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137 Unterpräfekturen und 78 Distriktskommissariate. Unter den Präfekten und Unterpräfekten (Distriktskommissaren) fungieren die Gemeindevorsteher (Sindaci, s. oben) als Regierungsbeamte. Die Sicherheitspolizei wird von den Präfekten, Unterpräfekten (oder Distriktskommissaren) mit beigegebenen Inspektoren und Delegaten, in zwölf großen Städten von Quästoren (mit Inspektoren) geleitet. In jeder Provinz bestehen ein Sanitätsrat, ein Schulrat, eine Postdirektion, eine Finanzintendanz und ein Bauamt; für größere Gebiete sind 9 Telegraphendirektionen, 34 Forstdepartements und 8 Bergämter eingesetzt.
Was die Überwachung der Provinzen und Gemeinden durch den Staat betrifft, so haben die Präfekten die Protokolle und Beschlüsse der Gemeinde- und Provinzialräte zu prüfen, auch liegt der Provinzialvertretung die Oberaufsicht über das Budget der Gemeinden u. dgl. ob. Gegen Entscheidungen beider ist Rekurs möglich. Der König kann die Gemeinde- und Provinzialräte auflösen, in dringenden Fällen sogar der höchste Provinzialbeamte. Binnen drei Monaten nach der Auflösung muß jedoch eine Neuwahl angeordnet werden. Bei Auflösung des Provinzialrats tritt der Präfekt und der Präfekturrat ein, bei Auflösung des Gemeinderats ein königlicher Kommissar.
Die Rechtspflege wird in I. gehandhabt von 5 Kassationshöfen (in Rom, [* 2] Turin, [* 3] Florenz, [* 4] Neapel [* 5] und Palermo), [* 6] dann 24 Appellhöfen, 92 Assisenhöfen, 161 Zivil- und Korrektionstribunalen, 1804 Präturen, 28 Handelstribunalen, ferner von Vermittlern (conciliatori) in jeder Gemeinde und von Militärgerichten.
Finanzen.
Der Staatshaushalt des Königreichs I. leidet seit dem Bestand des neuen Staats an einem bedeutenden Defizit sowie an einer Überlastung mit Schulden, und es ist erst heute gelungen, die mißlichste Frage der italienischen Verwaltung, die Herstellung des Gleichgewichts zwischen den Einnahmen und Ausgaben, in dauernd befriedigender Weise zu lösen. Es sind nicht bloß die Kosten der Kriege und die Schuldenlast der ehemaligen italienischen Staaten, mit denen das junge Königreich vom Tag seiner Entstehung an zu rechnen hatte; es ist auch nicht allein die Erhaltung der unentbehrlichen Militärmacht, was die italienische Staatsbilanz zu einer so passiven gestaltete: vielleicht die wichtigste Ursache hiervon liegt in dem verhältnismäßigen Mangel an volkswirtschaftlichen Produktivkräften und an augenblicklicher Fähigkeit, die reichen, aber namentlich im Süden noch völlig unentwickelten Hilfsquellen des Landes in hinreichendem Maß nutzbar zu machen und so die nach der Lage der Dinge unausweichliche Ausgabenlast entsprechend zu decken.
Die Regierung ist wohl bestrebt, durch Hebung [* 7] der Bodenkultur, der Verkehrswege etc. die Produktions- und Steuerkraft des Landes zu heben; doch erfordert dies erhöhten Aufwand und zeitigt seine Früchte erst spät. In den 20 Jahren einheitlicher Administration ist das Defizit allerdings geschwunden (1866 betrug es 721,4 Mill. Lire), doch war dies nur durch hochgespannte Inanspruchnahme der Steuerkraft zu erreichen. Eine sehr anerkennenswerte staatsfinanzielle Maßregel war die im J. 1883 durchgeführte Aufhebung des Zwangskurses des Papiergeldes und die Rückkehr zur Metallwährung. Das Staatsbudget für das mit Ende Juni endende Finanzjahr 1886/87 präliminiert die Einnahmen und Ausgaben folgendermaßen:
a) Ordentliche Einnahmen | Lire |
1) Renten von den Staatsaktiven | 18681378 |
2) Grund- und Gebäudesteuer | 183217840 |
3) Einkommensteuer | 208347876 |
4) Abgaben für Vermögensübertragung und Rechtsgeschäfte | 187388000 |
5) Zölle | 232600000 |
6) Konsumsteuern (Oktroi) | 81577245 |
7) Tabak | 188300000 |
8) Salz | 58500000 |
9) Lotto | 76500000 |
10) Andre Konsumsteuern | 33950000 |
11) Post und Telegraph | 56168925 |
12) Staatseisenbahnen | 58000000 |
13) Andre öffentliche Anstalten | 19357900 |
14) Rückzahlungen | 22661556 |
15) Verschiedene Einnahmen | 7402200 |
16) Durchlaufende Einnahmen | 92759678 |
: | 1525412598 |
b) Außerordentliche Einnahmen | 193614541 |
Gesamteinnahmen: | 1719027139 |
Dem gegenüber sind die Ausgaben mit 1,700,229,160 Lire beziffert, so daß der Überschuß 18,797,979 Lire beträgt. Die Staatsausgaben verteilen sich auf das Ordinarium mit 1,423,916,040 Lire und auf das Extraordinarium mit 276,313,120 Lire. Auf die einzelnen Posten verteilen sich die ordentlichen Ausgaben wie folgt:
Lire | |
1) Ministerium des Schatzes (Staatsschuld, Pensionen, Zivilliste, Parlament, Domänen) | 721013900 |
2) Finanzministerium (Verwaltungs- und Erhebungskosten) | 182699112 |
3) Justiz und Kultus | 33665052 |
4) Ministerium des Äußern | 7807242 |
5) Öffentlicher Unterricht | 34736882 |
6) Ministerium des Innern | 60737184 |
7) Ministerium der öffentlichen Arbeiten | 78529878 |
8) Kriegsministerium | 220106618 |
9) Marine | 71315660 |
10) Ackerbau und Handel | 13304512 |
Zusammen: | 1423916040 |
Der wirkliche Erfolg des Staatshaushalts war übrigens gegenüber den Präliminarien in den letzten Jahren noch günstiger. Neue Anleihen erscheinen sonach unter normalen Verhältnissen für die Zukunft ausgeschlossen. Außerdem beliefen sich die Ausgaben der Gemeinden, die teilweise durch eine Verbrauchssteuer und durch Zuschläge zu Staatssteuern gedeckt werden, 1884 auf 526 Mill. Lire.
Die italienische Staatsschuld hat allerdings im Verhältnis zu den Produktivkräften des Landes eine außerordentliche Höhe erreicht. Sie erforderte 1885/86 einen Zinsenaufwand von 534,304,418 Lire, wovon auf die konsolidierte Schuld und zwar zu 5 Proz. 441,9, zu 3 Proz. 6,4 Mill. Lire kamen. Auf Amortisation wurden in diesem Jahr 1,120,112 Lire verwendet. Wenn man obigen Zinsenbetrag kapitalisiert, so ergibt sich ein Nominalkapital der italienischen Staatsschuld von ungefähr 10,250 Mill. Lire. Nimmt man noch auf die andern öffentlichen Schulden Rücksicht, so kommen an Gemeindeschulden im J. 1881: 724,1, an Schulden der Provinzen 102,2 Mill. Lire hinzu.
Heerwesen und Marine.
Das Wehrgesetz vom bildet die Grundlage für das heutige Heerwesen in I. Nach der Einigung Italiens [* 8] regelte das Wehrgesetz vom die Kriegsformation des Heers und das Gesetz vom die Territorialeinteilung. Durch Gesetz vom wurde sodann die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und durch Gesetz vom Bestimmung über die Ergänzung des Heers getroffen. Dieses Gesetz machte eine ¶
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Abänderung der Bestimmungen über den Einjährig-Freiwilligendienst vom notwendig, welche durch Dekret vom erfolgte. Das Gesetz vom regelte die Befestigungen im Land, namentlich in den Alpenthälern, und an den Küsten. - Die Dienstpflicht dauert 19 Jahre, vom 20. bis 39. Lebensjahr. Die Streitmacht zerfällt in das stehende Heer, die Mobilmiliz (Landwehr) und die Territorialmiliz (Besatzungstruppen). Die Dienstpflichtigen werden in drei Kategorien geteilt: die erste dient 3 Jahre im stehenden Heer, 5 Jahre in der Reserve, 4 Jahre in der Mobilmiliz und 7 Jahre in der Territorialmiliz.
Die zweite und dritte Kategorie entspricht etwa unsrer Ersatzreserve erster und zweiter Klasse. Die erstere wird in 2-6 Monaten bei der Fahne ausgebildet, tritt nach 8 Jahren zur Mobil- und nach 4 Jahren zur Territorialmiliz und wird zu kurzen Übungsperioden eingezogen. Die dritte Kategorie bleibt während der 19 Jahre auf unbestimmtem Urlaub und kann während dieser Zeit auf 30 Tage zur Ausbildung mit der Waffe eingezogen werden. Der Jahresersatz beträgt 76,000 Mann, von denen 13,000, durch Losnummer bestimmt, nur 2 Jahre bei den Waffen [* 10] bleiben. Von der Ersatzreserve erster Klasse gelangen jährlich 34,000 Mann zur Einstellung. Hiernach berechnet sich theoretisch die Streitmacht auf 892,687 Mann Feldtruppen, 365,717 Mann Mobilmiliz und 1,128,928 Territorialmiliz. In Wirklichkeit wird die Feldarmee die Stärke [* 11] von 692,000 Mann kaum überschreiten.
Die aktive Armee besteht aus der Generalität, dem Generalstab, den Truppen, den Carabinieri, dem Invaliden-, Sanitäts-, Zahlmeister- und Veterinärkorps und dem Kommissariat. Der Generalstab zählt 3 Generale, 15 Obersten, 55 Oberstleutnants und Majore, 85 Hauptleute und 110 andre Offiziere. In der Friedensformation besteht das Heer aus 12 Armeekorps zu je 2 Divisionen. Für den Heeresersatz ist das Land in 87 Militärdistrikte geteilt. - Die Infanterie: 96 Regimenter à 3 Bataillone zu 4 Kompanien und 1 Depot;
12 Regimenter Bersaglieri (Jäger, Schützen) gleicher Einteilung;
6 Regimenter Alpenjäger in 20 Bataillonen, 72 Kompanien und 6 Depots;
87 Militärdistrikte (Aushebungsbezirke) in 96 Kompanien.
Die Kompanie Infanterie ist 105, Alpenjäger 135 Köpfe (Friedens- und Kriegsetat) stark. Je 2 Regimenter Infanterie bilden 1 Infanteriebrigade, 2 Brigaden 1 Division. Kriegsstärke der Infanterie: 344 Bataillone, etwa 307,800 Mann. - Kavallerie: 10 Regimenter Ulanen (Lancieri), 12 Regimenter Cavallegieri (Chevau-legers) à 6 Eskadrons und 1 Depot;
das Regiment ist 1100 Köpfe und 900 Pferde [* 12] stark, Kriegsstärke 18,700 Mann. - Artillerie: 12 Regimenter Feldartillerie à 10 Batterien in 3 Brigaden (Abteilungen), jede zu 2 schweren (9 cm), zwei zu 1 und eine zu 2 leichten (7 cm) Batterien;
5 Regimenter Festungsartillerie à 12 Festungs- oder Küstenbatterien [* 13] und 1 Depot;
2 Regimenter haben außerdem noch je 1 Brigade zu je 4 Batterien Gebirgsartillerie;
2 Brigaden à 2 Batterien reitende Artillerie;
5 Kompanien Artilleriehandwerker, 1 Kompanie Veteranenartillerie.
Kriegsstärke: 124 Feldbatterien, davon 4 reitende (7 cm) à 6 Geschütze; [* 14]
48 leichte (7 cm) à 8 Geschütze;
72 schwere (9 cm) à 8, zusammen 684 Geschütze und 21,000 Mann.
Hinzu treten noch 36 Kompanien Train. Die Festungsartillerie hat eine Kriegsstärke von 13,900 Mann. - Die Genietruppe besteht aus 4 Regimentern und zwar 2 Regimentern à 2 Bataillone zu je 7 Kompanien Sappeure, 2 Kompanien Train, 1 Depot;
1 Regiment Pontoniere zu 8 Kompanien;
1 Lagunenbrigade zu 2 Kompanien, 4 Kompanien Train und 1 Depot;
1 Genieregiment, bestehend aus 4 Eisenbahn-, 6 Telegraphen-, 4 Sappeur- und 2 Trainkompanien, 1 Depot. - Das Sanitätskorps besteht aus den Sanitätsoffizieren bei den Truppen und in den Lazaretten und 12 Sanitätskompanien, die den Dienst in den letztern verrichten. - Die Mobilmiliz besteht aus 41 Regimentern zu 3 Bataillonen à 4 Kompanien Infanterie, 20 Bataillonen à 4 Kompanien Bersaglieri, 36 (72) Alpenkompanien, 13 Brigaden Feldartillerie à 4 Batterien und 1 Trainkompanie, 32 Kompanien Festungs- und Küstenartillerie, 4 Batterien Gebirgsartillerie, 16 Kompanien Sappeure, 4 Pontonier-, 2 Eisenbahntruppen-, 3 Telegraphisten-, 5 Train- und 12 Sanitätskompanien, 11 Kompanien Verpflegungstruppen.
Die Insel Sardinien [* 15] hat außerdem noch eine Spezialmiliz von 3 Regimentern Infanterie, 1 Bataillon Bersaglieri, 1 Eskadron Kavallerie, 2 Batterien Feldartillerie, je 1 Kompanie Festungs- und Gebirgsartillerie, Genie-, Sanitäts- und Verpflegungstruppen. Die Miliz ist noch in der Reorganisation begriffen und wird vorläufig nur etwa die Stärke von 170,000 Mann mit 276 Geschützen erreichen. - Die Territorialmiliz umfaßt 320 Infanteriebataillone, 72 Alpenkompanien, 100 Kompanien Festungsartillerie, 30 Kompanien Genie, je 12 Sanitäts- und Verpflegungskompanien. - Die Carabinieri haben den Zweck der Gendarmerie andrer Länder und sind in 11 Territoriallegionen geteilt.
Militärschulen: die Kriegsschule zu Turin, zur Ausbildung von Generalstabsoffizieren;
die Applikationsschule für Artillerie und Genie zur technischen Ausbildung von Offizieren dieser Waffen sowie die Militärakademie für Offiziere dieser Waffen zu Turin;
die Militärschule für Infanterie und Kavallerie in Modena;
4 Vorbereitungsschulen (Militärkollegien) zu Mailand, [* 16] Florenz, Rom, Neapel;
eine Normalschule für Infanterie zu Parma, [* 17] für Kavallerie zu Pinerolo;
zur Ausbildung von Unteroffizieren aller Waffen dienen 3 Lehrbataillone, eine Lehreskadron, 2 Lehrbatterien und 4 Lehrabteilungen für Genie. Es bestehen ferner 20 Artillerieschießplätze und Instruktionslager in allen Teilen des Reichs. - Für die Landes- und Küstenbefestigung ist außerordentlich viel in den letzten Jahren geschehen, zahlreiche Sperrforts sind an der Alpengrenze, sowohl gegen Frankreich als Österreich, [* 18] Forts und Batterien an den Küsten von Vado, Porto Ferrajo, Longone, am Monte Argentario, bei Genua, [* 19] Livorno, [* 20] Lucca, [* 21] Gaeta, Messina, [* 22] Tarent, vor allem bei Spezia [* 23] erbaut.
Rom ist mit einem Gürtel [* 24] von 15 Forts umgeben worden. Eine Verstärkung [* 25] der Armee, namentlich an Feldartillerie, steht in Aussicht.
Marine. Nach der unglücklichen Seeschlacht bei Lissa [* 26] 1866 ist die italienische Marine von Grund auf neu gestaltet worden; sie besitzt in den Turmschiffen Italia und Lepanto mit 13,898, bez. 13,550 Ton. Deplacement und je 18,000 indizierten Pferdekräften, mit ihrem 55 cm dicken Panzer die größten und stärksten Panzerschiffe [* 27] der Welt, welche auch die stärksten Geschütze der Welt (43 cm, Duilio und Dandolo 45 cm Kaliber) an Bord führen. Bei der eigentümlichen Formation der Küste hat man von einer eigentlichen Küstenverteidigungsflotte Abstand genommen. I. besitzt daher nur eine Hochsee-Schlachtflotte und 18 Panzerschiffe ersten Ranges, darunter 10 Turmschiffe, 8 Panzerfregatten (3 Schiffe [* 28] ersten Ranges liegen auf Stapel);
15 Schiffe zweiten Ranges, darunter 3 Panzerkorvetten und 5 Torpedo-Rammkreuzer;
26 Schiffe ¶
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(davon 9 im Bau) dritten Ranges, Avisos und Kanonenboote, also Kreuzer; ferner 19 Transport-, 3 Schulschiffe; 11 Fahrzeuge für Hafendienst, 6 Lagunenkanonenboote, 15 verschiedene Fahrzeuge, 9 Hilfsdampfer. Die Torpedoflottille besteht aus 2 Torpedoboot-Jagdschiffen von je 317 Ton. und 2800 Pferdekräften, 74 Booten erster Klasse (18 mit Kohlenvorrat für 2000 Meilen Fahrt), 21 Booten zweiter Klasse. Die Marineverwaltung zerfällt nach den drei Kriegshäfen in drei Bezirke: Spezia, Neapel und Venedig; [* 30] Tarent soll zu einem großen Kriegshafen ausgebaut werden. Auch die Bucht von Maddalena an der Nordspitze von Sardinien soll durch Anlage von Befestigungen etc. Kriegshafen werden.
Vgl. »Italiens Wehrkraft« (Berl. 1884);
Randaccio, Storia delle marine militari italiane (Tur. 1886, 2 Bde.).
[Wappen, Orden.]
I. hat fünf Ritterorden: Annunciatenorden (ordine supremo dell' Annunziata, s. Tafel »Orden«),
seit 1362;
Orden [* 31] des heil. Mauritius und Lazarus, seit 1434;
Militärorden von Savoyen, seit 1815;
Zivilverdienstorden von Savoyen, seit 1831, und Orden der Krone von I., seit 1868. Das jetzige, den Gesamtstaat repräsentierende Wappen [* 32] besteht aus einem breiten silbernen Kreuz [* 33] im roten Feld, umgeben von der Kette des Annunciatenordens mit daran hängenden Ordenszeichen, außerdem von einem goldenen Eichen- und Lorbeerzweig;
hinter dem Wappen stehen kreuzweise zwei silberne Speere, deren Spitzen über den das Ganze umgebenden purpurfarbenen Wappenmantel, der oben die Königskrone trägt, hinausragen (s. Tafel »Wappen«).
Flagge: Rot, Silber, Grün, vertikal gestreift; in dem mittlern silbernen Streifen ein roter Schild [* 34] mit silbernem Kreuz (s. Tafel »Flaggen«). [* 35] Landeshauptstadt ist seit Juli 1871 Rom.
Litteratur.
An Quellen für die Kenntnis Italiens sind vor allen zu nennen die sehr zahlreichen und umfassenden amtlichen Publikationen: das seit 1878 erscheinende »Annuario statistico Italiano«, welches über Topographie, Bevölkerung, [* 36] Heer, Eisenbahnen, Finanzen etc. Aufschluß gibt;
die offizielle Zeitschrift »Annali di Statistica«;
die amtlichen Werke der einzelnen Ministerien;
Zuccagni-Orlandini, Corografia fisica, storica e statistica dell' Italia (Flor. 1844, 15 Bde.);
Pozzi, Geografia politica e statistica dell' Italia (Mail. 1864);
das große, in Mailand erschienene Sammelwerk »L'Italia sotto l'aspetto fisico, storico, artistico e statistico« (in drei Abteilungen: »Dizionario corografico« von Amati, »Trattati scientifici sull' Italia« von Bertolini, Correnti u. a. und einem Atlas [* 37] von 150 Karten);
Brachelli, Geographie und Statistik des Königreichs I. (in »Steins Handbuch der Geographie und Statistik«, Leipz. 1871);
Lampani, L'Italia sotto l'aspetto idrografico (Rom 1878-82);
»Studi sulla geografia naturale e civile dell' Italia« (hrsg. von der Geographischen Gesellschaft, das. 1875);
Altavilla, Il regno d'Italia.
Dizionario geografico, storico-statistico (Tur. 1875); das von der italienischen Postverwaltung herausgegebene »Dizionario geografico postale«; Nissen, Italische Landeskunde (Berl. 1883 ff.). Die wichtigsten Arbeiten über die geognostischen Verhältnisse Italiens sind die im »Bolletino del R. Comitato geologico d'Italia« niedergelegten, dann mancherlei Untersuchungen G. v. Raths in der »Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft«, Arbeiten von E. Sueß, Sartorius v. Waltershausen, Th. Fuchs, [* 38] B. Gastaldi, Ponzi, Seguenza u. a.;
Cantoni, L'agricoltura in Italia (Mail. 1885);
Eheberg, Agrarische Zustände in I. (in den »Schriften des Vereins für Sozialpolitik«, Leipz. 1886);
v. Ernst, Die Montanindustrie Italiens (Wien [* 39] 1883);
Morpurgo, La finanza italiana (Rom 1874);
Laveleye, L'Italie actuelle (Par. 1881);
Sachs, L'Italie, ses finances et son développement économique depuis l'unification du royaume (das. 1885);
Cuseval-Clarigny, Les finances de l'Italie 1866-85 (das. 1886);
Hehn, I., Ansichten und Streiflichter (2. Aufl., Berl. 1878);
Gregorovius, Wanderjahre in I. (5 Bde.);
Reisehandbücher von Gsell Fels (in »Meyers Reisebüchern«),
Bädeker u. a. Kartenwerke: Auf einer in den Jahren 1862-78 erfolgten Landesaufnahme beruht die »Gran [* 40] carta topografica d'Italia« (1:100,000, auf 277 Blatt [* 41] berechnet, wovon etwa ein Drittel, Unteritalien umfassend, erschienen ist);
daneben sind Meßtischblätter (1:50,000) über das ehemalige Königreich Neapel (mit Sizilien) [* 42] veröffentlicht.
Die Karten für einzelne Landesteile (Königreich Sardinien in 1:50,000, Ober- und Mittelitalien in 1:86,400, Insel Sardinien in 1:250,000) sind Ergebnisse älterer Aufnahmen. Unvollendet ist die »Carta corografica dell' Italia« (1:500,000, 24 Blatt). Gute Übersichtskarten bieten H. Kiepert, Nuova carta generale dell' Italia meridionale (1:800,000, 1882) und »Carta corografica ed archeologica dell' Italia centrale« (1:250,000, 1881). Vom Ufficio geologico ist eine »Carta geologica generale d'Italia« (Rom 1881, 2. Blatt) herausgegeben.
Geschichte Italiens.
Die Zeit der Völkerwanderung.
(Hierzu Beilage »Vier Karten zur Geschichte Italiens«.)
Die Römer [* 43] waren es, welche die italische Halbinsel (s. Italia nebst Karte »Italien [* 44] zur Zeit des Kaisers Augustus«) geeinigt und zum politischen Mittelpunkt der Alten Welt gemacht haben (vgl. Römisches Reich). Als aber das römische Reich verfiel und unter die Herrschaft eines militärischen Despotismus geriet, welcher den Schwerpunkt [* 45] des Reichs nach dem Osten verlegte, verlor I. sein politisches Übergewicht und auch die Einheit seiner Nationalität, indem erobernde germanische Volksstämme sich auf der Halbinsel festsetzten.
Die weltbeherrschenden Tendenzen des römischen Staats gingen auf den christlichen Bischof von Rom über; die Christianisierung der germanischen Eroberer tilgte die Gegensätze der Rassen und führte zu dem Verschmelzungsprozeß der eingebornen und eingewanderten Völker, welcher ein so allmählicher war, daß die Geburtsstunde italienischer Nationalität noch weniger chronologisch bezeichnet werden könnte als diejenige der übrigen modernen Völker. Von den verheerenden Zügen älterer wandernder Stämme, von der vorübergehenden Herrschaft des westgotischen Eroberers Alarich und von dem Einfall Attilas abgesehen, pflegt man die dauernde Festsetzung germanischer Elemente auf italischem Boden mit dem Aufhören des weströmischen Kaisertums und mit dem Auftreten der germanischen Heerkönige in Verbindung zu bringen, welche in römischem Söldnerdienst zu Macht gelangt waren und 476 den Sturz des weströmischen Kaisertums veranlaßten. I. schied unter der Herrschaft des Herulerkönigs Odoaker äußerlich aus der Reihe der römischen Kaiserprovinzen aus, indem es seine Selbständigkeit unter der Führung germanischer Könige zu behaupten suchte. Das Römergeschlecht, im Besitz seiner rechtlichen Institutionen gesichert, ließ sich die Kriegsherrlichkeit der Barbaren gefallen, um nicht zu einer Provinz des oströmischen Kaiserreichs herabgedrückt zu werden. So folgte auf ¶
I. Italien um das Jahr 1000
II. Italien im Jahre 1721
III. Italien im Jahre 1799
IV. Italien von 1815-1866
Maßstab [* 48] 1:4900000
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die Herrschaft Odoakers 489 die ostgotische Theoderichs d. Gr. und seiner Nachfolger, bis es 553 dem byzantinischen Kaiser Justinian gelang, die griechisch-römische Herrschaft wiederherzustellen und I. durch Narses erobern zu lassen. Die große Verfassungsurkunde Justinians, die Pragmatische Sanktion, durch welche I. in kirchlicher und politischer Beziehung der Monarchie eingefügt wurde (554), ließ dem »Königreich« zwar eine gewisse Selbständigkeit, aber der Schwerpunkt der Regierung lag in den Händen des von dem byzantinischen Kaiser ernannten Exarchen, welcher zu Ravenna seinen Sitz hatte und die Hoheitsrechte des oströmischen Reichs in unbeschränkterer Weise geltend machte als die germanischen Heerkönige die ihrige.
Das Langobardenreich.
Aber schon 568 brach der Langobardenkönig Alboin nach I. auf und entriß den Oströmern in einer Reihe von Feldzügen bis 572 das ganze Oberitalien [* 51] nebst Toscana und Umbrien. Die vielbestrittene Herrschaft der Griechen erstreckte sich nur noch auf Ravenna, die Romagna, die Pentapolis (Rimini, Pesaro, Fano, Sinigaglia, Ancona), [* 52] auf einen Teil der unteritalischen Küste, auf Sizilien und endlich auf Rom, wo in besonderm Verhältnis zum Kaiser ein von dem Exarchen ziemlich unabhängiger Patricius städtische, kirchliche und kaiserliche Hoheitsrechte selbständig vereinigte.
Seit dem 7. Jahrh. dehnten die Langobarden (s. d.) ihre Herrschaft fast über die ganze Halbinsel aus. Wiewohl die langobardische Königsgewalt frühzeitig erschüttert und durch innere Kämpfe und Gewaltthat gebrochen wurde, so bewahrte doch das langobardische Volkstum durch seine militärischen und rechtlichen Institutionen die dauerndste und eingreifendste Macht im Land. Unter den langobardischen Königen nahmen die Herzöge eine selbständige Macht in Anspruch, und schon im 7. Jahrh. bestand im Süden der Halbinsel das Gebiet von Benevent gleichwie im Norden [* 53] der Dukat von Friaul unter eignen Herzögen.
Neben den Langobarden behauptete in Mittelitalien nur die römische Kirche unter einer Reihe hervorragender Päpste auch eine politische Selbständigkeit. Gregor d. Gr. (590-604) hatte Rom nicht bloß zum geistlichen Mittelpunkt der Welt zu machen gesucht, sondern ihm auch eine politische Macht in I. gesichert, welche seine Nachfolger durch klug angeknüpfte Verbindungen mit den Franken zu vergrößern wußten. Indem die faktisch vollzogene vollständige Veränderung des Besitzes von der Kirche anerkannt, die neuen langobardischen Grundeigentümer aber der katholischen Lehre [* 54] fester und fester unterworfen wurden, konnte die schwache Königsmacht nur bestehen, wenn sie sich zur willigen Dienerin der römischen, schon über Italiens Grenzen [* 55] weit hinausreichenden Kirchengewalt hergab.
Ein heftiger Konflikt zwischen den römischen Päpsten und den langobardischen Königen entbrannte indessen, als König Liutprand (713-744), ein thatkräftiger Herrscher, die ganze Halbinsel, namentlich aber Mittelitalien, seiner Botmäßigkeit zu unterwerfen strebte. Gregor II. und Gregor III., welche vergeblich Karl Martells Hilfe anriefen, erwehrten sich nur mit Mühe der Eroberungssucht Liutprands. Als König Aistulf 752 Ravenna eroberte und den Papst Stephan II. in Rom selbst bedrängte, rief dieser König Pippin von Franken herbei, der zwei Feldzüge (754 und 755) nach I. unternahm, die Langobarden zurückdrängte und Stephans Nachfolger Stephan III. außer Rom auch die Pentapolis als weltlichen Besitz übertrug, wogegen Pippin die Würde eines römischen Patricius empfing.
Der Gegensatz zwischen dem römischen Stuhl und dem langobardischen Königtum wurde durch die Wahl Hadrians I., eines Römers, zum Papst 772 geschärft, denn dieser warf sich ganz der fränkischen Partei in die Arme. Zwischen Aistulfs Nachfolger Desiderius und Pippins Sohn Karl d. Gr. war zwar noch einmal eine Verständigung eingetreten, indem Karl des Desiderius Tochter heiratete; aber die Verstoßung der letztern und das Familienzerwürfnis im fränkischen Haus führten bald eine kriegerische Wendung herbei, welche den Untergang des langobardischen Reichs 774, die Herrschaft der Franken in I. und endlich die Herstellung des römischen Kaisertums durch Karl d. Gr. (799) zur Folge hatte.
Italien als Bestandteil des fränkischen Reichs.
Das nördliche I. wurde mit dem Reich Karls d. Gr. vollkommen vereinigt und in den Rahmen der fränkischen Verfassung eingefügt, nur Friaul behielt unter seinem langobardischen Herzog eine gewisse Unabhängigkeit, wie auch die Herzogtümer von Spoleto und Benevent in eine Art Lehnsverhältnis zum fränkischen Reich traten; die frühern Besitzungen der Griechen in Mittelitalien behielt der päpstliche Stuhl zu eigen mit dem Vorbehalt aller Hoheitsrechte des römischen Kaisertums über die Stadt und das Gebiet von Rom. In Unteritalien bewahrte eine Anzahl von Republiken, wie Amalfi, Gaeta, Neapel, ihre Selbständigkeit unter der Schutzhoheit des byzantinischen Reichs, während Sizilien den Angriffen der Araber ausgesetzt war, die sich 826 auch zu Tarent in Unteritalien festsetzten und Sizilien endlich den Griechen vollständig entrissen. Im ganzen und großen wurde aber das Schicksal Italiens durch die beiden vorwaltenden Mächte, durch Kaiser und Papst, bestimmt; auf ihrer Vereinigung und Freundschaft beruhte der durch Karl d. Gr. und Leo III. geschaffene Zustand Italiens.
Allein aus den unklaren Beziehungen dieser beiden Gewalten entstand eine Reihe von Streitigkeiten, in welchen die Nachfolger Karls d. Gr. nicht mit dem ganzen und ungeteilten Ansehen der fränkischen Monarchie aufzutreten vermochten, da die letztere unter den Söhnen und Enkeln Ludwigs des Frommen zerfiel und sich in eine Menge von selbständigen Königreichen und Herzogtümern auflöste, in denen zwar nationale und Stammesverhältnisse nicht ausschließlich maßgebend waren, aber doch Berücksichtigung finden konnten.
Die nationalpolitischen Individualitäten des modernen Europa [* 56] nahmen damals ihren Ursprung. Aus der Monarchie Karls d. Gr. und aus dem fest gefügten Verband [* 57] der römischen Kirche retteten die abendländischen Völker in der Fülle ihrer staatlichen und kirchlichen Institutionen gemeinsame Ziele und Gesichtspunkte in hinreichendem Maß, um auch ferner eine gemeinsame Kultur und Geschichte entwickeln zu können; aber der erwachte Individualisierungstrieb der Nationen und Stämme machte die Bildung kleinerer politischer Mächte möglich, welche in I. so gut wie in Deutschland [* 58] nicht selten mehr Sympathien fanden als die entfernte und unsichere Macht des Kaisertums.
Im Vertrag von Verdun [* 59] (843) war I. nebst der Kaiserwürde Lothar I. zugefallen, nach dessen Tod 855 beides auf seinen ältesten Sohn, Ludwig II., überging. Schon gegen diesen erhoben sich einheimische und fremde Elemente, und das Reich löste sich in zahllose Teile auf, als mit Ludwig II. 875 der italienische Zweig der Karolinger erlosch. Die wiederholten Versuche der west- und ostfränkischen Karolinger, mit der Kaiserkrone auch die Herrschaft über I. ¶
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wiederzugewinnen, hatten keinen dauernden Erfolg. Weder Karl der Kahle noch Karl der Dicke erreichten dies Ziel, und die Absetzung des letztern (887) ermöglichte die völlige Losreißung Italiens und des Kaisertums von der Herrschaft der Karolinger. Die Herzöge von Friaul und Spoleto sowie die Markgrafen von Ivrea traten als Bewerber um die Krone Italiens auf und erlangten dieselbe bei dem völligen Verfall der ostfränkischen wie der westfränkischen Monarchie. Der bedeutendste unter den Nachkommen Karls d. Gr., Karlmanns natürlicher Sohn Arnulf, vermochte wohl den Kaisertitel zu behaupten, übte aber keinen Einfluß auf das zwischen Friaul und Spoleto streitige I. aus.
Die Begründung der deutschen Herrschaft in Italien.
Während die Fürsten um den Besitz der Krone stritten, wurde I. von verheerenden Plünderungszügen der Sarazenen und Magyaren heimgesucht; namentlich die Po-Ebene wurde furchtbar verwüstet, niemand war im stande, die furchtbaren Feinde abzuwehren. Nach dem Tode des Markgrafen Berengar I. von Friaul, welcher 894 zum König von I. und 915 zum Kaiser gekrönt, 924 aber ermordet wurde, trat Rudolf II., König von Oberburgund, seine angeblichen Ansprüche auf I. dem Grafen Hugo von Provence gegen Überlassung des arelatischen Reichs ab. Dieser wandte seine Waffen anfangs siegreich gegen die italienischen Herzöge, mußte jedoch 945 dem Markgrafen Berengar II. von Ivrea weichen; Hugos Sohn Lothar aber, welcher nach dem Tod seines Vaters den Namen eines Königs von I. fortführte, starb bereits 950 und hinterließ eine Witwe, Namens Adelheid, welche bestimmt war, einen tiefen Einfluß auf die Geschichte Italiens sowie Deutschlands [* 61] auszuüben.
Denn während Berengar II. sich bemühte, Adelheid mit seinem Sohn Adelbert zu vermählen, und vor keiner Gewaltthat zurückschreckte, um dieses Ziel zu erreichen, fand jene Gelegenheit, nach Canossa zu entkommen und mit dem deutschen König Otto I. Verbindungen anzuknüpfen. Dieser, eben damals Witwer geworden, zog 951 nach I. und erwarb sich mit Adelheids Hand [* 62] auch die langobardische Krone. Zwar sah er sich 952 genötigt, Berengar, der weniger besiegt als verdrängt war, I. als Lehnskönigreich zu übertragen.
Doch zeigte sich bald, wie wenig Dauer dieses Verhältnis versprach. Ottos Macht in I. beruhte wesentlich auf den Immunitäts- und Exemtionsbestrebungen der geistlichen Besitzer, welche dem lombardischen Adel gegenüber eine unabhängige Stellung beanspruchten. Hand in Hand mit der Entwickelung dieser geistlichen Fürstentümer ging das Streben nach städtischer Freiheit. Otto I. kam diesen beiden Richtungen in I. auf das förderndste entgegen. Wie er sich den weltlichen Großen gegenüber auf die Macht der hochbegünstigten Bischöfe stützte, so wurde er auch der eigentliche Begründer der italienischen Städtefreiheit, insbesondere im Norden des Königreichs.
Denn wenn auch nach der Lage und Geschichte der aus dem Altertum stammenden zahlreichen Orte I. ganz besonders geeignet war, städtisches Wesen hervorzubringen, so war doch das alte Munizipalrecht völlig zu Grunde gegangen und der Gerichtshoheit der langobardischen Grafen und Herzöge zum Opfer gefallen. Erst durch den Schutz, welchen die deutschen Kaiser dem bürgerlichen Gemeinwesen gewährten, vermochte die neue Städtefreiheit auf den vorzugsweise von der Kirche erworbenen Besitzungen wieder zu erstehen.
Nur durch innere Unruhen in Deutschland und neue Einfälle der Magyaren wurde Otto I. längere Zeit verhindert, gegen die Anmaßung Berengars, der sich vom deutschen Lehnsverband losriß, einzuschreiten. Als dieser sogar den weltlichen Besitz der römischen Kirche angriff, wandte sich der Papst an den deutschen König um Hilfe. Otto überschritt 961 zum zweitenmal die Alpen, [* 63] eroberte ganz Norditalien und eilte nach Rom, wo er die Zerwürfnisse zwischen dem Stadtadel und dem Papsttum benutzte, um die Schutzhoheit des Deutschen Reichs gegenüber der Kirche geltend zu machen und die römische Kaiserwürde zu erneuern (2. Febr. 962). Hiermit stiftete er das Heilige römische Reich deutscher Nation, von dem das Königreich I., das nach Berengars völliger Unterwerfung (964) in ungestörtem Besitz Ottos war, fortan einen Teil bildete.
Italien ein Teil des römisch-deutschen Reichs.
Je mehr sich die deutsche Herrschaft in I. auf die kirchlichen Gewalten und die geistlichen Lehnsbesitzer stützte, desto notwendiger war es, bei der Besetzung der Bistümer und vor allen des päpstlichen Stuhls einen ausreichenden Einfluß zu üben. Otto I. dehnte daher das Anerkennungs- und Bestätigungsrecht, welches seit den römischen Kaisern alle Machthaber Italiens geltend machten, dem päpstlichen Stuhl gegenüber bedeutend aus und erwarb sich und seinen Nachfolgern auch bei der römischen Kirche das Recht thatsächlicher Ernennung des obersten Bischofs.
Mittels des Papstes sollte sodann die katholische Kirche überall dem Kaisertum und seinen Zwecken dienen. Aber wie schon jener Papst, welcher Otto I. zum Kaiser gekrönt hatte, Johann XII., sich den Deutschen untreu erwies, sobald dieselben der Stadt Rom den Rücken gekehrt hatten, so blieb auch später das Verhältnis des Kaisertums zum Papsttum und zur Kirche ein höchst unsicheres, und nur in den wenigsten Fällen gewährten persönlich gute Beziehungen zwischen den beiden Oberhäuptern der abendländischen Welt zugleich eine sachlich begründete Basis der deutschen Kaisermacht in I. Als Otto I. 966 abermals in I. erschien, um den zahlreichen Widersachern entgegenzutreten, waren Maßregeln äußerster Strenge nicht zu vermeiden.
Als Otto I. 973 starb, blieb die deutsche Kaiserherrschaft in Ober- und Mittelitalien in der That unangefochten. Unteritalien dagegen war unbezwungen geblieben; die Versuche des Kaisers, es durch Verhandlungen mit dem griechischen Kaiserreich oder durch Waffengewalt zu gewinnen, waren mißglückt, Griechen und Araber teilten sich in die Herrschaft der schönen Länder, welche nach Art und Charakter in ihren staatlichen Institutionen sowie in ihrem Volkstum sich mehr und mehr von dem übrigen I. zu unterscheiden begannen.
Otto II., der durch seine Vermählung mit der griechischen Prinzessin Theophano ein Anrecht auf Unteritalien erworben zu haben glaubte, erneuerte den Versuch, sich desselben zu bemächtigen. Aber der griechische Kaiser Basilius verband sich mit den Sarazenen, um Ottos II. Versuche auf Unteritalien zu vereiteln und die deutsche Herrschaft in I. überhaupt zu erschüttern. 982 erlitt Otto II. eine Niederlage in Unteritalien, worauf er in Rom erkrankte, in seinem 28. Jahr starb und nur einen unmündigen Sohn, Otto III., hinterließ, dessen Regierung in I. eingreifender geworden wäre, wenn nicht auch er schon in früher Jugend 1002 gestorben wäre. Aber in der Zeit Ottos III. war zuerst der Gedanke aufgetaucht, eine strengere Einheit Italiens herzustellen, den Sitz des Kaisertums nach Rom zu verlegen und von dem alten Mittelpunkt der Welt aus die neue römisch-deutsche Herrschaft zu verwirklichen. In Rom selbst hatten die Adelsparteien ¶
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schon unter Otto II. begonnen, einen gefährlichen Einfluß auf die Besetzung des päpstlichen Stuhls auszuüben und der deutschen Kaisergewalt sich entgegenzustellen. Die unmittelbare Gegenwart des Herrschers in Rom schien immer wichtiger zu werden. 996 kam Otto III. über die Alpen nach I., erhob seinen Vetter Bruno zum Papst und ließ sich von diesem, Gregor V., zum Kaiser krönen. Mit starker Hand wurde jeder Widerstand besiegt, der gegen Gregor V. aufgestellte Gegenpapst schimpflich behandelt und Crescentius, als Patricius und Haupt des aufständischen Adels, hingerichtet.
Als Gregor V. schon 999 starb, erhob Otto III. seinen Lehrer Gerbert von Reims, [* 65] den größten Gelehrten seiner Zeit, als Silvester II. auf den päpstlichen Stuhl; aber gleich bei dem Tod Ottos III. (1002) zeigte sich die Unhaltbarkeit aller Verhältnisse. Die lombardische Krone nahm der Markgraf Arduin von Ivrea in Anspruch, der päpstliche Stuhl wurde von dem Grafen von Tusculum besetzt und beherrscht, die süditalischen Herzogtümer lösten sich von der Oberlehnsherrlichkeit der Deutschen los, die Sarazenen befestigten ihre Herrschaft in Sizilien und breiteten dieselbe über die griechischen Gebiete Unteritaliens mehr und mehr aus.
König Heinrich II. von Deutschland gab zwar die Traditionen des sächsischen Hauses keineswegs auf, allein seine Macht reichte nicht weiter als sein Arm; doch ließ er sich auf seinem zweiten italienischen Zug zum Kaiser krönen, und auf seinem dritten Zuge griff er gewaltig in die unteritalischen Verhältnisse ein, wo er Pandulf IV., Fürsten von Capua, gefangen nahm und Pandulf VI. einsetzte, welcher Normannen in seinen Diensten hatte, denen Heinrich II. zuerst Grund und Boden als Reichslehen zuwies.
Neben Capua hatten auch die Fürsten von Benevent und Salerno die kaiserliche Herrschaft anerkannt, während Neapel mit seiner städtischen Verfassung meist der Herrschaft der Griechen treu blieb und sich nur scheinbar und vorübergehend deutschen Kaisern unterworfen hatte. Wenn der politische Charakter Unteritaliens durch die Macht der vorwiegenden Fürstengeschlechter bestimmt wurde, so entschied in Oberitalien das Übergewicht der Städte. Seit dem 10. Jahrh. war Venedig zu Macht und Ansehen gekommen und beherrschte die Meerstraßen.
In der Lombardei waren außer Mailand nunmehr auch Pavia, Lodi, Cremona und viele andre Städte zur Blüte [* 66] und Bedeutung gelangt. Zwischen Pavia und Mailand hatte sich seit dem Kampf zwischen Heinrich II. und Arduin von Ivrea ein Gegensatz gebildet, der später fast alle italischen Republiken in zwei Lager [* 67] spaltete, indem Pavia dem deutschen König, Mailand dem italienischen Fürsten anhing. In Mittelitalien hielt vorerst das mächtige Geschlecht der tuskischen Markgrafen das Aufkommen großer städtischer Republiken zurück, doch hatte bereits Pisa [* 68] eine ähnliche Stellung an der westlichen Küste Italiens erlangt wie Venedig an der östlichen. Die Insel Sardinien war 1022 durch die Pisaner den Arabern entrissen worden, welche dieselbe seit fast anderthalb Jahrhunderten beherrscht hatten.
Im ganzen war das Kaisertum in I. hinreichend befestigt, so daß der Wechsel der Dynastie auf dem deutschen Thron [* 69] sich auch in I. ohne erhebliche Schwierigkeit vollzog. König Konrad II., der Salier, zog schon zwei Jahre nach seiner Wahl (1026) nach I. und wurde im folgenden Jahr zum Kaiser gekrönt. Vermochte er in Rom auch nicht, gegenüber dem herrschenden Adel, welcher über den päpstlichen Stuhl eigenmächtig verfügte, nachhaltig zu gebieten, so übte er in der Lombardei eine desto kräftigere Herrschaft aus und trat dem Erzbischof Aribert von Mailand kraftvoll entgegen, indem er den kleinern freien Herren der Lombardei Schutz gegen die geistliche Fürstengewalt gewährte und bei dem Streit über die Erblichkeit der Lehen dem Rechte der weltlichen Vasallen gegenüber der willkürlichen Verleihung der Kirchenfürsten die Anerkennung sicherte.
Heinrich III. vollendete das von seinem Vater begonnene Werk der Pazifikation Italiens, indem er sich den von Clugny ausgegangenen Bestrebungen einer Kirchenreform entschieden anschloß und nicht nur dem verweltlichten geistlichen Fürstentum, sondern auch dem Papsttum eine veränderte Richtung gab. Durch die von ihm in Rom eingesetzten deutschen Päpste erhielt die Partei der Kirchenreform überall das Übergewicht. In der Regierung der zahlreichen Bistümer Italiens begann an der Stelle der weltlichen Interessen eine regere kirchliche Tendenz sich geltend zu machen.
Aber die reformierte Kirche wendete sich freilich alsbald gegen jeden Einfluß der staatlichen Gewalt und wollte auch die Rechte des obersten Schutzherrn, des Kaisers, beseitigt wissen, nachdem sie sich mit Hilfe desselben von der Macht der kleinen weltlichen Herren freigemacht hatte. In I. erhielt nun der große, welthistorische Streit, welcher sich insbesondere an die Namen Gregors VII. und Heinrichs IV. knüpfte (s. Investitur), einen zugleich nationalen Charakter; der Kampf des Papsttums wurde zugleich als ein Kampf der Unabhängigkeit der städtischen Republiken und der Selbständigkeit des italienischen Fürstentums aufgefaßt und dargestellt.
Hatten die vorwaltenden Mächte und besonders die Päpste in I. auch keinen Augenblick gezaudert, fremder Hilfe und ausländischer Kräfte sich zu bedienen, so wurde doch der Gedanke nationaler Unabhängigkeit in den Städten und Herrschaften geweckt und allmählich großgezogen. So wurde insbesondere der Rechtsstreit um die Mathildischen Güter zwischen Papst und Kaiser, der 1115 nach dem Tode der Markgräfin Mathilde von Tuscien entbrannte, welche ihre Güter der Kirche vermacht hatte, während der Kaiser dieselben als heimgefallene Lehen beanspruchte, in eine rein politische und nationale Frage umgewandelt. Von hervorragender Bedeutung war aber, daß sich im Süden der Halbinsel ein päpstliches Lehnskönigreich bildete, welches der Kirche in ihrem Kampf um die Unabhängigkeit von der deutschen Kaisermacht eine kräftige Stütze war.
Um die Mitte des 11. Jahrh. waren die Normannen im südlichen I. so zahlreich und mächtig geworden, daß Papst Leo IX. ihre Vertreibung anstrebte und zu diesem Ende Hilfe in Deutschland suchte. An der Spitze der Grafschaft Apulien, deren erster Herrscher Wilhelm von Hauteville war, stand damals Humfred, welcher von Robert Guiscard unterstützt wurde. Da nun Leo IX. im Kampf gegen die Normannen nichts ausrichtete, persönlich aber von ihnen auf das ehrenvollste behandelt wurde, so bestätigte er ihnen alle Eroberungen, die sie schon gemacht hatten und die sie im Kampf gegen Griechen und Sarazenen noch machen würden. Während die normännische Herrschaft unter Robert Guiscard mit wunderbarer Schnelligkeit sich immer mehr ausbreitete und unter der Regierung Rogers außer Apulien auch bereits Kalabrien umfaßte, hatten die Päpste noch mit ungleichem Interesse und nicht ohne Mißtrauen ihre Erfolge beobachtet; aber die vollkommene Vertreibung der Griechen, welche sich noch bis 1071 in Bari behaupteten, dann aber auch diesen festen ¶