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Boion die Pindoskette (zwischen 39 und 40° nördl. Br.) an, heute ohne gemeinsamen Namen, wesentlich aus Kalk bestehend, von rauher Natur, im heutigen Tsurnata und Budzikaki bis 2168 und 2160 m ansteigend. Epirus wird von einer Anzahl dem Boion und Pindos parallel streichender Ketten durchzogen, deren höchste das Keraunische Gebirge unmittelbar am Adriatischen Meer (bis 2045 m) ist, welches in das durch gefährliche Klippen [* 2] und Stürme berüchtigte Vorgebirge Akrokeraunion (jetzt Kap Linguetta) ausläuft.
Eine ganz andre Form haben wir östlich vom Pindossystem: vulkanische Erscheinungen, Schiefer, Granit und Gneis. Dort liegen dem Pindos parallel die höchsten Erhebungen der ganzen Halbinsel, aber in kleine Gruppen zusammengedrängt und von tiefen Einsenkungen und Spalten unterbrochen. Zuerst der Olympos (jetzt Elymbos, 2985 m hoch), schon bei Homer der heilige und unnahbare Sitz der Götter, oben mit Schnee [* 3] bedeckt, auf welchen weiter unten Tannen- und Laubwälder folgen.
Gegen N. trennt ihn ein nur 1560 m ansteigender Sattel, in der alten Kriegsgeschichte als Paß [* 4] von Petra bekannt, vom Pieros (jetzt Flamburo, 1878 m), welcher durch die niedrigen, in ihren Pässen nur 820 m hohen Kambunischen Berge mit dem Pindos zusammenhängt. Es ergibt sich daraus, daß weder in Epirus noch in Thessalien von einer natürlichen gebirgigen Nordgrenze Griechenlands die Rede sein kann. Vielmehr ist das nördliche Thessalien von N. her so zugänglich, daß hier in Urzeiten nicht nur die Hellenen selbst eingewandert sind, sondern auch später Perser, Makedonier, Gallier, Römer [* 5] etc. eindrangen, während das Land westlich vom Pindos von diesen Völkerstürmen unberührt blieb und bis heute seine alte illyrische Bevölkerung [* 6] (die heutigen Albanesen) bewahrt hat.
Gegen S. trennt den Olympos vom Bergkegel des Ossa (heute Kissovo, 1953 m) das tief eingeschnittene, durch seine großartige Naturschönheit berühmte Thal [* 7] Tempe. Südlich vom Ossa erhebt sich der 1620 m hohe, waldreiche Pelion (heute Plessidi). Südwestlich von ihm steigt der Othrys (jetzt ohne Gesamtnamen) im heutigen Hierakovuni bis 1728 m an und bildet die Wasserscheide zwischen den Stromgebieten des Peneios und Spercheios. So ist das vom Peneios durchströmte Thessalien ein rings von Bergen [* 8] umschlossenes Thalbecken, welches durch eine von SW. nach NO. ziehende Kette wieder in zwei getrennte Kessel zerfällt: einen obern, wo Pharsalos und Trikka lagen, und einen untern, wo Larissa die größte Stadt war.
Die Gebirge Euböas und der Kykladen, wie Andros, Tenos, Mykonos, sind als Fortsetzung der Olymposerhebung anzusehen. An den Pindos schließt sich gegen S. ein sehr rauhes und wildes Bergland, das von den Dolopern, Ätoliern und Ötäern bewohnt war. Dort steigt in zwei Absätzen der Tymphrestos (Veluchi) bis 2319 m empor, ferner die Ötäischen Berge, zu denen der Pyra (heute Katavothra, 2152 m) gehört, die Stätte, wo sich Herakles [* 9] der Sage nach verbrannte, dann der ätolische Korax (Vardusia, 2495 m) und eine große Zahl von Gipfeln, deren alte Namen uns nicht überliefert sind.
Westlich davon liegen die fast selbständigen Gruppen des Arakynthos (Zygos, 955 m), welcher das ätolische Seebecken von der Küstenebene trennt, und jenseit des Acheloos die Berge des nördlichen Akarnanien (bis 1490 m hoch). Die Fortsetzung des Öta bilden gegen W. der Kallidromos (Saromata, 1370 m), dessen nördlicher Abfall mit dem Malischen Meerbusen den berühmten Engpaß der Thermopylen gebildet hat (jetzt durch die Anschwemmungen des Spercheios verschwunden), und der Knemis (Spartia, 930 m), welche beiden Gebirge mit dem Parnassos und Helikon die zwischen Phokis und Böotien geteilte Ebene des Kephisos einschließen.
Der Parnassos (jetzt Liakura) steigt im Lykorea (noch heute Lykeri) bis 2450 m, der Musenberg. Helikon (Paläo-Vuno) bis 1749 m an. Eine tiefe Einsenkung trennt letztern vom westöstlich ziehenden Kithäron (Elateas, 1410 m) und seiner Fortsetzung, dem einst wildreichen Parnes (Ozea, 1413 m), mit welchem der marmorberühmte Brilessos oder Pentelikos (Mendeli, 1110 m) nur schwachen Zusammenhang hat. Ganz abgesondert davon erhebt sich südwestlich von Athen [* 10] der kräuter- und honigreiche Hymettos (Trelovuno, 1027 m), das Lauriongebirge (357 m) an der Südspitze Attikas, welche in das Vorgebirge Sunion (Kap Kolonnäs) ausläuft, wie auch die Geranischen Berge (Makryplagi, 1370 m) auf der politischen Grenze zwischen Megara und Korinth, [* 11] zwischen Mittelgriechenland und dem Peloponnes. Letztere treten so nahe an den Saronischen Meerbusen (Golf von Ägina) heran, daß sie nur für einen schmalen Saumpfad, die Skironischen Felsen (Kakiskala), Raum lassen, den erst Hadrian durch mächtige, jetzt wieder zerfallene Unterbauten verbreiterte. Gegen S. folgt die tiefe Senkung des Isthmus von Korinth, in der Mitte 70 m hoch, 6 km breit, über welchen auf einer breiten Fahrbahn (Diolkos) Waren und selbst kleinere Schiffe [* 12] gezogen wurden. - Den Peloponnes durchziehen drei parallele Gebirgsketten ungefähr von N. nach S., nördlich davon eine in ostwestlicher Richtung.
Die Mitte der Halbinsel nimmt das Hochland Arkadien ein, abgeschlossen in sich und gegen außen, die natürliche Festung [* 13] des Peloponnes. Am meisten ragen seine Grenzgebirge im N. auf, wo der Kyllene (Zyria) 2374 m Hohe erreicht. An ihn schließen sich, durch Einschnitte voneinander getrennt, westlich das Aroanische Gebirge (Chelmos, 2355 m) und der Erymanthos (Olonos, 2224 m); gegen O. die Berge von Sikyon, Korinth (Akrokorinthos, 575 m hoch, Griechenlands stärkste Festung) und der Argolischen Halbinsel, wie der Arachnäos (Hag Ilias, 1199 m), der Koryphäos (671 m), der Thornax (340 m) u. a. Dem Erymanthos ist nördlich der Panachaikos (Voidia, 1927 m) vorgelagert.
Die östliche Kette Arkadiens ist weniger hoch (12-1600 m), mit niedrigen Pässen, weshalb hier der Verkehr stärker war und ist als im N. In der südlichen Fortsetzung dieser Kette liegt der Parnon (Malevo, 1957 m), dessen Namen man verallgemeinernd meist auf die ganze Kette überträgt. Gegen W., wo die gesamten Gewässer des Landes, zum Alpheios vereinigt, in einem leicht passierbaren Thal durchbrechen, ist Arkadien am leichtesten zugänglich. Dort schließen sich an den Erymanthos im S. das Pholoegebirge, das sich plateauartig nach Elis hineinzieht, und jenseit des Alpheiosthals die Grenzgebirge zwischen Elis, Arkadien und Messenien: Minthe (Alvena, 1222 m), Kotylios (1346 m), Lykäos (Diaphorti, 1420 m) etc. Das so umschlossene Arkadien ist aber keineswegs eine zusammenhängende Hochebene, sondern abwechselnd Berg- und Thalland;
so erhebt sich ziemlich in seiner Mitte der 1850 m hohe Mänalos (Apanokrepa), während daneben eine Anzahl fruchtbarer Ebenen, wie die von Tegea, Mantineia, Orchomenos, Megalopolis, im Altertum ebenso viele politische Einheiten bildeten.
Die Messenischen Berge (bis 1391 m) liegen abgesondert im SO. (unter ihnen ist lediglich der Fels ¶
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Ithome, 802 m, berühmt); dagegen bildet der mächtige Taygetos (Pentedaktylon, 2409 m), die im Vorgebirge Tänaron (Kap Matapan) auslaufende Grenzscheide zwischen Lakonien und Messenien, die südliche Fortsetzung des arkadischen Hochlandes.
[Gewässer.]
Die Flüsse [* 15] Griechenlands können wegen seiner eigentümlichen Bodengestaltung nur von geringer Bedeutung sein. Die meisten haben nur einen kurzen Lauf und starken Fall und sind daher auch nicht schiffbar; viele vertrocknen im Sommer und erscheinen nur im Winter als reißende Gießbäche. So im Altertum wie noch heute. Nur in seinem Oberlauf gehört der epirotische Aoos (heute Viosa oder Vovusa) [* 16] an; gerade entgegengesetzt strömt der Arachthos (Arta), nahe dem vorigen entspringend und in den Ambrakischen Meerbusen mündend.
Zwischen beiden münden der Thyamis (Kalamas) und der Acheron (heute Phanariotikos). Vom Pindos kommt der bedeutendste Fluß Griechenlands, der Acheloos (heute dem Megdova und dem Unterlauf des Aspropotamo entsprechend), mit seinem Nebenfluß Inachos (dem Oberlauf des Aspropotamo), beide in der Geschichte wenig bedeutend, ebenso wie der etwas östlicher fließende Euenos (Phidari) in Ätolien. Auf der Ostseite des Pindos hat der Peneios (jetzt Selamvria) seinen Ursprung. Er durchströmt im Bogen [* 17] Thessalien, bis er sich durch das Tempethal in das Ägeische Meer ergießt.
Unter seinen zahlreichen Nebenflüssen sind der Enipeus (Tsanarli) und der Europos (Xeragi) die bedeutendsten. Vom Thymphrestos fließt nach O. der Spercheios dem Malischen Meerbusen zu. Der Hauptfluß Böotiens, der Kephisos (Mavronero), hat seine Quellen am Öta und Parnassos, durchfließt den Sumpfsee Kopais (Topolias), der im Sommer fast ganz trocken lag und reiche Ernten trug, und ergießt sich nach zweistündigem unterirdischen Lauf in das Euböische Meer.
Unweit westlich des Kopais liegen der See Trephia (Paralimni) und der See von Hyle (Likeri), in den die Bäche von Theben und Thespiä, der Ismenos und Thespios, sich ergießen. Südlich davon, unweit der Grenze von Attika, fließt der Asopos (Vuriendi). Die Ebene zwischen Hymettos und Parnes, auf welcher Athen liegt, wird von den Bächen Kephisos (Podoniphti) und Ilissos durchschnitten. Unter den Flüssen des Peloponnes hatte das größte Flußgebiet der Alpheios (Ruphia), der, im S. von Arkadien entspringend, sich westwärts nach Elis wendet und westlich von Olympia in das Ionische Meer mündet.
Nicht weit von seinen Quellen befinden sich auch die des Eurotas (jetzt Iri), des Hauptflusses von Lakonien. Sein größter Zufluß, der Önos, mündet etwas oberhalb Sparta. Der Hauptfluß Messeniens ist der wasserreiche und breite Pamisos (jetzt Mavrozumena oder Pirnatza), der in den Messenischen Golf ausmündet. Der Nordrand des Peloponnes ist von einer Menge kleiner Küstenflüsse bewässert, die im Sommer meist versiegen. Ein Nebenfluß des Krathis (Akrata) ist der Styx (jetzt Mavronero), der bei Nonakris von einer hohen Felswand des Akroanischen Gebirges herabstürzt, und dessen Wasser für tödlich galt. Unweit davon liegt im nördlichen Arkadien das Thal von Stymphalos, in welchem sich im Winter ein See zu bilden pflegte, an den die Mythe die stymphalischen Vögel [* 18] (s. d.) versetzt. Der Lernäische Sumpf, wo Herakles die Hyder erlegte, befand sich südlich von Agos am Meeresufer. Die Landschaft Argolis ist überhaupt wasserarm; von den Gebirgs- und Waldbächen der Gegend ist der bekannteste der Inachos (Panitsa) bei der Stadt Argos.
[Küstengliederung.]
Im O. Griechenlands breitet sich das große Wasserbecken des Ägeischen Meers (Archipelagos) aus, dessen Gestade, Halbinseln und Inseln fast insgesamt im Altertum von Griechen besetzt waren, wie sie es teilweise heute noch sind. Nur an seiner Nordküste und im äußersten Südosten saßen nichtgriechische Völkerschaften, dort Thraker, hier Karer. Es ist recht eigentlich ein griechisches Meer; es trennt nicht die Stammesgenossen hüben und drüben, sondern vereint sie vielmehr und leitete einst naturgemäß die Hellenen an die Westküste Kleinasiens.
Denn nirgends gibt es einen Punkt auf diesem Meer, wo man das Land ganz aus den Augen verlöre; stets lockte eine neue Insel, ein neues Vorgebirge zu weiterm Vordringen. Einzelne Teile desselben trugen besondere Namen, wie der Pagasäische Meerbusen (Golf von Volos), den die Sage zum Ausgangspunkt des Argonautenzugs macht, zwischen der Halbinsel Magnesia und dem Festland von Thessalien;
der Malische Busen (Golf von Zituni), welcher den Sperchios aufnimmt;
der Euböische Busen zwischen Euböa und der lokrisch-böotischen Küste (heute Golf von Talanti);
der Euripos, des vorigen schmälste und darum überbrückte Stelle bei der Stadt Chalkis, Aulis gegenüber, von wo Homer die Griechen ihren Zug gegen Troja [* 19] antreten läßt.
Über die Insel Euböa selbst s. Euböa. Das Meer südlich von letzterer Insel und Attika hieß das Myrtoische, von der kleinen Insel Myrto, das Strabon vom Ägeischen als eignes Meer trennt. Vom Kap Sunion westwärts begann der Saronische Meerbusen (Golf von Ägina), der wiederum mehrere kleinere Golfe, den Eleusinischen, Salaminischen und Epidaurischen, bildet. Die Küsten dieses Busens sind reich an Hafenplätzen, unter denen vor allen der Hafen von Athen, der Piräeus, und neben ihm die jetzt versandeten Buchten von Phaleron und Munychia zu nennen sind.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch die im Saronischen Golf zerstreuten Inseln, von denen Ägina, durch Handel in alter Zeit blühend, das schlachtberühmte Salamis und das felsige Kalauria (Poros) mit seinem Poseidontempel die bedeutendsten sind. Um das Vorgebirge Skylläon, den östlichsten Ausläufer der Argolischen Halbinsel, gelangt man in den Golf von Hermione, vor welchem mehrere Felseninseln liegen, deren größte Hydrea (Hydra) ist. Zwischen Argolis und Lakonien liegt der Argolische Busen (Golf von Nauplia).
Der Teil des Ägeischen Meers unmittelbar nördlich von der größten aller griechischen Inseln, Kreta, trägt von derselben den Namen. Nördlich davon liegen die beiden großen Inselgruppen des Ägeischen Meers, deren eine die Alten Kykladen (s. d.), weil sie nach ihrer Ansicht im Kreis [* 20] um die Insel Delos herumliegen, die andre aber Sporaden (s. d.) nannten, welche letztern man zu Asien [* 21] rechnet. Auf der Südseite des Peloponnes befinden sich zwei große Meerbusen, der Lakonische und der Messenische. Zu ersterm gelangt man von O. her um das gefährliche Vorgebirge Malea. An guten Häfen ist die Südseite Lakoniens und Messeniens arm; auch Inseln finden sich an ihr wenige.
Die größte und wichtigste ist Kythera (jetzt Cerigo), Malea gegenüber. Das Kap Tänaron (jetzt Matapan), welches die südliche Grenze zwischen dem Lakonischen und Messenischen Busen bildet, hatte einen berühmten Poseidontempel. Die südwestliche Grenze des Messenischen Golfs (Busen von Korone) bezeichnet das Vorgebirge Akritas (Kap Gallo); westlich davon, der Hafenstadt Methone (Modon) gegenüber, sind die Inseln Önussä zu bemerken. Die Westseite des Peloponnes wird ¶
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bereits vom Ionischen Meer bespült. Hier stoßen wir zunächst auf Pylos (Navarino) mit einem geräumigen Hafen, dessen Eingang durch die schmale, in der Geschichte des Peloponnesischen Kriegs berühmte Insel Sphakteria gedeckt wird. Der sehr flach gewölbte Kyparissische Meerbusen (Golf von Arkadia) erstreckt sich bis an das Vorgebirge Ichthys (Katakolo) im Gebiet von Elis und ist ohne sichere Anfahrt für Schiffe. Von dem genannten Kap nördlich folgt der Busen von Chelonatas (Busen von Gastuni) bis zu dem gleichnamigen Vorgebirge; ihm gegenüber liegt das fruchtreiche Zakynthos (ital. Zante).
Von den Vorgebirgen Chelonatas und Araxos (jetzt Papa), der nordwestlichen Ecke des Peloponnes, wird der Kyllenische Busen umschlossen; östlich vom Kap Araxos folgt der Golf von Paträ (Patras), welchen im N. die ätolische Küste, im O. die nur 2½ km breite Meerenge zwischen den Vorgebirgen Rhion und Antirrhion (Kastro Moreas und Rumelias, Kleine Dardanellen) begrenzen. Die Echinadischen Inseln, welche ehedem vor der Mündung des Acheloos lagen, sind jetzt durch den Flußschlamm zum großen Teil mit dem Festland verbunden.
Östlich von jener Meerenge beginnt der Korinthische Busen, dessen beste Häfen auf der Nordküste liegen, zuerst Naupaktos in Lokris (Lepanto), Öanthia am Eingang des Krissäischen Golfs (Busen von Galaxydi), Kirrha und Antikyra (Asprospitia ^[richtig: Aspraspitia]). Der Busen zwischen der megarischen und böotischen Küste hieß das Halkyonische Meer. Von vorzüglicher Wichtigkeit für den alten Handel war der zu Korinth gehörige Hafen Lechäon am Isthmus, dagegen hatte die achäische Küste des Busens nur unbedeutende Ankerplätze.
Vor dem Busen von Paträ liegen mehrere große Inseln, die zu der jetzt sogen. Ionischen Inselgruppe gehören: Kephallenia und Ithaka (Thiaki), der Wohnsitz des Odysseus, und nördlich von diesem Leukas (San Mavra), ursprünglich eine Halbinsel, die durch eine schmale, später durchstochene Landenge mit dem benachbarten Akarnanien zusammenhing. Die Südspitze bildet das steile Vorgebirge Leukate (Kap Dukato), von dem sich Sappho ins Meer gestürzt haben soll. Den Eingang zum Busen von Ambrakia (Golf von Arta), der sich zwischen Epirus und Akarnanien eindrängt, bilden zwei Landspitzen, deren südliche, Aktion genannt, durch den Sieg des Augustus über Antonius und Kleopatra 31 v. Chr. berühmt ist. Nördlicher liegt die Königin dieser Inselgruppe und des Ionischen Meers, Kerkyra (Korfu), [* 23] bei Homer der Sitz der Phäaken. Als Nordmark des hellenischen Küstenlandes galt das Vorgebirge Akrokeraunion (Linguetta), zugleich die Grenzscheide zwischen dem Ionischen und Adriatischen Meer.
Die einzelnen Landesteile.
Nordgriechenland umfaßte die beiden Landschaften Epirus und Thessalien. Mit dem Namen Epirus (s. d.) bezeichneten seit alten Zeiten die Bewohner der westlichsten griechischen Inseln die ihnen gegenüberliegende Küste des Festlandes; später wurde der Name auf die Landschaft beschränkt, die durch den Aoos, den Pindosrücken, den Ambrakischen Golf und das Ionische Meer begrenzt wurde. Das Land war, wie auch heute noch, nur ein halbgriechisches: es war den eindringenden Hellenen nicht gelungen, die vor ihnen dort sitzenden Illyrier gänzlich auszutreiben.
Östlich vom Pindos bis zum Ägeischen Meer breitet sich Thessalien (s. d.) aus, von den Kambunischen Bergen, dem Pindos, Othrys, Pelion und Ossa begrenzt, ein meist von hohen Rändern umschlossenes Thalbecken, das fruchtbare und wohlbewässerte Gebiet des Peneios bildend. Einst sollen Pelion, Ossa und Olympos ganz zusammengehangen und ein großer Landsee sich inmitten des Gebirges befunden haben, bis ein Erdbeben [* 24] den Olymp und Ossa voneinander riß, dem Wasser Abfluß schaffte und sich der Peneios durch das Thal Tempe ergoß, eine Tradition, welche durch die wissenschaftliche Untersuchung späterer Zeiten sehr wahrscheinlich gemacht worden ist.
Wie die Namen und Sagen beweisen, hatten einst die Pelasger die fruchtbare Ebene inne; ihnen folgten Hellenen, bis 60 Jahre nach der Zerstörung Trojas die Thessalier eindrangen und so den Anstoß zur Dorischen Wanderung gaben. Von S. und besonders von N. her war der Zugang zu Thessalien leicht, während über den Pindos im W. nur zwei beschwerliche Wege nach Epirus führten. Ein besonderes, von den Thessaliern nicht unterworfenes Gebiet war die Halbinsel Magnesia, welche den Pagasäischen Busen vom Ägeischen Meer trennt.
Mittelgriechenland, im W. vom Ambrakischen Busen und vom Ionischen Meer, im O. vom Malischen Golf und vom Euböischen Meer, im N. vom Thymphrestos und Öta, im S. vom Korinthischen und Saronischen Busen begrenzt, zerfiel in neun Landschaften, welche, von W. nach O. gerechnet, die Namen: Akarnanien, Ätolien, das Ozolische Lokris, Doris, Phokis, das Epiknemidisch-Opuntische Lokris, Böotien, Attika und Megaris trugen. Die ersten drei blieben nicht ganz frei von barbarischem Einfluß, und nur in den übrigen, östlich vom Parnaß, war das hellenische Element ganz rein.
Akarnanien wurde im O. vom fruchtbaren Thal des Acheloos, sonst vom Meer und dem Ambrakischen Golf begrenzt; in der Geschichte erscheint es erst seit dem Peloponnesischen Krieg. Ätolien lag zwischen Akarnanien, dem Ozolischen Lokris und dem Golf von Paträ, im N. an die Gebiete der Doloper und Änianen anstoßend, nur im S. eben, politisch zerrissen, bis sich 280 v. Chr. zur Abwehr gegen die Gallier der Ätolische Bund bildete. Das Ozolische Lokris, am Korinthischen Busen, ist rauh und gebirgig; seine Einwohner waren ursprünglich illyrischen Stammes.
Doris, mit den Quellen des Kephisos, galt den Spartanern als ihr Mutterland, war aber sehr unbedeutend. Phokis, zwischen Lokris, Doris, Böotien und dem Korinthischen Busen, ist im N. eben (Thal des Kephisos), im S. sehr gebirgig (Parnassos). Lokris hieß der historisch unbedeutende Küstenrand des Malischen und Euböischen Meerbusens, dessen Westhälfte das Epiknemidische, dessen Osthälfte das Opuntische Lokris hieß. Böotien umfaßte die untere Hälfte des Kephisosgebiets und das des Asopos und ist ein sehr wasserreiches und fruchtbares Land. Der Norden [* 25] und Süden enthalten ebenes Land, der Osten und Westen Gebirge.
Attika ist die Halbinsel, welche sich vom Kithäron und Parnes aus weit ins Myrtoische Meer hinein erstreckt. Der größere Teil des Landes ist gebirgig; die Berge, obwohl nicht hoch, zeigen die malerischten Formen, besonders der Hymettos. Flachland hat Attika in der Gegend von Eleusis, die Thriasische Ebene, dann um Athen, die Pedias, und zwischen dem Hymettos und der Ostküste, die Mesogäa. Megaris endlich, ein Ländchen zwischen dem Saronischen Busen und dem Halkyonischen Meer, bildet den Übergang vom mittlern Griechenland zum Peloponnes.
Der Peloponnes (seit dem Mittelalter Morea genannt) war in 9 Landschaften geteilt: Korinth, Sikyon, Phlius, Achaia im N.;
Arkadien in der Mitte;
Argolis ¶
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und Lakonien im O.; Messenden und Elis im W.
Korinth umfaßte alles Land bis zu den Pässen des Geraniagebirges im N. und zu denen der Argolischen Gebirge im S. und war durch seine Lage an zwei Meeren, am Saronischen und Korinthischen Busen, und als Pforte zum Peloponnes von äußerster Wichtigkeit. Westlich daran stießen die beiden Stadtgebiete von Sikyon und Phlius, jenes den Unterlauf, dieses das Quellgebiet des Asopos in sich begreifend. Achaia bildet den schmalen Nordsaum des Peloponnes zwischen dem Gebirge und der Küste am Korinthischen Busen und Golf von Paträ; im O. bildet Sikyon, im W. das Vorgebirge Araxos die Grenze.
Über Arkadien, die größte der Landschaften des Peloponnes, s. oben. Argolis bildete den nordöstlichen Teil des Peloponnes zwischen dem Saronischen und Argolischen Golf, Lakonien den südöstlichen, wenig fruchtbaren Messenien dagegen, im O. vom Taygetos und von Lakonien, im N. von Elis und Arkadien begrenzt, ist ein mildes und fruchtbares Land voll lachender Fluren und schön geformter und bewaldeter Gebirge. Elis bildet die westliche Abdachung der arkadischen Gebirge und zerfiel in zwei Teile, das bergige und das hohle Elis oder das Thalland mit der Stadt Elis. Die Gegend um den Alpheios hieß Pisatis, der südliche Teil der Landschaft gegen Messenien Triphylien.
Bodenerzeugnisse.
Der Boden von Griechenland, durchaus nicht unfruchtbar, doch auch nicht übermäßig freigebig, bot fast nirgends seine Gaben ganz freiwillig und mühelos oder in einem solchen Überfluß, daß er zur Trägheit und Sorglosigkeit aufforderte. Die Betriebsamkeit fand dann auch selbst die rauhern und von der Natur nur mit kärglichen Gaben ausgestatteten Gegenden nicht ungeeignet zur Benutzung und zum Ackerbau. Bewunderung verdient die Ausdauer und Anstrengung, mit welcher man teils die Entwässerung morastiger, teils die Bewässerung dürrer Distrikte, wie des »durstigen« Argolis, zu bewerkstelligen wußte. In diesen Künsten waren übrigens meist fremde Völker die Lehrmeister der Griechen.
Die Erzeugung des Weins gehörte zwar mehr den hellenischen Inseln an, auf deren meisten er in großer Vortrefflichkeit gedieh; doch hatte auch das Festland schon zu Homers Zeit Weinbau. Öl und Feigen von vorzüglicher Güte gediehen in Attika, welches sonst einer regelmäßigen Bewässerung entbehrte; Gartenbau hatte Megaris. Zu den fruchtbarern Gebieten zählten im Altertum wie noch heute Lakonien und Euböa, deren Glimmerschiefer sich leicht zersetzen; dann die ehemaligen Seebecken, wie Böotien und Thessalien.
Alle aber bleiben zurück hinter der Ertragsfähigkeit Thrakiens, Makedoniens und Kleinasiens, aus denen Getreide [* 27] nach Griechenland eingeführt werden mußte. Drei Viertel des ganzen Areals von Griechenland waren nur als Weideland nutzbar, von dem Rest kaum die Hälfte als Fruchtacker. Die Herden bestanden meist aus Ziegen und Schafen; die Pferde- und Rindviehzucht war weniger bedeutend, erstere am meisten beim thessalischen Adel im Schwange. Groß war der Ertrag an Wolle, weshalb auch Wollspinnerei und -Färberei in hoher Blüte [* 28] standen.
Beide Künste sowie die Metallgießerei waren von den Phönikern überkommen, aber von den Griechen bedeutend ausgebildet worden. Die Jagd gewährte reiche Beute an Wild und zwar nicht nur an Hasen, Rehen, Hirschen, sondern auch Eber, Bären, Wölfe, Füchse und in früherer Zeit selbst Löwen [* 29] lockten den mutigen Jüngling zur Verfolgung und machten die Jagd, namentlich bei den Spartanern, zu einer Übungsschule des Kriegs. Ganz unerschöpflich schien der Fischreichtum der hellenischen Meere und Buchten.
Die Mineralschätze des Bodens wurden im Altertum fleißig ausgebeutet. Berühmt und sehr ergiebig waren besonders die Silberbergwerke im Lauriongebirge in Attika, die aber schon zu Strabons Zeit nicht mehr bebaut und erst in unsrer Zeit wieder in Angriff genommen wurden. Auf Siphnos gewann man Gold [* 30] und Serpentin, auf Keos Bleierze, auf Euböa bei Chalkis Kupfer, [* 31] auf zahlreichen Inseln Eisen [* 32] in Menge. Die aus zersetztem Thonschiefer gebildeten reichen Lager [* 33] dunkelblauen Thons vom attischen Kap Kolias führten zu einer ausgedehnten Töpferindustrie. Der Kalk Westgriechenlands bot gute, leicht zu bearbeitende Bausteine und der Marmor Attikas, Lakoniens und der Inseln ein für Skulpturzwecke unschätzbares Material dar.
Bevölkerung.
Was die Bevölkerung betrifft, so traten schon Herodot und Thukydides der unter den Griechen selbst verbreiteten Ansicht, daß sie Autochthonen seien, entgegen, indem sie Griechenland vor den Hellenen von Barbaren bewohnt sein lassen. Aristoteles sah die erstern als Einwanderer aus dem Norden an, und schon Herodot weiß, daß die Dorier einst in Makedonien gesessen hatten, wie denn auch das Griechentum eines Teils der Makedonier jetzt unbestritten feststeht. Die neueste Forschung, namentlich die Linguistik, hat nachgewiesen, daß die Griechen in der That von Norden her eingewandert und ein Teil des indogermanischen Völkerstammes sind (s. unten, Geschichte, S. 682 f.). Doch erscheinen sie bei ihrem ersten Auftreten in der Geschichte in zahlreiche Stämme zerspalten, welche nicht einmal ein deutliches Bewußtsein ihrer gemeinsamen Abstammung haben und erst allmählich zu einem zwar nicht politisch, aber durch seine Kultur geeinten Volk zusammenwachsen.
Genaue Angaben über die Zahl der Bevölkerung, über ihre Zu- und Abnahme mitzuteilen, ist unmöglich, da nur einzelne Notizen darüber gelegentlich mitgeteilt werden. Schon vor den Perserkriegen muß Griechenland stark bevölkert gewesen sein. Lakonien zählte um 480 v. Chr. 8000 Spartiaten und konnte 50,000 bewaffnete Männer ins Feld stellen, Arkadien 30,000. Der Peloponnes muß damals ungefähr 2 Mill. Einw. gehabt haben; Athen hatte 30,000 Bürger (nach Herodots Zeugnis).
Die Zahl der Sklaven war eine sehr bedeutende, namentlich in Handels- und Fabrikstädten, wo sie, wie in Korinth und Ägina, zuweilen auf das Zehnfache der freien Einwohner sich belief. In Attika war die unfreie Bevölkerung wenigstens viermal so groß als die freie. Da aber die Sklaven meist solchen Stämmen angehörten, welche an geistigen Anlagen den Griechen weit nachstanden, auch ziemlich gut behandelt wurden und sich daher wohl befanden, wurde die große Menge derselben nicht gefährlich; Aufstände kamen nicht vor.
Vor dem Peloponnesischen Krieg (444) fand Perikles bei einer Volkszählung in Athen, die zum Behuf einer Getreideverteilung angeordnet wurde, 19,000 erwachsene Bürger und, die frei gebornen Frauen und Kinder mit eingeschlossen, eine Gesamtzahl von 78,640 Einw. Als Perikles den Landbewohnern Attikas befahl, sich vor den Lakedämoniern in die Stadt zurückzuziehen, waren nicht weniger als 500,000 Menschen innerhalb der Mauern Athens zusammengedrängt. Clinton berechnet die Bevölkerung des Peloponnes auf 1,044,000 Seelen.
Was den Charakter des hellenischen Volkes betrifft, so konnte sich dieser natürlich nicht überall auf ¶
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gleiche Weise entwickeln. In manchen Landschaften hatten sich Barbaren mit den Hellenen gemischt oder doch wenigstens Einfluß auf dieselben ausgeübt, wie in Epirus, Akarnanien, Ätolien, Lokris; aber auch die Völkerschaften rein hellenischen Stammes zeigten oft bedeutende Verschiedenheiten, wie die so nahe benachbarten Böotier und Athener und, um gleich auf den größten Gegensatz hinzuweisen, der bestimmend auf den ganzen Gang [* 35] der griechischen Geschichte eingewirkt hat, die Dorier und die Ionier.
Dennoch blieb bei all diesen Verschiedenheiten im einzelnen dem Volk im ganzen sein entschiedenes Charaktergepräge, wodurch sich dasselbe vor allen übrigen Nationen des Altertums auszeichnete und seine hohe Bedeutung für die Geschichte erhielt, und zwar verdankte es seine wesentlichen Eigenschaften neben den günstigen klimatischen Verhältnissen hauptsächlich der eigentümlichen Küstenbildung des Landes sowie der gebirgigen Beschaffenheit desselben. Als Resultat dieser mannigfach gemischten Elemente bezeichnet Wachsmuth (»Hellenische Altertumskunde«, Bd. 1, S. 124) als hervorstechende Eigenschaft der Hellenen »eine hohe Reizbarkeit, durch welche bei äußerer Anregung die entsprechende Kraft [* 36] erwachte und sich, sei es in heimischen Fehden, in Reibungen mit den Nachbarn oder in Wanderungen und Seefahrten, versuchte. Die erstern wurden durch die natürliche Zersplitterung in kleine Staaten unterhalten, so daß nie Nahrungsstoff mangelte, kein Erstumpfen und Erstarren stattfand, vielmehr das innere Leben sich stufenweise steigerte und entwickelte. Die Kraft aber war begleitet von dem regsten Selbstgefühl und dem unverhohlenen Ausdruck desselben. Bescheidenheit und Demut waren nicht hellenische Tugenden, das Ehrgefühl indessen nicht mit so feinen Fäden wie das modern ritterliche gesponnen; die Ehre galt als aus Recht und Vorrecht entsprossen, schmähende Worte galten nicht für Gefährdung derselben. Verschwistert mit der Reizbarkeit zum Handeln war die hohe Empfänglichkeit für Schmerz und Lust. Der Hellene weinte leicht, Stoizismus beim Schmerz ist nur den Spartiaten nachzuweisen und anderswo für völlige Entartung des Volkscharakters zu halten. Solons herrliches Wort, als man ihn trösten wollte: ebendarum weine er, weil nicht zu helfen sei, ist echt hellenisch. Wiederum besaß dies Volk ein nie wieder mit so unerschöpflicher ästhetischer Produktionskraft und so lebendigem ästhetischen Sinn geeintes Maß von Sinnlichkeit und Genußfähigkeit, das keine Schönheit und keinen Lebensgenuß ungekostet ließ und mit vollem und immer gegenwärtigem Bewußtsein schwelgte. Einerseits ist hier die Pflege der Dicht- und Tonkunst und späterhin der übrigen schönen Künste als Nationaltugend zu rühmen; wiederum mangelte in dem Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht das Zartgefühl, das mit Achtung und Ehrbarkeit gemischt ist; der hellenische Ausdruck über Gegenstände jener Art war roh, selbst gemein, schlimmer unnatürliche Geschlechtslust. So wie hier grenzte durch die gesamte hellenische Sinnesart das Schlimme mit dem Edlen und Guten nahe zusammen, und als deren augenfälligste Flecke erscheinen Gewinnsucht, Neid, Feindeshaß und Grausamkeit. Überhaupt aber kamen des Volkes jugendliche Aufwallungen in dem ganzen Lauf seines Staatslebens zu keiner Mannesreife; weder wohnte das Gute sicher und fest im Herzen, noch entfaltete das Böse sich zu seiner Vollendung.« Trotzdem aber hat es seinen guten Grund, wenn wir über dem Herrlichen und Fesselnden des altgriechischen Lebens die Unvollkommenheiten desselben leicht außer acht lassen. Es sind das harmonische Zusammenstimmen verschiedener Richtungen und Fähigkeiten, der wunderbare Schönheitssinn und Kunstgeist, der alles durchdringt, verschmelzt und färbt, die uns das Ganze wie eine über die gemeine Wirklichkeit erhabene Erscheinung erblicken lassen.
Religion und Kultus.
Die Religion des hellenischen Volkes war im allgemeinen eine polytheistische, doch waren die Ansichten der Griechen von ihren Göttern nicht zu allen Zeiten dieselben. Bei sehr vielen derselben läßt sich die ursprüngliche Naturbedeutung nachweisen, und die neuesten Forschungen haben vielfache Übereinstimmung mit den Religionen der übrigen arischen Völker gezeigt. Mit der zunehmenden geselligen und staatlichen Ordnung und bei vermehrter Bildung ließ der Grieche entweder seine bisherigen Naturgottheiten ganz fallen und erschuf sich höhere geistige Wesen, oder er bildete seine frühern Naturgottheiten um und machte sie zu freien, sittlichen Wesen, welche im Menschenleben ordnend walten. In diesem Ringen nach einer höhern Stufe der religiösen Erkenntnis gingen dem Volk die Dichter voran, unter denen endlich Homer und Hesiod die Sache zum vollen Sieg führten.
Die Griechen hatten selbst den Glauben, daß ihre Götter nicht vom Uranfang an existiert, und daß vor denen, welche jetzt als die Beherrscher der Welt verehrt wurden, einst andre Gottheiten die Gewalt in den Händen gehabt hätten. Nach Hesiod, dessen »Theogonie« aber weit mehr Spekulation als die Homerischen Gedichte enthält und viele Kräfte, Tugenden etc. zu Göttern macht, von denen das Volk nichts wußte, war am Anfang das Chaos, der leere, unermeßliche Raum, darauf Gäa (die Erde), Tartaros (der Abgrund unter der Erde) und Eros [* 37] (die Liebe); Gäa gebar aus sich selbst den ihr gleichen Uranos (Himmel), [* 38] die Gebirge und den Pontos (Meer).
Gäa und Uranos erzeugten die Titanen, sechs männliche und sechs weibliche, ferner die Kyklopen [* 39] und die Hekatoncheiren (»hundertarmigen« Riesen). Uranos aber haßte seine Kinder und verbarg sie, so daß sie nicht an das Licht [* 40] des Tags kommen konnten. Darüber grollte ihre Mutter Gäa und beredete den Titanen Kronos, daß er den Vater verstümmelte und der Herrschaft beraubte. Kronos erzeugte nun mit seiner Schwester Rhea [* 41] die Hestia, [* 42] Demeter, [* 43] Hera, [* 44] den Hades, Poseidon [* 45] und Zeus; [* 46] damit ihn aber nicht eins seiner Kinder vom Thron [* 47] stoße, verschlang er sie gleich nach ihrer Geburt.
Als Zeus geboren war, reichte Rhea dem Vater statt desselben einen Stein in Windeln, den er verschlang. Zeus aber ward in Kreta vor dem Vater verborgen, und als er groß geworden war, stürzte er ihn und zwang ihn, die verschlungenen Kinder wieder von sich zu geben. Vereint mit seinen Geschwistern unternahm dann Zeus einen Kampf gegen die Titanen, welche sich die bisher geübte Macht nicht entreißen lassen wollten. Mit Hilfe der Hekatoncheiren und Kyklopen, welche ihm den Donner und den verderblichen Blitz gaben, wurden die Titanen überwunden und gefesselt in den Tartaros geworfen. So herrschen Zeus und die Seinen über die Welt, in der nun die rohen Gewalten der Natur und des Menschenlebens sich den Schranken der natürlichen und sittlichen Ordnung fügen müssen. Die große nun herrschende Götterfamilie, welche ihre endliche Ausprägung den Homerischen Gedichten verdankt, besteht aus den Geschwistern Zeus, Poseidon, Hades, Hera, zugleich des Zeus Gemahlin, Hestia, Demeter mit ihrer Tochter Persephone [* 48] und aus den Kindern des Zeus: Athene, [* 49] ¶
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Beschirmerin der Städte und Staaten, Göttin der Weisheit, Apollon, [* 51] Gott des Heils und der Ordnung, Artemis, [* 52] die nächtliche Himmelsgöttin, Hephästos, [* 53] Gott des Feuers, Ares, [* 54] Kriegsgott, Aphrodite, [* 55] Liebesgöttin, Hermes, [* 56] Götterbote. Die Zwölfzahl der olympischen Götter ist erst späterhin festgestellt worden. Die drei Brüder nun teilten sich in die Herrschaft der Welt: Poseidon erhielt das Meer, Hades die Unterwelt, Zeus den Himmel;
die Erde blieb ein gemeinschaftliches Gut.
Zeus aber, als der älteste, stärkste und klügste, hat die Obmacht über die übrigen. Um ihn geschart, wohnen die Götter auf den Höhen des Olymps und freuen sich ihrer Seligkeit. An die olympischen Götter schließen sich Gottheiten niedern Ranges an, welche zu dem Olymp in gewissen Beziehungen stehen. Es sind zum Teil dienende Gottheiten, zum Teil solche Wesen, welche irgend eine Seite eines olympischen Gottes selbständig in sich entwickelt haben, wie z. B. die Schicksalsgottheiten, die Götter der Witterung etc. Zu ihnen gehören: Hebe, die ewige Jugend, und Ganymedes, [* 57] der phrygische Knabe, welchen Zeus aus Liebe von der Erde entführt und mit unsterblichem Leben beschenkt hat (beide reichen den Olympiern die Götterspeise, Nektar und Ambrosia, dar);
Iris, die Göttin des Regenbogens, welche die Botschaften der Götter vom Himmel herniederbringt;
die Horen, [* 58] die Gottheiten der Witterung, die das Wolkenthor des Olymps öffnen und schließen, und Helios, [* 59] der allsehende Sonnengott, der den Göttern und den sterblichen Menschen das Licht des Tags bringt, das zuvor die rosenfingerige Eos [* 60] (Morgenröte) verkündigt.
Ferner gehören hierher: die Parzen (die Schicksalsgöttinnen: Klotho, Lachesis, Atropos), Tyche [* 61] (Göttin des Glückes), Nemesis, Ate, Dike und Themis;
die Musen, [* 62] die Chariten, [* 63] die Hyaden, die Plejaden, Selene, [* 64] die Winde [* 65] und ihr Beherrscher Äolos. Zu den Gottheiten der Winde gehören auch die Harpyien; [* 66]
Typhon ist der verderbliche Sturmwind.
Die Götter des Meers sind, außer Poseidon selbst, seine Gemahlin Amphitrite, Okeanos (der die Erde und das Meer umfließende große Weltstrom), Nereus, der Meergreis und Vater der Nereiden, der Meernymphen, Leukothea-Ino, eine Genossin der Nereiden, Proteus, der weissagende Meergreis, Phorkys, Glaukos, ursprünglich ein Gott der Schiffer und der Fischer, und Triton. [* 67] Endlich gehören noch zum Reich des Poseidon die Flüsse, Flußgötter und Quellnymphen. Die Gottheiten der Erde und der Unterwelt sind: Gäa (die Erde), die Nymphen, Göttinnen niedern Ranges, welche auf der Erde wohnen, in Hainen und auf Bergen, an Quellen, Flüssen und Strömen, in Thälern und Grotten, Kybele, [* 68] die Göttermutter, Dionysos [* 69] (Bakchos), der Gott des Weins, die Satyrn, [* 70] die Begleiter des Dionysos, Silenos, [* 71] Pan, [* 72] der Sohn des Hermes, ein arkadischer Gott der Herden und des Waldes, Priapos, Sohn des Dionysos und der Aphrodite, ein Gott der Fruchtbarkeit des Feldes und der Herden, die Kentauren, welche mit den Satyrn eine gewisse Verwandtschaft haben, Demeter, ursprünglich die göttliche Mutter Erde, die Kabiren, semitische Feuergottheiten, Thanatos und Hypnos (Tod und Schlaf), die Keren (Personifikation des Todesloses), die Erinnyen [* 73] (Eumeniden) und Hekate, [* 74] eine gewaltige Herrscherin unter den Schatten. [* 75]
Den Menschen stehen die Götter nicht fern, sie schicken ihnen Zeichen mancherlei Art und verkünden ihren Willen im Orakel; ja, sie erscheinen dem Menschen oft selbst in eigner oder fremder Gestalt, und in alter Zeit kamen sie gern zu den Menschen und lebten mit ihnen. Götter verbanden sich mit sterblichen Frauen, und Göttinnen schenkten ihre Liebe sterblichen Männern. Durch diese Verbindung und diesen Verkehr mit den Unsterblichen wurde das Menschengeschlecht geadelt und den Göttern näher gebracht, Menschen waren Söhne und Töchter von Göttern.
Das hohe Geschlecht der Heroen der Vorzeit war weit erhaben über die spätern Menschen und lebte nach dem Tod abgesondert von den übrigen Sterblichen ein glückliches Leben auf den Inseln der Seligen im fernsten Westen der Erde. So wurden diese Heroen allmählich im Glauben des Volkes zu Halbgöttern und genossen als Wohlthäter der Vorzeit besondere Verehrung; einzelne, wie Herakles, wurden von den Göttern sogar in den Olymp erhoben. Homer, der in seinen Gesängen den Glanz und Ruhm der Heroenzeit preist, weiß nur von dieser einen Vorwelt und spricht nirgends von einer Abstufung der Vorzeit in mehrere Geschlechter von verschiedenem Charakter. Später aber erzählte man von einem goldenen Zeitalter unter der Herrschaft des Kronos im Gegensatz zu dem eisernen unter Zeus; Hesiod erzählt von fünf immer sündhafter werdenden Geschlechtern der Menschen. Diese Vorstellung knüpft besonders an den Namen Prometheus (s. d.) an. Vgl. Mythologie.
Die Götter, wie sie bei Homer auftreten, sind in leiblicher wie in geistiger Hinsicht nach dem Bilde des Menschen geschaffen; aber der Mensch bemüht sich, seine Götter über die Menschlichkeit hinauszuheben. An einzelnen Stellen bei Homer erscheinen sie in übermenschlicher Größe; im allgemeinen aber übersteigen sie nicht bedeutend das menschliche Maß. Auch sind sie, wie die Menschen, an Trank und Speise und Schlaf gebunden. Weil sie einen Körper haben, so hängen sie notwendig von den Bedingungen des Raums und der Zeit ab. Aber diese Schranke wird zum Teil wenigstens dadurch aufgehoben, daß ihnen stärkere Sinne beigelegt werden, daß sie z. B. aus weiter Ferne sehen und hören und unermessene Räume in der kürzesten Zeit durchschreiten können.
Wesentlich von den Menschen verschieden sind die Götter durch die Unsterblichkeit; diese und die ewige Jugendfrische erhalten sie sich durch den steten Genuß von Nektar und Ambrosia, den Trank und die Speise der Unsterblichkeit. Sie heißen selig, sind jedoch nicht frei von Angst, Not und Schmerz. Allmacht besitzen sie keineswegs; es wird ihnen zwar eine höhere Kraft, alles zum Ziel zu führen und Wunder zu wirken, zweifellos zugeschrieben, ja die nachhomerische Zeit fügte selbst ein geistiges Wirken ohne leibliche Nähe hinzu; aber über ihnen steht doch die Moira, die Schicksalsmacht, und bei der Menge der Götter und ihrer Wirkungskreise ist nicht allein der einzelne Gott durch die andern, sondern sind auch alle öfters durch einen beschränkt.
Allwissenheit wird ihnen ebenfalls nicht beigelegt. Die Vorsehung der Götter besteht in der Erfindung guten Rats in den einzelnen Verhältnissen, in der zweckmäßigen Einrichtung der Dinge, in der Vorbereitung zukünftiger Ereignisse und im vereinzelten außerordentlichen Eingreifen. Obwohl sie so in gewissem Sinn über die Erhaltung der Weltordnung wachen und eine Art Fürsorge für das Menschengeschlecht zeigen, so weiß doch von einer göttlichen Liebe zu den Menschen der Volksglaube nichts. Die Griechen hielten Wohlwollen nicht für eine wesentliche Eigenschaft der Gottheit. Herrscht doch bei Homer die Vorstellung, daß der Unglückliche den Göttern verhaßt sei; zwar wurde ihnen später ¶