher anerkannt worden war, folgte dessen Sohn Alfons V. in beiden Königreichen 1416. Während der unruhigen Regierung Johannas II., der Schwester des Königs Wladislaw, der letzten Herrscherin aus der ältern Linie der Anjous, hatten zwar die jüngern Anjous die Regierung an sich zu reißen gesucht; aber Johanna hatte 1420 den König Alfons von Aragonien und Sizilien adoptiert und zum Erben ihrer Krone eingesetzt. Trotz der Bemühungen der Franzosen, nach Johannas Tod 1435 die Nachfolge Alfons' V. zu verhindern, regierte er dennoch mit Klugheit und Kraft bis 1458 und hinterließ Neapel seinem natürlichen Sohn Ferdinand I., während in Sizilien, Sardinien [* 27] und den andern aragonischen Reichen sein Bruder Johann folgte.
Wie die Verhältnisse Italiens gegen Ende des 15. Jahrh. sich gestaltet hatten, konnte man noch einmal den guelfischen Traum einer italienischen Föderation unabhängiger Staaten hegen, mußte aber dann die rasche und bittere Enttäuschung dauernder Fremdherrschaft erleben. Das politische Gleichgewicht war durch fünf Mächte erhalten worden: durch Neapel, welches unter der Regierung Ferdinands I. noch für seine Unabhängigkeit von dem verwandten aragonischen Haus aufzutreten Ursache fand;
durch den Kirchenstaat, welcher wie eine Hausmacht der Päpste nach Wiederherstellung des kurialen Ansehens gegenüber den Konzilen unter der Regierung einer Reihe geistig hervorragender Männer zu einer raschen Entwickelung gelangte;
durch Florenz, dessen Leitung vornehmlich Lorenzo de' Medici hatte;
durch Venedig, welches sich in den Besitz des Festlandes gesetzt hatte und die Hälfte des lombardischen Reichs beherrschte, und durch Mailand, wo die Herrschaft der Sforza eben erstarkte.
Der spätere Papst Paul IV. verglich den Zustand Italiens in dieser Zeit mit einem wohlgestimmten Saiteninstrument und bedauerte, daß die schöne Harmonie der Mächte durch die Leidenschaften der Machthaber und durch die Herrschaftsgelüste der fremden Nationen zerstört worden sei.
In der That gelang es nicht, I. in irgend einer Form politisch zu einigen. Derselbe Unabhängigkeitssinn und Partikularismus, welcher der deutschen Herrschaft so erfolgreichen Widerstand geleistet hatte, widerstrebte auch der Unterordnung unter ein gemeinsames nationales Oberhaupt. Zugleich waren die Bürgerschaften der großen Stadtrepubliken in Parteien gespalten und bekämpften sich die fürstlichen Geschlechter in unaufhörlichen Fehden.
Bot so I. in den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters in politischer Beziehung ein trostloses Bild, so ragte es doch über alle andern Länder Europas durch die glänzende Entwickelung seiner Kultur hervor. Noch beherrschten Venedig und Genua den Handel mit dem Orient und speicherten ungeheure Reichtümer auf. Gewerbe und Kunstfleiß blühten. Durch Dante, Petrarca und Boccaccio erhielt I. eine nationale Poesie in einer nationalen Schriftsprache. Die bildenden Künste erstanden zuerst in I. wieder, und auch die Wiederbelebung des klassischen Altertums, der Humanismus, ging von I. aus. Mitten unter den politischen Wirren entwickelte sich in I. die Kultur der Renaissance, jene herrliche Blüte [* 28] geistigen Lebens und Schaffens.
Der Kampf Frankreichs und des Hauses Habsburg um die Herrschaft in Italien.
Die Besorgnis Lodovico Moros, der für seinen schwachsinnigen Neffen Galeazzo Sforza Mailand regierte, vor den Eroberungsplänen des Königs von Neapel bewog ihn, Frankreich zum Einschreiten in I. aufzufordern. Karl VIII., der überdies als Erbe ¶
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der Anjous Anrechte auf Neapel zu besitzen meinte, ging darauf ein und unternahm seinen berühmten Zug nach Neapel, der den Anfang einer Reihe von welthistorischen Kämpfen auf der italienischen Halbinsel bildete. Als aber Karl VIII. 1494 Neapel unterworfen hatte und weder Lodovico Moro noch auch der Papst Alexander VI., welcher seinem Sohn Cesare Borgia ein italienisches Fürstentum erwerben wollte, sich hinreichend von den Franzosen belohnt fanden, schlossen die meisten Staaten Italiens ein Bündnis gegen Karl VIII., riefen den deutschen Kaiser Maximilian I. nach I. und veranlaßten den Rückzug der Franzosen.
König Ferdinand II. zog wieder in Neapel ein, und da er schon 1496 starb, folgte ihm sein Oheim Friedrich. Allein Ludwig XII. von Frankreich erneuerte gleich nach seinem Regierungsantritt 1498 den Krieg in I. Hauptsächlich sollte seine Unternehmung darauf gerichtet sein, Neapel zu gewinnen; er wollte aber auch die Treulosigkeit der oberitalienischen Mächte strafen und vor allem in Oberitalien festen Fuß fassen. In der That wurden in Mailand die Sforza des Herzogtums beraubt, nachdem Lodovico Moro 1500 in französische Gefangenschaft geraten war.
Kaiser Maximilian I., von den italienischen Mächten vielfach getäuscht, von den Deutschen ohne Unterstützung gelassen, belehnte jetzt selbst den französischen König mit dem Herzogtum Mailand und trat 1508 mit demselben zu Cambrai sogar in einen Bund gegen Venedig, welchem sich auch Ferdinand der Katholische von Aragonien anschloß, der seit 1504 unbestritten in Neapel regierte. Indessen wußte die kluge Politik Venedigs den unnatürlichen Bund der Großmächte bald zu trennen, und Papst Julius II. stiftete die Heilige Liga zur Vertreibung der Fremden aus I. Wirklich verlor Ludwig XII. seinen mailändischen Besitz wieder, besonders da er auch von den Engländern in Frankreich angegriffen wurde und gegen die Schweizer kämpfen mußte, welche damals in den Dienst der italienischen Mächte übergetreten waren.
Die Venezianer besetzten den größten Teil ihrer Gebiete wieder; in Mailand zog Massimiliano Sforza, Lodovico Moros Sohn, ein. Aber im Riesenkampf von Marignano überwältigte König Franz I. 1515 seine Feinde in I. und nahm von der Herrschaft über Mailand wieder Besitz. Auf dem päpstlichen Stuhl war dem franzosenfeindlichen Julius 1513 der prachtliebende Mediceer Leo X. gefolgt, welcher Franz I. anfänglich auch in Bezug auf Neapel Zugeständnisse machte, dieselben aber erst nach dem Tod Ferdinands des Katholischen verwirklichen wollte.
Als nun aber Karl V. erst in Spanien [* 30] und 1519 in Deutschland die Regierung übernahm, wurde der entscheidende Krieg zwischen den beiden um die Weltherrschaft streitenden Mächten vorzugsweise in I. ausgefochten. Nachdem Franz I. 1525 bei Pavia in die Gefangenschaft seines Gegners gefallen war, verzichtete derselbe im Madrider Frieden 1526 auf die Herrschaft in I. Neapel und Sizilien blieben mit Spanien vereint, Mailand erhielten die Sforza zurück. Als Massimiliano Sforza seine Politik änderte und den unter Papst Clemens VII. vereinigten Feinden des Kaisers beitrat, wurde er des Herzogtums wieder entsetzt.
Die Liga, welche sich gegen den Kaiser bildete, wurde durch die Erstürmung von Rom gesprengt (1527), und Papst Clemens VII. schloß 1529 mit dem Kaiser den Frieden von Barcelona, [* 31] in welchem er die Herrschaft desselben in I. anerkannte; sein Hauptbeweggrund dabei war die Rücksicht auf die Reformation in Deutschland, welche Karl zu unterdrücken versprach. Sforza erhielt zwar durch Vermittelung des Papstes sein Herzogtum zurück, mußte aber Como und das Kastell von Mailand den kaiserlichen Truppen überlassen.
Massimiliano starb jedoch, als der Letzte aus dem Hause Sforza, bereits 1535, und belehnte Karl V. seinen Sohn Philipp II. mit dem Herzogtum Mailand. Dieses Übergewicht des spanisch-habsburgischen Hauses in I. suchten die Franzosen zwar noch durch eine Reihe von Kriegen zu brechen; aber immer wieder mußten sie die Bedingung des Madrider Friedens annehmen, bis endlich durch den Friedensschluß von Cateau-Cambrésis (1559) der durch Karl V. gegründete Besitzstand Italiens dauernde Anerkennung fand.
Auch in den kleinern Fürstentümern überwog der Einfluß Spaniens, und die Fremdherrschaft machte sich auch in den Städterepubliken geltend. Als die männliche Linie der Markgrafen von Montferrat erlosch, schenkte Karl V. ihr Land 1536 den ihm besonders treuen Gonzaga von Mantua. Parma und Piacenza, schon von Julius II. dem päpstlichen Stuhl erworben, wurden vom Papst Paul III. in ein Herzogtum verschmolzen und seinem Sohn Pietro Luigi Farnese verliehen. In Genua hielt sich der berühmte Doge Andrea Doria, nachdem er 1523 seine Vaterstadt aus den Händen der Franzosen befreit hatte, ebenfalls zur Partei des Kaisers.
Die Verschwörung des Fiesco 1547 vermochte nicht, die Macht der Doria zu brechen. Da sich auch das savoyische Haus, welches im Frieden von Cateau-Cambrésis Piemont wiedererhielt, an das politische System Spaniens anschloß, so war die Halbinsel seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. in vollständige Abhängigkeit von Spanien geraten, und da Philipp II. Neapel bereits 1555 von seinem Vater erhielt, so war im Norden [* 32] und Süden der Wille des großen Selbstherrschers gleich maßgebend geworden und drückte, trotzdem daß I. unter seiner Regierung verhältnismäßiger Ruhe genoß, auf den geistigen und materiellen Fortschritt der Nation.
Italien unter spanischem u. österreichischem Einfluß.
Nachdem im 16. Jahrh. die bildenden Künste hauptsächlich unter dem Schutz der Päpste zur höchsten Entwickelung gekommen waren, sank I. unter der politischen Herrschaft Spaniens und dem streng asketisch-hierarchischen System der reorganisierten Kirche in den folgenden anderthalb Jahrhunderten immer tiefer und zehrte gewissermaßen bloß von dem geistigen Kapital der Vergangenheit. Die spanische Regierung in den unmittelbar beherrschten Gebieten und ihr Einfluß auf die territorial, aber nicht politisch unabhängigen Gebiete, wie den Kirchenstaat, Venedig, Florenz etc., beruhten auf einem ausgedehnten militärischen System und auf einer sorgfältigen polizeilichen Überwachung. In die richterlichen und Kommunalangelegenheiten mischten sich die Spanier namentlich in Oberitalien wenig oder gar nicht; aber durch die im 16. Jahrh. eingetretenen Veränderungen des Welthandels wurde die Halbinsel in eine isolierte Lage gebracht, welche die spanische Regierung im Interesse des eignen Volkes ausbeutete, und wodurch der frühere Wohlstand der Nation untergraben wurde.
Selbst die römische Kirche mußte sich die Beeinflussung seitens der spanischen Könige in einem Maß gefallen lassen, wie sie die deutschen Kaiser vorher nie ausgeübt hatten. Der Gewissenszwang, welchen Spanien im Sinn und Interesse der katholischen Religion beförderte, bot schließlich selbst den Päpsten nur einen schwachen Ersatz für den Verlust der politischen Macht, welche sie so viele Jahrhunderte hindurch sich zu schaffen bemüht waren. Wenn man von den kleinern Differenzen der italienischen Mächte untereinander ¶
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absieht, so vermochte keiner der Päpste seit Paul IV. und Pius IV. in einer internationalen europäischen Angelegenheit ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale zu werfen. Selbst der bedeutendste unter den Päpsten des 16. Jahrh., Sixtus V., war nur imstande, seinen Namen für die innere Geschichte des Kirchenstaats denkwürdig zu machen. In den Streitigkeiten Pauls V. mit Venedig zog der erstere 1608 entschieden den kürzern, und die kirchlichen Machtmittel reichten nicht einmal hin, um einen nahegelegenen Staat im Sinn der römischen Rechtsanschauungen zu lenken.
So erklärt es sich denn, daß die römischen Päpste seit dem 17. Jahrh. anfingen, mehr und mehr zu Frankreich hinzuneigen, als dort die bourbonische Dynastie den Kampf gegen das spanisch-habsburgische Haus nach Beilegung der innern religiösen Kriege wieder aufnahm. Als einen ersten Erfolg der französischen Politik in I. seit fast 100 Jahren wird man die Nachfolge der Familie Nevers in Mantua und Montferrat nach dem Aussterben der Gonzaga bezeichnen können. Mitten im Dreißigjährigen Krieg hatte der Kardinal Richelieu den mantuanischen Erbfolgekrieg entzündet und den Kaiser Ferdinand II. gezwungen, den Herzog Karl von Nevers dem Interesse Spaniens entgegen 1631 mit Mantua und Montferrat zu belehnen. Zu ebenderselben Zeit bemächtigte sich der römische Stuhl, von Frankreich unterstützt, des Herzogtums Urbino nach dem Aussterben des Hauses della Rovere mit Franz Maria.
Schon begann unter Ludwig XIV. der französische Einfluß in den einzelnen kleinern Staaten denjenigen Spaniens zu verdrängen, als die spanische Erbfolgefrage auftauchte, durch deren Entscheidung das Schicksal Italiens voraussichtlich im wesentlichen bestimmt werden mußte. Sowohl Frankreich als Österreich [* 34] suchten in I. die Entschädigungsobjekte für ihre Ansprüche auf die spanische Krone und richteten zunächst ihr Augenmerk auf Oberitalien, wo auf den alten, wohlbekannten Schlachtfeldern noch einmal um das politische Übergewicht in Europa [* 35] gekämpft wurde.
Mit dem Jahr 1706 war insbesondere durch Prinz Eugens Sieg bei Turin [* 36] der Besitz der Lombardei für Österreich gewissermaßen entschieden. Durch den Utrechter Frieden 1713, welchen Österreich 1714 zu Rastatt [* 37] im wesentlichen acceptierte, wurde, nach gänzlicher Abtrennung der europäischen Nebenländer von Spanien, Österreich die vollständig dominierende Macht auf der Halbinsel. Es erhielt außer Mailand das Königreich Neapel und die Insel Sardinien; auch Mantua war nach Ächtung des treubrüchigen Herzogs von dem Kaiser als heimgefallenes Reichslehen in Besitz genommen worden.
Die Insel Sizilien erhielt der Herzog von Savoyen, doch wurde dieselbe wenige Jahre später durch einen Separatvertrag gegen Sardinien ausgetauscht, wobei der Herzog von Savoyen den Titel eines Königs von Sardinien annahm. Das Bestreben der neuen bourbonischen Dynastie in Spanien ging sofort dahin, die frühere Herrschaft über I. wiederzuerlangen; doch wurde dieses Ziel nur insoweit erreicht, als ein jüngerer Zweig des bourbonischen Hauses in den Besitz von italienischen Ländern kam.
Bei dem Aussterben des Hauses Farnese in Parma und Piacenza 1731 erhielt der Infant Karl von Spanien diese Herzogtümer, welche er jedoch im Wiener Frieden 1738 an Österreich abtrat; hierfür und zugleich für Anerkennung der Pragmatischen Sanktion von seiten Spaniens und Frankreichs wurde Karl König von Neapel und Sizilien, auf welche Länder Österreich verzichtete, um seinen oberitalienischen Besitz zu arrondieren, und welche fortan eine Sekundogenitur der spanischen Bourbonen sein sollten.
Allein auch von dem Mailändischen mußte Österreich im Wiener Frieden und später nach dem österreichischen Successionskrieg im Aachener Frieden 1748 an Savoyen Tortona, Novara und andre Grenzgebiete am Ticino abtreten. Wenige Jahre früher (1737) war das Haus der Mediceer in Florenz erloschen; das Land kam nun unter dem Namen eines Großherzogtums Toscana an den Gemahl Maria Theresias, Herzog Franz Stephan von Lothringen, und ward später, als Franz I. 1745 römischer Kaiser geworden war, für eine Sekundogenitur des habsburg-lothringischen Hauses erklärt. Massa und Carrara erbten 1743 die Este von Modena, während für den spanischen Infanten Don Philipp im Aachener Frieden abermals ein bourbonisches Herzogtum in Parma und Piacenza gegründet wurde.
Demnach schien der Zustand Italiens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. so geordnet zu sein, daß die einzelnen großen Herrscherfamilien Europas hinreichende Anknüpfungspunkte auf der Halbinsel fanden, ohne daß deshalb das Gleichgewicht [* 38] gestört werden sollte. Die jüngern Linien der Lothringer und Bourbonen herrschten in Toscana, Parma, Neapel und Sizilien; Mailand allein stand unter der unmittelbaren Fremdherrschaft Österreichs; diesem gegenüber besaß Savoyen außer Sardinien auch ein hinreichendes Stück der Lombardei, um weitere Eingriffe Österreichs mit Hilfe der Westmächte abwehren zu können.
Die Republiken Genua und Venedig hatten zwar ihre politische Weltstellung längst verloren, konnten aber unbeirrt in ihren Gebieten herrschen, während der Kirchenstaat in vollständiger Arrondierung sich breit zwischen den eifersüchtigen Mächten ausdehnte und geeignet schien, den Friedenszustand zu erhalten. In diesen Territorialverhältnissen konnte eine gewisse Ähnlichkeit mit den Zuständen am Ende des 15. Jahrh. gefunden werden, wo I. in seiner vollen Blüte stand. Da die neuen Herrscherfamilien nichts unterließen, um sich der italienischen Nationalität einzufügen, und in einigen Fürstentümern, wie Toscana, eine sehr geregelte Administration eingeführt wurde, auch in dem österreichischen Mailand unter Maria Theresia eine von der Zentralregierung so gut wie ganz unabhängige Verwaltung bei vollkommener Anerkennung der italienischen Rechtsverhältnisse bestand, so bezeichneten die staatlichen Feststellungen des 18. Jahrh. für I. in der That einen großen Fortschritt gegenüber der spanischen Epoche seiner Geschichte. Im Gebiet der Wissenschaft und Kunst waren der nationalen Entwickelung keine so hemmenden Fesseln angelegt wie in der frühern Zeit; die allgemeine Lockerung der religiösen und kirchlichen Zwangsverhältnisse hatte auch in I., wie überall im 18. Jahrh., das Aufkommen neuer Ideen ermöglicht. Einige Regierungen schritten sogar selbst rüstig voran, dem Zeitgeist in kirchlicher und staatlicher Beziehung Bahn zu brechen. Die mittelalterliche Richtung auf eine strengere politische Einheit der Nation schien erloschen, und die Zerreißung derselben in viele Staaten selbst auf dem Gebiet der materiellen Interessen wurde noch als kein allzu großes Übel empfunden.
Italien in der Revolutionszeit.
Dieser Zustand wurde nun durch die französische Revolution gewaltsam erschüttert. Mehr von außen herein als von innen heraus ward auch I. von revolutionären Bewegungen erfüllt. Zunächst mehr dem Zug nach allgemeiner Freiheit folgend, schlossen sich die bürgerlichen Kreise [* 39] den Ideen der französischen Revolution an, ohne eine wesentliche ¶
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Veränderung der Territorialverhältnisse zu erwarten oder zu wünschen. Aber die Machthaber in Paris, [* 41] welche die Bedeutung Italiens wohl zu würdigen wußten, hatten es gerade darauf abgesehen, das bisherige Staatensystem in I. aus den Angeln zu heben, und die im Namen der Freiheit auf dem italienischen Boden erscheinenden Armeen traten keineswegs als bloße Freiheitsschwärmer auf. Bereits im September 1792 rückten französische Truppen in Savoyen ein. Im Februar 1793 kündigte der Nationalkonvent Neapel den Krieg an; 1794 drangen die französischen Armeen in Piemont und Genua vor, wurden zwar 1795 von den Österreichern zurückgedrängt und von Neapel und Sardinien genötigt, I. wieder zu verlassen; aber nachdem 1796 Bonaparte das Kommando der französischen Armeen in I. übernommen hatte, wurde der König von Sardinien zu einem Frieden genötigt, in welchem er Nizza [* 42] und Savoyen an Frankreich abtrat.
In der Lombardei folgten die entscheidenden Schlachten, [* 43] welche den Namen des jungen Generals zu plötzlicher Berühmtheit brachten. Neapel erbat den Frieden; aus Mantua, Mailand, Modena und dem Teil von Parma diesseit des Po wurde die Cisalpinische Republik gebildet (1797). Der Kirchenstaat wurde 1798 in eine Römische [* 44] Republik umgewandelt, während Genua sein Gebiet an die Ligurische Republik abtrat. Das venezianische Gebiet war schon 1797 von den Franzosen besetzt und die aristokratische Regierung in eine demokratische verwandelt worden.
Der Friede von Campo Formio überließ an Österreich Venedig bis zur Etsch und schlug das übrige Gebiet desselben zur Cisalpinischen Republik. Der König von Sardinien hatte mit den Franzosen einen Allianz- und Subsidienvertrag schließen müssen. Als aber infolge der zweiten Koalition Frankreich auch von Neapel und dem Kirchenstaat angegriffen wurde, zwang das Direktorium den König von Sardinien, alle seine Länder auf dem Festland abzutreten. In Neapel faßte der General Championnet festen Fuß und bildete nach Vertreibung des Königs 1799 die Parthenopeische Republik, während Piemont und Toscana von den Franzosen militärisch verwaltet wurden.
Zwar mußten die Franzosen wieder das ganze I. räumen, als die Heere der zweiten Koalition mehrere glänzende Siege erfochten, und der Papst und der König von Neapel kehrten in ihre Staaten zurück. Aber Napoleons I. Sieg bei Marengo [* 45] machte die Franzosen wieder zu Herren von Oberitalien. Der Lüneviller Friede 1801 bestimmte, daß Österreich im Besitz von Venedig bleiben, daß der Herzog von Parma Toscana als König von Etrurien beherrschen und Parma zu Frankreich geschlagen werden sollte.
Frankreich und Österreich garantierten der Cisalpinischen und der Ligurischen Republik, welch letztere auch die eingeschlossenen Reichslehen erhielt, ihren Bestand. Jetzt mußte sich auch der König von Neapel zum Frieden von Florenz verstehen, in welchem er Piombino und seine Hälfte der Insel Elba an Frankreich verlor. Zugleich erhielten die Republiken Genua und Lucca [* 46] neue demokratische Verfassungen, während die Cisalpinische Republik 1802 in eine Italienische Republik verwandelt wurde. Zum Präsidenten derselben wurde Napoleon auf zehn Jahre gewählt und nahm Melzi d'Erilo zu seinem Stellvertreter.
Nachdem Napoleon I. Kaiser geworden war, bildete er 1805 die Italienische Republik in ein Königreich um, machte sich selbst zum König und seinen Stiefsohn Eugen Beauharnais zum Vizekönig desselben, erteilte dem Land eine der französischen fast gleiche Verfassung und vereinigte Guastalla damit, während seine Schwester Elise Bacciocchi mit Piombino und Lucca als Fürstentümern und französischen Lehen bedacht wurde. Im Preßburger Frieden (1805) kamen das österreichische Venedig, Istrien [* 47] und Dalmatien zum Königreich I., so daß dasselbe jetzt einen Flächenraum von mehr als 90,000 qkm mit 5,657,000 Einw. umfaßte.
Auch Guastalla, die Ligurische Republik, Parma und Piacenza wurden 1806 mit dem Königreich I. vereinigt. Nachdem Neapel von den Franzosen besetzt worden war, wurde der Bruder Napoleons, Joseph Bonaparte, zu dessen König erhoben und das Land von ihm ungeachtet einer Empörung in Kalabrien und der Landung der Engländer in Besitz genommen. Als aber Joseph Bonaparte 1808 das Königreich Spanien erhielt, wurde Joachim Murat, bisher Großherzog von Berg, König von Neapel. In Sizilien dagegen behaupteten sich die Engländer und erhielten die Insel dem König Ferdinand von Neapel.
Nachdem 1808 Etrurien französisch geworden war, erhielt Elise Bacciocchi den Titel einer Herzogin und Statthalterin von Toscana. Der Kirchenstaat wurde gleichfalls von Napoleon eingezogen und mit Frankreich vereinigt, die weltliche Herrschaft des Papstes aufgehoben, und der Sohn Napoleons und Maria Luises erhielt in der Wiege den Titel eines Königs von Rom. Während der größte Teil von Südtirol nach dem Wiener Frieden zum Königreich I. geschlagen wurde, wurden die diesem früher einverleibten Länder Istrien und Dalmatien nebst Krain und Kärnten zu einem besondern Königreich Illyrien vereinigt. Das Festland von I. zerfiel also in drei Hauptteile: das Königreich I., den französischen Teil (die Nordwestküste) und das Königreich Neapel;
Sardinien und Sizilien gehörten ihren vom Festland vertriebenen Königen.
So willkürlich und gewaltsam nun auch die Schöpfungen Napoleons in I. waren, und sowenig dabei die nationalen Interessen oder der Volkswille in Betracht gezogen wurden, so war die französische Herrschaft doch in mehrfacher Beziehung segensreich. Wie in Deutschland, so räumte sie auch in I. mit scharfem Besen mittelalterliche Mißbräuche und überlebte Zustände hinweg. Auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet konnte die Nation sich wieder freier bewegen, und wenn auch die Hoffnungen, welche viele Patrioten für eine Wiederherstellung der nationalen Einheit auf Napoleon gesetzt hatten, sich nicht erfüllten, so waren doch diese Bestrebungen aus langem Schlaf wieder erweckt worden und konnten nicht mehr völlig unterdrückt werden. Es war daher erklärlich, daß I. wenig Anteil an der Befreiung Europas von der Gewaltherrschaft Napoleons nahm. Im ganzen blieben die Italiener ruhig, leisteten dem französischen Kaiser ihre Heeresdienste sowohl 1812 in Rußland als 1813 gegen die verbündeten Mächte und enthielten sich aller revolutionären Bewegungen, nachdem allerdings in Oberitalien von dem Vizekönig, in Neapel von Joseph und Murat schon in den Jahren vorher alle Verschwörungen mit beispielloser Härte erstickt worden waren.
Die Restauration.
Das Schicksal Italiens sollte auch bei der Neugestaltung Europas in keiner Weise durch I. selbst, sondern abermals durch den Willen der fremden Mächte und durch die Abmachungen der Kabinette ausschließlich bestimmt werden. Als der hauptsächlichste Gesichtspunkt für die Ordnung der ¶