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Frühling. In manchen Gegenden sind indessen Jahre vergangen, ohne daß ein Regentropfen gefallen ist. An der Südküste herrschen häufig heftige Orkane. In San Domingo sind die Extreme der Temperatur 15,5 und 35° C. (Mittel 25,7), in Port au Prince 17,2 und 40° (Mittel 27,2). Die Vegetation der Insel ist die üppigste der Tropen. Prachtvolle Urwaldungen bedecken die Gebirge, und alle kostbaren Früchte dieser Zone gedeihen in den Thälern und Ebenen. Große wilde Tiere gibt es gar nicht; dagegen sind die von Europa [* 2] eingeführten Haustiere in verwildertem Zustand in Fülle vorhanden, namentlich Rinder [* 3] und Schweine. [* 4] Sehr reich vertreten sind Vögel [* 5] und Insekten, [* 6] unter denen sich viele giftige und lästige finden; Seen und Flüsse [* 7] sind von Kaimans und Alligatoren belebt, die Küsten von Krebsen, Krabben und Schildkröten, [* 8] und das Meer besuchen häufig Wale. [* 9]
In politischer Hinsicht teilt sich Haïti [* 10] in zwei selbständige Republiken, nämlich und die Dominikanische Republik (s. d.). Die Negerrepublik Haïti umfaßt die kleinere westliche Hälfte der Insel, 23,911 qkm (434,25 QM.) mit etwa 550,000 Einw. (1789: 523,000), von denen neun Zehntel Neger, der Rest Mulatten. Die Neger sind zwar nominell Christen, haben auch Gelegenheit, eine 1876 gegründete Universität oder eine der öffentlichen Schulen (1875: 368 mit 19,250 Schülern) zu besuchen, sind aber in der That in ihr altes Heidentum zurückgefallen.
Ihre »Vaudoux« genannte Religion ist ein Mischding von Fetischglauben und katholischem Christentum, die ihre eignen Priester (Papa Loi oder Papa Vaudoux) hat und Feste mit Menschenopfern feiert. Die katholischen Beichtväter wissen recht wohl, was es bedeutet, von einem »schwarzen, haarlosen Schwein« [* 11] gefressen zu haben (Stuarts Konsularbericht, 1877). Die einst blühende Plantagenwirtschaft und die Viehzucht [* 12] sind sehr herabgekommen, und nur Kaffee, weil ohne viel Mühe zu gewinnen, wird noch in den frühern Quantitäten produziert.
Die Tabakskultur ist seit 1818 eingeführt, und seit 1859 baut man auch Baumwolle [* 13] und außerdem Kakao und Zucker. [* 14] Der große Waldreichtum wird ungenügend ausgebeutet, die Mineralschätze des Landes liegen brach. Der Gewerbfleiß ist äußerst gering. Der Handel hat sich in jüngerer Zeit gehoben, wenn auch die Ausfuhr noch immer sehr viel weniger bedeutend ist als zur Zeit der Sklavenwirtschaft. Der Wert derselben war 1789: 165 Mill. Mk., 1855 nur 13 Mill. Mk., 1865 aber 34 Mill. Mk. und 1883-84: 29,6, 1884-85: 19,6 Mill. Mk. Die früher so bedeutende Zuckerausfuhr hat fast aufgehört, und jetzt besteht die Ausfuhr wesentlich aus Kaffee, Kampescheholz, Mahagoni, Kakao, Baumwolle, Häuten, Honig, Wachs, Gummi etc. Die Einfuhr betrug 1883-84: 16,9 und 1884-85: 28,5 Mill. Mk. Im J. 1883-84 liefen in die 7 Häfen: Port au Prince, Aux Cayes, Jacmel, Gonaives, Petit Goave, Jérémie und Port de Paix, 563 Schiffe [* 15] von 604,270 Ton. Gehalt ein. Es gibt weder Eisenbahnen noch Kanäle, und die Landstraßen sind im traurigsten Zustand.
Maße und Gewichte sind die französischen. Die Gourde (Peso) hat einen Nominalwert von 4 Mk. Die jetzt gültige Verfassung datiert von 1879. An der Spitze der Verwaltung steht ein auf sieben Jahre gewählter Präsident. Ihm zur Seite stehen fünf verantwortliche Minister, ein Senat und ein Abgeordnetenhaus. Die Mitglieder des letztern werden vom Volk auf drei Jahre gewählt und wählen ihrerseits die Senatoren. Weiße können weder Grundbesitz noch das Bürgerrecht erwerben.
Für die Rechtspflege bestehen ein Appellationsgericht, 6 Bezirksgerichte und 5 Handelsgerichte mit unabsetzbaren Richtern. Die katholische Religion ist Staatsreligion, jedoch jeder andre Kultus erlaubt. Eingeteilt wird der Staat in zehn Arrondissements. Hauptstadt ist Port au Prince; daselbst Sitz eines deutschen Konsuls. Die Finanzen waren früher in einem jämmerlichen Zustand, haben sich aber in jüngster Zeit wesentlich gebessert. Die Ausgaben beliefen sich 1882-83 auf 24 Mill. Mk. (den Peso fuerte zu 4 Mk. gerechnet).
Die Zölle (die Hauptquelle der Einnahmen) warfen 1884-85: 24 Mill. Mk. ab. Die Staatsschuld belief sich im J. 1877 (nachdem Papiergeld im Nominalwert von 2400 Mill. Mk. für 8 Mill. Mk. klingender Münze eingelöst worden war) auf 29,2 Mill. Mk., im J. 1882 auf 50 Mill. Mk. (wovon 30 Mill. äußere Schuld). Die 1825 in Frankreich gemachte Anleihe war bis auf 1,2 Mill. Mk. abgezahlt worden. 1885 wurde abermals für 8 Mill. Mk. Papiergeld ausgegeben. Das stehende Heer zählt 6828 Mann (einschließlich von 1978 Mann Gendarmen, einer Garde von 650 Mann, 4 Batterien und 6 Bataillonen); die Seemacht wird durch drei Avisos repräsentiert. S. Karte »Westindien« [* 16] und Tafel »Flaggen [* 17] I«. [* 18]
Geschichte.
Haïti (in der Sprache [* 19] der Ureinwohner s. v. w. Bergland) wurde von Christoph Kolumbus entdeckt und Española oder Hispaniola genannt: Die herrliche Natur, die prachtvolle Vegetation entzückten die Spanier. Die Insel war damals von einem harmlosen Indianervolk, wahrscheinlich vom Stamm der Kariben, bewohnt, das man auf 1 Mill. Seelen schätzte, und welches unter einer Menge kleiner Häuptlinge oder Kaziken stand. Nach Goldlagerstätten forschend, entdeckte Kolumbus die Häfen von Valparaiso [* 20] (jetzt Port de Paix), Thomas (jetzt Bai d'Acal), Punta Santa (Point Picolet) und errichtete vor seiner Rückkehr nach Europa in der Nähe des letztern mit Hilfe der Eingebornen aus den Trümmern des gescheiterten Schiffs Santa Maria ein kleines Fort, La Navidad, worin er eine Besatzung von 40 Mann zurückließ.
Bei seinem Wiedererscheinen auf Haïti fand er das Fort in Trümmern; der Kazike Caonabo hatte, gereizt durch die Gewaltthaten und Plünderungszüge der Spanier, das Fort zerstört und die Besatzung niedergemacht. Die Spanier legten hierauf im Osten des Kap Monte Cristo die Stadt Isabella an, von wo aus sie sich in den Besitz der reichen Goldminen von Cibao setzten und zur Sicherung derselben das Fort St. Thomas errichteten. Bald darauf erstand an der Mündung des Flusses Ozama eine neue Stadt und Citadelle, San Domingo, welche die Hauptstadt der Insel wurde und derselben später ihren Namen gab.
Die von dem Statthalter Franc. de Bobadilla aufgefundenen und von ihm sowie seinem Nachfolger Ovando ausgebeuteten Goldminen von San Cristoforo lieferten zwar reiche Ausbeute; doch rieb der Betrieb derselben die zu Sklaven gemachten Eingebornen so schnell auf, daß die Zahl derselben schon 1507 auf 60,000 Köpfe vermindert war. Um diese Zeit verpflanzte Pedro d'Atenza das Zuckerrohr von den Kanarischen Inseln nach und Gonzalez gab den Impuls zum Plantagenbau. Zur Betreibung desselben ersetzte Ovando die aufgeriebenen Ureinwohner von Haïti durch 40,000 Kariben der Bahamainseln; aber auch diese gingen infolge der anstrengenden Arbeiten bald zu Grunde, worauf Negersklaven aus Afrika [* 21] eingeführt wurden. Der Rest der Indianer von 4000 Mann behauptete unter dem Kaziken Enrico nach 13jähriger blutiger Fehde 1532 ¶
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ein kleines besonderes Gebiet zu Boya, 67 Meilen nordöstlich von San Domingo, wo ihre wenig zahlreichen Nachkommen sich noch jetzt unter eignen Kaziken erhalten haben.
Die Insel verlor durch den Untergang der Urbewohner ungemein. Noch nachteiliger für das Gedeihen der Kolonie war der Umstand, daß sich 1630 die französischen und englischen Bukanier oder Flibustier auf dem nahen Eiland Tortuga festsetzten. Zwar wurden sie endlich von da vertrieben, aber ein vorwiegend aus Franzosen bestehender Überrest derselben siedelte sich als Pflanzer auf der menschenleeren Nordküste der Insel an und wendete sich um Hilfe gegen die Spanier an Frankreich.
Dieses sandte denn auch 1661 Dogeron als Gouverneur nach und gründete im westlichen Teil der Insel 1665 eine französische Kolonie, welche indes 1686 von den Spaniern zerstört wurde. Schon 1691 aber ward eine neue französische Kolonie durch Ducasse gegründet, und im Frieden von Ryswyk 1697 erhielt Frankreich den ganzen westlichen Teil der Insel abgetreten. Spanien [* 23] behielt zwar die größere Osthälfte, aber die Industrie der Franzosen gab ihrem kleinern Anteil bald ein entschiedenes Übergewicht über den spanischen, und in dem langen Frieden, welcher auf den spanischen Erbfolgekrieg folgte, gelangte St. Domingue, wie die Franzosen ihren Anteil nannten, zur höchsten kolonialen Blüte. [* 24] Mit jedem Jahr stieg die Zahl der Pflanzer und der Sklaven, und der Plantagenbau hob sich ungemein. Nach der Regulierung der Grenze zwischen dem spanischen und dem französischen Anteil 1776 zählte der französische Anteil 28,000 qm und auf diesen 1788: 27,717 Weiße, 21,808 freie Farbige und 405,564 Sklaven, zusammen 455,089 Einw. Der spanische Anteil hatte auf 48,500 qm im J. 1790: 125,000 Einw., darunter nur 15,000 Sklaven.
Im spanischen Anteil wurden die Sklaven sehr mild behandelt, desto härter im französischen. Hier entwickelte sich durch das Mißverhältnis zwischen den Weißen und der Überzahl der eingeführten Negersklaven auch der Keim eines Aufstandes. Durch die zur Zeit der französischen Revolution in Paris [* 25] entstandene Gesellschaft der Freunde der Schwarzen und die englische Gesellschaft zur Abschaffung des Sklavenhandels auf ihre Menschenrechte hingewiesen und von den durch die Revolution unter die weiße Bevölkerung [* 26] Haïtis selbst gebrachten Spaltungen in die großen und kleinen Weißen (Grundbesitzer und Gewerbsleute), die Konstitutionellen und Monarchisten, die Anhänger und Gegner der Kolonialregierung noch mehr aufgeregt, sandten die Farbigen, Mulatten (meist frei, aber den Weißen nicht ebenbürtig) und Neger, schon 1789 eine Gesandtschaft nach Frankreich und erwirkten 1790 einen Beschluß der Nationalversammlung, nach welchem der Kolonie Autonomie zugestanden ward.
Der dem gegenüber gefaßte Beschluß der Weißen, um keinen Preis ihre politischen Rechte mit einer »entarteten Menschenrasse« zu teilen, brachte die Gärung zum offenen Ausbruch. Am begann der Aufstand der Mulatten und Neger in der Umgegend des Kap François und verbreitete sich unter den greulichsten Verwüstungen und den blutigsten Metzeleien, denen die vom Mutterland zur Ordnung der Angelegenheiten der Kolonie gesendeten Bevollmächtigten Polverel und Santhonax weder wehren konnten noch wollten, nach der Einnahme von Kap François durch die Neger (21-23. Juni 1793) über die ganze Kolonie.
Als 1793 die Spanier und Engländer mehrere Plätze der Kolonie besetzten, verband sich das Negerheer mit den unter General Lavaux zur Behauptung der Insel gelandeten französischen Truppen. Die Spanier mußten daher im Baseler Frieden von 1795 den östlichen Teil der Insel an die Franzosen abtreten, und die weißen Kolonisten wurden von den Insurgentengeneralen Rigaud und Toussaint l'Ouverture schließlich (1797) gezwungen, die Insel ganz zu verlassen, worauf das französische Direktorium den Negern in den französischen Kolonien völlige Freiheit und gleiche Rechte mit den Weißen bewilligte.
Gleichzeitig ward Toussaint l'Ouverture zum Obergeneral aller Truppen auf Haïti ernannt. Dieser suchte sich jedoch unabhängig von Frankreich zu machen und gab der Insel eine eigne zweckmäßige Verfassung. Der Erste Konsul Bonaparte schickte hierauf 1801 den General Leclerc mit 25,000 Mann als Generalkapitän nach Haïti Toussaint widersetzte sich anfangs seiner Landung bei Kap François, mußte sich jedoch bald ins Innere zurückziehen und sich unterwerfen, worauf er 1802 nach Frankreich geschickt wurde. Da die noch übrigen weißen Pflanzer die Sklaverei wiederherzustellen suchten, brach der Aufstand unter dem Negergeneral Dessalines von neuem aus; die französischen Truppen und ihr Anführer Leclerc selbst wurden durch Krankheiten aufgerieben, und im November 1803 mußte Rochambeau mit dem Reste der Franzosen die Insel räumen, auf welcher nun das Regiment der Weißen gänzlich aufhörte.
Dessalines warf sich zum Herrn der ganzen Insel auf, ließ sich unter dem Namen Jakob I. zum Kaiser ausrufen und gab eine neue Verfassung; doch rief seine Grausamkeit schon im folgenden Jahr eine Verschwörung unter dem Neger Heinrich Christophe und dem Mulatten Alexander Pétion hervor, durch welche er gestürzt wurde. Alsbald brach auch die seither durch den gemeinsamen Haß gegen die Weißen in den Hintergrund gedrängte Rivalität zwischen Mulatten und Negern offen aus und blieb fortan das Motiv aller innern Kämpfe des neuen Staats.
Pétion, als Haupt der Mulatten, und Christophe, als Haupt der Neger, kämpften miteinander um die Oberherrschaft bis 1808. Das Resultat dieses Kampfes während dessen die Spanier 1808 ihren Anteil an der Insel wiedereroberten, war eine Trennung der französischen Hälfte der Insel in eine Mulattenrepublik, mit Pétion als Präsidenten, im Süden und in den Negerstaat Haïti im Norden, [* 27] mit Christophe als Präsidenten. Beide Staaten trennte ein zehn Stunden breiter Landstrich, den man absichtlich unbebaut ließ, und der bald, von Lianen und Dorngesträuch überdeckt, eine natürliche Scheidemauer bildete. 1811 verwandelte Christophe den nördlichen Staat in eine erbliche Monarchie und ließ sich unter dem Namen Heinrich I. zum Kaiser krönen.
Zugleich erschien ein neues Staatsgesetzbuch (Code Henri) und ein von den komischten Titeln, Hof- und Staatsämtern strotzender Staatskalender; auch andre Einrichtungen der europäischen Überbildung wurden auf lächerliche Weise nachgeahmt und namentlich der Hofstaat nach französischem Muster eingerichtet. Die Sklaverei blieb im Grunde die alte, nur trat an die Stelle der Peitsche der Säbel. Zwischen beiden Staaten herrschte unversöhnliche Feindschaft, und nur in der Zurückweisung der nach dem Wiener Kongreß erneuerten Ansprüche Frankreichs waren sie einig. Pétion gab der Republik eine Verfassung, welche Abschaffung aller Sklaverei, Preßfreiheit etc. festsetzte. Nach Petions ¶
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Tod versuchte Heinrich die Mulattenrepublik mit seinem Kaisertum zu vereinigen; allein der Mulatte, General Jean Pierre Boyer, der hier als Präsident Nachfolger Pétions geworden war, wußte diesen Versuch zu vereiteln. Heinrich selbst, welchen ein Aufruhr republikanisch gesinnter Mulatten in seinem Reich zu Grausamkeiten gereizt hatte, wurde immer verhaßter, und im September 1820 brach ein Aufstand gegen ihn aus, der bald allgemein wurde und selbst den Abfall der Truppen zur Folge hatte, worauf der Negerkaiser sich erschoß.
Hierauf fand, da sich das Heer dem Präsidenten Boyer unterwarf, die Vereinigung beider Teile des französischen Haïti zu einer einzigen Republik statt, welcher sich 1822 auch der spanische Anteil der Insel anschloß, der sich 1821 wieder von Spanien losgesagt hatte. Die Republik wurde in der Folge von den meisten Staaten anerkannt, nach mehreren vergeblichen Wiedereroberungsversuchen 1825 selbst von Frankreich gegen eine an die ehemaligen Plantagenbesitzer zu zahlende Entschädigung von 150 Mill. Frank, die jedoch 1838 bei Gelegenheit des Abschlusses eines Handelsvertrags zwischen Frankreich und Haïti auf 60 Mill., in 30 Terminen bis 1867 zahlbar, herabgesetzt ward. Seit 1822 regierte Boyer als lebenslänglicher Präsident nach der Verfassung vom doch unter beständigem Zerwürfnis mit dem Repräsentantenhaus.
Im Frühjahr 1842 wurde Haïti von einem furchtbaren Erdbeben [* 29] heimgesucht, das einige Städte fast vernichtete; besonders hart wurde die Stadt Le [* 30] Cap Haïti betroffen. Boyer ward 1843 durch eine von den Mulatten Dumesle und Rivière geleitete Verschwörung gestürzt, schiffte sich nach Europa ein und starb 1850 in Paris. Die siegreichen Parteihäupter teilten darauf die Stellen unter sich. Widerstand zeigte sich nur in dem spanischen Anteil, weshalb Herard Rivière eilig mit Truppen dahin abging, die vornehmsten Einwohner von San Domingo gefangen setzte und eine Besatzung unter seinem Bruder, dem Obersten Leo Herard, zurückließ.
Aber kaum hatte Herard Rivière, nachdem eine neue Verfassung eingeführt worden, als Präsident das Staatsruder übernommen, als im August 1843 im Osten ein offener Aufstand ausbrach. San Domingo erklärte sich für eine selbständige Republik (s. Dominikanische Republik, Geschichte). Rivière sprach hierauf über den Osten den Blockadezustand aus, rief die Nationalgarde zu den Waffen, [* 31] und schon brachen zwei Heere, 20,000 Mann stark, nach Osten auf; doch ward die eine Kolonne, unter Pierrot, einem schwarzen General, schon auf dem Marsch von Pimentel bei Seybo geschlagen, und auch die zweite, unter Rivière selbst, erlitt 9. April bei Santiago eine Schlappe.
Nun empörten sich in Haïti die Neger gegen die Mulatten. Um zu retten, was noch zu retten war, willigten diese ein, daß ein Schwarzer, Guerrier, zum Präsidenten gewählt werde, zumal dieser bei seinem hohen Alter und seiner unmäßigen Neigung zum Trunk Hoffnung gab, daß die wirkliche Leitung der Geschäfte nach wie vor in den Händen der Farbigen bleiben werde. Wirklich wurde Guerrier schon Anfang 1845 ein Opfer seiner Trunksucht. Unter seinem Nachfolger Pierrot machten die Mulatten einen Versuch, ihren alten Einfluß wiederzugewinnen, und veranlaßten zu Leogane einen Aufstand zu gunsten der Zurückberufung Rivières.
Die Bewegung ward jedoch sofort unterdrückt, und die Mulatten sahen sich nun blutigen Verfolgungen ausgesetzt. Der Haß der Schwarzen äußerte sich unter anderm in einem Gesetz, das jede Ehe zwischen Weißen und Schwarzen verbot. Als sich Anfang 1846 der Volksunwille gegen den Präsidenten Pierrot wendete, gab dieser seine Sache sofort auf und trat in den Privatstand zurück. Der durch diese Revolution auf den Stuhl gehobene Präsident war General Jean Bapt. Riché. Die Verfassung von 1843 wurde durch die vom ersetzt, welche im wesentlichen die von 1816 war. Der Präsident, ein fast 70jähriger Mann, aber noch von hoher Thatkraft, stellte in kurzer Zeit den Frieden auf der Insel wieder her, vermehrte die Hilfsquellen des Landes und ließ sich die Zivilisierung des haïtischen Volkes angelegen sein. Zu früh für Haïti starb er
Der als sein Nachfolger proklamierte General Faustin Soulouque (s. d.) versprach zwar in einem Erlaß vom 3. März, das frühere Ministerium beizubehalten und die Politik seines Vorgängers fortzusetzen, begann aber seine Regierung mit einem Ministerwechsel, der die rohsten und den Weißen feindlichsten Schwarzen an das Ruder brachte, und mit Vorbereitungen zu einem Kriege gegen die Nachbarrepublik. Soulouque machte im März 1849 einen Einfall in San Domingo; in des in der Schlacht bei Savanna Numero behaupteten die Dominicanos unter General Santana nach einem fürchterlichen Gemetzel das Feld.
Soulouques Heer löste sich auf, und Santana würde dem westlichen Staat ein völliges Ende gemacht haben, wenn ihn nicht ein Aufstand nach San Domingo zurückgerufen hätte. Bei seiner Rückkehr aus dem unglücklichen Feldzug führte Soulouque seinen ehrgeizigen Plan aus, indem er sich zu Port au Prince zum Kaiser ausrufen ließ und sich in der Kathedrale selbst die Krone aufsetzte. Als Kaiser Faustin I. ordnete er nun sein Reich ganz nach Napoleonischem Vorbild und umgab sich mit einer glänzenden Kaisergarde.
Das Ausland reizte er durch Monopolisierung von Zucker und Kaffee, zeitweilige Sperrung der Häfen gegen fremde Schiffe und hohe Steuern, die er den auswärtigen Kaufleuten auflegte. Nur den energischen Vorstellungen der Konsuln von England, Nordamerika [* 32] und Frankreich gelang es endlich im Sommer 1850, die Aufhebung dieser Monopolisierung zu erwirken; doch trat an deren Stelle ein erhöhter Ausgangszoll auf Kaffee und andre Hauptausfuhrartikel. Im Innern herrschte der Kaiser willkürlich und grausam. Am begann er abermals die Feindseligkeiten gegen San Domingo.
Allein das Landheer des Kaisers erlitt 9. Okt. in den Bergen [* 33] von Banica wiederum eine bedeutende Niederlage. Anfang 1851 geboten endlich England, Frankreich und die Vereinigten Staaten [* 34] die Einstellung der Feindseligkeiten. Neue Eroberungspläne Faustins auf San Domingo, trotz der Protestationen Frankreichs und Englands im Dezember 1855 ins Werk gesetzt, scheiterten aber so kläglich wie die frühern. In der Savanne von San Tome ward das 18,000 Mann starke, teils unter Faustins, teils unter des Generals Geffrard Kommando stehende Heer 22. Dez. gänzlich geschlagen; der Kaiser selbst eröffnete die Flucht der Seinen und überließ die kaiserliche Kasse samt sämtlicher Bagage etc. dem Feind. Er ließ hierauf drei Generale und mehrere Offiziere angeblich wegen Einverständnisses mit den Dominicanos erschießen, sammelte die Reste seines Heers, erlitt aber mit 10-12,000 Mann in der »großen Savanne« (Sabanalarga) eine zweite entscheidende Niederlage. Zwar verkündete er unmittelbar nach seiner Rückkehr durch eine Proklamation, daß der Krieg gegen San Domingo nur vorläufig aufgeschoben sei; doch ¶
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führten die Vermittelungen Englands und Frankreichs sowie die kühne Haltung der Dominicanos noch in demselben Jahr zum Abschluß eines dreijährigen Waffenstillstandes.
Inzwischen erfolgte Faustins Sturz. Eifersüchtig auf das Ansehen, das sein General Geffrard bei den Truppen genoß, hatte er bereits dessen Verhaftung und Hinrichtung angeordnet, als dieser, noch rechtzeitig gewarnt, nach Gonaives entkam und hier von den Truppen des Distrikts Artibonite zum Präsidenten von Haïti ausgerufen ward. Faustins Regierung war so verhaßt, daß Geffrard schon ohne Widerstand in Port au Prince einziehen und die Präsidentschaft übernehmen konnte. Er schützte den nach Jamaica abziehenden Exkaiser vor der Volkswut und nahm auch sonst keine politischen Verfolgungen vor.
Intelligent und thätig, begünstigte er Künste und Wissenschaften und übte volle bürgerliche und religiöse Duldung, rief aber eben hierdurch beständige Opposition von seiten der Neger alten Schlags hervor. Die Armee wurde verringert, der frühere liberale Zolltarif wiederhergestellt und eine Flotte gegründet. Mehrere Revolten wurden niedergeworfen, namentlich 1865 mit Hilfe Englands auch die der Partei der sogen. Lizards (»Eidechsen«) [* 36] unter dem Rittmeister Salnave, der dennoch 1867 Geffrard stürzte und auf vier Jahre zum Präsidenten gewählt wurde, worauf eine neue Verfassung der Republik verkündet wurde.
Aber schon 1868 erhob sich die Partei der Cacos (»Papageien«, welche die Lizards fressen) unter General Nissage Saget gegen die Partei Salnaves; Saget siegte nach zweijährigen Kämpfen, eroberte 1869 Port au Prince und ließ 1870 Salnave erschießen. Saget wurde darauf auf vier Jahre zum Präsidenten der Republik erwählt; ihm folgte 1874 General Michel Domingue. Da dieser und sein Neffe, der Vizepräsident Rameau, durch Habsucht und Erpressungen allgemeine Unzufriedenheit erregten, so kam es 1876 zu einem Aufstand, infolge dessen das Haupt der Nationalen, General Boisrond Canal, zum Präsidenten erwählt wurde. Doch schon im Juli 1879 wurde Boisrond Canal, dessen Regierung keine glückliche war, durch die Gegenpartei der Liberalen nach einem blutigen Straßenkampf in Port au Prince, bei dem ein großer Teil der Stadt in Flammen aufging, gestürzt und General Salomon zum Präsidenten erhoben. Ein Aufstand unter Salomons Rival Boyer Bazelais, welcher 1883 in Miragoane ausbrach, wurde nach hartnäckigen Kämpfen Ende d. J. unterdrückt.
Vgl. Jordan, Geschichte der Insel Haïti (Leipz. 1846-49, 2 Bde.);
Handelmann, Geschichte von Haïti (Kiel [* 37] 1856);
Madiou, Histoire d'Haïti (Port au Prince 1847, 3 Bde.);
Ardouin, Études sur l'histoire d'Haïti (Par. 1853-61, 11 Bde.);
Linstant-Pradine, Recueil général des lois et actes du gouvernement d'Haïti (das. 1851-65, 5 Bde.);
Janvier: La république d'Haïti 1840-82 (Par. 1883), Les affaires d'H. 1883-84 (das. 1885), Les constitutions d'H. (das. 1886);
E. Chancy, L'indépendance nationale d'H. (das. 1884);
La Selve, Histoire de la littérature haïtienne (Versailles [* 38] 1876);
Derselbe, Le pays des nègres, Voyage à Haïti (Par. 1881);
Ramsay, Abrégé de la géographie d'H. (das. 1881);
St. John, Hayti, the black republic (Lond. 1884);
Nau, Agronomie et agriculture en Haïti (Par. 1886).