Gelage folgt. Die feierliche
Einsegnung des geschlossenen
Bundes durch
Priester kam erst auf höhern Kulturstufen hinzu. Bei
den alten
Hebräern wurde, nach biblischen
Berichten, die
Ehe von den
Vätern oder den nächsten Verwandten geschlossen, nicht
selten in
Abwesenheit der Brautleute. Von dem Bräutigam (chatan) wurde für die
Braut (kalla) ein
Preis
(mohar) entrichtet, der bei unvermögenden Bewerbern ein entsprechendes
Äquivalent fand, wie die
Dienstzeit bei
Jakob, die
TapferkeitDavids etc. Der
Ehevertrag ward vor
Zeugen mündlich geschlossen; erst nach der Zeit der
Babylonischen Gefangenschaft
kommen Eheverschreibungen (ketuboth) in Anwendung. Am
Tag der Hochzeit (chatunna) begab sich der geschmückte Bräutigam, von
Freunden begleitet, in das Brauthaus und führte von dort die tief verschleierte
Braut, die gleichfalls von Festgenossinnen
umgeben war, unter
Musik und
Gesang in das väterliche
Haus.
Das Hochzeitsmahl, vom Bräutigam ausgerüstet, dauerte je nach den Verhältnissen bis zu sieben
Tagen. Am Hochzeitstag begleitete
man die Brautleute in das Schlafgemach (chuppa, jetzt der Trauhimmel).
Später wurde das Vorhandensein
der
Virginität konstatiert, deren Mangel das
Gesetz mit
Steinigung ahndete. In nachbiblischer Zeit trat die volle eheliche
Gemeinschafterst ein durch
Chuppa und Kidduschin, d. h. nachdem der Bräutigam der
Braut unter dem Trauhimmel einen
Ring mit
den
Worten: »Durch diesen
Ring seiest du mir geheiligt (als
Weib) nach dem
Gesetz Mosis und
Israels« übergeben
hatte, der Ehekontrakt von dem Trauenden vollzogen und vorgelesen und die Segenssprüche der Anverlobung und Anvermählung
gesprochen worden waren.
Bei den alten Griechen wurden die Gattinnen anfangs entweder geraubt oder gekauft, weshalb sie auch ihren Männern leibeigen
unterworfen waren. Am
Tagvor der Hochzeit mußte vor allen
Dingen den ehefeindlichen
Gottheiten, namentlich der
Artemis,
[* 2] sodann den Schutzgöttern der
Ehe,
Zeus,
[* 3]
Hera,
[* 4]
Aphrodite,
[* 5]
Hymen etc., geopfert werden. Auch ein
Bad
[* 6] ging der Hochzeit voraus,
welches die Verlobten aus dem
Wasser eines
Flusses oder
Quelle
[* 7] nahmen, der eine lokale Bedeutung und eine
gewisse
Heiligkeit hatte.
Die Hochzeit (gamos) selbst fand am häufigsten im
Winter, besonders im
Januar, statt, der deshalb auch
Gamelion hieß. Am Hochzeitstag
schmückte sich das Brautpaar mit bunten Kleidern, mit
Kränzen und
Blumen.
Abends holte der Bräutigam die verschleierte
Braut
aus dem elterlichen
Haus in das seinige ab und zwar meist auf einem mit
Maultieren oder
Ochsen bespannten
Wagen. Ein vertrauter
Freund oder ein Verwandter der
Braut begleitete sie (paranymphos oder parochos,
weil er neben der
Braut
auf dem
Wagen faß).
Auch andre Verwandte und
Freunde nahmen, bekränzt und festlich gekleidet, an dem Zug
teil, vor und hinter
dem
Wagen schreitend und
Fackeln tragend, welche die
Mutter der
Braut anzündete. Während des
Zugs wurden unter
Begleitung von
Flöten und Saiteninstrumenten die Hochzeitslieder oder Hymenäen gesungen. Auch Mädchen,
Sieb,
Rocken und
Spindel tragend (als
Symbol der Häuslichkeit), schritten voraus. Die
Braut selbst aber hatte ein
Gefäß
[* 8] mitGerste
[* 9] (phrygetron)
in der
Hand,
[* 10] um anzudeuten, daß sie
Brot mit
[* 11] ins
Haus bringe.
War der Freiende ein
Witwer, so durfte er die
Braut nicht selbst ab holen, sondern sie wurde ihm durch einen Verwandten (nymphagogos)
zugeführt.
BeimEintritt in das bekränzte
Haus wurde das Brautpaar mit
Feigen und andernFrüchten, als
Symbol des künftigen Überflusses überschüttet, die
Achse des
Wagens aber, auf welchem
man gefahren war, verbrannt, damit
die
Braut nie an Rückkehr in das väterliche
Haus denken möge. Darauf folgte das Hochzeitsmahl, an dem die nächsten Verwandten
und
Freunde und, der sonstigen
Sitte zuwider, auch die
FrauenAnteil nahmen.
Das Hochzeitsmahl hatte besonders den
Zweck; der Vermählung eine gewisse öffentliche Geltung zu verschaffen, daher denn
auch von ihm der gerichtliche
Beweis hergenommen wurde, daß eine
Frau wirklich verheiratet gewesen. Nach dem
Mahl wurde die
Braut ins Brautgemach geführt, wo außer dem mit
Purpur bedeckten und mit
Blumen bestreuten Ehebett noch
ein andres stand für den
Fall, daß üble Vorbedeutungen den Bräutigam vom Ehebett fern hielten. Im Schlafgemach angelangt,
mußte die
Braut, von einem
Knaben aus der nächsten
Verwandtschaft bedient, die
Füße waschen und (in
Athen)
[* 12] mit ihrem Bräutigam
eine
Quitte essen.
Dann fand eine Opferhandlung statt, und unter Fackelschein wurde nun die
Braut von den
Müttern zu
Bett
[* 13] gebracht, und während der Bräutigam ihr den
Gürtel
[* 14] (mitra) löste, tanzten, das Epithalamion singend,
Knaben und Mädchen
vor derThür, die von dem
Hüter bewacht wurde. Am
Morgen des nächsten
Tags begrüßte die Neuvermählten wieder
Gesang, worauf
gewöhnlich die Hochzeitsfeier noch einige
Tage fortdauerte.
Nun schickte auch der
Vater der
Braut seine
Geschenke (meist Hausgeräte), ebenso die Verwandten und
Freunde, und der Mann selbst brachte seiner
Frau eine Art
Morgengabe
dar.
Die
Geschenke, welche die
Braut erhielt, hießen Anakalypteria, weil sie sich jetzt zum erstenmal ihrem Mann unverschleiert
zeigte, und wurden bei Vornehmen in feierlichem
Aufzug
[* 15] überreicht. Einfacher blieben die Hochzeitsfeierlichkeiten
der Spartaner, die streng darüber wachten, daß der Mann nicht vor dem 30., das Mädchen nicht vor dem 20. Lebensjahr heiratete,
und die alte
Sitte, die
Frau zu rauben, wenigstens der Form nach beibehielten. In Plutarchs
»Leben des
Lykurgos« finden
sich hierüber nähere Nachrichten. Einzelne Hochzeitsszenen stellen auch uns erhaltene Bildwerke dar, namentlich das berühmte
Wandgemälde der
»Aldobrandinischen Hochzeit« (s. d.) im
Vatikan.
[* 16]
Bei den
Römern fanden Hochzeitsgebräuche nur dann statt, wenn man eine strenge
Ehe (justum matrimonium), wodurch dieFrau
in die rechtliche
Gemeinschaft desMannes überging und
mater familias wurde, einging, nicht, wenn man eine sogen. freie
Ehe
abzuschließen gedachte, wobei die
Frau bloß uxor wurde. Bei dem
Eheverlöbnis (sponsalia) setzte man die
Aussteuer fest und
gab der Verlobten einen Brautring zum Unterpfand. Am
Tagvor der Hochzeit, für welche die zweite Hälfte des
Juni als die günstigste Zeit galt, opferte die
Braut der
Juno juga, ließ ihr
Haar
[* 18] in sechs
Locken nach der
Sitte der
Matronen
ordnen und weihte die abgelegte jungfräuliche
Toga
[* 19] praetexta der
Fortuna Virginalis. Am Hochzeitstag selbst legte sie die
Tunika der
Matronen um, umwand ich mit einem wollenen
Gürtel und verhüllte das
Gesicht
[* 20] mit einem feuerfarbigen
oder zitronengelben
Schleier (flammeum). Hierauf wurden den Ehegöttern die üblichen
Opfer dargebracht.
Abends erfolgte die
Heimführung der Braut (deductio domum) durch den Bräutigam. Er nahm sie von dem
Schoß der
Mutter oder der nächsten Anverwandten;
zwei
Knaben, die Matrimi und
Patrimi, d. h. deren Eltern beide noch am
Leben sein mußten, führten sie;
ein dritter mit einer Fichtenfackel in der
Hand begleitete
¶
mehr
sie, während noch fünf Hochzeitsfackeln vorausgetragen wurden. Sklavinnen trugen ihr den Spinnrocken mit Wolle und die Spindel
mit der Rockenstange nach. Lyra- und Flötenspiel, unterbrochen von Hymenrufen der Knaben, begleitete den Zug.
An dem geschmückten
Haus des Bräutigams angelangt, wurde die Braut gefragt, wer sie sei. Sie antworte: »Ubi tu Cajus, ego Caja«,
d. h. »Wo du Herr und Hausvater bist, da bin ich Herrin und Hausfrau«. Nun umwand sie die Thürpfosten mit wollenen Binden und
bestrich dieselben, um Bezauberung abzuwenden, mit Schweins- oder Wolfsfett.
Über die Schwelle des Hauses wurde sie zur Erinnerung an die gewaltsame Entführung (Raub der Sabinerinnen)
in der Vorzeit (s. Frauenraub) gehoben und trat dann auf ein ausgebreitetes Schaffell, worauf sie die Schlüssel in Empfang
nahm und mit ihrem Bräutigam, zum Zeichen der zu beobachtenden Keuschheit, Feuer und Wasser berührte. Bei dem nun folgenden
Hochzeitsmahl sangen und spielten Musiker einen Hochzeitsgesang (epithalamium), und der junge Ehemann
hatte unter die vor dem Haus versammelte JugendNüsse auszuteilen (daher die Redensart: »nuces projicere«, s. v. w.
die Kinderschuhe ausziehen).
Endlich wurde die Braut von Matronen (pronubae) in das Schlafgemach geführt, wohin der Mann ihr nachfolgte, während draußen
nicht bloß Hymenäen, sondern auch derbe Spottlieder erschollen. Im Schlafgemach wurde noch einer Schar
von Ehegöttern geopfert, deren NamenAugustinus und andre Kirchenväter aufgezeichnet haben. AndernTags brachten die Gäste und
Verwandten dem jungen PaarGeschenke dar; die Frau verrichtete ihr erstes Opfer in ihrem neuen Haus und führte fortan neben ihrem
Namen den ihres Mannes. Die älteste religiöse Eingehungsform der Ehe unter den Patriziern war die Confarreatio
(s. d.), welche im Haus des Bräutigams vor sich ging, aber später nur noch selten vorkam.
Bei den alten Deutschen sah man sorgfältig darauf, daß Heiraten vor dem 20. Lebensjahr und unter Blutsverwandten
nicht vorkamen, und daß immer Gleichheit des Standes stattfand. Nicht bloß die Braut, sondern auch deren Eltern und Verwandte
mußten ihre Einwilligung zur ehelichen Verbindung gegeben haben und die Brautleute selbst ihre körperliche Tüchtigkeit
durch Kraftproben vor der Hochzeit darthun, woher der altgermanische AusdruckBrautlauf (s. d.) für Hochzeit rührt.
Darauf bezogen sich auch die Geschenke, welche der Bräutigam seiner Braut zu geben und diese ihm zu überreichen hatte. Die
Hochzeit selbst ward von den Eltern der Braut hergerichtet, das eigentliche Bündnis vor mindestens vier Zeugen abgeschlossen und
durch das Wechseln derRinge kundgethan, worauf das Brautpaar dreimal um das Opferfeuer geführt wurde.
Die Heimführung der Braut erfolgte aber gewöhnlich erst später, an einem, wie man glaubte, dazu besonders günstigen Tag,
unter Absingung gewisser Brautlieder und unter dem Geleit der Brautführer u. Brautjungfern (s. d.). Manche dieser Hochzeitsgebräuche
sind aus der heidnischen Welt in die christliche übergegangen, und namentlich das Ehrenamt der Brautführer
hatte in der ältern christlichen Kirche eine hohe Bedeutung, indem dieselben nicht nur bei der Verlobung, dem Ehekontrakt
und Trauungsakt als Zeugen und Bürgen der gegenseitigen Verpflichtungen dienen, sondern auch bei allen Zeremonien zugegen sein
und auf Ordnung und Ehrbarkeit bei den Hochzeitsfestlichkeiten halten
mußten.
Der Brautkranz (s. d.) war bei den ältesten Christen als heidnische Sitte verachtet und bürgerte sich erst seit dem 4. Jahrh.
ein. Die Einführung der christlichen Trauringe anstatt der früher üblichen Verlobungsringe fällt ins 10. Jahrh. Die Bekränzung
oder Krönung der neuen Eheleute wird nur in der griechischen Kirche am Traualtar vom Priester verrichtet.
Die heidnische Sitte der Verschleierung der Braut wurde von den Christen beibehalten, die Feuerfarbe des Schleiers aber in Weiß
verwandelt.
Auch pflegte der Priester ein Tuch oder vielmehr eine Decke
[* 25] von weißer oder roter Farbe (vitta nuptialis) über dem Haupt und
den Schultern des Brautpaars auszubreiten. Die Lampen
[* 26] und Hochzeitsfackeln wurden von der orientalischen
Kirche gebilligt, von der römischen Kirche dagegen verboten. Im deutschen Mittelalter lud der im Gebirge noch jetzt in Thätigkeit
befindliche Umbitter oder Hochzeitsbitter die Gäste ein, welche nach ihrer Ankunft sich zum Zug
ordneten und mit dem Stadtpfeifer
und seinen Gesellen voran zunächst zum Brautbad zogen, während dessen die Gäste ein Frühstück einnahmen.
Dann folgten der Kirchgang und das Hochzeitsmahl, dessen Luxus so hoch stieg, daß man ihn durch besondere Gesetze beschränken
mußte, welche die Zahl der Gäste, z. B. nach der brandenburgischen Verordnung von 1334, auf höchstens 80 und die Schüsseln
auf höchstens 40 beschränkten. Verheiratete und Unverheiratete aßen an besondern Tafeln, und schon
vor 500 Jahren tritt die Bezeichnung des Trompetertisches für den Musikertisch auf. An dem letztern saßen zugleich die Lustigmacher.
Jede Hochzeit dauerte damals mindestens drei, gewöhnlich aber achtTage, und der erste Tag entsprach dabei mehr unserm Polterabend;
aber erst am zweiten Tag, an welchem die vorher gewöhnlich in Locken oder offen getragenen Haare der
[* 27] Braut geflochten und mit
der Haube bekleidet wurden, brachten die Gäste ihre Geschenke. Von dieser Zeremonie rührt die Redensart »unter die Haube kommen«
her. Nach derselben fand abermaliger Kirchgang statt, und der zweite Tag wurde wie der erste mit herkömmlichen
Tänzen beschlossen.
Die Gäste brachten aber damals nicht nur Geschenke, sondern empfingen auch solche, nämlich ebenso wie die Braut selbst ein
PaarSchuhe und Pantoffeln, woher die spöttische Parodie der obigen Redensart. KurfürstJohannGeorg mußte 1580 den im Brandenburgischen
wieder eingerissenen Hochzeitsluxus von neuem einschränken und verordnete dabei auch, daß die übliche
Hochzeitsgabe der Schuhe und Pantoffeln außer an die Braut nur noch an ihre Schwestern und Mutter erfolgen sollte.
Die eheliche Verbindung der Mohammedaner ist entweder eine lebenslängliche oder eine nur zeitweise. Die
Bedingungen der letztere werden vor dem Richter (Kadi) vereinbart, worauf die Heimführung der Braut ohne alle weitere Feierlichkeiten
erfolgt. Die Heirat auf Lebenszeit wird bloß durch die Eltern und Verwandten des Brautpaars verabredet und der Kontrakt vor
dem Imam geschlossen, ohne daß Braut und Bräutigam vorher Gelegenheit hatten, sich kennen zu lernen.
Nur der junge Beduine sucht vor der Bewerbung das Mädchen, das er heiraten will, unverschleiert, zu sehen, und erst wenn ihm
dies durch irgend eine List gelungen ist, schickt er denVater oder einen nahen Verwandten zum Vater des Mädchens, um mit ihm
über den Preis zu verhandeln, den er ihm an Schafen, Pferden etc. für die Braut entrichten soll. Nach
¶
mehr
der eigentlichen Vermählungszeremonie, die stets durch Prokuration stattfindet, bleibt die Braut noch bei den Eltern, bis
sie, begleitet von Scharen ihrer Verwandten, ihrem Mann zugeführt wird. Auf das kostbarste geschmückt, begibt sie sich verschleiert
auf einem reichverzierten Pferd
[* 30] oder Kamel unter dem Schall
[* 31] der Musik in das Haus oder Zelt ihres Mannes, wo
abermals eine Hochzeitsfeier stattfindet, an der jedoch nur Frauen teilnehmen dürfen. Unter den rohen VölkerschaftenOstindiens
wird die Hochzeit mit wenig Prunk gefeiert und gilt als ein Ereignis, das nur die nächsten Anverwandten berührt;
vielfach beschränkt sie sich auf die trockne Abwickelung des Kaufgeschäfts für seine dem Vater abgehandelte
Tochter.
Bei den Bekennern des Brahmanismusgab es ehemals acht Arten von Hochzeiten, die Acvalayana, ein indischer Schriftsteller, ausführlich
schildert. Jetzt werden in Indien die Mädchen gewöhnlich schon im Alter von fünf oder sechs Jahren versprochen und mit zehn
oder zwölf Jahren ihrem Verlobten zugeführt. Am Tag vor dieser Zeremonie zieht hier und da der geschmückte
Bräutigam, von allen Jünglingen begleitet, welche sein Gewerbe treiben, in den Straßen herum; dasselbe thut dann die Braut
am Hochzeitstag mit allen Jungfrauen ihres Standes. Am Abend setzt man das Brautpaar an ein Feuer, verhüllt beiden das Gesicht,
da sie nicht sehen dürfen, was jetzt vorgeht, und legt eine seidene Schnur um sie; dabei spricht ein
Brahmane, deren bei Reichen viele in Thätigkeit treten, einige Gebete über sie und gibt ihnen den Segen, indem er wohlriechendes
Wasser, Getreidekörner etc. über sie und ins heilige Feuer ausgießt.
Beim Schmaus am vierten Tag der essen die Brautleute aus Einer Schüssel. Das Heiraten ist in Indien unter
den Anhängern der Brahmanen wie unter den Mohammedanern ein reines Geschäft; nach Neigung wählt nur der Mann der untersten
Stände, nicht der Angehörige besserer Kaste; die bei der Heiratsfeier üblichen Gaben zwischen den Brautleuten und Gästen wie
die Gebühren an die Brahmanen und mohammedanischen Kazis, an Verwandte etc. betragen selbst für Minderbemittelte
nicht unter mehreren HundertMark, sind also so unerschwinglich geworden, daß sich Vereine mit der lobenswerten Aufgabe bildeten,
diesem Unwesen zu steuern. Die großen Ausgaben bei Verehelichung der Töchter haben im nördlichen Indien die Tötung
der Töchter zur Gewohnheit vieler Klassen der Bevölkerung
[* 32] werden lassen und leisten allerwärts dem Unwesen der Geldwucherer
Vorschub. - In China
[* 33] pflegen die Eltern ebenfalls ihre Kinder schon in der zartesten Jugend zu verloben, wobei vorzüglich auf
Gleichheit des Alters, Standes und Vermögens gesehen wird. Am Morgen des Hochzeitstags werden Geschenke gewechselt,
darunter Ringe. Am Abend erscheint, von seinen Verwandten und Freunden begleitet, unter rauschender Musik, der Bräutigam in
einer Sänfte, um die Braut abzuholen.
Vor ihrer neuen Wohnung angelangt, wird sie von Matronen ins Haus getragen, zuvor aber an der Thür über ein Becken mit Holzkohlen
gehalten. Nachdem man im großen Saal feierliche Begrüßungen gewechselt und Betelpalmnuß miteinander
gegessen hat, wird die Braut in ihr Zimmer geführt, wo ihr der junge Gatte nach mancherlei Zeremonien den Schleier abnimmt und sie
nun zum erstenmal von Angesicht sieht. Nach der Hochzeit kehrt die junge Frau auf einige Tage zu ihren Eltern
zurück, und am Ende des Monats, der in mannigfachen Vergnügungen verfließt, erhält sie von ihren Freundinnen einen Kopfputz,
wonach die beiderseitigen Eltern noch
einmal zusammenkommen und die Hochzeitszeremonien durch ein glänzendes Fest beschließen.
In Japan werden die Brautleute frühmorgens von ihren Verwandten abgeholt, jedes auf einen mit vier Ochsen bespannten
Wagen gesetzt und auf einen außerhalb des Wohnorts gelegenen Hügel gefahren, wo in einem kostbar ausgeschmückten achteckigen
Zelte das Bild des Ehegottes aufgestellt ist, dessen Hundskopf anzeigen soll, daß Treue und Wachsamkeit in der Ehe notwendig
seien.
Vor demselben steht ein Bonze, der das Brautpaar einsegnet. Die Brautleute haben je eine Hochzeitsfackel
in der Hand, welche am Schluß der Zeremonie angezündet wird, indem die Braut die ihre an einer Lampe
[* 34] ansteckt und dem Bräutigam
darreicht, um die seine daran anzuzünden. Sobald dies geschieht, erheben die Umstehenden ein Freudengeschrei und nahen mit
Gratulationen, während andere außerhalb des Zeltes das ehemalige Spielzeug der Braut ins Feuer werfen
und sonstige Gebräuche vollziehen.
In Deutschland,
[* 35] wie in den gebildeten StaatenEuropas überhaupt, haben sich die Festlichkeiten sehr vereinfacht; das Brautpaar
entzieht sich sogar oft noch vor Beendigung der Hochzeit den Gästen durch die Hochzeitsreise. Selbst der bis vor
kurzem mit großem Pompe begangene Polterabend (s. d.) wird in neuerer Zeit häufig ausgelassen. Nur auf dem
Land feiert man die Hochzeit noch mit mehrtägigen Schmäusen und Gelagen. Über die Trauungszeremonien bei den verschiedenen christlichen
Religionsparteien s. Trauung.
Wenn am 25. Jahrestag der Hochzeit beide Gatten noch leben, so wird dieser Tag als Familienfest unter dem Namen
silberne Hochzeit gefeiert, am 50. Jahrestag, meist mit kirchlicher Feierlichkeit, als goldene und am 60 als diamantene
Hochzeit.
Vgl. De Gubernatis, Storia comparata degli usi nuziali (Mail. 1869);
Wood, The wedding day in all ages and countries (Lond.
1869, 2 Bde.);
Geistliche Hochzeiten heißen die Feste, welche am Tag der Aufnahme in ein Kloster sowie an dem Tage gefeiert werden, an welchem
ein junger Priester zum erstenmal eine Messe oder Vigilie hält. Beide Feste arteten frühzeitig in Prunken und Schwelgen
aus, so daß polizeiliche Verordnungen dagegen erlassen wurden. Wie bei den weltlichen, wurden auch bei den geistlichen Hochzeiten
Geschenke erteilt.
in der Zoologie Bezeichnung für diejenigen Zierate, welche im Gegensatz zur gewöhnlichen Tracht
manche Tiere während der Brunstzeit schmücken. Am bekanntesten sind derartige Änderungen in der Färbung der Haut,
[* 36] Haare,
Federn etc. sowie in dem Hervortreten von Kämmen und andern
¶
mehr
Hautanhängen bei den Wirbeltieren, speziell bei den Vögeln, wo meist die Männchen ein Hochzeitskleid tragen. Doch zeichnen sich auch
viele Reptilien und Amphibien sowie einzelne Fische
[* 38] zur Zeit der Begattung durch lebhaftere Färbung und sonstige Eigentümlichkeiten
aus. Bei manchen Vögeln entfaltet das Männchen, während es sich um das Weibchen bewirbt, sein in hochzeitlichen
Farben prangendes Gefieder noch besonders und bläht zugleich durch starken Blutandrang dünnere, nackte Hautstellen so sehr
auf, daß das Blut durchschimmert. Vgl. Vögel.
[* 39]
»Gerbert oder PapstSilvester II.« (das. 1837) zu betrachten sind. Als er später die amtliche
Laufbahn einschlug, befaßte er sich mehr mit Nationalökonomie und Statistik, auf welchem Gebiet sein
Werk »Die Finanzverwaltung Frankreichs« (Stuttg. 1857) als eine hervorragende Erscheinung zu nennen ist. Als Sektionschef im
Finanzministerium nahm an den österreichischen Finanzreformen wie auch am Abschluß des österreichisch-französischen Handelsvertrags
einen erfolgreichen Anteil. 1860 in den Freiherrenstand erhoben, ward er 1865 Mitglied des Staatsrats für die
Länder diesseit der Leitha. Er starb Von seinen Schriften sind noch zu nennen: »Die öffentlichen Abgaben und Schulden«
(Stuttg. 1863);
Nikolaus, Schriftsteller, geb. zu Neumagena. d. Mosel, war für die militärische Laufbahn bestimmt,
schied jedoch schon 1842 aus dem Militärdienst, um sich der schriftstellerischen Thätigkeit, besonders
auf dem Gebiet der deutschen Altertumskunde, zu widmen. Nachdem er 1849 die Redaktion der »Saar- und Moselzeitung« in Trier
[* 44] übernommen, veröffentlichte er eine poetische Bearbeitung der »Sagen, Geschichten und Legenden des Moselthals« (Trier 1852)
und »Deutscher Volksglaube in Sang und Sage« (Götting. 1853) und sammelte für J. GrimmWeistümer. Nach
vorübergehendem Aufenthalt in Düsseldorf
[* 45] siedelte er 1857 nach Köln
[* 46] über, wo er später infolge seines volkswirtschaftlichen
Werkes »Die GroßindustrieRheinlands und Westfalens« (Leipz. 1866) Kanzler des österreichisch-ungarischen Generalkonsulats
wurde, welche Stelle er noch bekleidet.
Von Hockers zahlreichen Schriften erwähnen wir noch: »Gedichte« (Köln 1847);
Auch veröffentlichte er mehrere Reiseschriften über das Mosel- und Rheingebiet,
beschrieb die Kriege von 1866 und 1870 und lieferte zahlreiche Beiträge kulturhistorischen und mythologischen Inhalts in Fachzeitschriften.
(engl., spr. hockteid', Hockzeit, auch Hock genannt),
in England die lustige Zeit der Hocktage
(engl. Hockdays), welche am 15. Tag nach Ostern beginnt und zwei Tage dauert. Am ersten, dem eigentlichen »Hocktag«, pflegen
die Männer, am darauf folgenden, dem »Hockdienstag«, die Frauen die Straßen mit Stricken zu versperren, um so von den Vorübergehenden
Geldgeschenke zu erpressen, die zu wohlthätigen Zwecken verwendet werden. Der Ursprung des alten, besonders
in Lancashire üblichen Brauchs ist unbekannt. Der Name selbst soll vom englischen day of hoaxing (»Fopptag«) oder vom
altsächsischen hôgetîdi (»Hochzeit, Fest«) herstammen.
(Hoden, Testikel, Testis, Orchis, Testiculus), die männliche Keimdrüse oder das den Samen
[* 56] bereitende Organ. Sie
stellt in ihrer einfachsten Form einen Schlauch dar, von dessen Wandungen sich einzelne Zellen loslösen und entweder direkt
oder nach mehr oder minder beträchtlichen Umformungen zu Samenzellen oder Gruppen derselben werden. Anzahl,
Gestalt, Lage etc. der Hode bei den einzelnen Tieren sind äußerst verschieden. Bei den Wirbeltieren liegt die Hode fast immer
in der Bauchhöhle, aus der sie nur unter gewissen Umständen in einen besondern äußern Anhang derselben wandert.
Letzteres Verhalten ist nur bei den Säugetieren verbreitet: bei den Embryos derselben befinden sich (wie
bei den meisten niedern Wirbeltieren und gleich den Eierstöcken) die Hoden anfänglich am innern Rande der Urnieren, rücken
jedoch während der Entwickelung weiter nach abwärts bis in die Leistengegend oder sogar, indem sie Teile der Bauchwand vor
sich her drängen, durch den Leistenkanal hindurch in die als Hodensack (s. unten) bekannte Aussackung
der äußern Haut.
Dabei bleibt gewöhnlich die Verbindung mit der Bauchhöhle offen, so daß die Hode, wie es bei vielen Säugetieren zur Brunstzeit
regelmäßig geschieht, in sie zeitweilig zurücktreten kann. BeimMenschen findet diese Wanderung der Hode in den Sack
im achten Monat der Schwangerschaft, seltener erst in der Pubertätszeit oder nur unvollkommen oder auch gar nicht statt; im
letzten Fall scheinen eine oder auch beide Hoden zu fehlen (sogen. Kryptorchismus); unter normalen Umständen verwächst aber
die Öffnung, durch welche die Hode herabgestiegen, und macht den Rücktritt unmöglich. Die Nebenhode (s.
unten) ist ein umgewandelter Teil der Urniere. - BeimMenschen (s. Tafel »Eingeweide
[* 57] II«,
[* 37]
Fig. 3) ist der Hodensack (scrotum)
eine in zwei Hälften geteilte Hauttasche; seine Wandung zeichnet sich durch den großen Reichtum an glatten
¶
mehr
Muskelfasern aus, welche eine eigne Fleischschicht (tunica dartos) bilden und bei ihrer Zusammenziehung die Runzelung des
Sackes bewirken. In ihm liegen nebeneinander die beiden Hoden, Nebenhoden und Samenstränge (s. Samenleiter). Jede Hode, von eiförmiger
Gestalt, Pflaumengröße und 15-25 g Gewicht, wird von einer glatten Faserhaut umschlossen und besteht aus einer
weichen Masse, von der etwa drei Viertel aus Samenkanälchen, der Rest aus Blut- und Lymphgefäßen sowie aus Nerven
[* 59] und Bindegewebe
gebildet wird.
Letzteres strahlt von einem dicken Wulste der Faserhaut, dem sogen. Corpus Highmori, fächerartig aus und teilt so denInhalt
der Hode in 100-200 pyramidenförmige Läppchen. Von diesen setzt sich jedes aus 2-6 Samenröhrchen
oder -Kanälchen zusammen, welche in ihrem Innern aus ihrer Wandung heraus den Samen produzieren. Ihre Gesamtlänge beträgt
270-340 m; sie vereinigen sich aber zu 9-17 weitern Kanälen, die erst unter sich ein Netzwerk
[* 60] (rete Halleri) bilden, dann
nach Durchbohrung der Faserhaut die Hode verlassen und in die Nebenhode (epididymis) eintreten.
Diese bildet ein einziges dünnes, aber 6½-10 m langes Rohr, welches sämtliche Hodenkanäle aufnimmt und unter vielen dicht
zusammengedrängten Windungen in den Samenleiter (s. d.) übergeht. Jede Hode ist mit einem Teil ihrer
Nebenhode von einer besondern doppelten Hülle, einem Stück des aus der Bauchhöhle in den Hodensack mit
eingewanderten Bauchfelles, umgeben. Wasseransammlungen zwischen den beiden Blättern derselben werden als Wasserbruch (Hydrocele)
bezeichnet. - Neben der Hode befinden sich noch einige Gebilde, welche anscheinend keine Funktion ausüben, sondern nur Reste
früher thätig gewesener Organe (sogen. rudimentäre Organe) darstellen. Es sind dies der männliche Eierstock (ovarium masculinum),
ein 5-7 mm großer, kolbiger oder warziger Körper, ferner häufig in seiner Nähe ein gestieltes, mit Flüssigkeit erfülltes
Bläschen, die sogen. Morgagnische Hydatide, und das sogen. Giraldèssche Organ (paradidymis), welches im Samenstrang liegt.
Die beiden ersten vertreten im Mann den Eierstock, resp. die Eileiterenden des Weibes; letzteres ist ein Rest
der Urniere.
Die Hode ist mancherlei Krankheiten unterworfen, namentlich Entzündungs- und Geschwulstkrankheiten. Die Hodenentzündung (Orchitis)
ist bald mit Nebenhodenentzündung (Epididymitis) verbunden, bald tritt sie für sich auf. Sie kann entstehen durch eine
Quetschung oder anderweitige Verletzung der Hode; oft gesellt sie sich zu einer Tripperentzündung der Harnröhre, wenn der Tripper
auf die Harnblase, die Samenbläschen, den Samenleiter etc. bis zur Nebenhode sich fortsetzt.
Eine entzündliche Hodenschwellung gesellt sich merkwürdigerweise oft zur epidemischen Ohrspeicheldrüsenentzündung. Die
Hodenentzündung äußert sich vorzugsweise durch schnelle Anschwellung und meistens sehr bedeutende Schmerzhaftigkeit der
und Nebenhode, womit Fieber, ausstrahlende Schmerzen in der innern Schenkelfläche etc. verbunden sein können.
Die Entzündung nimmt bald einen schnellen, bald einen schleichenden Verlauf. Im erstern Fall bildet sich die entzündliche
Hodenschwellung entweder ohne weiteres zurück und geht in Heilung über, oder es kommt zur Eiter- und Absceßbildung in der
und Nebenhode, nicht selten mit später folgenden Fistelbildungen.
Nimmt die Krankheit einen schleichenden Verlauf, so kommt es gewöhnlich zur Wucherung des Bindegewebes
und zum teilweisen oder vollständigen
Untergang des eigentlichen Drüsengewebes in der Hode. Narbige Schrumpfung der und, wenn
die Krankheit beide Hoden in ihrer ganzen Ausdehnung
[* 61] betraf, Verlust des Zeugungsvermögens sind die Folgen dieser chronischen
Hodenentzündung. Die Behandlung bei der akuten Hodenentzündung besteht vor allem in ruhiger Lagerung
auf einem Kissen, so daß keine Zerrung der Samenstränge stattfinden kann, dann in der Anwendung örtlicher Blutentziehungen
durch Blutegel,
[* 62] welche am Hodensack angesetzt werden, sowie in der energischen Anwendung der Kälte, indem man die Hodengeschwulst
mit einem Eisbeutel oder in Eiswasser getauchten Kompressen bedeckt.
Sobald sich Eiterung eingestellt hat, ist der Absceß sofort zu eröffnen, und dann sind warme Breiumschläge und ähnliche
Mittel am Platz. Eine häufige Krankheit ist die Tuberkulose der und Nebenhode. Sie kommt vorzugsweise bei skrofulösen und tuberkulösen
Individuen, doch auch bei scheinbar ganz gesunden Männern vor und betrifft bald nur eine, bald beide
Hoden. Es ist eine Krankheit vorzugsweise des mittlern Lebensalters, welche meist mit schmerzloser Schwellung und Verdickung
an der Nebenhode beginnt und oft auf diese beschränkt bleibt. Da die Befürchtung begründet ist, daß die Tuberkulose der
und Nebenhode Veranlassung zum Ausbruch der Tuberkulose in den Lungen und andern innern Organen geben kann,
so ist es zweckmäßig, zur operativen Entfernung der kranken Hode zu schreiten, sobald die Krankheit sicher erkannt ist. Die
Ausrottung der Hode wird als Kastration bezeichnet. Über die Scheidenhautwassersucht der Hode oder den Wasserbruch s. d.
Unter den Geschwülsten der Hode, welche man früher unter dem gemeinschaftlichen Namen der Sarkocelen zusammenfaßte,
sind die wichtigsten die syphilitischen oder Gummigeschwülste, die Sarkome und die Krebse. Alle genannten Arten betreffen vorzugsweise
die Hode selbst und unterscheiden sich daher schon im Beginn von der Tuberkulose derNebenhode. Die Gummiknoten sind Teilerscheinung
einer allgemeinen Syphilis und als solche zu behandeln. Die bösartigen Neubildungen kommen nicht so selten
schon bei Kindern vor, sie wachsen meist schnell, sind oft sehr schmerzhaft und erfordern insgesamt eine möglichst frühzeitige
Entfernung durch Kastration. Gegenüber den gewöhnlichen weichen Krebsen oder Markschwämmen hat man eine mehr gutartige Form
(Cancroid) den Schornsteinfegerkrebs genannt, weil man beobachtet haben will (namentlich in England), daß
die Krankheit sich vorzugsweise bei Schornsteinfegern finde. Auch diesem Übel gegenüber ist die frühzeitige operative
Ausrottung der krankhaften Neubildung das einzige Erfolg versprechende Mittel.
(spr. hoddsch-s'n),JohnEvan, engl. Maler, geb. zu London,
[* 67] verlebte seine Jugendzeit in Rußland, kehrte
erst 1853 nach England zurück, wurde Schüler der Akademie in London und stellte schon 1854 sein erstes
Bild aus. Mehrere Jahre lang entlehnte er seine Stoffe dem Volksleben oder dem historischen Genre, bis er 1868 eine Reise durch
fast ganz Nordafrika machte, die ihn bewog, sich von nun an der Schilderung der dortigen Völker und ihrer
Sitten zu widmen, die er in geistreicher, oft humoristischer Weise und kräftigem, harmonischem Kolorit darzustellen weiß.
Dahin gehören: ein arabischer Märchenerzähler, die schwarze Wache des Paschas, ein arabischer Patriarch, die Reorganisation
der Armee in Marokko,
[* 68] ein Vogelhändler in Tunis, eine Barbierstube in Tunis, die Erwiderung des Salutschusses, die wohlgenährten
Bedienten, der Waffenschmied, der arme Scherenschleifer und ein moderner Aktäon.
[* 69]
Der große Park des Schlosses ward mit Gebäuden, Tempeln, Bosketten, Statuen, Wasserkünsten etc. geschmückt, größtenteils
Werken der von ihm aus seinen Untergebenen herangebildeten dilettantischen Künstler; selbst seine Schauspieler,
Tänzerinnen, Sänger etc. waren fast sämtlich aus Roßwalde hervorgegangen. Seine phantastischen Schöpfungen erregten großes
Aufsehen, und selbst Friedrich d. Gr. besuchte ihn 1765 und 1770 in Roßwalde und bezeigte Hoditz sein
Wohlgefallen durch eine poetische Epistel und ein bedeutendes Geschenk.
Nachdem Hoditz sein Vermögen von 5 Millionen verschwendet hatte, lebte er seit 1776 in Potsdam
[* 73] von einer königlichen
Pension, bis er als der letzte seines Geschlechts starb. Die Anlagen in Roßwalde sind seitdem verschwunden. Auf
Friedrichs d. Gr.
Befehl wurde ein Teil der Jägerstraße in Potsdam, wo Hoditz gewohnt hatte, Hoditzstraße genannt; sein schönes
Palais war Nr. 9. Seine Korrespondenz mit Friedrich II. ist zum größten Teil in dessen »Œuvres"
abgedruckt.
(spr. hodmesö-waschar-), Stadt im ungar.
KomitatCsongrád, an der Eisenbahnlinie Szegedin-Großwardein, mit (1881) 52,424 ungar. Einwohnern, großen
Viehmärkten (die schönsten Rinder
[* 74] und Pferde
[* 75] im Alföld), lebhafter Industrie, Bezirksgericht und reform. Obergymnasium. Hódmezö-Vásárhely hat
den Namen vom Biber (hód), der einst hier sehr verbreitet war.
(Hufnagel), Jooris (Georg), niederländ. Miniaturmaler, geb. 1545 zu Antwerpen, anfangs Schüler von J. Bol,
bildete sich in Italien und hielt sich sodann in Frankreich, Spanien und endlich lange am Hof
[* 83] der bayrischen
HerzögeAlbert und Wilhelm auf, für welche er mehreres arbeitete. Für den KaiserRudolf II. lieferte er ein Werk, welches in
vier kleinen Quartbänden auf 227 Blättern mehr als 1300 Stücke aus den drei Reichen der Natur in Miniatur enthält, die sich
durch Naturtreue und Farbenreiz auszeichnen. Noch prachtvoller ist das für den ErzherzogFerdinand gemalte
»Missale romanum« (in der Hofbibliothek zu Wien),
womit er acht Jahre lang beschäftigt war. Ein Meisterwerk ist auch die Miniatur
einer Ansicht von Sevilla
[* 84] mit reicher Umrahmung in der königlichen Bibliothek zu Brüssel. Auch für Brauns »Städteansichten«
zeichnete er. Er starb um 1618 in Wien.