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sich vom Reichstag, der zu dem Unternehmen seine volle Zustimmung gab, verabschiedet hatte, landete er mit 13,000 Mann auf der Nordspitze der Insel Usedom. Es waren nicht allein religiöse Motive, die Gustav Adolf zu diesem Schritt bestimmten, wie man evangelischerseits früher anzunehmen pflegte, aber auch nicht bloß politische, wie ultramontane und überkluge protestantische Historiker haben beweisen wollen. Neben dem ehrgeizigen Thatendrang, der ihn beseelte, gingen beide Beweggründe her: von der Erhaltung des durch die habsburgische Übermacht aufs höchste bedrohten Protestantismus hing die Existenz seiner Dynastie und des schwedischen Staats, wie Gustav Wasa und er selbst ihn geschaffen, ab;
es bedurfte also nicht einmal seiner echt religiösen Gesinnung und seines lebendigen Mitgefühls für seine Glaubensgenossen, um ihn zur Hilfsleistung anzuspornen.
Daneben wollte er allerdings durch Eroberungen an Deutschlands [* 2] Küsten die Herrschaft im Baltischen Meer (dominium maris baltici) gewinnen und Schweden [* 3] zu einer Österreich [* 4] und Frankreich ebenbürtigen Großmacht erheben, und er ist diesem Ziel nahe genug gekommen. Sein Unternehmen war kühn, denn in seinem Rücken bedrohte ihn der alte Feind Dänemark, [* 5] und Polens war er keineswegs sicher, Frankreich und die Niederlande [* 6] zögerten mit thätiger Hilfe, die deutschen Protestanten, namentlich die Fürsten, beobachteten eine mißtrauische Zurückhaltung, und die meisten Städte in Mecklenburg [* 7] und Pommern [* 8] waren von starken kaiserlichen Garnisonen besetzt.
Indes waghalsiger Mut war bei Gustav Adolf gepaart mit berechnender Klugheit. Nachdem er sich der Inseln Usedom, Wollin und Rügen bemächtigt, marschierte er auf Stettin [* 9] und rückte 18. Juli, nachdem er den Herzog Boguslaw zur Unterwerfung gezwungen, in die Stadt ein. Nachdem er darauf sein Heer durch Zuzüge aus den Ostseeprovinzen auf 40,000 Mann verstärkt hatte, begann er die schrittweise langsame, aber sichere Eroberung ganz Pommerns, Mecklenburgs und Brandenburgs. Im Januar 1631 erhielt er von Frankreich durch den Vertrag von Bärwalde die zur Fortführung des Kriegs sehr nötigen Hilfsgelder zugesichert.
Aber besonders das Verhalten seines Schwagers, des von dem katholischen Grafen Schwarzenberg geleiteten Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, [* 10] dessen Interesse und Rechte durch Gustav Adolfs Auftreten in Preußen [* 11] und Pommern allerdings sehr gefährdet wurden, hemmte seinen Siegeslauf und hinderte ihn vor allem, Magdeburg [* 12] rechtzeitig zu Hilfe zu kommen. Um Tilly von dieser hart bedrängten Stadt abzuziehen, machte Gustav Adolf nach der Eroberung Kolbergs im April 1631 vergebens eine Demonstration gegen Schlesien [* 13] und erstürmte Frankfurt [* 14] a. O. und Landsberg [* 15] a. W. Als endlich Georg Wilhelm seinem Drängen nachgab und Mitte Mai dem König den Durchmarsch gestattete und ihm als Stützpunkt seiner Operationen die Festung [* 16] Spandau [* 17] einräumte, war es zu spät; Gustav Adolf hatte noch nicht den Übergang über die Elbe bewerkstelligt, als Magdeburg 20. Mai fiel.
Indes gerade dieser scheinbar große Erfolg der Kaiserlichen führte die ersehnte Wendung herbei. Tilly konnte sich in der gänzlich zerstörten Festung nicht behaupten und wandte sich nach Sachsen, [* 18] das er ohne Rücksicht auf dessen Neutralität hart bedrückte. Das grausame Geschick Magdeburgs, das allgemein der Rachsucht der Kaiserlichen zugeschrieben wurde, machte die Bildung einer protestantischen Mittelpartei unmöglich, und als Gustav Adolf, nachdem er Brandenburg 21. Juni zu einem neuen Bündnis gezwungen, auch in Sachsen einrückte, schloß sich Ende August Kurfürst Johann Georg ihm an und vereinigte 15. Sept. seine Armee bei Düben mit der schwedischen.
Nördlich von Leipzig, [* 19] bei Breitenfeld, [* 20] erfocht Gustav Adolf 17. Sept. durch die ausgezeichnete Taktik, die vorzügliche Führung und die ungemeine Beweglichkeit der einzelnen schwedischen Truppenteile sowie durch ihre zweckmäßige Bewaffnung den entscheidenden Sieg, infolge dessen ein vollständiger Umschwung eintrat. Ganz Norddeutschland war mit Einem Schlag von den Kaiserlichen befreit, der Weg in des Feindes Land stand offen, die bisher unterdrückten Evangelischen sahen jetzt in dem fremden König ihren Befreier.
Die deutschen Fürsten, von denen außer dem Landgrafen Wilhelm von Hessen [* 21] und dem Herzog Bernhard von Weimar [* 22] sich nur die vertriebenen ihm angeschlossen hatten, suchten jetzt seinen Schutz und sein Bündnis. Vor allem fiel das Volk, namentlich die Bürgerschaft der Reichsstädte, ihm zu. Als er gleich nach der Schlacht durch Thüringen nach Franken und durch die »Pfaffengasse« den Main abwärts nach dem Mittelrhein zog, glich sein Marsch einem Triumphzug. Fast nirgends traf er auf erheblichen Widerstand.
Würzburg, [* 23] dessen Feste Marienberg er erstürmen mußte (18. Okt.), Hanau, [* 24] Frankfurt fielen rasch nacheinander in seine Hand. [* 25] Nürnberg [* 26] begrüßte ihn und erklärte: handelte es sich um die Wahl eines neuen Reichsoberhauptes, so wüßten sie »kein geeigneteres und kein gesegneteres Subjekt als Se. Königl. Majestät selbst«. Die fränkischen Stände huldigten ihm als Herzog von Franken. In Mainz, [* 27] das er im Dezember besetzte, und wo er den Winter über blieb, trug er sich mit wichtigen Plänen: er wollte den Evangelischen einen Frieden erkämpfen, der sie für immer sicherte, und sie zu einem Bund unter Schwedens Führung einigen. Indes noch war die katholische Partei nicht völlig vernichtet, sondern es mußte noch ein neuer Feldzug unternommen werden. Gustav Adolf zog im März 1632 wieder den Main aufwärts, vereinigte sich bei Kitzingen [* 28] mit seinem General Horn und folgte Tilly, der sich zum Schutz Bayerns zurückzog, über Nürnberg und Donauwörth. Am 15. April erzwang er den Übergang über den Lech durch sein überlegenes Geschützfeuer und rückte in das nun gänzlich schutzlose Bayern [* 29] ein. Mitte Mai hielt er seinen Einzug in München. [* 30] Nur Ingolstadt [* 31] vermochte er nicht zu erobern. Inzwischen hatte der Kaiser durch die demütigendsten Zugeständnisse (Vertrag zu Znaim April 1632) Wallenstein zur Bildung eines neuen Heers und zur Übernahme des Oberbefehls bewogen und dieser die Sachsen aus Böhmen [* 32] herausgeworfen und sich über Eger [* 33] nach Franken in Marsch gesetzt.
Seine Vereinigung mit dem Reste der ligistischen Truppen unter Maximilian von Bayern konnte Gustav Adolf nicht hindern und schlug deshalb Anfang Juli bei Nürnberg ein befestigtes Lager [* 34] auf. Wallenstein verschanzte sich ihm gegenüber, wich jedem Kampf aus und suchte die Schweden auszuhungern. Er erreichte seinen Zweck, und Gustav Adolf versuchte, nachdem er Verstärkungen herangezogen, das feindliche Lager zu erstürmen; der Sturm wurde aber nach mörderischem Kampfe von Wallenstein zurückgeschlagen (3. Sept.). Gustav Adolf wandte sich nun nach Schwaben; als er aber vernahm, daß Wallenstein nach Norden [* 35] marschiert und in Sachsen eingefallen sei, rückte er in Eilmärschen dorthin, um den unzuverlässigen Kurfürsten Johann Georg vom Abfall abzuhalten und seine eigne Stellung in Norddeutschland zu sichern. Anfang November hatte er seine Streitkräfte in Erfurt [* 36] vereinigt; hier nahm er Abschied von seiner Gemahlin ¶
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und brach nach Osten auf, dem Feind entgegen, der auf die Ebene von Lützen [* 38] zurückwich, wo es zu einem gewaltigen Zusammenstoß der beiden noch unbesiegten Feldherren und Heere kam. Die Schweden griffen gegen Mittag an. Mit dem rechten Flügel drängte der König nach heftigem Kampf die Kaiserlichen zurück; als diese sich wieder sammelten und die Schweden durch einen hitzigen Vorstoß warfen, führte Gustav Adolf ein neues Regiment vor. Im Handgemenge geriet er in eine Schar feindlicher Kürassiere, von denen er durch mehrere Schüsse getötet wurde.
Seine Leiche, die man ausgeplündert und gräßlich verstümmelt nach der Schlacht in der Nähe eines großen Feldsteins fand, wurde nach Schweden gebracht (s. Lützen, Schlacht bei). Die Kunde von seinem Tod entflammte die Truppen zur höchsten Kampfeswut, und obwohl Wallenstein nicht entscheidend geschlagen wurde, mußte er sich doch mit Hinterlassung einiger Geschütze [* 39] aus Leipzig zurückziehen. Für den Glanz seines Namens starb Gustav Adolf zur rechten Stunde: er strahlte fortan im Andenken der Protestanten als Glaubensheld, der für das Evangelium den Heldentod erlitten.
Dieser Nimbus würde wohl etwas verblichen sein, wäre es zur Verwirklichung seiner politischen Pläne gekommen, welche so manche Interessen verletzen und große Schwierigkeiten hervorrufen mußten. Für Deutschland [* 40] und den Protestantismus war jedoch sein Tod ein unersetzlicher Verlust. Fortan fehlte den Protestanten eine einheitliche, auf ein fest begrenztes großes Ziel gerichtete Leitung; dieselbe ging in mehrere Hände über, Eifersucht und roher Eigennutz zersplitterten die Kräfte und machten den Krieg zu einem ziellosen Kampf habgieriger Söldnerführer und zügelloser Heere. Nur einen Erfolg hatten Gustav Adolfs Heldenthaten so gesichert, daß er auch seinen Nachfolgern zu gute kam: die Errichtung einer schwedischen Großmacht mit der Herrschaft über die Ostsee.
Gustav Adolf war von stattlicher, hoher Gestalt; in seiner letzten Lebenszeit wurde er sehr beleibt und in seinen Bewegungen schwerfällig; eine Adlernase und große, funkelnde Augen zeichneten sein Gesicht [* 41] aus, sein Haar [* 42] war hellblond. Er war streng gegen sich selbst und haßte allen Luxus, alle Verweichlichung. Seine Frömmigkeit war ungeheuchelt und klebte nicht an der Konfession, sondern war echt religiös. Gewöhnlich war er verschlossen und unnahbar; doch konnte er auch eine gewinnende Menschenfreundlichkeit und eine Gabe populärer Rede, wie sein Großvater, zeigen.
Als Staatsmann besonnen und umsichtig, war er als Krieger tapfer bis zur Tollkühnheit, erlangte aber gerade dadurch große Popularität bei seinem Heer und beim deutschen Volk. Über seinen Wert als Feldherrn hat sich Napoleon I. am treffendsten ausgesprochen, indem er ihn den acht kriegerischen Größen der Weltgeschichte beizählte. Gustav Adolfs Leistungen in der Taktik sind epochemachend; seine Neuerungen in der Bewaffnung, Einteilung und Aufstellung der Truppen und Truppengattungen sowie im Geschützwesen bedürfen, durch die glänzendsten Erfolge bewährt, keiner Rechtfertigung und Anpreisung; seine die Aufrechthaltung der Disziplin und Mannszucht unter den Soldaten bezweckenden Einrichtungen haben ein Heer hergestellt, welches in Ansehung der moralischen Tüchtigkeit damals seinesgleichen nicht fand. Gustav Adolf hinterließ von seiner Gemahlin Marie Eleonore, der Tochter des Kurfürsten Johann Siegmund von Brandenburg, nur eine Tochter, Christine (s. d.). Im November 1854 wurde Gustav Adolfs von Fogelberg gefertigte Statue in Gotenburg aufgestellt. In Deutschland wurden ihm Denkmäler errichtet, außer bei Lützen, zwischen Koswig und Göritz 1840 und in Bremen [* 43] 1853. Ein dauerndes Andenken fand er in Deutschland durch die Gustav-Adolf-Stiftung (s. d.). Seine Schriften wurden von Styffe (»Konung Gustaf II. Adolfs skrifter«, Stockh. 1861) herausgegeben; »Schriftstücke Gustav Adolfs, zumeist an evangelische Fürsten Deutschlands« veröffentliche Gustav Droysen (Leipz. 1877).
Vgl. Flathe, Gustav Adolf und der Dreißigjährige Krieg (Dresd. 1841 bis 1842, 4 Bde.);
Gfrörer, Gustav Adolf, König von Schweden, und seine Zeit (4. Aufl. v. O. Klopp, Stuttg. 1863);
v. Soden, Gustav Adolf und sein Heer in Süddeutschland (Erlang. 1865-69, 3 Bde.);
Fryxell, Geschichte Gustav Adolfs (deutsch, Leipz. 1852);
Helbig, Gustav Adolf und die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg (das. 1854);
Cronholm, Sveriges historia under Gustaf II. Adolfs regering (Stockh. 1857-1872, 6 Bde.; Auszug daraus: »Gustav II. Adolf in Deutschland«, deutsch von Helms, Leipz. 1875, Bd. 1);
Gustav Droysen, Gustav Adolf (das. 1869-70, 2 Bde.);
Parieu, Histoire de Gustave Adolphe, roi de Suède (Par. 1875);
John L. Stevens, History of Gustavus Adolphus (Lond. 1885);
Wittich, Magdeburg, Gustav Adolf und Tilly (Berl. 1874, Bd. 1).
3) Gustav III., König von Schweden, ältester Sohn Adolf Friedrichs, Herzogs von Holstein-Gottorp, nachmaligen Königs von Schweden, und Luise Ulrikes, einer Schwester Friedrichs II. von Preußen, war geboren. Seine natürlichen Anlagen entwickelten sich unter der Leitung des Grafen Tessin und des Generals Scheffer glücklich, und heller Verstand, hinreißende Beredsamkeit und herzgewinnende Freundlichkeit vereinten sich in ihm mit glühendem Ehrgeiz und Thatendrang; es fehlte ihm indes an Ernst und Ausdauer sowie an Mäßigung. Er befand sich in Paris, [* 44] als sein Vater starb.
Hier unterschrieb er die vom Reichsrat ihm vorgelegte Verpflichtung auf die bestehende Verfassung, schloß aber mit Frankreich einen geheimen Vertrag, in dem er sich zum Umsturz derselben gegen Zahlung von Hilfsgeldern verbindlich machte. Obwohl er fest entschlossen war, die Adelsoligarchie zu stürzen, welche das Königtum in Schweden zu einem Schatten [* 45] erniedrigt hatte, heuchelte er doch nach seiner Rückkehr nach Schweden die freundlichste Gesinnung gegen den Adel, äußerte sich in seinen öffentlichen Reden gleichgültig über seine Herrscherrechte, versuchte scheinbar, die getrennten Parteien zu versöhnen, und unterschrieb ohne weiteres die neue Versicherungsakte vom welche die königliche Gewalt noch mehr einschränkte. Im geheimen aber legte er den Verhandlungen des Reichstags unvermerkt Schwierigkeiten in den Weg und wußte durch Leutseligkeit das Volk und das Militär auf seine Seite zu ziehen und durch Flugschriften und mündliche Verbreitung seiner politischen Ansichten Unzufriedenheit über das bestehende Adelsregiment zu erregen. Er bildete eine neue Partei, die Hofpartei, sammelte ergebene Offiziere um sich und stiftete im Juli 1772, eine Hungersnot in Schonen benutzend, einen Aufstand an, um seinen Brüdern, den Prinzen Karl und Adolf, Gelegenheit zu geben, ihre Regimenter zusammenzuziehen. Als der Reichsrat, den Plan durchschauend, Gegenmaßregeln traf, stellte sich Gustav 19. Aug. in Stockholm [* 46] an die Spitze des Militärs, dessen Offiziere sich fast sämtlich zum Sturz der Oligarchie verpflichtet hatten, ließ den Saal, in dem der Reichsrat saß, absperren, gewann die Bürgerschaft von Stockholm durch glänzende Reden für sich und ¶
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verkündete eine neue Verfassung, welche der durch Waffengewalt eingeschüchterte Reichsrat 21. Aug. annahm und beschwor. Gustav machte von der großen Gewalt, die ihm nun zu Gebote stand, anfangs einen vortrefflichen Gebrauch. Durch seine Bemühungen erhob sich der schwedische Handel zu neuer Blüte, [* 48] und auch der Gewerbfleiß stieg mit dem hergestellten Umlauf des baren Geldes. Der König richtete sein Augenmerk vorzüglich auf die Verbesserung der äußern Lage des Bauernstandes, auf das Medizinalwesen, auf Errichtung von Arbeits-, Waisenhäusern und Spitälern. Er beförderte das Bergbauwesen, Kanal- und Schleusenbauten, ordnete das Finanzwesen, errichtete eine Diskontokompanie und gab den Handel in Marstrand frei.
Auch der Ackerbau erfreute sich seiner besondern Fürsorge. Die Land- und Seemacht Schwedens erhob er zu einer achtunggebietenden Stellung und erhielt von Frankreich für ansehnliche Rückstände von Hilfsgeldern die kleine Insel Barthélemy in den Antillen, auf welcher er einen Freihafen errichten ließ. Daneben gab er freilich auch durch seine Prachtliebe und Verschwendung Anlaß zum Tadel (seine Krönung kostete allein 3 Mill., ein Turnier 400,000 Thlr.) und sah sich auch bald zu bedenklichen Finanzmaßregeln genötigt, um seine Einkünfte zu vermehren. Er verscherzte dadurch die Anhänglichkeit der niedern Stände und ermutigte den unter russischem Einfluß stehenden Adel zu neuer Opposition.
Derselbe trat auf dem Reichstag von 1786 offen gegen Gustav auf und verwarf von vier Vorschlägen desselben, welche der Finanznot abhelfen sollten, drei. Der ohne die verfassungsmäßige Zustimmung des Reichstags 1788 begonnene Krieg mit Rußland, in dem die schwedische Flotte 17. Juli nach tapferm Kampfe von der russischen unter Greigh zum Rückzug nach Sweaborg gezwungen und hier eingeschlossen wurde, brachte die Rebellion des Adels zum Ausbruch. Bei dem Angriff auf Frederikshamn weigerten sich die Obersten mehrerer finnischer Regimenter, zu stürmen; Offiziere und Adel erklärten sich 12. Aug. gegen den Krieg mit Rußland und schlossen mit demselben eigenmächtig Waffenstillstand. Bald rüstete auch, von Rußland angetrieben, Dänemark gegen Schweden, und während Gustav bei den Dalekarlen und in Wermland Hilfe suchte und fand, drangen die Dänen bis Gotenburg vor, wurden aber hier von Gustav zurückgetrieben, worauf durch Englands und Preußens [* 49] Vermittelung ein Friede zu stande kam.
Im Februar 1789 berief der König einen Reichstag nach Stockholm, wo er durch einen neuen Staatsstreich den Widerstand des Adels brach, völlige Souveränität, das Recht, auch ohne Einwilligung der Stände einen Krieg anzufangen, und unbedingte Verfügung über die Staatseinkünfte erlangte, dem Bürgerstand dagegen Zutritt zu den meisten Ämtern und Gleichheit mit den Adligen im Erwerb von Grundbesitz verlieh. Gustav setzte hierauf den Krieg mit Rußland mit Nachdruck, doch mit wenig Geschick fort.
Derselbe verlief ganz unglücklich; erst gelang es Gustav, mit der in Wiborg [* 50] eingeschlossenen Flotte die feindliche zu durchbrechen und sechs Tage darauf, als der russische Admiral, ein Prinz von Nassau, die Schärenflotte im Svenskasund angriff, denselben vollständig zu schlagen. Der hierauf zu Werelä am Kymenefluß ^[richtig: Kymmenefluß] geschlossene Friede stellte den Besitzstand vor dem Krieg wieder her; ja, Gustav schloß sogar 1791 einen Freundschaftsvertrag mit Rußland, um, von diesem sowie von Preußen und Österreich unterstützt, einen abenteuerlichen Zug für das monarchische Prinzip gegen die französische Revolution zu unternehmen.
Einen Reichstag zu Gefle im Januar und Februar 1792, der die schon aufgewandten und noch zu bestreitenden Ungeheuern Kriegskosten aufbringen sollte, mußte Gustav entlassen, ohne seinen Wunsch erfüllt zu sehen. Indessen hatte sich unter dem Adel eine Verschwörung gegen das Leben des Königs gebildet, deren Hauptanstifter der General Pechlin war, dem sich einige andre, namentlich die Grafen Ribbing und Horn sowie der von Gustav persönlich beleidigte Hauptmann Anckarström, anschlossen, die durch das Los entschieden, wer den König ermorden solle.
Das Los fiel auf Anckarström. Eine Maskerade zu Stockholm in der Nacht vom 16. zum wurde zum Mord ausersehen. Der König, wiewohl gewarnt, besuchte gleichwohl den Ball. Kaum war er in den Saal getreten, als ihn eine Menge von Masken [* 51] umschwärmte, und indem ihm eine derselben (Graf Horn) mit den Worten: »Gute Nacht, Maske!« auf die Schulter klopfte, schoß ihn Anckarström mit einem Pistol in den Rücken. Mit voller Geistesgegenwart setzte Gustav für seinen unmündigen Sohn Gustav IV. von der dänischen Prinzessin Sophie Magdalena eine Regentschaft ein und starb Der Adel konnte die Früchte der That nicht ernten.
Die königliche Gewalt blieb ungeschmälert. Der Mörder wurde hingerichtet, die übrigen Verschwornen traf bloß Verbannung. Gustavs sämtliche Papiere wurden auf seinen Befehl, in Kisten verschlossen, auf der Universitätsbibliothek zu Upsala [* 52] aufbewahrt, wo sie erst nach 50 Jahren durch einen König seines Geschlechts geöffnet werden sollten. Diese Eröffnung fand statt. Geijer berichtet über die Papiere in der Schrift »Gustavs III. nachgelassene und 50 Jahre unter Siegel gelegene Schriften« (Upsala 1843-45; deutsch von Crepplin, Hamb. 1843-46, 3 Bde.). Die Ausbeute war nicht sehr erheblich. Gustav war nicht nur ein Freund der Wissenschaft, sondern auch selbst Schriftsteller. Er schrieb in schwedischer Sprache [* 53] mehrere Elegien und Schauspiele (deutsch von Eichel, Leipz. 1843); seine Gedächtnisrede auf Torstensson, welche er anonym der schwedischen Akademie überreichte, wurde mit dem ersten Preis gekrönt.
Eine Sammlung seiner »Œuvres politiques, littéraires et dramatiques« veranstaltete Dechaux (Par. 1805, 5 Bde.; deutsch im Auszug von Rühs, Berl. 1805-1808, 3 Bde.; schwed., Stockh. 1806-12, 6 Bde.). Sein tragisches Ende gab Scribe Stoff zu einer von Auber komponierten Oper.
Vgl. Posselt, Geschichte Gustavs III. (Straßb. 1793);
d'Aguila, Histoire du règne de Gustave III (Par. 1815, 2 Bde.);
Geffroy, Gustave III. et la cour de France (das. 1867, 2 Bde.);
Nervo, Gustave III, roi de Suède, et Anckarström (das. 1876);
Odhner, Sveriges politiska historia under konung Gustaf III's regering (Stockh. 1885).
4) Gustav IV. Adolf, König von Schweden, Sohn und Nachfolger des vorigen, geb. zu Stockholm, stand, am Todestag seines Vaters nach dessen letztwilliger Bestimmung zum König ausgerufen, während seiner Minderjährigkeit unter Vormundschaft seines Oheims, des Herzogs Karl von Södermanland, des nachmaligen Königs Karl XIII. (s. d.), der auch die Regentschaft führte, bis Gustav die Regierung selbst übernahm. Er besaß Talente und natürliche Herzensgüte, doch war seine nach Rousseauschen Grundsätzen geleitete Erziehung der Ausbildung seines Charakters nicht förderlich gewesen. Die Beharrlichkeit, die sein Vater ihm hatte einpflanzen wollen, war in Störrigkeit ausgeartet, der von seinem Vater ererbte Hang zum Ritterlichen zur Lust am Abenteuerlichen. Die von der ¶
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Regentschaft aus dem Land verwiesene Armfeltsche Partei rief Gustav zurück; sowie er auch sonst manche weise Einrichtung des Oheims aufhob. Obwohl schon mit einer Prinzessin von Mecklenburg versprochen, ließ er sich 1796 doch von der Kaiserin Katharina II. von Rußland zu einer Vermählung mit ihrer Enkelin Alexandra Paulowna bereden, verweigerte aber nachher die Unterzeichnung des Ehekontrakts, so daß die Vermählung nicht zu stande kam. Er vermählte sich hierauf mit der Prinzessin Friederike von Baden, [* 55] der Schwägerin des Kaisers Alexander I. Die Souveränität, welche sein Vater errungen, ließ er sich auf dem Reichstag von 1800 zu Norrköping bestätigen. Er schloß sich der von Rußland gestifteten bewaffneten Neutralität der nordischen Mächte an, blieb aber doch bei dem Vordringen der britischen Flotte in den Sund und bei dem Angriff derselben auf das mit ihm verbündete Dänemark unthätig; ja, nach Alexanders I. Thronbesteigung trat er 1802 dem neuen Handelsvertrag zwischen England und Rußland bei, worauf er die von den Briten besetzte Insel Barthélemy zurückerhielt.
Seitdem näherte sich Gustav immer mehr Großbritannien. [* 56] Im Juli 1803 reiste er nach Karlsruhe, [* 57] um für die Wiedereinsetzung der Bourbonen zu wirken. Vergeblich suchte er den gerade während seiner Anwesenheit auf Napoleons Befehl aus dem Badischen entführten Herzog von Enghien zu retten. Beim Reichstag zu Regensburg [* 58] gab er nachdrückliche Noten gegen jene Blutthat ein und war nebst dem Kaiser Alexander I. der einzige Souverän, welcher seinem Unwillen darüber öffentlichen Ausdruck gab.
Nach Stockholm zurückgekehrt, schloß er sich gegen britische Subsidien der Koalition gegen Frankreich an und gab auf alle Weise seine Feindschaft gegen Napoleon kund, der ihn dafür im »Moniteur« heftig angreifen ließ. Seine Handlungen wurden immer unberechenbarer: dem König von Preußen sandte er den Schwarzen Adlerorden zurück, weil Napoleon ihn auch erhalten habe und die Ritterehre es ihm verbiete, Waffenbruder eines Mörders zu sein;
auf dem Reichstag von 1806 legte sein Gesandter die Erklärung nieder, daß der König so lange an den Verhandlungen des deutschen Reichstags keinen Teil nehmen werde, als dessen Beschlüsse unter dem Einfluß der Usurpation und des Egoismus ständen.
Die ihm von Napoleon kurz vor dem Tilsiter Frieden gemachten günstigen Friedensvorschläge lehnte er ab und hob sogar den Waffenstillstand mit Frankreich auf, weshalb er nach dem Tilsiter Frieden Stralsund [* 59] und die Insel Rügen verlor. Dagegen trat er in ein engeres Bündnis mit England, unbekümmert um die zu erwartende Kriegserklärung Dänemarks und Rußlands, welch letzteres ihn vergeblich von England zu trennen und zur Schließung der Ostsee für englische Schiffe [* 60] bis zum allgemeinen Seefrieden zu bewegen gesucht hatte.
Ein russisches Heer von 60,000 Mann drang darauf 1808 in Finnland ein und eroberte es, durch den Verrat schwedischer Befehlshaber unterstützt, nach kurzem Widerstand seitens des von den Eingebornen tapfer unterstützten Generals Klingsporr. Anstatt diesem zu Hilfe zu kommen, griff Gustav Norwegen an; nach dem Treffen bei Enningdalen mußten sich jedoch die Schweden unter Armfelt über die Grenze zurückziehen. Nachdem sich auch England, das er aufs empfindlichste beleidigte, indem er die Ausschiffung des englischen Hilfskorps verbot, den Befehlshaber, General Moore, verhaften ließ und seine Friedensratschläge mit Beschlagnahme aller englischen Schiffe in schwedischen Häfen beantwortete, von ihm abgewendet, reizte Gustav noch den Adel und das Heer durch schroffe Behandlung und führte so selbst die Katastrophe herbei, die ihn des Throns beraubte.
Die westliche Armee, die unter Cederström an der norwegischen Grenze stand, gab das Zeichen zur Empörung und setzte sich unter Adlersparre gegen Stockholm in Marsch. Der König, der vom Schloß Hage nach der Hauptstadt geeilt war, beschloß, den Aufständischen entgegenzuziehen, und verlangte von der Bank 2 Mill. Thlr. zu Rüstungen. [* 61] Als ihm die Summe verweigert wurde, drohte er mit Gewalt. Jetzt glaubten die Verschwornen nicht länger zögern zu dürfen.
Klingsporr und Adlercreutz verlangten 13. März von Gustav Änderung seiner Politik, derselbe antwortete mit beleidigenden Vorwürfen. Adlercreutz entfernte sich, um den Hofmarschall Silfversparre und fünf Adjutanten herbeizuholen, und erklärte, in deren Begleitung zurückgekehrt, den König im Namen der Nation verhaften zu müssen. Entrüstet zog Gustav den Degen, ward aber überwältigt und entwaffnet. Neue Verschworne, auch treue Diener des Königs eilten herbei, und während diese miteinander rangen, stürzte Gustav aus dem Zimmer, um die auf dem Schloßhof versammelten Truppen zu seiner Verteidigung aufzufordern, ward aber angehalten und zurückgeführt.
Nachts 1 Uhr [* 62] wurde er nach Drottningholm und 24. März nach Gripsholm in Haft gebracht. Hier stellte er 29. März eine Entsagungsurkunde aus, die dem Reichstag zur Bestätigung vorgelegt ward. Dieser erklärte in seiner ersten Sitzung (19. Mai) den König und seine leiblichen gebornen und ungebornen Erben der Krone Schwedens für immer verlustig und übertrug dieselbe 5. Juni an den Herzog von Södermanland als Karl XIII., der die Regierung schon am Tag von Gustavs Verhaftung übernommen hatte. Dem entthronten König ward für sich und seine Familie ein jährliches Einkommen von 66,666 ⅔ Thlr. ausgesetzt, statt dessen 1824 seiner Familie eine Abfindungssumme von 721,419 Thlr. ausgezahlt wurde. Gustav selbst hat von Schweden nie etwas angenommen, so daß er später bei seinem geringen Privatvermögen in Armut geriet. Den ihm angewiesenen Aufenthalt auf der Insel Wissings-Ö bezog er nicht, sondern ging 6. Dez. nach Deutschland und von da nach der Schweiz, [* 63] wo er unter dem Namen eines Grafen von Gottorp lebte. Später trennte er sich von seiner Familie, begab sich 1810 nach Petersburg, [* 64] 1811 nach London, [* 65] ließ sich 1812 von seiner Gemahlin scheiden und trat 1814 eine Reise nach Jerusalem [* 66] an, kehrte aber von Morea aus zurück. Auf dem Wiener Kongreß suchte er vergeblich die Rechte seines Sohns auf den schwedischen Thron [* 67] geltend zu machen. Später ward er als Oberst Gustavsson Bürger zu Basel, [* 68] lebte höchst bescheiden, ja kümmerlich, privatisierte 1827-29 in Leipzig, ging dann nach Holland und lebte später in Aachen, [* 69] zuletzt in St. Gallen, wo er starb. Er hinterließ einen Sohn (s. Gustav 6) und zwei Töchter; die älteste, Sophie Wilhelmine, gest. war seit 1819 mit dem Großherzog Leopold von Baden, die jüngere, Cäcilie, gest. mit dem Großherzog von Oldenburg [* 70] vermählt. Gustav schrieb in französischer Sprache: »Betrachtungen über meine ersten Kriegsthaten« (deutsch, Jena [* 71] 1817);
»Memorial des Obrist Gustavsson« (deutsch, Leipz. 1829);
»Über die unbeschränkte Preßfreiheit« (deutsch, Aach. 1833);
»Der 13. März oder die wichtigsten Thatsachen der Revolution von 1809« (deutsch, St. Gallen 1835).
5) Gustav Erichson, Prinz von Schweden, Sohn Erichs XIV., geb. 1568, war erklärter Thronerbe ¶
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von Schweden, mußte aber nach der Entthronung seines Vaters durch Johann III. fliehen und ging nach Polen, wo er als Knecht diente. Später folgte er einer Einladung des Zaren, der ihn zum König von Finnland zu machen versprach, nach Moskau, [* 73] weigerte sich indessen, wie gefordert ward, seine Religion zu ändern, wurde später vom falschen Demetrius ins Gefängnis gesetzt und starb 1607 in Kaschin. Die Gelehrten seiner Zeit nannten ihn Theophrastus Paracelsus den Zweiten.
6) Prinz von Wasa, Prätendent von Schweden, auch Prinz von Holstein-Gottorp genannt, Sohn von Gustav 4), geb. trat in österreichischen Militärdienst, ward k. k. österreichischer Feldmarschallleutnant und lebte meist in Wien, [* 74] seit 1830 mit der Prinzessin Luise (gest. 1854), Tochter des Großherzogs Karl Ludwig Friedrich von Baden und der Stephanie, Adoptivtochter Napoleons I., vermählt. Aus dieser Ehe ging die Prinzessin Carola (geb. jetzige Königin von Sachsen, hervor. Er starb auf Schloß Pillnitz bei Dresden. [* 75]