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unermüdliche Thätigkeit und Fürsorge für die Kirche im großen und kleinen, Gerechtigkeitssinn, Wohlthätigkeit, aufrichtige Religiosität, in welcher sich innerliches Christentum mit Aberglauben und dem äußerlich zeremoniellen Zug seiner Zeit auf merkwürdige Weise mischen, sind die hervorstechendsten Züge seines Charakterbildes. Auch als Schriftsteller genoß er großes Ansehen; er wurde zu den vier großen Lehrern, den maßgebenden Autoritäten, der christlichen Kirche gerechnet.
Als solcher zeichnete er sich mehr aus durch seine Nüchternheit und Verständlichkeit als durch Tiefe oder Schwung der Ideen. Sein theologischer Standpunkt ist ein ins Semipelagianische abgeschwächter Augustinismus. Eine von den Benediktinern besorgte Gesamtausgabe seiner Schriften erschien in Paris [* 2] 1705, 4 Bde.; auch befinden sie sich in Mignes »Patrologia latina«, Bd. 75-79; in Auswahl erschienen sie deutsch, Kempten [* 3] 1873 ff.
Vgl. Wiggers, De Gregorio Magno (Rost. 1838-1840, 2 Bde.);
Lau, Gregor I. (Leipz. 1845);
Pfahler, Gregor d. Gr. und seine Zeit (Frankf. a. M. 1852).
2) Gregor II., ein Römer, [* 4] wurde, nachdem er Sacellarius und Diakon gewesen, 715 zum römischen Bischof erhoben und zählt zu den Begründern der römischen Weltmacht. Er lehnte sich gegen das Bilderverbot des griechischen Kaisers Leo des Isauriers auf (726) und kämpfte gleichzeitig für die Unabhängigkeit Roms gegen die langobardische Macht, indem er den König Liutprand glücklich von Rom [* 5] fern zu halten wußte. Er selbst stellte sich an die Spitze der italischen Rebellion, welche der Macht des oströmischen Kaisers in Italien [* 6] ein Ende bereitete. Auf der andern Seite verstand es Gregor, mit den Angelsachsen neue Beziehungen zu gewinnen; als sein Beauftragter und Untergebener begann Bonifacius seine missionarische Predigt in Deutschland [* 7] und seine organisatorische Thätigkeit im Frankenreich. Gregor starb im Februar 731.
3) Gregor III., von Geburt ein Syrer, Presbyter in Rom, bestieg 731 den römischen Stuhl, sanktionierte 731 auf einem Konzil zu Rom die Bilderverehrung, ernannte Bonifacius zum Erzbischof und apostolischen Vikar, schützte Rom aufs neue vor den Angriffen der Langobarden; starb 29. Nov. 741.
4) Gregor IV., Römer, wurde 827 auf den päpstlichen Stuhl erhoben, bei welcher Gelegenheit die Oberhoheit des Kaisertums über das Papsttum in unzweideutiger Weise von ihm anerkannt wurde. Er sorgte für den Schutz Roms und Italiens [* 8] gegen die Einfälle der Araber, ernannte Ansgarius zum Erzbischof von Hamburg [* 9] und apostolischen Vikar für den Norden [* 10] und führte das Fest Allerheiligen im ganzen Abendland ein. In dem Streit zwischen Kaiser Ludwig dem Frommen und dessen Söhnen, zu dessen Schlichtung er sich 830 über die Alpen [* 11] begab, spielte er eine zweideutige Rolle. Er starb 25. Jan. 844.
5) Gregor V., der erste Deutsche [* 12] auf dem römischen Stuhl, vor seiner Wahl Bruno genannt, Sohn des Herzogs Otto von Kärnten und Urenkel Ottos d. Gr., war Hofgeistlicher in der Kanzlei des Kaisers Otto III., seines Vetters, der auf seinem Römerzug 996 den 24jährigen Bruno den Römern zum Bischof empfahl. Hand [* 13] in Hand gedachten nun als Kaiser und Papst die beiden schwärmerischen Jünglinge die Welt zu regieren. Der neue Papst krönte sofort 21. Mai 996 seinen Vetter zum Kaiser. In Rom aber erhoben sich bald wieder die Gegner des deutschen Regiments. Der Patricius Crescentius vertrieb den Papst aus Rom und stellte ihm einen Gegenpapst, Johann XVI., entgegen; Gregor wurde jedoch 997 vom Kaiser bei dessen zweitem Zug nach Italien restituiert. Mit Strenge trat er gegen den König Robert von Frankreich auf, dessen Ehe mit Bertha den kirchlichen Bestimmungen widersprach, erzwang dessen Scheidung und beugte den Klerus Frankreichs unter Roms Hoheit. Sein plötzlicher Tod (18. Febr. 999) rief den Glauben an eine Vergiftung hervor.
6) Gregor VI., früher als Johannes Gratianus berühmt wegen seiner Gelehrsamkeit und Rechtschaffenheit, ein Anhänger der kirchlichen Reformpartei, bewog 1045 Benedikt IX. durch Geld, ihm die päpstliche Würde zu überlassen, wurde jedoch auf der Synode in Sutri durch Einwirkung Kaiser Heinrichs III. abgesetzt, nach Deutschland geschickt und starb 1048 in Köln. [* 14]
7) Gregor VII., vor seiner Erhebung zum Papst Hildebrand, nach seiner eignen Aussage in Soano in Tuscien etwa um 1020 geboren, ward in Rom, wohin er im 20. Lebensjahr kam, mit Jünglingen aus den vornehmsten Familien erzogen. Wider seinen Willen durch seinen Oheim, Abt zu St. Maria auf dem Aventin, zum geistlichen Stand bestimmt, trat er in den Benediktinerorden ein und lebte in Rom mit den Vertretern der cluniacensischen Tendenzen, besonders mit dem Erzbischof Laurentius von Amalfi, in sehr vertrautem Verkehr.
Von Gregor VI. zum Kaplan erwählt, begleitete er denselben 1046 in seine Verbannung nach Köln und ging nach dessen Tod 1048 in das Kloster zu Clugny. Hier fand ihn der zum Papst ernannte Bischof Bruno von Toul [* 15] (Leo IX.) und nahm ihn 1049 mit sich nach Italien. Unter Leo IX. stand Hildebrand in großem Ansehen; er besorgte die Verwaltung des Kirchengutes und legte große Geschicklichkeit als Finanzmann an den Tag. Auch auf die geistlichen Angelegenheiten erhielt er großen Einfluß.
Nach Leos Tod (1054) ward Hildebrand vom römischen Klerus nach Deutschland gesandt, um von dem Kaiser einen Papst zu erbitten, und lenkte die Wahl auf den Bischof Gebhard von Eichstätt, [* 16] einen der Vertrauten des Kaisers. Unter diesem Papst, Viktor II. (1054-57), wie unter seinem Nachfolger Stephan X. (1057-58) wuchsen Hildebrands Ansehen und Macht in Rom. Er wurde wiederholt als Legat nach Deutschland sowie nach Frankreich geschickt und präsidierte mehreren französischen Synoden.
Als nach dem Tod Stephans X. der römische Adel gegen den Willen der Kardinäle den Bischof von Velletri als Benedikt X. mit Anwendung von Gewalt zum Papst erwählte, erhob Hildebrand mit den Kardinälen unter Zustimmung der Kaiserin Agnes den Bischof Gerhard von Florenz [* 17] als Nikolaus II. auf den päpstlichen Stuhl. Unter dessen Regierung erging 1059 das Gesetz über die Papstwahl, wonach künftig die Kardinäle allein zu wählen haben sollten. Um die Burgen [* 18] des widerstrebenden Adels zu brechen, rief Hildebrand die Normannen aus Süditalien [* 19] herbei und bewog die beiden Häupter derselben, Vasallen des Papstes zu werden.
Nikolaus II. erhob ihn zum Archidiakonus der römischen Kirche. Auch den Einfluß des deutschen Kaisers auf die Papstwahlen beseitigte er, als das Schisma nach Nikolaus' Tod 1061 eine günstige Gelegenheit bot. Er setzte die Wahl des Bischofs von Lucca, [* 20] als Papst Alexander II. genannt, durch und brachte es dahin, daß die deutsche Reichsregierung den von ihr anfangs begünstigten und unter ihrem Einfluß erhobenen Papst Cadalus (Honorius II.) 1064 wieder fallen ließ. Überhaupt war Hildebrand in den Tagen Alexanders II. die maßgebende Persönlichkeit in der Regierung der Kirche. Am Tag nach dem Tode desselben, ¶
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ward Hildebrand von den Kardinälen zum Papst gewählt und nannte sich als solcher Gregor VII., um seine Dankbarkeit gegen Gregor VI. zu bezeigen.
Die Stunde des Kampfes um die Weltherrschaft, welchen Gregor während seiner untergeordneten Stellung zwischen Papst und Kaiser vorbereitet, war gekommen. Gregor begann denselben mit verhältnismäßig geringen Mitteln, aber mit großartiger Klarheit über Ziele und Wege des Streits. Seine Absicht war, den römischen Bischof zum Herrscher der Welt zu machen, alle Gebiete menschlichen Lebens seiner Oberhoheit zu unterwerfen. Und nicht allein in den kirchlichen Dingen wollte er die Allmacht und Unfehlbarkeit des Papstes aufrichten, sondern auch die europäische Staatenwelt unter seine Gebote beugen. Er ging geradezu darauf aus, eine Reihe von Ländern zu Vasallen des apostolischen Stuhls zu machen. Er beanspruchte ohne weiteres Spanien, [* 22] Corsica, [* 23] Sardinien [* 24] und Ungarn. [* 25]
Ein vertriebener russischer Prinz nahm Rußland von ihm zu Lehen, und spanische Große, Grafen in Provence, Savoyen und Arelat, ein König in Dalmatien sowie die Normannenfürsten Landulf von Benevent und Richard von Capua leisteten ihm den Lehnseid;
der Herzog Wilhelm von der Normandie eroberte England als Verbündeter des Papstes. In Frankreich bedrohte Gregor den König mit dem Bann;
in Griechenland [* 26] unterhandelte er über die Vereinigung der morgen- und abendländischen Kirchen;
in Kastilien und Aragonien drang er auf Einführung des römischen Ritus;
in Böhmen [* 27] verbot er den Gebrauch der Landessprache beim Gottesdienst;
von Norwegen [* 28] und Schweden erbat er sich Jünglinge, die in Rom gebildet werden sollten.
Selbst das Los der Christensklaven in Afrika [* 29] nahm seine Sorge in Anspruch, und lebhaft beschäftigte ihn das Projekt zu einem Kreuzzug nach Palästina. [* 30] Vor allem aber suchte er ein Übergewicht des päpstlichen Stuhls über den deutschen Kaiser zu begründen. Die schon begonnene Emanzipation des Papsttums von der bisherigen Leitung durch das Kaisertum war für Gregor die notwendige Vorstufe zur Erhebung des Papsttums über das Kaisertum. Die Verhältnisse in Deutschland waren seinem Unternehmen günstig (s. Heinrich IV.).
Zwei Dekrete ließ Gregor ausgehen, durch welche er in radikalster und revolutionärster Weise die bisherigen Ordnungen in Staat und Kirche umzuwerfen unternahm; diese waren das Cölibatgesetz und das Investiturverbot; das eine sollte die Einheit des Klerus, das andre dessen Unabhängigkeit von aller weltlichen Macht begründen. Das Cölibatgesetz war nur eine Sanktion der öffentlichen Meinung, die sich in dem Mönchtum allmählich ausgebildet hatte, und Gregor fand denn auch an der Masse des Volkes einen sehr thätigen Bundesgenossen bei dem Verbot der noch bestehenden Priesterehen.
Das Investiturverbot aber war ein einschneidender Eingriff in die staatsrechtlichen Verhältnisse der Welt: es wurde jede staatliche Teilnahme an der Verleihung kirchlicher Ämter, besonders der Bistümer, untersagt. Da die Bischöfe zugleich weltliche Güter und Rechte besaßen und Staatsbeamte waren, so hieß dies nichts andres, als dem Staate die Bestellung seiner Beamten entziehen. Dagegen mußte sich vornehmlich der deutsche Kaiser auflehnen, für den es eine Lebensfrage war, am königlichen Ernennungsrecht der Bischöfe festzuhalten.
Gregor verstand es, die sittlich berechtigten Bestrebungen gegen die Simonie als gleichbedeutend auszugeben mit seinen Maßregeln gegen die königliche Investitur; er kleidete seine hierarchischen Tendenzen in den Deckmantel sittlicher Strenge und begründete sie durch gefälschte Urkunden aus der Sammlung Damianis, deren Unechtheit ihm allerdings nicht bewußt war. Anfangs suchte er den Schein zu vermeiden, als gelte der Angriff der Person des Kaisers, indem er nur verlangte, daß der Kaiser die schon der Simonie wegen gebannten Räte entfernen und Buße thun solle.
Später aber ging er direkt gegen Heinrich vor. 1075 verkündigte er seine Dekrete nochmals in einem Konzil und verschärfte sie durch Androhung des Bannes für die Zuwiderhandelnden. Als jetzt Heinrich IV. dem von in Mailand [* 31] eingesetzten Bischof seinen Kandidaten entgegenstellte, ging abermals eine Botschaft an den Kaiser ab; sie fand bei ihrer Ankunft in Deutschland Heinrich im Vollgefühl seines Siegs über die Sachsen [* 32] und daher so erbittert über die Androhung des Bannes, daß er auf einer deutschen Synode zu Worms [* 33] den Papst absetzen ließ. Gregor sprach darauf über den Kaiser den Bann aus, entsetzte ihn seiner königlichen Gewalt und entband seine Unterthanen vom Eide der Treue.
Anfangs hatte dies unerhörte und neue Vorgehen des Papstes wenig Erfolg in Deutschland, von deutschen Geistlichen erklärten sich manche gegen ihn. Aber nach und nach eroberte Gregor sich Boden. Die eifrige Propaganda der Mönche warb ihm Freunde, und die Fürstenopposition gegen den König, der seine Königsmacht geltend zu machen bemüht war, bot dem Papst begierig die Hand, um den gemeinsamen Gegner zu demütigen. Heinrich IV., von den in Tribur versammelten Fürsten mit Absetzung bedroht, wenn er sich binnen Jahresfrist nicht vom Bann löse, sah sich genötigt, selbst nach Italien zu gehen, um den Papst zu versöhnen.
Dieser war bereits nach Deutschland aufgebrochen, um daselbst als Schiedsrichter zwischen dem Kaiser und den Fürsten aufzutreten, als er von Heinrichs Ankunft in Italien vernahm. Erschreckt ging er auf den Rat der Markgräfin Mathilde nach Canossa zurück, um den Ausgang der Dinge abzuwarten, denn der Lombarden Gesinnung war ihm offenbar feindselig; aber Heinrich erschien als ein Büßender in Canossa, und erst nachdem er drei Tage, vom 26.-28. Jan. 1077, im Büßergewand, barhaupt und mit bloßen Füßen im Schloßhof gestanden und schriftlich und eidlich die Versicherung gegeben hatte, daß er sich aller Regentenhandlungen bis nach ausgemachter Sache in Deutschland enthalten wolle, erteilte ihm der Papst trotz seines den Fürsten gegebenen Versprechens, ihn nicht vom Bann zu lösen, die Absolution.
Das war ein großer Triumph des Papstes über den deutschen König. Der Zwist zwischen dem König und dem Papst brach bald wieder aus, und dieser erneuerte den Bannfluch; aber es gelang Gregor nicht, wie er es wollte, zwischen Heinrich und seinem Gegenkönig Rudolf sich die Entscheidung beizulegen, und in Deutschland erhielt Heinrich bald die Oberhand. Der Papst wiederholte und bestätigte auf den Synoden von 1078, 1079 und 1080 seine frühern Gesetze. Trotz aller Kämpfe und Unruhen, die ihm in Italien selbst wieder erwuchsen, hielt Gregor fest an seiner geistlichen Stellung und seinen hierarchischen Tendenzen. Kaum hatte der Kaiser in Deutschland wieder mehr Macht gewonnen, als er auf einer Synode zu Brixen 1080 den Papst absetzen und einen Gegenpapst, Clemens III., wählen ließ und hierauf selbst nach Italien eilte. Das Glück der Waffen [* 34] war schwankend. Zwar wurde in die Engelsburg zurückgedrängt und hier belagert, 1084 durch den Herzog Robert Guiscard befreit, mußte aber, als sich dieser wieder zurückzog, inmitten der normännischen ¶
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Scharen fliehen, um zuerst im Kloster zu Monte Cassino, später in Salerno eine Zuflucht zu suchen. Hier starb er Gregor war ohne Zweifel ein großer Mann. Gelangten auch die meisten seiner Gedanken erst nach seinem Tod zur Durchführung, so haben sie doch die Geschichte des Abendlandes in völlig neue Bahnen gelenkt und wirken fort bis auf die Gegenwart. Er hat die Idee eines absoluten Papstregiments über die Welt nachdrücklich aufgestellt, systematisch entwickelt (besonders in dem sogen. Dictatus) und praktisch zu verwirklichen den Anfang gemacht. Um die Durchführung seiner Pläne anzubahnen, wußte er die überaus günstigen Verhältnisse mit großem Scharfsinn zu benutzen. Gregor faßte das geistliche Wesen wie ein politisches Gemeinwesen, und die Frage nach der Verfassung, also der Form, überwog bei ihm bei weitem die nach der geistigen und sittlichen Bedeutung des Evangeliums.
Daher war Gregor gleichgültig gegen die Häresien seiner Zeit, besonders gegen Berengar von Tours (s. d.), während er eine Opposition gegen die Kirchengesetze als eine fluchwürdige That ansah. Wenn er Sonne [* 36] und Mond [* 37] mit der Kirche und dem Staat verglich, so hatte in diesem Vergleich für Gregor nicht bloß das Verhältnis der Massenverteilung beider Organismen eine Wahrheit, sondern er bemerkte auch in dem Leuchten des Mondes mit erborgtem Licht [* 38] und in dem Verschwinden desselben, wenn die Sonne sich erhebt, bedeutsame Beziehungen zwischen Königtum und Kirche.
Von diesen Ideen war er durchdrungen, auch fähig, für sie zu leiden und zu arbeiten, ja für die Verwirklichung derselben das Leben einzusetzen. Zur Erkenntnis seines Wesens dient vornehmlich die Briefsammlung, die wir von ihm besitzen, am besten herausgegeben von Jaffé in »Bibliotheca rerum germanicarum«, Bd. 2 (Berl. 1866). Über seine Geschichte vgl. Voigt, Hildebrand als Papst Gregor VII. und sein Zeitalter (2. Aufl., Weim. 1846);
Söltl, Gregor VII. (Leipz. 1847);
Helfenstein, Gregors VII. Bestrebungen nach den Streitschriften seiner Zeit (Frankf. 1856);
Gfrörer, Papst Gregor VII. (Schaffh. 1859-61, 7 Bde.);
Villemain, Histoire de Grégoire VII (2. Aufl., Par. 1886, 2 Bde.);
Langeron, Grégoire VII et les origines de la doctrine ultramontaine (2. Aufl., das. 1874).
8) Gregor (VIII.), früher unter dem Namen Mauritius Burdinus Erzbischof von Braga in Spanien, wurde von der kaiserlichen Partei in Rom dem Papst Gelasius II. entgegengestellt (1118) und hielt sich anfangs mit Hilfe deutscher Truppen, mußte aber, von des Gelasius Nachfolger Calixtus II. bedrängt, nach Sutri flüchten, ward von den Einwohnern dieser Stadt 1121 ausgeliefert und starb 1125 im Kerker.
9) Gregor VIII., geboren zu Benevent, früher Alberto de Spinacchio, wurde Kardinal von San Lorenzo und, empfohlen durch Mäßigung und Liebe zum Frieden, im Oktober 1187 Papst, starb aber schon 17. Dez. d. J. in Pisa. [* 39]
10) Gregor IX., vorher Ugolino Conti, Graf von Signia, aus Anagni gebürtig, wurde als ein Nepote Innocenz' III. 1199 zum Kardinalbischof von Ostia erhoben und bestieg nach dem Ableben Honorius' III., unter welchem er, gleich ausgezeichnet durch Gewandtheit und Energie, an der Spitze aller Geschäfte gestanden, den päpstlichen Stuhl als ein Greis von 77 Jahren, aber noch in seltener Kraft [* 40] des Körpers. Er überbot Innocenz III. noch an Heftigkeit und Ungestüm im Kampf gegen Friedrich II., über den er wegen der Verzögerung des versprochenen Kreuzzugs sofort den Bann aussprach. In seiner Leidenschaft und Unversöhnlichkeit bekämpfte er den Kaiser sogar, während derselbe in Palästina war, und ließ zügellose Scharen in Apulien einfallen, ward aber 1230 zum Frieden von San Germano gezwungen.
Nachdem er die kaiserliche Hilfe gegen die widerspenstigen Römer angerufen, begann er den Kampf mit Friedrich II. um die Herrschaft der Welt von neuem, indem er sich mit den Lombarden verbündete und 1239 den Bann über den Kaiser aussprach. In mehreren Manifesten wütete er gegen seinen Feind und sprach die schroffsten hierarchischen Grundsätze aus. Als Friedrichs Heere darauf im Sommer 1241 gegen Rom rückten, starb Gregor noch vor der Entscheidung, Die fünf Bücher seiner »Dekretalen«, die er durch Raymundus de Peñaforte sammeln und ordnen ließ, sind das Seitenstück zu der weltlichen Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II.
Vgl. Balan, Storia di Gregorio IX e del suoi tempi (Modena 1872);
Felten, Gregor IX. (Freiburg [* 41] 1886).
11) Gregor X., vorher Tebaldo de Visconti, geboren zu Piacenza, begleitete als Archidiakon zu Lüttich [* 42] den Prinzen Eduard von Wales auf seiner Wallfahrt nach Palästina und ward zum Papst erhoben. Er suchte auf dem allgemeinen Konzil zu Lyon [* 43] 1274 für einen neuen Kreuzzug zu wirken und war unermüdlich thätig für die Beilegung der Zwietracht unter den Fürsten in Italien und Deutschland. Er verfaßte selbst eine Schrift, um Guelfen und Ghibellinen zu versöhnen, und war bemüht, die Zustände Deutschlands [* 44] aus der traurigen Zerrissenheit des Interregnums zu retten und durch Neuwahl eines Königs dem Deutschen Reich neuen Zusammenhalt zu verschaffen. Rudolf von Habsburg fand 1273 bei ihm Unterstützung. Seine Bemühungen für die Kirche, seine Versuche einer Aussöhnung der Griechen mit Rom blieben aber ebenso wie seine politische Wirksamkeit ohne dauernden Erfolg. Gregor starb auf der Rückkehr von Lausanne [* 45] zu Arezzo
12) Gregor XI., früher Pierre Roger von Beaufort, Kardinaldiakon von Santa Maria Nuova, ein Bruderssohn Clemens' VI., aus Limoges gebürtig, ward Papst und residierte bis September 1376 zu Avignon. Als Johanna von Sizilien [* 46] 1373 ihre Besitzungen an Friedrich von Aragonien verkaufte, nahm er das Oberhoheitsrecht in Anspruch, konnte aber seine Absicht hier ebensowenig durchsetzen wie im Streit mit den Florentinern, welche zuletzt seine Unterthanen im Kirchenstaat gegen ihn aufwiegelten. Auf die Bitte der heil. Katharina von Siena kehrte Gregor nach Italien zurück und wurde im Januar 1377 in Rom feierlich eingeführt, vermochte jedoch sich nicht daselbst zu behaupten und erhob daher bald darauf Anagni zu seiner Residenz; starb Er war es, der 1373: 19 Sätze aus den Schriften Wiclefs und 13 Artikel des »Sachsenspiegels« verdammte.
13) Gregor XII., vorher Angelo Cornaro (Corrario), Kardinal und Bischof von Venedig [* 47] und Chalkis, Titularpatriarch von Konstantinopel, [* 48] wurde von der italienischen Partei der Kardinäle zum Papst gewählt, aber, da er so wenig wie sein französisch-spanischer Gegenpapst Benedikt XIII. ernstliche Schritte that, dem Wohl der Kirche Opfer zu bringen, von seinen Kardinälen verlassen und auf dem Konzil zu Pisa 1409 abgesetzt. Zwar weigerte er sich, diese Absetzung anzuerkennen, aber als das Konstanzer Konzil zusammentrat, zeigte er demselben durch seinen Legaten seine Entsagung an und vollzog dieselbe 7. Okt., worauf er zum Kardinalbischof von Porto und ständigen Legaten der Mark Ancona [* 49] ernannt ward. Er starb 1417 in Recanati.
14) Gregor XIII., vorher Ugo Buoncompagno, geb. ¶
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1512 zu Bologna, bildete sich in seiner Vaterstadt zum Rechtsgelehrten und wurde von Pius IV. in die kirchlichen Geschäfte gezogen, in denen er großen diplomatischen Takt bewies und als Kardinal von San Sisto großes Ansehen sich erwarb (namentlich auch durch eine schwierige Legation bei Philipp II. von Spanien), so daß man ihn mit allgemeinem Einverständnis auf den päpstlichen Stuhl erhob. Die Erweiterung des Profeßhauses in Rom, die Unterstützung des streng kirchlichen Unterrichts und die Restauration des von Julius III. gegründeten Collegium germanicum waren sein Werk; auch die Jesuitenschulen in Deutschland fanden an ihm einen Beschützer.
Die Pariser Bluthochzeit wurde von ihm in Rom mit einem Tedeum gefeiert und durch eine besondere Denkmünze verherrlicht. Auch unterstützte er die französische Liga im Kampf gegen die Hugenotten. In seiner das ganze Kirchenwesen umfassenden Thätigkeit war auch seine Verbesserung des Corpus juris canonici und des Kalenders (Gregorianischer Kalender, s. d.) begründet. Gregor starb Sein Leben beschrieb Maffei 1742. Seine Schriften finden sich in Eggs »Pontificium doctum«.
15) Gregor XIV., früher Kardinal Niccolò Sfondrati, geb. 1535, regierte vom bis unterstützte die französische Ligue mit Geld und Truppen gegen Heinrich IV.
16) Gregor XV., als Kardinal Alessandro Ludovisi, geb. 1554 zu Bologna, wurde zum Papst gewählt. Durch ihn wurde der Streit über die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria vorläufig beendet und erhielten die Unternehmungen der römischen Kirche zur Ausbreitung des Glaubens in der Kongregation de propaganda fide (s. Propaganda) einen gemeinsamen Mittelpunkt sowie das Ritual bei der Wahl und Weihe der Päpste seine noch jetzt übliche Gestalt. Als Anteil an der Beute aus dem böhmischen Krieg empfing Gregor die Schätze der palatinischen Bibliothek. Er starb
17) Gregor XVI., nach seinem Familiennamen Bartolommeo Alberto Capellari, geb. zu Belluno, trat frühzeitig in das Kamaldulenserkloster zu Murano, dessen Abt er später wurde, und erwarb sich umfassende Kenntnisse der morgenländischen Sprachen. Die erste Frucht seiner theologischen Studien war das bald in verschiedene Sprachen übersetzte Werk »Trionfo della Santa Sede«, welches 1795 zu Rom erschien und Gregors Erhebung zum Generalvikar seines Ordens zur Folge hatte.
Leo XII. verlieh ihm den Kardinalshut [* 51] und machte ihn zum Präfekten der Kongregation der Propaganda. Nachdem Gregor noch unter Leo XII. das Konkordat mit der niederländischen Regierung zur Ordnung des Rechtsverhältnisses der katholischen Kirche abgeschlossen, übergab ihm Pius VIII. die Verhandlungen mit der preußischen Regierung wegen der gemischten Ehen. Wider Erwarten zum Papst gewählt, ward er vom Volk mit lautem Jubel begrüßt, da man sich der Hoffnung hingab, er werde den im Kirchenstaat sich regenden volkstümlichen Bestrebungen freien Raum gönnen.
Bald aber wurde man enttäuscht, da er, persönlich gutmütig und von einfacher, schlichter Frömmigkeit, in der Regierung des Staats und der Kirche den Grundsätzen der starrsten Reaktion folgte und die Jesuiten begünstigte. Aufstände, die bald nach seiner Inthronisation im Kirchenstaat ausgebrochen waren, wurden durch französische und österreichische Waffen unterdrückt; die dem Papst von den europäischen Mächten empfohlene zeitgemäße Umgestaltung der Regierung und Verwaltung des Kirchenstaats aber unterblieb. 1832 brach daher der Aufruhr von neuem aus, und als nun Österreich [* 52] abermals seine Hilfe lieh, nahmen die Franzosen zur Wahrung ihrer Interessen mittels eines Handstreichs Ancona weg.
Auch in den folgenden Jahren wechselten anscheinende Stille und Aufstände, wie noch zuletzt 1844 und 1845, kleine Amnestien und große Gewaltmaßregeln; gegen 2000 politische Gefangene oder Verurteilte wurden am Schluß des Pontifikats Gregors gezählt. Bauten, wie die Wasserleitung [* 53] von Tivoli, die pomphafte Vollendung der Paulskirche, die Ordnung der Kunstsammlungen, die Öffnung der vatikanischen Bibliothek unter Aufsicht glaubenseifriger Gelehrten und Pflege der Wissenschaft durch Erhebung von bedeutenden Männern derselben zu den höchsten Staatsämtern, das waren Gregors sehr zweifelhafte Verdienste bei der übeln Lage der Finanzen im Kirchenstaat, denn die Staatsschuld betrug bei seinem Tod 60 Mill. Skudi.
Ein Römer hat den Ruhm wie die Schmach von Gregors Pontifikat mit den Worten bezeichnet: »Sonst brachte die Kirche etwas ein, jetzt kostet sie etwas«. In der allgemeinen Weltlage bezeichnet sein Pontifikat eine Periode neuen allmählichen, aber stetigen Wachstums der ultramontanen Ideen. Gregor starb
Vgl. Wagner, Gregor XVI. (Sulzb. 1846);
Köberle, Geschichte der drei letzten Päpste (Leipz. 1846, 2 Bde.);
Nielsen, Die römische Kirche im 19. Jahrhundert, Bd. 1 (Gotha [* 54] 1878).