schule, Karmarsch, von Hartzer, der Georgsplatz mit der Erzstatue Schillers von Engelhard, der Ägidienplatz, der Waterlooplatz,
auf ihm die mit einer Viktoria gekrönte, 47 m hohe Waterloosäule und nahe bei demselben das Bronzestandbild des Generals
v. Alten und das Leibnizdenkmal, der Welfenplatz, Friederikenplatz etc.
Unter den gottesdienstlichen Bauwerken (11 luther. Kirchen, eine reformierte und eine kath. Kirche, eine
der FreienGemeinde und eine Synagoge) verdienen Erwähnung: die restaurierte Marktkirche aus dem 14. Jahrh., mit interessanten
Denkmälern, schönen Glasmalereien und Altären und dem höchsten (99 m) Turm
[* 5] der Stadt;
die Dreifaltigkeitskirche,
schöner Ziegelbau aus dem Jahr 1880 vom Architekten Hehl;
die Synagoge, ein dreischiffiger Zentralbau mit
achteckiger Kuppel, wurde 1864 von Oppler erbaut.
Groß ist die Zahl hervorragender Profanbauten. Die bedeutendsten derselben
sind: das königliche Schloß (1630-40 erbaut, 1817 restauriert), ein umfangreicher, im Innern prachtvoll eingerichteter Bau
mit großartigem Portal, jetzt Generalkommando des 10. Armeekorps;
das Rathaus, ein unregelmäßiges, aus dem 15. und 16. Jahrh. stammendes,
durch alte Skulpturen und Wahrzeichen interessantes Gebäude, 1882 renoviert, im Innern mit prachtvollen Wandgemälden von
Schaper;
das königliche Schauspielhaus (1852, von Caves), eins der größten Deutschlands;
[* 10]
das alte Zeughaus, in dessen Nähe
der Beghinenturm, ein Überbleibsel der alten, 1357 angelegten Befestigungen;
das (1886 noch im Bau begriffene) Kestner-Museum mit wertvollen Sammlungen etrurischer, römischer
und griechischer Altertümer, Kupferstichen (120,000) etc.;
das neue Justizgebäude, das Zellengefängnis u. v. a. Als ganz
besonders hervorragend sind zu nennen der Bahnhof und das Welfenschloß.
Der erstere wurde während der
Jahre 1876-80 mit einem Kostenaufwand von 22,500,000 Mk. errichtet und gilt als Muster aller neuern Bahnhofsanlagen, das letztere,
ein vollendeter Prachtbau, wurde an Stelle des ehemaligen Schlosses Montbrillant vom Hofbaumeister Tramm 1859 begonnen und
nach der Annexion des Königreichs 1866 zur polytechnischen Hochschule umgebaut, der großartigste
Schulbau
Deutschlands. Unter den mittelalterlichen Privatgebäuden, die indessen mehr und mehr verschwinden, sind die Häuser: »IsernPforte«, die »AlteKanzlei«, das Leibnizhaus etc. immer noch wohl erhalten.
Unter den Bildungsanstalten steht die technische Hochschule (1886 mit 190 Studierenden und 175 Hospitanten)
obenan. Außerdem befinden sich in Hannover 3 Gymnasien, 2 Realgymnasien, 2 höhere Bürgerschulen, eine Handelsschule, ein Lehrer-
und ein Predigerseminar, eine jüdische Lehrerbildungsanstalt, ein Lehrerinnenseminar, eine Präparandenanstalt und eine Tierarzneischule;
außerdem mehrere Bibliotheken und wissenschaftliche Sammlungen (s. oben). Eines hervorragenden Rufs erfreut sich das Theater.
[* 17]
Die Umgebung Hannovers, wenn auch flach, ist doch nicht ohne Reiz. 2 km im NW. der Stadt liegt Herrenhausen
(s. d.), nach welchem eine prächtige vierfache Lindenallee führt. Links von derselben der Georgspark mit der VillaSolms und
dem Jägerhof. Im O. der Stadt, unmittelbar an den Tivoli-Stadtteil angrenzend, in welchem das Tivoli, ein großartiger Konzertgarten,
sich befindet, dehnt sich die Eilenriede aus, ein schöner, mit Buchen, Eichen und Nadelholz bestandener
Wald, der von S. durch O. bis um N. die Stadt umzieht. Am Eingang wurde 1884 das von Volz in Karlsruhe
[* 27] entworfene, prächtige
Kriegerdenkmal errichtet; in ihm liegt der ZoologischeGarten.
[* 28]
Derselbe hatte 1283 die Lehnshoheit des Bischofs von Hildesheim
[* 30] für Hannover anerkennen müssen, ein Verhältnis,
das jedoch schon im 14. Jahrh. sein Ende erreichte. 1369 kam die Stadt an HerzogMagnus von Braunschweig. Nachdem sie HerzogHeinrich der ältere 1486 vergeblich belagert und 1490 ebenso erfolglos sich derselben mit List zu bemächtigen versucht hatte,
fiel sie 1495 bei der Länderteilung an HerzogErich den ältern von Kalenberg. Schon 1386 war sie dem Hansabund
beigetreten, und im 15. Jahrh. waren Handel, Schiffahrt und Industrie zu ansehnlicher Blüte
[* 31] gelangt; doch sank die Stadt wieder
infolge der Zwistigkeiten, welche die 1533 von seiten der Bürgerschaft bewirkte gewaltsame Einführung der Reformation hervorgerufen.
Der Regierungsbezirk Hannover (s. Karte »Hannover etc.«),
5718 qkm (103,85 QM.) groß, umfaßt das FürstentumKalenberg und die GrafschaftenHoya (beide Gebiete jedoch nicht vollständig) und Diepholz, hat (1885) 484,813 Einw. (Zunahme
gegen 1880: 5,68 Proz.) und umfaßt die 13 Kreise:
[* 36]
(Kescho), Hauptstadt der franz. KolonieTongking,
[* 37] am linken Ufer des Songkai, 175 km von dessen Mündung, mit einer
nach dem VaubanschenSystem erbauten Citadelle, welche einen Tempel,
[* 38] Magazine, Arsenal, Schatzkammer u. a. einschließt, daneben
die in chinesischem Stil gebaute Stadt, deren Einwohnerzahl man auf 100,000 schätzt. Dieselbe hat 20 m
breite, in der Mitte mit schwarzen Marmorplatten belegte Straßen und hübsche Promenaden, ist berühmt durch die Fabrikation
von tonangebenden Kleiderstoffen, ihren Buchdruck sowie als Sitz tongkingesischer Gelehrsamkeit. In jedem Winter strömen in
das ummauerte »Lager
[* 39] der Wissenschaften« an 3000 Aspiranten für litterarische Grade aus den entferntesten
Provinzen zusammen. Der Handel auf dem für Schiffe
[* 40] von 1,8-2 m Tiefgang zu jeder Jahreszeit vom Meer aus befahrbaren Songkai
ist sehr bedeutend. Hanoi wurde 767 n. Chr. von den Chinesen gegründet und lag damals dem Meer ganz nahe, ist demselben aber durch
das stetige Anwachsen des Flußdelta immer mehr entrückt worden.
Mannesname, nach gewöhnlicher AnnahmeAbkürzung von Johannes und durch langen Gebrauch zu einem besondern Namen
geworden; nach andern s. v. w. Mitglied einer Hansa (s. d.). Das sehr häufige Erscheinen des Namens Hans veranlaßte, daß derselbe
frühzeitig über den engern Kreis
[* 48] des Eigennamens hinaustrat und eine Art Gattungsname wurde, wie man z. B.
Gruppen alltäglicher Menschen mit und Kunz« charakterisiert. Schließlich tritt Hans fast gänzlich in die Reihe der Appellativa
ein und steht geradezu für Mensch oder Mann mit mancherlei Nebensinn, z. B. Großhans, Schmalhans, Prahlhans, Hans Dampf,
[* 49] Hans in
allen Gassen, Hans Narr etc.
eine 1401 geschriebene Dichtung von ca. 15,000 Versen, deren Stoff bereits von einem ungenannten Dichter des 13. Jahrh.
in »Mai und Beaflor« (hrsg. von Pfeiffer, Leipz. 1848) bearbeitet wurde und auch dem Volksbuch von der geduldigen Helena
zu Grunde liegt; sodann »DiokletiansLeben« (hrsg. von Keller, Quedlinb. 1841),
Die Entstehung des großen Städtebundes, der vorzugsweise Hansa oder Hansabund (hanseatischer Bund, Unio hanseatica) genannt
wird, kann nicht auf ein bestimmtes Jahr zurückgeführt werden. Der hansische Städteverein beruhte auf dem Zusammenwirken
zweier Momente, der Vereinigung deutscher Kaufleute im Ausland und der Verbindung deutscher Städte in der Heimat.
Bei der erstern Art von hansischen Verbindungen war das kaufmännische Interesse das allein maßgebende; die hansischen Städtevereinigungen
dagegen hatten neben den Handelszwecken einen allgemeinen politischen Charakter, gleich den Städtebündnissen in andern Teilen
des Reichs.
Von den im Ausland
gebildeten Gilden deutscher Kaufleute ist diejenige zu London
[* 56] die älteste, deren Spuren
bis in das Jahr 1000 zurückreichen. An den mit Privilegien reichlich ausgestatteten Stahlhof (Stapelhof) der Kölner
[* 57] Kaufleute
zu London, mit denen Bürger von westfälischen Städten im Bündnis standen, knüpfen sich die Anfänge der ausländischen Hansa. Zu
dieser Verbindung trat dann Lübeck hinzu, ohne daß zunächst noch eine Rückwirkung der im Ausland geltenden
Bünde auf die heimischen Verhältnisse zu bemerken wäre.
Hierauf bildete sich ein Verein der sächsischen Städte, mit welchen Hamburg ein Bündnis schloß. Der wendische Städtebund
unter LübecksFührung schloß sich dem sächsischen schon wegen des Binnenhandels im Anfang des 14. Jahrh.
an. Endlich sind noch zu erwähnen die Handelsbündnisse zwischen westfälischen und preußischen Städten seit 1340. Den Handelsbündnissen
zur Seite gingen seit dem 13. Jahrh. die Landfriedensbündnisse, in welchen denn auch über
militärische Leistungen der Bundesglieder Vereinbarungen stattfanden. So bestand demnach um die Mitte
des 14. Jahrh. ein System von Bünden, welche sich zum Teil wegen ihres Ursprungs, zum Teil wegen ihrer auf dem Handel beruhenden
Grundlage gewissermaßen sämtlich als hanseatische Bünde bezeichnen lassen.
Die gewaltige Macht, die auf diese Weise gegründet war, übte nunmehr ihren direkten Einfluß auf die auswärtigen Staaten
und Verhältnisse. Es entstand ein Organismus, der ein inneres und noch stärkeres äußeres politisches Leben führte. Die
EroberungWisbys durch König Waldemar IV. von Dänemark im Juli 1361 veranlaßte die deutschen Seestädte zu einer noch engern
Verbindung, und bald ging man im Gefühl der Stärke
[* 64] von der Defensive auch zur Offensive über, wobei jedoch
immer die kaufmännischen Interessen maß- und zielgebend blieben. So war es die Macht der Hansa, welche die dem Bund feindlich
gesinnten KönigeHakon und Magnus von Schweden
[* 65] entthronte und statt derselben durch die Reichsstände den HerzogAlbrecht vonMecklenburg
[* 66] zum König ausrufen ließ, der ein treuer Verbündeter der Hansa blieb. WiderWaldemar IV., der umsonst kaiserliche
Befehle und päpstlichen Schutz gegen die kühnen Städte erwirkte, ward 1367 zu Köln ein Kriegsbündnis zwischen 77 Städten
geschlossen, das den hundertjährigen Krieg zwischen
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mehr
Lübeck und Dänemark durch einen entscheidenden Sieg glücklich zu Ende führte. Der Friede von Stralsund 1370 gab der Hansa die
Herrschaft des Sundes, die Schlüssel zur Ostseeherrschaft, in die Hand,
[* 68] überlieferte ihr Plätze und Landstrecken in Schonen
auf 15 Jahre als Unterpfand und sicherte ihr zwei Dritteile der königlichen Einkünfte aus denselben
für einen gleichen Zeitraum; zugleich versprachen die dänischen Reichsräte, daß künftighin niemand, ohne die Privilegien
der Hansa bestätigt zu haben, die dänische Krone erlangen solle.
Indessen fehlte es unter den Verbündeten nicht an Gegensätzen. Das Übergewicht Lübecks und des wendischen Bundes im östlichen
Meer und seine vollkommene Herrschaft über den Sund riefen unter den westlichen Städten eine Reaktion hervor.
Zunächst waren es die holländischen Städte, welche sich beschwert fanden und, das Verbot der Hansa, Getreide
[* 69] aus andern als
hansischen Häfen auszuführen, zum Vorwand nehmend, vom Bund abfielen, in dessen Fehde mit Erich XI. auf die Seite des Dänenkönigs
traten und sich mit ihm 1423 zum feindlichen Überfall der hansischen Schiffe auf Schonen vereinigten.
Die Hansa verbot hierauf, holländische Schiffe nach Livland zu befrachten, und behandelte die ostseeischen Fahrten derselben als
Schleichhandel. Fast ebenso empfindlich wurden die preußischen und livländischen Städte von LübecksHandelspolitik berührt.
Die Kolonialpolitik der Hansa hatte den direkten Verkehr nach und von den östlichen Pflanzstädten und ihrem
Handelsgebiet den eignen Schiffen des Bundes vorbehalten, selbst die Landreise war verboten; fremde Flaggen
[* 70] sollten in den östlichen
Häfen, außerhansische Kaufleute auf deren Märkten nicht zugelassen werden.
Durch diese selbstsüchtige Politik, die den ganzen Stapel zum MonopolLübecks machte, fühlten sich jene
Pflanzstädte natürlich sehr beschwert, und jede sich darbietende Gelegenheit ward von ihnen dazu benutzt, sich von der
drückenden Bundesfessel loszumachen. Überdies verstand der Bund wenig, der neuen Zeit und ihren Forderungen Rechnung zu tragen.
Das althergebrachte Wesen der Faktorei begann dem bunten Treiben der Börse zu weichen; neue Handelswege
wurden aufgefunden; Antwerpen
[* 71] ward die Niederlage der Portugiesen für ihre ostindischen Zufuhren, wodurch sich in den Niederlanden
selbst ein Punkt von stärkerer Anziehungskraft bildete, und als 1540 der hansische Stapel von Brügge nach Antwerpen verlegt
werden sollte, zeigte sich, daß sich der Stapel überhaupt überlebt habe. Gleichwohl hielt die Hansa mit
Zähigkeit an den alten, verlebten Verhältnissen fest und ließ sich so unbemerkt von der Handelsthätigkeit andrer
Völker überholen. Den meisten Grund zur Eifersucht auf die aber hatten die skandinavischen Reiche, die ihren Seepaß, den Sund,
unter hansischer Gewalt und das Monopol der Hansa auf ihren Märkten herrschend sahen.
So mächtig alle diese Feinde in ihrer Zusammenwirkung auch sein mochten, so fand sich doch ein Mann, der ihnen allen keck
den Handschuh hinwarf: Jürgen Wullenweber (s. d.), den eine demokratische Bewegung rasch auf die höchste Stufe der Ehren in
seiner Vaterstadt Lübeck emporgehoben hatte. GustavWasa war durch die Lübecker auf den schwedischen Thron
gesetzt worden; Friedrich, Herzog von Holstein, konnte sich nur durch ihren Beistand auf dem dänischen Thron behaupten.
Ersterer hatte aus Erkenntlichkeit der Hansa neben andern Privilegien zugestanden, daß ausländische Nationen auf ewige Zeiten
von der Fahrt durch den Sund oder Belt ausgeschlossen sein sollten; letzterer
dagegen hatte bei seiner Thronbesteigung
nur die alten Freibriefe der Hansa im allgemeinen bestätigt. Als er nun acht Jahre später LübecksBeistand gegen den entthronten
Christian II., der seine Krone zurückerobern wollte, nachsuchte, verlangte Wullenweber als Gegenleistung die Zustimmung Dänemarks
zu einer Schiffahrtsakte, nach welcher die Holländer sowenig wie die östlichen Städte mit Stapelgütern
durch den Sund fahren dürfen sollten.
Den Preußen sollte verstattet sein, ihnen zu eigen gehörende Stapelgüter gegen Certifikate nach England zu bringen; die Schotten,
Engländer und Franzosen sollten gleichfalls Waren, die ihnen selbst zugehörten, gegen Certifikate, nicht aber Stapelgüter
um Fracht führen dürfen. Dänemark zögerte mit seiner Zustimmung und befolgte ein Schaukelsystem zwischen
den hansischen und niederländischen Interessen, bis auch Schweden mit Lübeck zerfiel, worauf die Reichsräte ihre Versprechungen
zurücknahmen und mit Schweden ein Bündnis schlossen.
Wullenweber knüpfte hierauf Verbindungen mit dem König von England, vielleicht auch mit Christian II., gewiß mit der demokratischen
Partei in Dänemark an, sah sich nach einem Prätendenten für den schwedischen Thron um und schloß 1534 mit den Niederländern
Frieden, um den Kaiser mit Lübeck zu versöhnen. Aber sein kühnes Unternehmen scheiterte. Von da nahm die Hansa einen entschiedenen
Rückgang. Dänemark beutete den Sundzoll für sich aus. Livland, vom DeutschenReich abgefallen, verwickelte
Lübeck in einen langwierigen Krieg mit Schweden. Zunächst dominierte Schweden, nachher Rußland in der Ostsee.
Der härteste Schlag aber wurde von England aus gegen die Hansa geführt. Noch 1551 war der deutsche Handel in England so begünstigt,
daß durch die Hansen 44,000 Stück englische Tücher, durch die Engländer selbst deren nur 1100 ausgeführt
wurden. Einzelnen Versuchen der englischen Regenten, diesem Mißverhältnis ein Ende zu machen, hatte die Hansa stets ihre Macht
entgegengestellt, und im 15. Jahrh. war es darüber zu manchem blutigen Seekampf gekommen.
Die KöniginElisabeth trat zuerst mit der Forderung einer Gleichstellung der Eingesessenen mit den Hansen
auf, wogegen letztere in Hinsicht auf die Handelsbeziehungen zu England vor allen andern Völkern besondere Vergünstigungen
genießen sollten, die jedoch umgekehrt auch den englischen Unterthanen in den Hansestädten zu gewähren seien.
Als die Hansa den Vorschlag zurückwies, beschränkte die Königin zunächst die Erlaubnis zur Ausfuhr ungefärbter Tücher,
selbst gegen Entrichtung des höhern Zolles, auf 5000 Stück. Der Hansetag beantragte zwar beim Reichstag, als Repressalie den
Engländern allen Verkehr mit Deutschland
[* 72] und den Verkauf englischer Güter in Deutschland zu untersagen; allein der Kaiser ließ
es bei einem Verwendungsschreiben an die Königin von England, das natürlich erfolglos blieb, bewenden.
Hamburg schloß hierauf einen Separatvertrag mit England und nahm die englische Kompanie der Adventurers bei sich auf, wagte
jedoch, da der Unwille gegen diesen Verrat sich immer drohender äußerte, nach Ablauf
[* 73] der vorerst stipulierten zehn Jahre
keine Erneuerung des Vertrags. Die Verhandlungen mit England gerieten allmählich ins Stocken, wiewohl die
Handelsverbindungen noch nicht völlig abgebrochen wurden. Inzwischen trat der Gegensatz der lübeckischen und hamburgischen
Politik immer schroffer hervor. Während erstere die alten Privilegien aufrecht erhalten wissen wollte, berief sich Hamburg
auf die veränderte Weltlage, die eine andre
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StellungEngland und den andern Königreichen gegenüber mit sich bringe. Da man an der eignen Macht verzweifelte, brachte man 1582 die
Sache an den Reichstag, und wirklich erging 16. Sept. d. J. ein Reichsgutachten, wonach den Adventurers überall im Reich der Handel
sofort verboten werden sollte; das betreffende kaiserliche Mandat ward aber erst 1597 erlassen. Während
dieser Zeit waren die Adventurers vorübergehend wieder in Hamburg erschienen, und der Rat von Stade
[* 75] hatte ihren Besuch sogar
durch eine eigne Gesandtschaft erbeten. Elisabeth hatte 1589 im Tejo 60 hansische Schiffe kapern lassen, nahm nach dem Erscheinen
des kaiserlichen Mandats auch die hansische Faktorei, den Stahlhof, weg und hob die alten Privilegien der
Hansa in England auf.
Zu Anfang des 17. Jahrh. bestand der Hansabund thatsächlich kaum noch aus mehr als etwa 14 Städten. Trotz dieses Verfalls
wurde von den großen Mächten, welche damals in Europa
[* 76] maßgebend wurden, das Bündnis der und insbesondere
Lübecks noch immer sehr gesucht. Denn da Spanien
[* 77] einen großen Eifer entwickelte, auf der Ostsee Macht zu gewinnen, und deshalb
mit Dänemark in Unterhandlungen getreten war, suchten die Niederländer und die mit ihnen verbündeten Schweden 1612 mit Lübeck
ein förmliches Bündnis.
Nach dem WestfälischenFrieden wurden mehrfache vergebliche Versuche gemacht, einen Hansetag in der alten Weise zu versammeln.
Die meisten Städte waren, da ihnen der Bund den alten Schutz nicht mehr zu gewähren vermochte, abgefallen
und hatten sich zum Teil irgend einer Fürstenmacht unterworfen, und auf dem letzten Hansetag zu Lübeck 1630 erfolgte ihre
förmliche Lossagung. Umsonst erteilte Leibniz (1670) den Rat, »die Kommerzien durch Restabilierung der Hansestädte wieder
aufzurichten«. Es war kein Leben mehr in den toten Körper zu bringen, und nur einem günstigen Geschick
ist es zuzuschreiben, daß wenigstens Lübeck, Bremen
[* 78] und Hamburg, welche den Bund freilich mehr dem Namen nach als durch einmütiges
Streben noch eine Zeitlang repräsentierten, ihre Unabhängigkeit bewahrten.
Hier vereinigten sich die Geldkräfte mit der Geschäftskunde, das günstige Vorurteil der auswärtigen Geschäftsfreunde
mit der einheimischen Strebsamkeit, die Erfahrung und Umsicht mit der gewandten Benutzung der Zeitumstände.
Wo man aber einst befohlen hatte oder doch mit Selbstgefühl aufgetreten war, da mußte man nun bitten und wohl auch zu Bestechungen
seine Zuflucht nehmen; namentlich über das Recht der neutralen Flagge fanden häufige Verhandlungen mit England und Frankreich
statt.
Napoleon verleibte 1810 die Hansestädte dem Kaiserreich ein. Das Kontinentalsystem erreichte dadurch seinen
Höhepunkt; der Handel schwankte zwischen namenloser Einbuße durch die Sperre und zwischen fabelhaftem, aber segenlosem Schmuggelgewinn.
Als die Wiener Kongreßakte den Hansestädten in Anerkennung ihrer regen Beteiligung an dem Befreiungskampf ihre Unabhängigkeit
garantiert
hatte, erneuerten sie ihr hanseatisches Bündnis; doch hat dasselbe mit dem alten Bunde der
Hansa wenig mehr als den Namen gemein.
In der Blütezeit der Hansa reichten deren Verkehrslinien vom äußersten Norden
[* 79] bis nach Italien,
[* 80] vom Innern Rußlands bis an den
Atlantischen Ozean. Von Wisby wurde, wie schon bemerkt, der Verkehr mit Rußland bewerkstelligt, und seit
der Ansiedelung in Nowgorod hatten die Deutschen auch hier ihr eignes Recht, ihre Handelsordnung und Gemeindekasse. Durch Verträge
mit den russischen Großfürsten sicherten sich die Lateiner (d. h. die Westländer) ihre Rechte. Der anfangs zu Lande bewerkstelligte
Verkehr mit Nowgorod wurde später durch Schiffe unterhalten, die sich jährlich zweimal in Wisby zur gemeinschaftlichen
Fahrt nach Osten versammelten.
Bergen war der Hauptsitz des hanseatisch-norwegischen Verkehrs; BergensBürger wurden nach und nach von den Hanseaten abhängig:
überall kauften diese sich an und bemächtigten sich der Gewölbe
[* 93] und Häuser. Das Gebiet der Deutschen bestand aus 21 Höfen,
die zwei Gemeinden bildeten. AlleHöfe waren durch Mauern voneinander getrennt und bestanden aus Haupt- und
Nebengebäuden. Die ganze Niederlassung zählte etwa 3000 Bewohner, die alle männlichen Geschlechts sein mußten.
Trotz der Einführung der Ein- und Ausfuhrzölle, die häufig sehr bald wieder aufgehoben wurden, und trotz andrer Schikanen derEngländer blieben die Hansen doch das ganze Mittelalter hindurch die Haupthändler in England. Ihr Hauptsitz war der Stahlhof
in London; hier wurden an jedem Neujahrsabend der Alderman mit zwei Beisitzern und den Neunern in der Art
gewählt, daß jede Stadt gleichmäßigen Einfluß ausübte. Diese zwölf Männer setzten mit dem residierenden Kaufmann der
Hansa die Statuten fest, welche jährlich in voller Versammlung in der
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