legt im Juni 4-6 grauweiße, grau und braun gefleckte
Eier.
[* 2] Sie singt ausgezeichnet und fleißig und wird in der Gefangenschaft
sehr zahm. Der
Meistersänger(S. orpheaTemm.), 17
cm lang, 25
cm breit,
oben aschgrau, auf dem
Rücken bräunlich angeflogen,
dem
Kopf und
Nacken matt schwarz, unten weiß, seitlich der
Brust licht rostfarbig,
Schwingen und Steuerfedern
schwarzbraun, die äußerste der letztern an der Außenfahne weiß; die
Augen sind hellgelb, der
Schnabel schwarz, die
Füße
rötlichgrau. Er bewohnt Südeuropa und Westasien, geht im
Winter bis Mittelafrika und
Indien, erscheint selten bei uns, lebt
und nistet auf Eichbäumen, legt 5 weiße oder grünlichweiße, violettgrau und gelbbraun gefleckte
Eier
(s. Tafel
»Eier I«,
[* 1]
Fig. 31) und singt vorzüglich.
Die Gartengrasmücke (S. hortensisBechst.), 16
cm lang, 25
cm breit,
oben olivengrau, unten hellgrau, an der
Kehle und am
Bauch
[* 3] weißlich;
Schwingen und
Schwanz sind olivenbraun, außen schmal fahlgrau gesäumt, die
Augen sind licht
graubraun,
Schnabel und
Füße dunkel blaugrau. Sie bewohnt Mitteleuropa, geht im
Winter bis Westafrika, weilt bei uns vom Mai
bis
September, bevorzugt den
Wald, findet sich aber auch in buschreichen
Gärten, singt gern in mäßiger
Höhe, nistet in
Büschen
und auf kleinen
Bäumen, legt im Mai 5-6 stark variierende, meist rötlichweiße, braun, grau und weiß
gefleckte und marmorierte
Eier, hält sich im Käfig sehr gut und gehört zu den besten deutschen
Sängern.
14
cm lang, 21
cm breit, der Gartengrasmücke
ähnlich gefärbt, lebt in fast ganz
Europa
[* 6] und einem großen Teil
Asiens bis
China,
[* 7] geht im
Winter bis Mittelafrika
und
Indien, weilt bei uns vom Mai bis
September in
Gärten, Gebüschen,
Hecken, auch in
Städten und im
Wald, ist äußerst munter
und anmutig, nistet in niedrigem Gebüsch (Dorngesträuch, Stachelbeerbüschen), legt 4-6 weiße oder bläulichgrüne, grau
und gelbbraun gefleckte
Eier (s. Tafel
»Eier I«,
[* 1]
Fig. 30), hält sich gut im Käfig und wird sehr zahm.
Der
Plattmönch(schwarzköpfigeGrasmücke,
Mönch,
Schwarzplättchen,
Kardinälchen,
Klosterwenzel, S. atricapillaBechst.), 15
cm lang, 21
cm
breit,
oben grauschwarz, unten hellgrau, an der
Kehle weißlichgrau, im
Alter auf dem
Scheitel tief schwarz, das Weibchen
rotbraun; die
Augen sind braun, der
Schnabel schwarz, die
Füße bleigrau. Er bewohnt ganz
Europa, Westasien,
Madeira,
[* 8] die
Azoren
und Kanaren, überwintert schon in Südeuropa, geht aber auch bis Innerafrika, lebt bei uns vom April bis
September in Wäldern,
Gärten und im Gebüsch, nistet im
Mai und im
Juli in dichtem Gebüsch, legt 4-8 fleischfarbene, dunkel
gezeichnete
Eier (s. Tafel
»Eier I«,
[* 1]
Fig. 53), singt ausgezeichnet und wird in der Gefangenschaft sehr zahm; am
schönsten singen die aus Fichtenwäldern des
Gebirges stammenden.
Die Dorngrasmücke
(Wald- oder
Nachtsänger,
Weißkehlchen, S. cinereaBechst., s. Tafel
»Sperlingsvögel I«)
[* 5] ist 15
cm lang, 22
cm
breit, schlank und langschwänzig,
oben rötlich erdbraun, am Oberkopf und Hinterhals braungrau,
Kehle weiß, die übrige Unterseite
zart fleischrötlich, an den Seiten rostbräunlich,
Schwingen olivenbraun, Schwanzfedern dunkelbraun, die beiden äußersten
außen weiß; die
Augen sind braun, der
Schnabel bräunlich, die
Füße gelb. Sie bewohnt den größten Teil
Europas und
Nordwestasien, geht im
Winter weit nach
Afrika
[* 9] hinein, weilt bei uns vom Mai bis
August, bevorzugt Dorngebüsch, nistet in
Büschen,
im
Ried oder langen
Gras und legt im April 4-6 in der Färbung stark variierende
Eier (s. Tafel
»Eier I«,
[* 1]
Fig. 52), der ersten
Brut folgt unmittelbar die zweite, singt angenehm, wird aber seltener im Käfig gehalten.
JohannGeorgTheodor, Bibliograph und Litterarhistoriker, geb. zu
Grimma,
[* 18] studierte in
Leipzig
[* 19] unter
HermannPhilologie und ließ sich dann in
Dresden
[* 20] nieder, wo er 1843 zum Bibliothekar des
Königs, 1848 zum
Inspektor des
Münzkabinetts, 1861 zum
Direktor der Porzellansammlung und 1864 zum
Direktor des
GrünenGewölbes mit dem Hofratstitel
ernannt ward. Er trat 1882 in den
Ruhestand und starb Sein »Lehrbuch einer allgemeinen Litterärgeschichte aller
bekannten
Völker der
Welt« (Leipz. 1837-60, 4 Bde.
in 13 Abtlgn.) war durch die
Fülle bibliographischer Nachweisungen und die
Masse des zusammengetragenen
Stoffes ein seltenes
Dokument deutschen Sammlerfleißes, behandelte jedoch die Litteratur mehr vom bibliographischen als vom historischen
Standpunkt aus. Einen
Auszug daraus mit übersichtlicher
Darstellung und berichtigender Umarbeitung gab er
als »Handbuch der allgemeinen Litteraturgeschichte«
(Dresd. 1844-50, 4 Bde.) heraus.
Rein bibliographische
Arbeiten sind: die
»Bibliothek magica« (Leipz. 1843);
die »Bibliotheca psychologica« (das. 1845)
und der
»Trésor des livres«
(Dresd. 1857-1867, 6 Bde.; Suppl.
1869).
»Beiträge zur Geschichte der Gefäßbildnerei« (Dresd. 1853),
denen sich später der »Guide de l'amateur de porcelaines
et de poteries« (das. 1864, 7. Aufl. 1885) und als Ergänzung
hierzu der »Guide de l'amateur d'objets d'art et de curiosité« (das. 1871, 2. Aufl.
1876),
ferner der »Beschreibende Katalog des GrünenGewölbes« (5. Aufl. 1881) und der »Beschreibende
Katalog der königlichen Porzellansammlung« (das. 1874) anschlossen.
Weitere Werke von Grässe sind: die Märchensammlung »Nord
und Süd« (Dresd. 1858, mit Asbjörnson);
»Jägerbrevier« (das. 1857; 2. Aufl.,
Wien
[* 23] 1869);
1) Giuseppe, ital. Maler, geboren 1768 zu Wien, bildete sich auf der WienerAkademie und hielt sich dann längere
Zeit in Warschau
[* 25] auf. Im J. 1799 ward er als Professor der Akademie zu Dresden angestellt und trat hier in Verbindung mit dem
HerzogAugust von Sachsen-Gotha, dessen phantastische Werke er illustrierte. Im J. 1816 seiner Professur
in Dresden enthoben, ging er als Studiendirektor der in Italien
[* 26] studierenden Sachsen nach Rom,
[* 27] leistete aber dort wenig und kehrte 1821 nach
Dresden zurück, wo er starb. Grassi fesselt durch die Grazie, die er namentlich Frauenbildnissen
zu verleihen wußte, sowie durch die Natürlichkeit, welche in seinen Bildern herrscht, und durch die Frische und Zartheit
des Kolorits.
2) Angela, span. Dichterin, geb. zu Crema in Italien, siedelte mit ihren Eltern nach Barcelona
[* 28] über, wußte trotz
einer bigotten Erziehung ihren poetischen Neigungen zu folgen und brachte schon in ihrem 15. Jahr unter
großem Beifall ein fünfaktiges Drama: »Crimen y explacion«, auf die Bühne. Sie siedelte 1865 mit ihrer Familie nach Madrid
[* 29] über und hat sich seitdem der Novellistik gewidmet. Ihre Werke, die meist auf einer gesunden Moral basieren, haben viel Erfolg
gehabt.
IhreNovellen: »Riquezas del alma« und »La
gota de Agua« erhielten den Ehrenpreis der spanischen Akademie und ihr Buch: »Palmas y laureles« einen gleichen Preis in Caracas.
Zu den bekanntesten ihrer vielgelesenen Bücher gehören: »El hijo«, »Los que no siembran no cojen«, »El copo de nieve«, »El
capital de la virdud«, »El balsamo de las penas«,
»El primer año de matrimonio«, »Cuentes pintorescos«
und »Marina«.
Auch redigiert die Dichterin seit 1868 die Zeitschrift »Correo de la moda«.
ist dasjenige, was nicht bloß wie das Furchtbare (s. d.) Entsetzen und wie das Grausame
(s. d.) moralischen, sondern zugleich wie das Ekelhafte physischen Abscheu (Mahl des Thyestes) erregt und daher, wie schon
Aristoteles bemerkt hat, aus dem Bereich der Kunst ausgeschlossen ist.
durch die er den ersten Anstoß zu eifrigerm Studium der skandinavischen und germanischen
Vorzeit gab. Denselben Zweck verfolgte seine mit Ch. Gräter Böckh gegründete Zeitschrift¶
mehr
»Bragur« (Leipz. 1791-1804, 7 Bde.),
deren 3 letzte Bände auch u. d. T.: »Braga und Hermode« erschienen. Die Zeitschrift »Odina und Teutona« (Bresl. 1812) wollte
nicht recht gedeihen; bessern Fortgang hatte »Iduna und Hermode« (das.
1812-16, 5 Tle.). Von seinen übrigen Werken nennen wir die Übersetzung von Suhms »Geschichte der nordischen Fabelzeit«
(Leipz. 1804) und »Zerstreute Blätter« (Ulm 1822-24, 2 Bde.). Seinen Briefwechsel mit JakobGrimm gab H. Fischer heraus (Heilbr.
1877).
1) römischer Kaiser, ältester Sohn des KaisersValentinianus I., wurde als neunjähriger Knabe 367 von seinem
Vater zum Augustus ernannt und folgte diesem in der Herrschaft über die westliche Hälfte des Reichs 375. Er überließ seinem
BruderValentinianus II. Italien, während er selbst die schwierige Herrschaft über die Länder jenseit
der Alpen
[* 39] übernahm, und erfocht 378 einen großen Sieg über die Alemannen in der Gegend des heutigen Kolmar,
[* 40] während in demselben
Jahr der oströmische KaiserValens durch die Schlacht bei Adrianopel gegen die GotenSieg und Leben verlor. Da sich Gratianus nicht stark
genug fühlte, den drohenden Andrang der Barbaren im Osten abzuwehren, überließ er die Regierung desselben
nebst dem Purpur und Augustustitel dem kräftigen Theodosius (s. d.). Anfangs durch Milde und Tapferkeit bei allen Ständen populär,
entfremdete er sich das Volk bald wieder durch seine Unthätigkeit als Regent und verscherzte die Gunst der Soldaten durch Bevorzugung
einer Schar von Alanen und durch Anlegung der skythischen Kriegertracht. Als daher Maximus in Britannien
die Fahne der Empörung erhob und von da mit einem Heer nach Gallien, wo sich Gratianus aufhielt, übersetzte, fiel ihm alles zu; Gratianus floh
mit einer Bedeckung von 300 Reitern und wurde auf der Flucht in Lyon
[* 41] von Andragathius, dem Oberbefehlshaber
der Reiterei des Maximus, ereilt und erschlagen (25. Aug. 383).
3) Begründer des kanonischen Rechts, geboren zu Chiusi in Toscana, Benediktinermönch in Bologna, wo er
im Kloster von San Felice starb, vollendete um 1150 die nach ihm benannte Sammlung kirchenrechtlicher Vorschriften (»Decretum
Gratiani«),
welche gesetzliches Ansehen erlangte. Vgl. Corpus juris.
auch das Dankgebet, welches nach Tisch und vor dem Schlafengehen in den Klöstern gesprochen wird
und mit Gratias agāmus Deo (»Laßt uns Gott danken«) anfängt.
(Grattin, franz., spr. -täng), eine Zubereitungsart
von Fleisch, Fisch und Gemüse (z. B. Blumenkohl), bei welcher das betreffende Stück zunächst paniert und
dann in Butter gebacken wird.
L. (Gnadenkraut), Gattung aus der Familie der Skrofulariaceen, ausdauernde, kahle oder drüsig-weichhaarige
Kräuter mit gegenständigen, ganzrandigen oder gesägten Blättern, einzelnen achselständigen, meist weißen Blüten und
eiförmigen, vielsamigen Kapseln.
[* 42] Etwa 20 Arten, meist in gemäßigten Klimaten. Gratiola officinalisL. (echtes Gnadenkraut, Purgierkraut,
Gichtkraut, Heckenysop), eine perennierende Sumpfpflanze in ganz Europa bis Südsibirien und in der Dsungarei,
auch in Nordamerika,
[* 43] mit über 30 cm hohem, einfachem Stengel,
[* 44] lanzettlichen, sägezähnigen Blättern und langgestielten, weißen
oder rötlichen Blüten. Die geruchlosen Blätter schmecken stark und rein bitter, dann anhaltend scharf kratzend und enthalten
ein kristallisierbares Glykosid (Gratiolin C20H34O7 ) und ein amorphes, ekelhaft bitteres, giftiges
(Gratiosolin). Das Kraut war früher offiziell und wurde als schwächeres Drastikum namentlich bei Geisteskrankheiten
benutzt, ist jetzt aber ganz obsolet. In starken Dosen wirkt es giftig.
(de Graes), Ortuin, berüchtigter Gegner der Humanisten des 16. Jahrh.,
insbesondere Reuchlins, geb. 1491 zu Holtewick bei Koesfeld, gest. als Professor der scholastischen Theologie an der
Universität zu Köln.
[* 47] An ihn, als das Werkzeug des Obskurantismus, sind angeblich die »Epistolae obscurorum virorum« (s. d.)
gerichtet, denen er seine matten und geistlosen »Lamentationen
obscurorum virorum« (Köln 1518) entgegenstellte. Seine wichtigsten andern Schriften sind die »Orationes quodlibeticae« (Köln
1508) und der »Fasciculus rerum expetendarum ac fugiendarum« (das. 1535), eine Sammlung von mehr
als 60 Schriften über die Geschichte und Gesetzgebung des DeutschenReichs und der Kirche und über die Kämpfe zwischen beiden.
Seine Ehrenrettung versuchte Reichling (Heiligenstadt 1884).
(spr. grättan), 1) Henry, berühmter engl. Parlamentsredner, geb. 1746 zu Dublin,
[* 52] studierte die Rechte, ward 1772 Advokat
und 1775 Mitglied des irischen Parlaments, in welchem er einer der Führer der loyalen Opposition wurde, der es gelang, die
Widerrufung der Akte von 1720, welche Irland von der englischen Legislative abhängig machte, zu erwirken.
Noch vor dem Ausbruch der Rebellion von 1798 legte er sein Mandat nieder und wurde erst 1800 wieder ins Parlament gewählt, um
die Durchführung der Union mit England zu bekämpfen, die er aber nicht zu hindern vermochte.
Nach der Vereinigung des irischen Parlaments mit dem englischen wurde er 1805 für Melton und 1806 für
Dublin Mitglied des Unterhauses. Auch hier verteidigte er die Interessen seines Vaterlandes, namentlich die Emanzipation der
Katholiken, mit warmem Eifer und seltener Beredsamkeit. Er starb in London.
[* 53] Seine Reden wurden von seinem Sohn herausgegeben
(Lond. 1822, 4 Bde.), der auch »Life
and times of the Right Honour. Henry Grattan« (das. 1839-1845, 5 Bde.)
veröffentlichte. Eine neuere Ausgabe der Reden besorgte Madden (Lond. 1847).
2)Thomas Colley, engl. Novellist, geb. 1796 zu Dublin, trat jung in die Armee, nahm aber 1816 seine Entlassung
und lebte seitdem auf dem Kontinent. Von 1839 bis 1853 war er britischer Konsul in Boston.
[* 55] Später lebte er in London, wo er starb.
Seine Romane (wiederholt neu aufgelegt) zeichnen sich durch naturfrische Sprache,
[* 56] lebendigen Dialog und
Schärfe der Charakteristik aus. Hervorhebung verdienen: »Philibert« (1820); »Highways
and byways« (1823-25, 8 Bde.); »Legends
of the Rhine and
the Low Countries« (1832, 3 Bde.),
(poln. Grodzisko), Stadt im preuß. Regierungsbezirk
Posen, Kreis
[* 62] Buk, an der Linie Opalenitza-Grätz der Preußischen Staatsbahn, hat 3 katholische und eine evang. Kirche, eine
Synagoge, ein Amtsgericht, ein Progymnasium, bedeutende Bierbrauerei
[* 63] und (1885) 3906 meist kath.
Einwohner.
(tschech. Nové Hrady), Stadt in der böhm. Bezirkshauptmannschaft
Kaplitz, Station der EisenbahnWien-Eger, von Ringmauern umgeben, hat ein Schloß (des GrafenBuquoy) mit schönem Park, (1880) 2668 Einw.,
Glashütten, eine Parkettfabrik, ein Eisenhüttenwerk und ist Sitz eines Bezirksgerichts.
Mittelnüance zwischen Schwarz und Weiß, mit den Abstufungen Schwarzgrau, Dunkelgrau, Hellgrau, in der Regel aber
durch Hinzutreten von etwas Rot, Blau, Gelb, Grün, Braun mannigfach nüanciert.
Graue Farben sind in der Regel Mischungen und können
in großer Mannigfaltigkeit hergestellt werden.
Die Höhen bewegen sich auf einer Skala von 4052 m (PizBernina) bis 503 m (Mayenfeld-Fläsch), selbst bis 269 m
(unterhalb Roveredo), den beiden tiefsten Thalausgängen. Die höchste ständige Wohnung hat der Bernhardinpaß (2063 m), dessen
mittlere Jahrestemperatur +0,7° C. beträgt. Die Thäler, soweit sie zum Rheingebiet gehören, bilden hauptsächlich das
Gebiet des Vorderrheins (Bündner Oberland) und des Hinterrheins (s. d.); unterhalb des Zusammenflusses beider Rheine, dem Churer
Rheinthal und der sogen. »Herrschaft«
(der bis 1798 von Graubünden beherrschten Thalstufe von Mayenfeld-Malans-Jenins-Fläsch) zu, öffnen sich nur noch
Schanvic und Prätigau.
Die Flüsse
[* 73] dieser beiden Thäler sind die Plessur und die Lanquart. Das Pogebiet ist durch vier Thäler repräsentiert: Misox
und Calanca, Bergell und Puschlav (die Ram, der Bach des Münsterthals, geht der Etsch und damit ebenfalls
dem Adriatischen Meer zu), das Donaugebiet durch das vom Inn durchflossene Engadin und dessen Nebenthäler. Die Pozuflüsse
heißen Moesa und Calancasca, Maira und Poschiavino. Die Hauptpforte der Nordseite bildet das Thal des Rheins, durch welches
die Eisenbahn, eine Strecke der »Vereinigten
[* 74] Schweizerbahnen«, bis nach Chur
[* 75] eindringt; die übrigen Zugänge
sind, die durch Befestigungen geschützte Luciensteig (714 m) ausgenommen, bloße Gebirgspfade, wie das Schweizerthor (2170
m) und andre den Rätikon vom Montavon her überschreitende Pässe, der Kunkels 1351 m), der Segnas (2626 m), der Panixer Paß
(2410 m) und der Kreuzlipaß (2350 m), die sämtlich nach den drei nördlichen Nachbarkantonen führen.
Die Hauptpforte nach Uri,
auf der Westseite, bildet die fahrbare Oberalp (2052 m), während nach S., Tessin
und Italien zu, verschiedene
fahrbare und unfahrbare Übergänge benutzt werden: Lukmanier (s. d.), La Greina (2360 m), nicht chaussiert, der Bernhardin
(s. Bernardino) und Splügen (s. d.), Maloja (s. d.)
und Bernina (s. d.), von Bergpfaden der wilde Muretto (2557 m) und das Wormser Joch (2512 m). Die natürliche Pforte nach O. bildet
der Inn, dessen finstere Ausgangsschlucht bei Finstermünz auf dem Umweg über Nauders umgangen wird; eine kleine Straße führt
über den Ofenpaß (2155 m) in das Münsterthal und damit in das Etschgebiet.
Der Verkehr zwischen den einzelnen Thälern des Landes selbst benutzt eine Menge einsamerer Bergpfade; die Strela (2377 m), die
Scaletta (2619 m), der Septimer (2311 m) u. a. dienen auch der Touristenwelt, während Lenzer Heide und Julier die fahrbare Verbindung
mit Oberengadin, Laret und Flüela diejenige mit Davos und Unterengadin vermitteln. Wie in neuerer Zeit
außerordentliche Anstrengungen machte, um den Verheerungen seiner Flüsse und Wildbäche Einhalt zu thun, so hat es auch
in Straßenbauten Erstaunliches geleistet.
Die ältern Paßrouten des Splügen und Bernhardin, denen sich Julier und Maloja anschlossen, standen wesentlich im Dienste
[* 76] des
internationalen Transits; dagegen war es die Aufgabe einer Reihe jüngerer Bauten, die einzelnen Thäler
unter sich in fahrbare Verbindung zu bringen. Zu diesem Zweck wurden vier Paßstraßen (Bernina, Albula, Flüela, Ofenpaß) und
vier Thalstraßen (Unterengadin, Puschlav, Landwasser und Schyn) erbaut, letztere durch Schluchten, welche bisher unfahrbar
gewesen waren.
Die Zahl der Einwohner beträgt nur (1880) 94,991, also 13 auf 1 qkm.
Von den vier schweizerischen Nationalitäten weist Graubünden drei auf. Das deutsche Element, jetzt 43,664 Köpfe stark, ist ins Rheinthal
eingedrungen und hat das romanische zurückgedrängt; ein langsamer, aber stiller Kampf wird seine Herrschaft mehr und mehr
befestigen. Noch bewohnen die Rätoromanen (37,794) den größten Teil des Oberlandes, verschiedene Gegenden im Hinterrheingebiet
sowie das Engadin und Münsterthal, im Gebiet beider Rheine jedoch vielfach mit Deutschen gemischt.
Sonst überwiegen die Reformierten noch bei der deutschen Bevölkerung,
[* 78] während in den meisten romanischen Ortschaften das
katholische Bekenntnis vorherrscht. Die graubündnerischen Katholiken stehen unter dem BistumChur. hat noch ein
Mannskloster (in Disentis) und 3 Frauenklöster (Kazis, Poschiavo und Münster), zusammen mit einem Immobiliarvermögen von 1 Mill.
Frank. So verschieden nun auch die Bevölkerung all der zahlreichen Thäler ist, so läßt sich doch folgendes von ihr sagen:
Der Bündner ist durchschnittlich von ausgeprägter Physiognomie, dunkelhaarig, intelligent, gutartig, zäh, gewandt, nicht
besonders thätig, leichte Erwerbsart bevorzugend, genügsam und sparsam, mit Hartnäckigkeit alter Gewohnheit und heimischer
Sitte ergeben.
Mit der Härte des Klimas, den Verheerungen der Gewässer und dem Mangel kultivierbaren Bodens steht er in einem schweren, ewigen
Kampf. Der staatliche Zusammenhang ist locker und die Selbstherrlichkeit der Gemeinden und Thäler nur wenig
beschränkt. Darum dringen auch die nötigen und von der Regierung angestrebten Verbesserungen im Schul-, Justiz- und Verwaltungswesen
nur langsam durch. Doch wird im Schulwesen nach Maßgabe der finanziellen und geographischen Schwierigkeiten Anerkennenswertes
geleistet, soweit dies die Primärschule und die auf höhere Studien vorbereitende Mittelschule betrifft. Es bestehen eine paritätische
Kantonschule und ein Priesterseminar in Chur sowie verschiedene Privatinstitute. Dagegen fehlen noch die Sekundärschulen.
Bei Chur bestehen zwei (private) Rettungsanstalten für beide Geschlechter (in Foral seit 1836 und in Plankis seit 1845), in
Realta eine staatliche Zwangsarbeitsanstalt (seit 1856). Die Kantonsbibliothek in Chur zählt 18,000 Bände.
Die Erwerbsquellen bestehen wesentlich in Rohproduktion. Die Bündner, voraus die Engadiner,
¶
mehr
wandern nach fremden Städten, hauptsächlich als Zuckerbäcker, Cafetiers oder Handelsleute (s. Engadin). Der Ertrag des Landbaues
reicht nicht aus. Der Kanton besitzt nur 2588,4 qkm an Äckern, Wiesen und Weiden, 1260 qkm Wald und 3,2 qkm Weinland; der Rest
(46,4 Proz.) ist unproduktive Fläche. Außer den gewöhnlichen Kornfrüchten und Kartoffeln erzeugen einige
Thäler auch Mais, Buchweizen und Hirse;
[* 80] Tabak
[* 81] baut man im Puschlav. Der Weinbau ist auf Untermisox und das Churer Rheinthal beschränkt;
in jenem sieht man die Rebe schon auf italienische Art gezogen, erhält aber nicht so guten Wein wie in der »Herrschaft«.
Hier, in den Weinbergen von Malans, wächst ein trefflicher Weißwein; sonst sind die Bündner Weine meist
rot. Große Mannigfaltigkeit herrscht an Obst, von den KastanienBergells und den verschiedenen Südfrüchten des Misox bis zu
den hoch ansteigenden Kirschen und den gletschernahen Zirbelnüssen. Bedeutende Holzausfuhr findet nach Glarus
und Zürich
[* 82] statt, denn Graubünden ist
nebst Unterwalden und etwa noch Wallis
der einzige Kanton, dessen Wälder nachhaltig mehr ertragen, als er bedarf.
Nadelwald, darunter auch die Arve, herrscht vor. Nur im Prätigau ist die Buche häufig; selbst der Bergahorn kommt spärlich
vor. Im Verhältnis zur Volkszahl hält kein andrer Kanton so viele Rinder
[* 83] (80,000), die schönsten im Prätigau,
Schanvic und am Heinzenberg, die meinen im Oberland. Die Oberländer Kühe sind auffallend klein (so auch die Schafe
[* 84] und Schweine),
[* 85] haben aber ein zartes Fleisch und sind deswegen in Glarus,
Uri
und Welschland sehr gesucht. Der Bündner Viehzüchter ist auf Milchwirtschaft
und auf Viehverkauf bedacht.
Die Entstehung des graubündnerischen Freistaats, der im Lauf der Zeit eine größere Zahl selbständiger Thäler zu den drei
Bünden und diese wieder zu Einem republikanischen Gemeinwesen vereinigte, brachte es mit sich, daß
die Autonomie der Gemeinden und Thäler nur geringe Beschränkung erlitt. Nach langen Anstrengungen ist die zeitgemäße Umschmelzung
der Kantonalverfassung erreicht Graubünden bildet einen demokratischen Freistaat und als solcher ein Glied der
[* 95] schweizerischen
Eidgenossenschaft.
Der Volksabstimmung unterliegen alle Verfassungsänderungen, die Staatsverträge, Konkordate, gewisse Kategorien
von Gesetzen, die Aufstellung neuer Behörden, Ausgaben, einmalige oder wiederkehrende, in bestimmtem Betrag etc. Die Initiative
ist einer Zahl von 5000 Unterschriften eingeräumt. Das legislatorische Organ des Volkes bildet der GroßeRat, welcher auf zweijährige
Amtsdauer nach der Kopfzahl der Kreisbevölkerung gewählt wird. Er bildet zugleich in Verwaltungs- und
Landespolizeiangelegenheiten die oberste Behörde, führt die Oberaufsicht über Handhabung der Verfassung etc., wählt die
kantonalen Verwaltungsbehörden, die Abgeordneten zum eidgenössischen Ständerat etc., übt
das Begnadigungsrecht, versammelt sich ordentlicherweise jährlich einmal und erstattet nach jeder Versammlung den GemeindenBericht über seine Verhandlungen.
Die Exekutive übt der KleineRat aus drei Mitgliedern, welche auf zwei Jahre vom GroßenRat gewählt werden
und ihre Stelle nicht länger als zwei zusammenhängende Amtsperioden bekleiden können; das Präsidium wird alljährlich von
derselben Behörde bezeichnet. Zur Vorberatung der dem GroßenRat vorzulegenden Geschäfte und zu andern wichtigen Verhandlungen
erweitert sich der KleineRat durch neun vom GroßenRat gewählte Mitglieder zur Standeskommission.
Die Rechtspflege geschieht durch Vermittler, Kreisgerichte, Bezirksgerichte und das Kantonsgericht. Letzteres hat neun Mitglieder,
die nach dreijähriger Amtsdauer immer wieder wählbar sind. Für den Schuldenbetrieb besteht in jedem Kreis ein Gantgericht.
Das kantonale Stimmrecht sowie die Wählbarkeit beginnen nach dem zurückgelegten 20. Lebensjahr. Die
Verfassung garantiert die Gewissens-, Glaubens- und Kultusfreiheit sowie eine Reihe anderer Grundrechte.
Die politische Einteilung des Kantons unterscheidet 14. Bezirke, deren jeder in (1-5) Kreise
[* 96] zerfällt. Die Einteilung folgt keineswegs
dem in Graubünden so maßgebenden hydrographischen Netz, sondern zerreißt sowohl ein und dasselbe Thal, z. B. Prätigau,
Avers-Ferrera, Engadin, als sie verschiedene Thäler zusammenwirft, so Davos mit Oberlanquart, Bergell mit Oberengadin. Die Staatsrechnung
für 1884 ergibt an Ausgaben 1,624,909 Frank, denen nur 1,070,971 Fr. Einnahme gegenüberstehen, das Defizit beträgt demnach
553,938Fr.; letzteres eine Folge der großen Anstrengungen, welche das Land namentlich im Straßen- und Wuhr-(Wasserwehr-) Wesen
macht, bei aller Sparsamkeit seit 1860 alljährlich wiederkehrend. Die Hauptposten der Einnahmen bilden: 358,841 FrankZölle
und Regale, 97,719 Kapitalzinsen, in einzelnen Verwaltungszweigen 200,000-274,000Fr.;