griechischer
Bildung nach der Welthauptstadt zusammenströmten, um dort
Ehre,
Existenz und auch mannigfache Anregung zu finden.
Die Leistungen dieser sogen. römischen
Periode auf dem Gebiet der
Poesie bieten wenig Hervorragendes dar. Eine Wiederbelebung
des
Dramas war um so weniger möglich, als der
Pantomimus (s. d.) eine
Teilnahme an edlern Erzeugnissen der
dramatischen
Kunst nicht aufkommen ließ. Die lyrische
Poesie vertreten die
Hymnen des
Mesomedes,
Synesios,
Proklos und der
Orphiker
sowie anakreontische Spielereien.
Das
Lehrgedicht fand auch in dieser Zeit mannigfache Bearbeitung, so durch den sogen. Manetho,
den Verfasser eines wüsten astrologischen Gedichts aus dem Anfang der Kaiserzeit,
Oppianos von Anazarbos (zweite
Hälfte des 2. Jahrh.) mit seinen wohlstilisierten »Halieutica«
und seinen unbekannten Nachahmer aus Apamea mit den etwas schwülstigen »Cynegetica«.
Unter den epischen
Dichtungen sind als eine unverächtliche Leistung anzuerkennen die umfangreichen »Posthomerica«
(14
Bücher) des
Quintus Smyrnäos (Ende des 4. Jahrh.). Der bedeutendste
Epiker der ganzen Zeit ist der Ägypter
Nonnos von
Panopolis (um 400) mit seinen »Dionysiaca« in 48
Büchern, der Begründer einer eignen
Schule, zu der außer den wenig
bedeutenden Dichtern Triphiodoros und
Kolluthos der Verfasser der reizenden
Dichtung
»Hero und
Leander«,
Musäos, gehört. Kaum
Erwähnung verdienen die aus den
Kreisen der
Orphiker hervorgegangenen mystischen »Argonautica« und »Lithica«.
Wie die alexandrinische, so leistete auch diese Zeit Wertvolles im
Epigramm, dessen zahlreiche Vertreter den Hauptbestand
der sogen.
Anthologie (s. d.) bilden. Die äsopische
Fabel schließlich fand einen poetischen Bearbeiter in
Babrios (wahrscheinlich
Anfang des 3. Jahrh.).
Die litterarische Hauptthätigkeit auch dieser
Periode liegt auf den verschiedenen Gebieten der wissenschaftlichenProsa,
welche zuerst als die unmittelbare Fortsetzung der alexandrinischen
Periode mit ihrer
Gelehrsamkeit und Polyhistorie erscheint,
um bald einen neuen, selbständigen
Charakter anzunehmen. Auf dem Gebiet der Geschichte gingen zunächst mehrere Schriftsteller
darauf aus, für das praktische
Interesse der Zeitgenossen die gesamte
Weltgeschichte in übersichtlichen Kompilationen zu
bearbeiten. So verfaßte der Sizilier
Diodoros um 40
v. Chr. zu
Rom
[* 2] seine
»HistorischeBibliothek«, eine Universalgeschichte
in 40
Büchern, deren umfängliche Überreste einigermaßen für den Verlust der bedeutendsten Geschichtschreiber der vorigen
Periode entschädigen.
Ansehnliche Bruchstücke sind auch von der großen
Weltgeschichte (in 144
Büchern) des wenig spätern Nikolaos von
Damaskus
erhalten. Geschmackvolle Form und sorgfältige Forschung vereinigte
Dionysios von
Halikarnassos, der Verfasser
von zahlreichen und wertvollen litterarisch-ästhetischen
Schriften über die alten Redner, in seiner
»RömischenArchäologie«
(um 8
v. Chr. verfaßt), einer etwa zur Hälfte erhaltenen
Darstellung der ältern römischen Geschichte.
In der zweiten Hälfte des 1. Jahrh.
n. Chr. schrieb der
Jude Josephos griechisch seine jüdische
Archäologie
und die Geschichte des jüdischen
Kriegs. Aus dem Anfang des 2. Jahrh. sind uns die vortrefflichen Parallelbiographien berühmter
Griechen und
Römer
[* 3] des geist- und gemütvollen Platonikers
Plutarchos von
Chäroneia erhalten, von dem wir auch zahlreiche
philosophische Abhandlungen besitzen, aus dem Verlauf desselben die nach den besten
Quellen geschriebene
und für den
Untergang der Geschichtschreiber.
Alexanders d. Gr. entschädigende
»AnabasisAlexanders« von
Arrianos aus Nikomedia, der zugleich als philosophischer und geographischer
Schriftsteller zu nennen ist, und ein Teil der nach ethnographischen
Gesichtspunkten geordneten römischen Geschichte des
wenig geistvollen und sorgfältigen
AlexandrinersAppianos. Eine bedeutende Leistung ist die großartig angelegte, leider
nur sehr unvollständig erhaltene römische Geschichte des
Dio Cassius von
Nicäa aus dem Anfang des 3. Jahrh., von dessen
jüngerm Zeitgenossen
Herodianos eine interessante Kaisergeschichte vom
TodMark Aurels bis Gordian vorhanden ist. Von den spätern
Schriftstellern verdient noch Erwähnung Zosimos mit seiner Kaisergeschichte von
Augustus bis 410. Um die
Chronologie erwarben sich
VerdienstePhlegon von
Tralles unter
Hadrian und der
KirchenschriftstellerEusebios von
Cäsarea (4. Jahrh.)
mit seinem freilich nur in Übersetzungen vorhandenen »Chronikon«. - In der
Geographie leistete Hervorragendes der Kappadokier
Strabon mit seiner 19
v. Chr. in
Rom verfaßten allgemeinen
Erdbeschreibung
und der um 150
n. Chr. inAlexandria thätige Ägypter Klaudios
Ptolemäos, dessen Werke für die mathematische
Geographie ebenso epochemachend sind wie für die
Astronomie.
[* 4] Gleichzeitig verfaßte der Lydier
Pausanias seine Periegese
Griechenlands,
eine unerschöpfliche Fundgrube für religionsgeschichtliche und archäologische Forschung. - Auch auf dem Gebiet der exakten
Wissenschaften herrschte eine rege Thätigkeit, deren
MittelpunktAlexandria bleibt.
Das Wiederaufblühen der
Sophistik im 2. Jahrh.
n. Chr. richtete die
Aufmerksamkeit der
Grammatiker speziell auf die attischen
Schriftsteller und veranlaßte die
Richtung der Attizisten, welche den streng attischen Sprachgebrauch
in lexikalischen Werken festzustellen suchten, wie der Bithynier
Phrynichos, der berühmteste Attizist,
Harpokration von
Alexandria,
JuliusPollux von
Naukratis u. a. Von unschätzbarem Wert für die Kenntnis des
Altertums in den verschiedensten Beziehungen
ist die in Form von Tischgesprächen angelegte Sammlung gelehrter
Notizen des
Athenäos von
Naukratis (um 170-230). Nicht
minder
¶
mehr
wertvoll sind die nach moralischen Gesichtspunkten angelegten Exzerptensammlungen des Johannes aus Stobi, gewöhnlich Stobäus
genannt (5. Jahrh.), u. Orions von Theben in Ägypten.
[* 8] - Bedeutend sind die Leistungen der römischen Periode in der Rhetorik
(vgl. Rhetoren). Die litterarisch-ästhetische Seite derselben behandelten der schon als Historiker erwähnte Dionysios von
Halikarnassos in einer Reihe wertvoller Schriften, in welchen er auf die attischen Redner als Geschmacksmuster
hinwies, sowie sein jüngerer Zeitgenosse Cäcilius von Kaleakte und der unbekannte Verfasser der (dem CassiusLonginus fälschlich
beigelegten) geistvollen Schrift »Über das Erhabene«.
Unter den Schriftstellern der Folgezeit, welche über die Theorie des rednerischen Ausdrucks schrieben, wie
Demetrios, Älios Aristides, Apsines, Menandros, nimmt den ersten Rang ein Hermogenes von Tarsos (zweite Hälfte des 2. Jahrh.),
der scharfsinnigste Rhetor dieser und der vorhergehenden Periode. Praktische Verwertung fand die Rhetorik durch die seit Ende
des 1. Jahrh. n. Chr. auftretenden Sophisten. Mit diesem seit Sokrates fast vergessenen Namen bezeichneten sich
Männer, welche die Redekunst zur Virtuosität ausgebildet hatten und von Stadt zu Stadt zogen, um sich mit teils improvisierten,
teils vorbereiteten Prunkreden über Stoffe der Vorzeit, Tagesfragen, auch Themata allgemeinern Inhalts hören und bewundern
zu lassen.
Die Blütezeit der Sophistik fällt in das 2. Jahrh. n. Chr., dessen Kaiser den wissenschaftlichen Bestrebungen
der Griechen ihre dauernde und freigebige Huld zuwandten; im 3. Jahrh. zurückgedrängt, trat
sie noch einmal in der Mitte des 4. Jahrh. hervor, um im Bund mit der Philosophie die erfolglose Verteidigung des heidnischen
Glaubens gegen das Christentum zu führen. Ihr Verdienst ist, jahrhundertelang die Kenntnis der antiken Litteratur
lebendig erhalten und der hereinbrechenden Barbarei einen kräftigen Damm entgegengesetzt zu haben.
Münzen,
[* 12] in der antiken Numismatik Bezeichnung aller nichtrömischen Münzen. Sie zerfallen in Autonom- und
Königsmünzen, von selbständigen Staaten und Königen (nummi populorum, urbium, regum) und unter den römischen Kaisern geprägte
(n. imperatorii), welch letztere neben dem Namen und Lokaltypus der Stadt meist das Bildnis des Kaisers, der Kaiserin oder der
Prinzen (Caesares) tragen. In Sammlungen befolgt man das von Pellerin und Eckhel aufgestellte geographische, mit Hispania beginnende,
mit Afrika
[* 13] endende System. Kunstgeschichtlich gewähren die griechischen Münzen, weit mehr als alle andern Überreste, ein
ebenso vollständiges wie großartiges Bild der Entwickelung¶
mehr
griechischer Plastik. Die ersten Anfänge der Prägung lassen sich chronologisch nicht feststellen. Ein sicheres Datum ist
die Zerstörung der Städte Siris (580) und Sybaris (510 v. Chr.); die Münzen dieser italischen und andrer benachbarter Städte
aus derselben Zeit sind bereits sehr zierlich. Das in Syrakus
[* 15] geprägte Zehndrachmenstück altertümlichen Stils (um 480)
ist von feiner Arbeit, während MünzenAlexanders I. von Makedonien (498-454) einen fast vollendeten, kraftvollen Stil zeigen.
Die schönsten Werke des großen, meist noch ein wenig altertümlichen Stils stammen aus der Zeit des Peloponnesischen Kriegs,
so: die vorzüglichen Silberstücke von Änos und Thasos in Thrakien, Akanthos in Makedonien und der sizilischen
StädteSyrakus, Naxos u. a. Um 400 erreicht in Sizilien
[* 16] die Kunst ihren Höhepunkt in den Meisterwerken der Stempelschneider
Kimon und Euänetos (Gold
[* 17] und Silber; Kupfer
[* 18] in jener Zeit selten). Auch die herrlichen Silbermünzen von Elis gehören in diese
Zeit; wenige Jahrzehnte jünger sind die berühmten Silbermünzen von Amphipolis in Makedonien, die der
Opuntier, Arkadier, von Pheneos und Stymphalos, letztere drei aus Epameinondas' Zeit.
Philipps II. (360-336) Münzen sind oft noch schön, die Alexanders d. Gr. aber meist von mittelmäßiger Handwerksarbeit. Auf
den Münzen der Diadochen finden sich schöne Köpfe, besonders gut sind die des letzten makedonischen Königs, Perseus,
[* 19] und einige
der baktrischen und pontischen Könige. Mit Augustus hören die Autonommünzen allmählich auf, künstlerische Erzeugnisse der
Prägekunst werden seltener. Erwähnenswert sind die schönen Köpfe des Antinoos
[* 20] auf griechischen Kupfermünzen aus Hadrians
Zeit.
Musik. Von der Musik der alten Griechen haben wir in der Hauptsache nur aus den Schriften der Theoretiker
Kunde, die uns in ziemlich großer Anzahl erhalten sind. Daß die musikalische Kunst im Altertum gleich
den übrigen Künsten im höchsten Ansehen stand und die Musiker nicht etwa wie im Mittelalter zu den Vagabunden und rechtlosem
Gesindel gehörten, ist bekannt. Bei den großen Festspielen der Griechen (den Olympischen, Pythischen, Nemeischen und Isthmischen)
spielten die musischen (poetischen und musikalischen) Wettkämpfe eine hervorragende Rolle.
Amphion,
[* 28] Orpheus,
[* 29] welche Steine belebten und Tiere bezwangen, Linos, der wegen seines schönen Gesanges, Marsyas,
[* 30] der wegen seines
trefflichen Flötenspiels von Apollon aus Eifersucht getötet wurde, sind mythische Gestalten (vgl. Musik, Geschichte). Die
griechische Theorie der Musik ist eine sehr entwickelte und hat den Theoretikern des Abendlandes viel Geistesarbeit erspart;
das Wesentlichste derselben werden wir in kurzen Worten darzustellen suchen.
I. Das System. Während unser ganzes modernes Musiksystem in der Auffassung im Dursinn, im Sinn der Durtonleiter
und des Durakkords wurzelt, war den Griechen gerade die umgekehrte Auffassungsweise die natürlichere. Den Kernpunkt ihres
Systems bildete eine Tonleiter, welche durchaus das Gegenteil unsrer Durtonleiter ist; die Griechen dachten sich dieselbe von
oben nach unten gehend, wie wir gewohnt sind, uns die Durtonleiter nach oben gehend vorzustellen. Die Auffassung
dokumentiert sich in beiden Fällen durch die Ordnung der Tonbuchstaben (vgl. unten IV). Abgesehen natürlich von der nicht
genau nachweisbaren absoluten Tonhöhe, entsprach die mittlere Oktave unserm e'-e:
^[img]
was, wie die Bogen
[* 31] für die Halbtonschritte verraten, das Gegenteil unsrer Durtonleiter (C'-c) ist:
^[img]
Jene Skala hieß die dorische. Die Auffassung im Sinn von Akkorden (Klängen, Dreiklängen, s. Klangvertretung) war den Griechen
fremd, da sie Mehrstimmigkeit nicht kannten. Deshalb sind alle ihre Theoreme nur auf das Melodische bezüglich. Sie faßten
diese Skala daher, wenn sie dieselbe näher zergliederten, auf als aus zwei gleichen Tetrachorden (Stücken
von je vier Tönen) zusammengesetzt. Ein solches Tetrachord, das in absteigender Folge aus zwei Ganztonschritten und einem Halbtonschritt
bestand, hieß ein dorisches.
Das sogen. vollständige System erstreckte sich durch zwei Oktaven, d. h. es trat an obige Skala noch ein gleiches Tetrachord
in der Höhe und Tiefe an, aber derart, daß der Schlußton des einen zugleich den Anfangston des andern
bildete (verbundene Tetrachorde), und in der Tiefe wurde noch ein Ton hinzugenommen (Proslambanomenos), der die Unteroktave
des mittelsten und die Doppelunteroktave des höchsten Tons des ganzen Systems war; die Tetrachorde erhielten folgende Namen:
Die beiden mittlern Tetrachorde waren also getrennt; indessen benutzte man für Modulationen nach der
¶
mehr
Tonart der Unterquinte (die den Griechen ebenso das Nächstliegende war wie uns die nach der Tonart der Oberquinte) den Halbton
über dem höchsten Ton des Tetrachords der Mittlern und unterschied daher ein besonderes Tetrachord der Verbundenen (Synemmenon)
im Gegensatz zu dem der Getrennten, bestehend aus den Tönena b c' d'. Besondere Wichtigkeit legen die
Theoretiker dem höchsten Ton des Tetrachords der Mittlern bei, welcher vorzugsweise der Mittlere hieß (Mese) und Tonikabedeutung
hatte. Die vollständigen Namen der sämtlichen Stufen waren:
^[Ausdehnung
[* 33] der geschwungenen Klammern:
[* 34] siehe Bildansicht dieser Seite, meyers_b7_s0730.jpg]
Dieses System liegt den theoretischen Betrachtungen nicht nur der Griechen, sondern auch der mittelalterlichen
Musikgelehrten zu Grunde. In seiner vollständigen Gestalt wie hier hieß das System das vollkommene (Systema teleion) oder
das veränderliche, d. h. modulationsfähige (Systema metabolon), sofern die Benutzung der
Synemmenon eine Modulation nach der Unterdominante bedeutete; ohne die Synemmenon hieß es unveränderlich (ametabolon).
II. Oktavengattungen (Tonarten). Da die Griechen Harmonie in unserm heutigen Sinn nicht kannten, so sind
ihre Begriffe von Tonart, Tongeschlecht etc. rein melodischer Bedeutung, und ihre sogen.
Tonarten sind daher eigentlich nichts andres als verschiedene Oktavenausschnitte (Oktavengattungen) aus derselben Tonleiter,
nämlich der oben gegebenen von zwei Oktaven. Das Tetrachord synemmenon kommt dabei nicht in Betracht. Als
Mittelpunkt des Systems erwies sich die dorische Oktavengattung e'-e; die Oktave von d'-d hieß dagegen die phrygische, c'-c
lydisch, h-H mixolydisch.
Diese vier waren in ähnlicher Weise die vier Haupttonarten der Griechen, wie die vier gleichnamigen (aber nicht gleichbedeutenden)
Kirchentöne (s. d.) die vier authentischen waren. Die
zu ihnen gehörigen, durch den Zusatz »hypo-« unterschiedenen Seitentonarten
sind so vorzustellen,
daß die Lage der Quinte und Quarte, aus denen sich die Oktave zusammensetzt, vertauscht ist: e'..a..e
ist dorisch; wird die Quinte e' a eine Oktave tiefer versetzt oder die Quarte a e eine Oktave höher, so ist die
neue Oktavengattung die hypodorische.
Bei den Kirchentönen ist die Grundanschauung die entgegengesetzte, z. B. dorisch (d-d') ist aus der Quinted a und Quarte a d'
zusammengesetzt; wird die Lage der beiden Stücke vertauscht, so ist A..d..a = hypodorisch. Während also die griechischen Seitentonarten
eine Quinte unter den Haupttönen liegen, liegen die plagalen Kirchentöne nur eine Quarte unter den authentischen.
Die Kirchentöne sind eben aufsteigend gedacht, und es spielen schon harmonische Begriffe hinein. Die sieben Oktavengattungen
der Griechen sind:
Daß die Griechen durchaus nicht so, wie das später bei den Kirchentönen der Fall war, dem phrygischen etc. eine ähnliche
grundlegende Bedeutung beimaßen wie dem dorischen, d. h., daß sie nicht d oder g als Hauptton des phrygischen betrachteten
(sozusagen als Tonika oder Dominante), sondern daß sie vielmehr wirklich alle Oktavengattungen als verschiedene
Ausschnitte aus einer dorischen Skala betrachteten, geht zur Evidenz aus der Unterscheidung der Thesis (Stellung) und Dynamis
(Bedeutung) hervor. d' ist der Stellung nach (kata thesin) in der phrygischen Tonart Nete, g Mese und d Hypate; der Bedeutung,
Wirkung nach (kata dynamin) aber ist d' Paranete, g Lichanos meson, d Parhypate, d. h. die Dynamis ist immer
die der dorischen Tonart. Wenn daher Aristoteles der Mese eine besondere Bedeutung beimißt, so meint er stets die dorische
Mese.
III. Transpositionsskalen (eigentliche Tonarten in unserm Sinn). Benutzt man für die Oktavengattung d'-d das Tetrachord synemmenon
statt diezeugmenon, also b statt h, so ist dieselbe nicht mehr die phrygische, sondern die hypodorische,
denn das Eigentümliche der verschiedenen Oktavengattungen ist die verschiedene Stellung der Halbtonschritte. Da nun aber
die hypodorische Oktavengattung als von der dorischen Mese bis zum Proslambanomenos sich erstreckend anzusehen ist, so gehört
d'-d mit b in ein transponiertes System, dessen Proslambanomenos nicht A, sondern d ist.
In der That war die griechische Musik nicht wie der Gregorianische Gesang an die diatonische SkalaA-a' ohne Vorzeichen gebunden, sondern
benutzte sämtliche chromatische Zwischenstufen und auch eine Anzahl höherer und tieferer Töne. Entsprechend unsern Dur-
und Molltonarten auf 12 oder mehr verschiedenen Stufen, hatten die Griechen ihre Transpositionen des oben
(I) erklärten Systems und zwar in späterer Zeit 15, von denen die ältesten die gleichen Namen hatten wie die sieben Oktavengattungen.
Wie aus der unten gegebenen Tabelle der griechischen Notenzeichen hervorgeht, ist die Grundskala der Griechen die hypolydische:
f' e' d' c' h a g f; das SystemA-a' ohne Vorzeichen heißt daher das hypolydische; die transponierten sind benannt je nach der
Oktavengattung, welche der Ausschnitt f'-f ergibt, z. B. f' e' d' c' b a g f ist eine lydische Oktave, das
¶
mehr
Systemd-d'' mit einem b heißt daher das lydische. Also die Oktave f'-f gehört
Das System dis-dis'' mit 6 # ist enharmonisch identisch mit es-es'' mit 6 b; beide werden hyperdorisch genannt; hier schließt
sich der Quintenzirkel.
IV. Griechische Notenschrift (Semantik). Die Griechen besaßen zweierlei Arten der Notation, eine ältere,
von Haus aus diatonische, welche später als Instrumentalnotation sich noch hielt, als die jüngere, gleich enharmonisch-chromatisch
angelegte Notierung für den Gesang eingeführt wurde. Die Notenzeichen sind teils intakte, teils verstümmelte und verdrehte
Buchstaben des griechischen Alphabets:
^[img]
Übersicht der griechischen Notenschrift, mit Übersetzung in die heutige Notation.
Ausführlicheres darüber s. in den Spezialschriften von Fortlage, Bellermann, Riemann (»Studien zur Geschichte der Notenschrift«,
Leipz. 1878) etc. Leider sind nur dürftige Reste altgriechischer
Kompositionen auf uns gekommen, so daß die Kenntnis der Bedeutung der Noten bisher wenig praktischen Wert hat.
V. Die Tongeschlechter der Griechen waren nicht harmonische Unterscheidungen wie die unsrigen (Dur und
Moll), sondern melodische. Die Griechen zerlegten, wie bereits erwähnt, die Skalen in Tetrachorde; das normale Tetrachord war
das dorische, aus zwei Ganztonschritten und einem Halbtonschritt bestehend, z. B.: e' d' c' h. Dieses diatonische Geschlecht
war das älteste. Neben ihm kam noch im grauen Altertum (nach der Sage eine Erfindung des
Ulympos) das (ältere)
enharmonische Tongeschlecht auf, bei welchem die beiden mittlern Töne des Tetrachords durch Herabstimmung des höhern auf gleiche
Tonhöhe gebracht wurden, so daß also die Lichanos, resp. die Paranete fortfiel, z. B.: e' c' c' h ^[img].
Als drittes Geschlecht kam das chromatische hinzu, welches die Lichanos oder Paranete nicht ausließ, sondern
um einen Halbton erniedrigte, so daß zwei Halbtonschritte einander direkt folgten: e' bd' c'h ^[img]. Endlich teilte die (neuere)
Enharmonik den Halbton des diatonischen Tetrachords, oder, vielleicht richtiger, sie führte neben dem diatonischen den chromatischen
Halbtonein: e' # h' c' h ^[siehe Bildansicht]. Im Hinblick auf die verschiedenen Tongeschlechter, welche
die Paranete, Trite, resp. Lichanos und Parhypate veränderten, unterschieden die Griechen diese Töne als veränderliche,
während die Grenztöne des Tetrachords (Nete und Hypate, resp. Mese, Paramese und Proslambanomenos) unveränderliche waren.
Außer diesen drei Tongeschlechtern stellten die Theoretiker noch eine große Anzahl andrer Tetrachordenteilungen
auf, welche Färbungen (Chroai) genannt wurden und in der Notenschrift keine Darstellung fanden. Dieselben sind zum Teil wunderlichster
Art, und es ist nichts andres als eine Zufälligkeit, daß sich darunter auch die unsern heutigen Bestimmungen genau entsprechenden
mit 15:16 für den Halbton und 4:5 für die große Terz befinden (bei Didymos und Ptolemäos).
Bekanntlich beziehen sich Fogliano und Zarlino, welche diese Verhältnisse zuerst endgültig aufstellten, auf Ptolemäos. Näheres
s. bei O. Paul, Die absolute Harmonik der Griechen (Leipz. 1866). Die vollständige Entwickelung des Systems geben F. Bellermann,
Die Tonleitern und Musiknoten der Griechen (Berl. 1847), und R. Fortlage, Das musikalische System der Griechen
(Leipz. 1847). Sehr interessant, aber in vieler Beziehung irre führend sind die bezüglichen
Schriften von R. Westphal (s. d.).
Vgl. auch Gevaert, Histoire et théorie de la musique de l'antiquité (Gent
[* 36] 1875-81, 2 Bde.).
VI. Die praktische Musikübung der Griechen war entweder bloßer Gesang oder Gesang mit Begleitung von Saiteninstrumenten
(Kitharodie) oder Blasinstrumenten (Aulodie), oder bloßes Saitenspiel (Kitharistik) oder Flötenspiel (Auletik). Die wichtigsten
und für die Kunstmusik beinahe allein in Frage kommenden Instrumente waren die Lyra,
[* 37] Kithara
[* 38] und der Aulos. Die Lyra hatte einen
gewölbten, die Kithara einen flachen Resonanzkasten; die Saitenzahl beider war lange Zeit 7, später
stieg sie erheblich. Die Magadis war ein größeres Saiteninstrument mit 20 Saiten, auf welchem in Oktaven gespielt wurde. Sämtliche
Saiteninstrumente der Griechen, auch die ältern
¶
Vgl. K. v. Jan,
Die Saiteninstrumente der Griechen (Programm, Leipz. 1882).
Der Aulos war eine Art Schnabelflöte, die in verschiedenen Größen gebaut wurde; die Syrinx (Pansflöte) war ein untergeordnetes
Instrument. Die Weisen, welche die Komponisten erfanden, erhielten bestimmte Namen, ähnlich wie bei den
Meistersängern; der allgemeine Name war Nomos (Gesetz, Satz). Berühmt war z. B. der pythische Nomos des Flötenspielers Sakadas
(585 v. Chr.), welcher es zuerst durchsetzte, daß bei den PythischenSpielen neben der Kithara auch der Aulos zugelassen wurde.
Um die Kitharodik machte sich besonders der noch 50 Jahre ältere Terpandros verdient, welcher wohl als
der Begründer eigentlicher musikalischer Kunstformen bei den Griechen angesehen wird.
Weiter sind als hervorragende Förderer der Komposition zu nennen: Klonas, der vor Sakadas und nach Terpandros blühte, der
Erfinder wichtiger Formen der Aulodie;
der viel ältere Archilochos (um 700), der statt der vorher allein
üblichen daktylischen Hexameter volkstümlichere lyrische Rhythmen einbürgerte (Iamben);
weiter der LyrikerAlkäos, die Dichterin
Sappho etc. Plutarch datiert in seiner dialogisch abgefaßten Musikgeschichte die Periode der neuern Musik von Thaletas (670),
dem Begründer der spartanischen Chortänze (Gymnopädien), und Sakadas;
um diese Zeit soll die neuere
Enharmonik eingeführt worden sein (s. oben V).
Zur größten Entfaltung ihrer Mittel gelangte die griechische Musik in der Tragödie, welche
in ähnlichem Sinn wie das moderne musikalische Drama eine Vereinigung von Dichtkunst, Musik und Schauspielkunst (Mimik,
[* 40] Hypokritik)
war; die Chöre wurden durchaus gesungen, und auch viele Monologe waren komponiert. Leider ist noch keine
Tragödienmusik aufgefunden worden, so daß wir eine konkrete Vorstellung von einer solchen nicht haben.
VII. Musikschriftsteller. Eine große Zahl musiktheoretischer Traktate griechischer Schriftsteller ist auf uns gekommen. Der
älteste und zugleich einer der interessantesten ist das 19. Kapitel der »Probleme« des Aristoteles (gest. 322 v. Chr.),
Auch das 14. Buch des Athenäos und das 26. Kapitel des Iamblichos enthalten musikalische Notizen. Das »Syntagma« des Psellos gehört
ins 11., die Harmonik des Bryennios sowie des NikephorosGregoras Ergänzungskapitel zum Ptolemäos nebst dem Kommentar
von Barlaam ins 14. Jahrh. Eine klassische lateinische Überarbeitung der griechischen Musiklehre
ist das Werk des Boethius (gest. 524): »De musica« (deutsch von O. Paul, Leipz. 1872). Eine vortreffliche Textausgabe des Aristoxenos
besorgte
P. Marquard (Berl. 1868, mit Übersetzung). Im übrigen sind die Sammelwerke von Meibom (1652) und Wallis
(1682)
in den meisten größern Bibliotheken zu finden. Einige kleine, weniger beachtete Schriften über griechische Musik hat Fr. Bellermann (Berl.
1840) herausgegeben. Reste griechischer Hymnenkomposition, etwa aus dem 2. Jahrh. n. Chr., s. in Bellermanns »Hymnen des Dionysios
und Mesomedes« (Berl. 1840).
Feuer wird zuerst 330 unter Konstantin d. Gr. genannt, nach Hoyer eine von Kallinikos aus Heliopolis 668 erfundene,
wahrscheinlich aus Salpeter, Schwefel, Kohle, Pech, Harz, Erdöl
[* 43] etc. bestehende Masse, welche als Kampfmittel gegen den Feind benutzt
wurde und besonders zum Anzünden brennbarer Stoffe diente, selbst unter dem Wasser gebrannt haben soll.
Bei der Entzündung erzeugte das griechische Feuer einen dichten Rauch, dem ein Knall und unmittelbar darauf die Flammen folgten.
Konstantin IV. benutzte es 678 gegen die Araber bei der Belagerung von Konstantinopel
[* 44] und Alexios gegen die Pisaner. Nachdem
die Griechen 400 Jahre lang im ausschließlichen Besitz ihres Geheimnisses geblieben waren, ging es durch
Verrat an die Sarazenen über, welche sich desselben in den Kreuzzügen bei Dyrrhachium, Ptolemais (1101) und Damiette (1218) mit
großem Vorteil gegen die Christen bedienten. Mit der Einführung des Schießpulvers und der Feuergeschütze verschwand das
griechische Feuer. In späterer Zeit bezeichnete man häufig mit diesem Namen eine aus Pulver, Schwefel,
Pech, Teer, Erdöl etc. bestehende Art von Brandkugeln, welche aus Mörsern geworfen wurden und im Wasser nicht leicht erloschen.
AndreArten des sogen. neuen griechischen Feuers s. Feuer, flüssiges.
Sprache,
[* 46] die Sprache der alten Griechen, wie sie sich in den Erzeugnissen ihrer Litteratur darstellt, während
man die Sprache der modernen Griechen als Neugriechisch zu bezeichnen pflegt. Diese alte Sprache war zu den
Zeiten ihrer Blüte
[* 47] und später nicht auf das eigentliche Griechenland und die hierzu gehörigen Inseln beschränkt, sondern
auch über einen großen Teil von Kleinasien, Süditalien
[* 48] (daher Großgriechenland genannt) und Sizilien sowie über den weiten
Kreis
[* 49] von Gegenden verbreitet, in welchen sich griechische Kolonien vorfanden. Ihrem Ursprung nach gehört sie zu
dem indogermanischen Sprachstamm
[* 50] und zwar unmittelbar zu dem südeuropäischen Aste derselben, welcher sich in die griechische
und italische Sprache verzweigte, so daß sie mit dem Lateinischen am meisten Verwandtschaft zeigt.
Das Griechische hat schon vor seiner Aufzeichnung durch die Schrift bedeutende sprachgeschichtliche Veränderungen erlitten;
in den Homerischen Gedichten, dem ersten bedeutenden Erzeugnis der Litteratur, tritt sie uns schon in
ihrer Vollendung entgegen. »Der Ausbau der griechischen Sprache ist die erste geschichtliche That der Hellenen, und diese That
ist eine künstlerische. Denn als ein Kunstwerk muß vor allen Schwestersprachen die griechische betrachtet werden wegen
des in ihr waltenden Sinnes für Ebenmaß und
¶