rühmte Schädelsammlung), eine
Sternwarte,
[* 2] ein
Klinik
(ErnstAugust-Hospital), eine Augenheilanstalt, eine Entbindungsanstalt,
ein physikalisches
Kabinett, einen 4
Hektar großen, ausgezeichneten botanischen
Garten
[* 3] (vonHaller angelegt), ein
chemisches Laboratorium,
eine landwirtschaftliche
Akademie, ein naturwissenschaftliches
Museum etc. Die berühmte königliche
Societät der
Wissenschaften(gleichfalls vonHaller gestiftet) zerfällt in drei
Klassen: eine physikalische, mathematische und historisch-philologische,
und zählt gegenwärtig etwa 80 Mitglieder.
Außerdem hat
[* 4] ein königliches pädagogisches
Seminar, ein mit einem
Realgymnasium verbundenes
Gymnasium, mehrere
Hospitäler
und
milde Stiftungen und ein gut eingerichtetes
Armenwesen. Der
Magistrat zählt sechs, das
Kollegium der Bürgervorsteher zwölf
Mitglieder. Der hohe, mit alten
Linden besetzteWall bildet mit seinen üppigen
Gartenanlagen schöne Spaziergänge,
und ganz in der
Nähe sind der Rohns- oder Volksgarten sowie die städtischen
Anlagen am parkartig bewaldeten Hainberg und
die
Dörfer Grone,
Weende, Geismar und
Reinhausen mit dem Bürgerthal vielbesuchte
Punkte. Über Mariaspring, nördlich von Göttingen, erheben
sich die
Ruinen der
BurgPlesse, auf zwei isolierten Kegelbergen bei Gelliehausen, südöstlich von der
Stadt, die Trümmer der beiden
Gleichen (s. d.) und weiter nach S., bei Arendshausen, die
Ruine der
BurgHanstein. - Göttingen kommt
als Gutingi bereits in
Urkunden von 950-960 vor und war lange Zeit nur ein Dorf, in dessen
Feldmark die kaiserliche
Pfalz Grone lag (im W. der heutigen Stadt, auf einem
Hügel, dem sogen.
KleinenHagen).
[* 5]
Der
Ort erhielt 1210 vom
KaiserOtto IV.
Stadtrecht und war später zu verschiedenen
Malen (1286-1463) Hauptstadt eines besondern
welfischen
Fürstentums. Das 14. Jahrh., in welchem ein angesehenes
Glied der
[* 6]
Hansa war, bildet die erste
Glanzperiode der Stadt. Diese schaffte 1530 den katholischen
Gottesdienst ab. Die Unabhängigkeit in der
Verwaltung, der sie
sich seit
Jahrhunderten erfreut hatte, verlor sie 1611 durch
HerzogHeinrichJulius. Im Dreißigjährigen
Krieg wurde sie nach
längerer Belagerung von
Tilly eingenommen und erst vomHerzogWilhelm vonWeimar
[* 7] befreit;
durch den
Krieg hatte sie fast zwei Drittel ihrer
Häuser eingebüßt.
Dichterbund, eine in der Geschichte der deutschen Litteratur vielgenannte Vereinigung jüngerer
Poeten der
Sturm- und Drangperiode, welche für die
Entwickelung der deutschen
Lyrik im allgemeinen und für
die Anregung ihrer Mitglieder Bedeutendes erreichte, wenn sie auch naturgemäß weit hinter ihren ursprünglich gesteckten
Zielen zurückblieb. H.Chr.
Boie (s. d.) hatte während seiner Studienzeit in
Göttingen sich mit
Fr. W.
Gotter (s. d.) zur Herausgabe
des ersten deutschen »Musenalmanachs« (von 1770) vereinigt.
Anregend und von vielseitigem
Interesse, wenn auch ohne eignes poetisches
Talent, wußteBoie eine Zahl der in
Göttingen studierenden
jüngern
Poeten um sich zu vereinigen. J. H.
^[JohannHeinrich]
Voß, der sich später mit
BoiesSchwester Ernestine verlobte,
der junge
Cramer, der Sohn des
FreundesKlopstocks, der
RheinländerHahn
[* 9] waren
BoiesWesen sehr entgegengesetzte
Naturen und trieben namentlich ihre
Klopstock-Begeisterung, ihre unbestimmte Sehnsucht nach einer Deutschheit, welche sich
zunächst nur als Feindseligkeit gegen den französischen
Geschmack äußern konnte, ins Maßlose. Aus einer litterarischen
Zusammenkunft, bei welcher die gegenseitigen
Produkte beurteilt werden sollten, gestaltete sich zunächst
ein Freundschaftsbund enthusiastischer
Jünglinge. An einem schönen Herbstabend schwuren sich
Voß,
Miller,
Hahn,
Hölty,
Wehrs ewige
Freundschaft und unbedingte Aufrichtigkeit im
Urteil übereinander. In wöchentlichen Zusammenkünften suchte
man sich gegenseitig in den
Gesinnungen der
Tugend und Deutschheit, im
Haß gegen die »Sittenverderber«
Wieland undVoltaire,
in der Bewunderung
Klopstocks und vaterländischer Bardenpoesie zu stärken, huldigte dabei einem gewissen Tyrannenhaß und
einem Freiheitsgefühl, die nur bei
Voß reale Unterlage hatten und nicht hinderten, daß das hocharistokratische poetische
Brüderpaar
Christian und Friedr.
Leopold,
Grafen zu
Stolberg,
[* 10] dem
»Hainbund« mit
Begeisterung beitraten (auch
Bürger trat in Beziehungen
zu dem
Bund).
Der nüchterneBoie protestierte umsonst gegen diesen »Schwung«,
Klopstock aber erklärte sich mit den
Jünglingen völlig einverstanden:
»Der größte Dichter«, schrieb
Voß an
Brückner, »der erste Deutsche
[* 12] von denen, die leben, der frommste
Mann will
Anteil haben an dem
Bunde der
Jünglinge. Alsdann will er
Gerstenberg,
Schönborn,
Goethe und einige andre, die deutsch
sind, einladen, und mit vereinten
Kräften wollen wir den
Strom des
Lasters und der
Sklaverei aufzuhalten
suchen.
Zwölf sollen den innern
Bund ausmachen. Jeder nimmt einen Sohn an, der ihm nach seinem
Tod folgt; sonst wählen die
Elf. Ohne Einwilligung des
Bundes darf künftig niemand etwas drucken lassen.
Klopstock selbst will sich diesem
Gesetz unterwerfen.«
Schon 1773 verließen einzelne Mitglieder (auch die beiden
Stolberg)
Göttingen. Am ward
Leisewitz,
der spätere Dichter des
»Julius von
Tarent«, aufgenommen, im
September 1774 der kleine
Kreis
[* 13] der zurückgebliebenen Mitglieder
durch einen mehrtägigen Besuch
Klopstocks erfreut. Gleichwohl löste sich der
Bund unmittelbar darauf durch
Zerstreuung seiner
Mitglieder auf;
Voß, welcher
Seele und
Mittelpunkt desselben gewesen war, verließGöttingen im Frühjahr
1775, übernahm allerdings in demselben Jahr die Redaktion des »Musenalmanachs«
aus
BoiesHänden und wußte wenigstens
¶
mehr
während seines Wandsbecker Aufenthalts durch Besuche und Korrespondenzen die Freunde noch einigermaßen beisammenzuhalten.
Seit 1778 aber gingen alle Mitglieder ihre eignen Wege; selbst der Freundschaftsbund, in welchem Voß und der jüngere Stolberg
später in Eutin beisammenlebten, löste sich mit einem gewaltsamen Bruch. Inzwischen war die kurze Periode hochfliegender Hoffnungen
und Pläne, gemeinsamer Begeisterung für die talentvollsten Jünglinge des Göttinger Dichterbundes nicht
ohne Nachwirkung geblieben. Der Voßsche »Musenalmanach« behauptete sich bis 1798; das beabsichtigt gewesene »Bundesbuch«,
welches Klopstock bevorworten sollte, erschien niemals. Die Hauptquelle für die Geschichte des Göttinger Dichterbundes bleiben
die Briefe von VoßanBruckner, Boie und namentlich an seine Braut Ernestine. - Der NameHainbund, mit welchem
der göttinger Dichterbund gewöhnlich bezeichnet wird, wenn auch nicht von den Bundesgliedern selbst, wird auf
den Umstand zurückgeführt, daß Klopstock einmal den »Hain« (d. h. den jungen Nachwuchs, die Sängerzunft) grüßen ließ;
er ist KlopstocksOde »Der Hügel und der Hain« entlehnt und sollte die Bundesglieder als Anhänger der germanischen
Bardenpoesie bezeichnen im Gegensatz zu den Nachahmern der Griechen und Römer.
[* 15]
Vgl. R. Prutz, Der göttinger Dichterbund (Leipz. 1841).
Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Dresden,
[* 16] Amtshauptmannschaft Pirna,
[* 17] 459 m ü. M., hat eine altertümliche, 1871 restaurierte
Kirche, ein Heilbad mit Kursaal, Logierhäusern etc., Fabrikation von
Holz- und Drahtwaren, Gerberei, etwas Bergbau
[* 18] und (1885) 1172 evang. Einwohner.
sodann auf dem Gebiet der griechischen Grammatik:
»Theodosii
Alexandrini grammatica« (das. 1822)
und »Allgemeine Lehre
[* 30] vom Accent der griechischen Sprache«
[* 31] (Jena 1835);
»Thusnelda, Arminius' Gemahlin, und ihr Sohn Thumelicus in gleichzeitigen
Bildnissen nachgewiesen« (Jena 1843, 2. Ausg. 1855) und »Fünfzehn römische
Urkunden« (Halle 1845).
Die germanistischen Abhandlungen: »Über das Geschichtliche im Nibelungenlied« (Rudolst. 1814) und »Nibelungen
und Ghibellinen« (das. 1817) haben nur noch historischen Wert. Seine kleinern Arbeiten sind zum größten
Teil vereinigt in »Gesammelte Abhandlungen aus dem klassischen Altertum« (Bd. 1, Rudolst.
1851, Bd. 2, Münch. 1863) und »Opuscula academica« (Leipz.
1869). Um seine Vaterstadt hat sich Göttling noch besonders verdient gemacht durch die Stiftung des archäologischen Museums und
der sogen. »Rosenvorlesungen«, d. h.
Vorlesungen von Dozenten vor einem weitern Publikum im Rosensaal. Göttlings Briefwechsel mit Goethe aus
den Jahren 1824-31 wurde von K. Fischer (Münch. 1880) herausgegeben.
Wegen dieser Ansichten, die Gottschalk auf einer Reise nach Italien offen lehrte, von Hrabanus Maurus, der unterdessen Erzbischof von
Mainz geworden war, zur Rechenschaft gezogen, erschien in Mainz und überreichte sein Glaubensbekenntnis
dem Erzbischof; dieser aber ließ ihn sofort auf einer Kirchenversammlung daselbst 848 als Ketzer verdammen und seinem Metropolitan
Hinkmar, Erzbischof von Reims,
[* 36] zur weitern Bestrafung überantworten. Gottschalk ward von diesem 849 seines Priestertums entsetzt und
so lange gegeißelt, bis er seine Lehre schriftlich dem Feuer preisgab. Zu lebenslänglicher Kerkerhaft
verurteilt, widerrief er seinen Widerruf und starb, unversöhnt mit der Kirche und ungebeugt, 868 im Gefängnis.
Vgl. Borrasch,
Gottschalk von Orbais (Thorn
[* 37] 1868);
Rudolf von, Dichter und Publizist, geb. zu Breslau,
[* 44] folgte seinem Vater, einem
preußischen Artillerieoffizier, früh nach Mainz und Koblenz
[* 45] und studierte seit 1841 in Königsberg
[* 46] die Rechte. An der damaligen
liberalen Bewegung in Ostpreußen
[* 47] lebhaften Anteil nehmend, gab er seiner GesinnungAusdruck in zwei anonym erschienenen Gedichtsammlungen:
»Lieder der Gegenwart« (2. Aufl., Königsb. 1842) und
»Zensurflüchtlinge« (2. Aufl., Zürich
[* 48] 1843). Die
jugendliche Frische, mit der darin das damals so beliebte politische Lied angestimmt ward, fand nicht nur großen Anklang bei
den Gleichgesinnten, sondern verschaffte dem Dichter auch eine hervorragende Stellung innerhalb seiner Partei.
Von nun an sich ausschließlich litterarischer Beschäftigung widmend, hielt er nebenbei in der Königsberger städtischen
Ressource politische Vorträge. Auch übertrug ihm der Theaterdirektor Woltersdorf die dramaturgische Leitung seiner Bühne,
für welche er die mit Beifall gegebenen Dramen: »Der Blinde von Alcala« und »LordByron« schrieb. 1848 siedelte
Gottschall nach Hamburg
[* 50] über, wo er zunächst eine Episode aus der Geschichte Hamburgs in der Tragödie »Hieronymus Snittger« dramatisch
bearbeitete. Die Dramen: »Ulrich von Hutten« und »MaximilianRobespierre« waren Vorläufer der stürmisch-revolutionären dramatischen
und lyrischen Produkte, mit denen Gottschall die Jahre 1848-50 begrüßte und begleitete. Das kleine Drama »Die
Marseillaise«, die Tragödien: »Lambertine von Méricourt« (Hamb. 1850),
die »WienerImmortellen«
(das. 1848) und die erste Sammlung seiner »Gedichte«
(das. 1850) zeigten gleichmäßig dieselbe Glut und Gärung, dieselbe von revolutionären Bildern gleichsam berauschte Phantasie.
Eine Art künstlerischen Abschlusses fand diese Periode in dem größern lyrisch-epischen Gedicht »Die
Göttin, ein hohes Lied vom Weibe« (Hamb. 1853; 2. Aufl., Bresl.
1875). Im J. 1852 verheiratete sich der Dichter mit Marie, Freiin von Seherr-Thoß, und nahm seinen Wohnsitz in Breslau. Seine
nächsten poetischen Produktionen verrieten das Bestreben, mit der unklaren Phantastik und überschwenglichen
Rhetorik seiner ersten Periode zu brechen und zu lebendiger Gestaltung durchzudringen. Zeugnis davon legten sein episches Gedicht
»Carlo Zeno« (Bresl. 1854, 3. Aufl. 1875) und das vortreffliche
historische Lustspiel »Pitt und Fox« ab, das, 1854 zuerst in Breslau aufgeführt, seitdem die Runde über alle deutschen
Bühnen machte.
Gleichzeitig begann Gottschall mit der Veröffentlichung einer Reihe litterarhistorisch-kritischer Arbeiten, deren hervorragendste
»Die deutsche Nationallitteratur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts« (Bresl. 1855; 5. Aufl. 1881, 4 Bde.)
und
»Poetik, die Dichtkunst und ihre Formen« (das. 1858; 5. Aufl. 1883, 2 Bde.)
waren. Gelegentliche Rückfälle in die Tendenzpoesie früherer Zeit blieben nicht aus, da Gottschalls
ganze Anschauungen dahin neigten, der »Modernität« zeitgemäßer Stoffe eine größere und tiefere Wirkung zuzutrauen als der
poetischen Vertiefung und der warmen, lebendigen Gestaltungskraft. So begeisterte ihn der Krimkrieg zu den Gesängen: »Sebastopol«
[* 51] (Bresl. 1856),
die ErscheinungNapoleons III. zu einer historischen Studie über diesen: »KaiserNapoleon
III.« (Liegn. 1859, 2. Aufl. 1871). Objektiver und wärmer erschienen wiederum seine »Neuen Gedichte« (Bresl. 1858), in denen
er unter anderm eine Reihe von Versuchen zur Herstellung gereimter Oden mitteilte, die freilich mehr Paradestücke als Ausfluß
[* 52] wirklich dichterischer Empfindung waren. Einen sehr glücklichen Wurf that Gottschall dann mit der Tragödie »Mazeppa«
(1859 zuerst in Breslau und Dresden, später an einer Reihe andrer Theater
[* 53] aufgeführt),
in welcher die Eigenart seines Talents
und die Natur des Stoffes sich in seltener Weise deckten. Die Lustspiele: »Die Diplomaten« und »Die Welt des Schwindels« hatten
minder glänzende Erfolge als »Pitt und Fox«, dem sie nachgebildet waren. Im J. 1862 redigierte Gottschall kurze
Zeit die »Ostdeutsche Zeitung« in Posen,
[* 54] welche sich die Aufgabe gestellt hatte, die deutsche und polnische Nationalität zu
versöhnen, aber an den schwierigen Verhältnissen scheiterte. Nachdem er 1863 eine Reise nach Italien gemacht, die er lebendig
in seinen »Reisebildern aus Italien« (Bresl. 1864) beschrieb, wurde er 1864 von der Firma F. A. Brockhaus
nach Leipzig
[* 55] berufen, um die Redaktion der Zeitschrift »Unsere Zeit« (die 1880 zu einer Revue im großen Stil erweitert ward)
und der »Blätter für litterarische Unterhaltung« zu übernehmen, die er noch gegenwärtig leitet. In demselben Jahr
ernannte ihn der Großherzog von Sachsen-Weimar zum Hofrat und später zum GeheimenHofrat; 1877 ward er vom
deutschen Kaiser in den erblichen Adelstand erhoben.
Die nächste größere Dichtung Gottschalls, »Maja« (Bresl. 1864),
behandelte eine Episode aus dem letzten indischen Aufstand,
welche als Rahmenerzählung farbenprächtige Bilder indischen Lebens umfaßt. Später folgten das erzählende
Gedicht »König Pharao« (Leipz. 1872),
die Trauerspiele: »Der Nabob«, »Karl XII.«, »KatharinaHoward«, von denen namentlich das
letztere sich größerer Bühnenerfolge rühmen darf, ferner die Dramen: »Die Rose vom Kaukasus«, »Bernhard von Weimar«, »Amy
Robsart«, »Arabella Stuart« und das unter dem PseudonymKarlRudolf gegebene Lustspiel »Ein Vater auf Kündigung«.
Einen vereinzelten Versuch, der Posse poetischen Gehalt zu geben, machte der Dichter in der am Viktoriatheater in Berlin aufgeführten
»Fürstin Rübezahl«. Seine gesammelten »Dramatischen Werke« umfassen bis
jetzt 12 Bände (2. Aufl., Leipz. 1884); seine zerstreuten neuern Gedichte
vereinigte er in der Sammlung »Janus«
[* 56] (das. 1873). Eine Sammlung seiner »Erzählenden
Dichtungen« erschien in 3 Bänden (Bresl. 1876); eine Auswahl aus der großen Zahl seiner kritischen Essays und kleinern Aufsätze
bieten die »Porträts und Studien« (Bd. 1 und 2: »Litterarische Charakterköpfe«, Leipz. 1870;
Bd. 3 und 4: »Paris unter dem zweiten Kaiserreich«, 1871) und die »Litterarischen
Totenklänge und Lebensfragen« (Berl. 1885). In neuester Zeit begann
er im Verein mit hervorragenden Historikern die Herausgabe eines »Deutschen Plutarch« (Leipz. 1874-85, Bd.
1-11) und betrat das Gebiet des Romans mit dem
¶
»Schulröschen«, Erzählung (das. 1886), u. a. folgten. Gottschalls lyrisch-epische
Dichtungen und ernste Dramen leiden, bei aller Virtuosität im einzelnen und bei der rastlosesten geistigen Beweglichkeit,
am Mangel einer bestimmten poetischen Lebensanschauung, für welche glänzender rhetorischer Schwung und
eine gewisse Pracht des Kolorits nur zum Teil Ersatz gewähren können. Manche seiner Charaktere (z. B. Heinrich VIII. in »KatharinaHoward«) bekunden eine nicht gewöhnliche Gestaltungskraft; unter seinen Lustspielen zeichnet sich namentlich »Pitt und Fox«
durch eine an Scribe erinnernde Lebendigkeit des Stils und realistische Leichtigkeit aus. Gottschall gab auch eine
beliebte Anthologie: »Blütenkranz neuer deutscher Dichtung« (11. Aufl., Bresl. 1885),
eine »Gedankenharmonie aus Goethe und
Schiller« (7. Aufl., Leipz. 1881) und ein »Deutsches Frauenalbum in Wort und Bild« (2. Aufl., das. 1884) heraus.
Dann erlitt sein Ruhm immer härtere Anfechtungen; namentlich in seinen Kämpfen mit den »Schweizern« (der
Anhängerschaft Bodmers und Breitingers) wurde er rasch aus der diktatorischen Gewalt, die er in Geschmackssachen besessen,
verdrängt. Wenige und nur sehr armselige Trabanten machten von da an seinen Anhang aus, und als er in verblendeter Eigenliebe
seine stumpf gewordenen Waffen
[* 60] sogar gegen Klopstock und Lessing kehrte, wurde sein Name zum Spott und Hohn und »sank beinahe
bis zum Scheltwort herab«.
Seitdem war es Mode geworden, ihn als das Urbild litterarischer Aufgeblasenheit, poetischer Plattheit, als den großen »Duns«
der Litteratur
(wie ihn Lessing nannte) zu betrachten und zu verhöhnen, bis neuere Forscher (Gervinus,
Wackernagel, Koberstein, vor allen aber TheodorDanzel) den Verdiensten des vielgeschmähten Mannes gerechter wurden. Unleugbar
ist wohl, daß Gottscheds Ansichten und Bemühungen namentlich in der ersten Zeit seiner Leipziger Wirksamkeit berechtigt und
teilweise sogar ungemein heilsam waren, wenn auch seine Anschauung nie über eine korrekte, formell elegante
Litteratur hinauswuchs, der Unterschied zwischen Poesie und Rhetorik ihm nie aufging. Er erstrebte aufrichtig eine große Stellung
der deutschen Litteratur, schloß sich zu diesem Zweck eng an die gepriesenen Vorbilder der Franzosen und jener Engländer an,
welche die Franzosen nachahmten, und denen er sich verwandt fühlte.
Gleichwohl war er zu trocken, dürr und pedantisch-nüchtern, um auch nur eine Dichterpersönlichkeit,
wie die Popes oder Addisons, darstellen zu können. Sein nüchtern-verständiger Sinn verhalf ihm zur trefflichen Kritik des Schwulstes
und der widrigen Geschmacklosigkeit der schlesischen Poeten, aber mit bloßer Verurteilung und Vermeidung ihrer Mängel war
noch kein dichterischer Wert zu gewinnen. Gottsched begann seine umfassende litterarische Wirksamkeit
bereits ein Jahr nach seiner Ankunft in Leipzig mit der Zeitschrift »Die vernünftigen Tadlerinnen« (1. u. 2. Teil,
Halle u. Leipz. 1725-26),
deren Hauptinhalt belehrende und erbauliche Aufsätze ausmachten. Ihr folgte eine Reihe andrer Zeitschriften,
die er zum Teil geraume Zeit fortführte, so: »Der Biedermann« (Leipz. 1727);
»Das Neueste aus der anmutigen Gelehrsamkeit« (das. 1751-62).
Durch diese Zeitschriften erwarb er sich
ein unleugbares Verdienst um die Sprache, insofern er sie durch möglichste Verbannung der Fremdwörter,
Deutlichkeit des Ausdrucks und künstlerische Durchbildung des Stils zu vervollkommnen suchte. Unter den dichterischen Gattungen
wandte er dem Drama die meiste Sorge und Aufmerksamkeit zu. Hier war es vor allem die Herrschaft der Weiseschen Lustspiele und
der Oper sowie in beiden noch besonders die pöbelhafte
[* 57]
Figur des Hanswurst (Pickelhering, Skaramuz), die
»zotenvolle Verschlechterung des englischen Clown«, denen er denKrieg erklärte, in dem er auch Sieger blieb. Er hatte sich vorgesetzt,
ein deutsches Theater nach dem Muster des französischen zu gründen, und diesen Zweck suchte er mit seiner Gattin durch zweckmäßige
Übersetzungen wie durch originale Produktionen zu erreichen. Unter den letztern sollte zuerst sein nach
Addisons gleichnamigem Stück mit strenger Beobachtung der drei AristotelischenEinheiten gefertigtes Trauerspiel »Der sterbende
Cato« (Leipz. 1732) lehren, wie eine wahre Tragödie beschaffen sein müsse, und das armselige Machwerk, das, fast aller Handlung
bar, in breiter Deklamation auf dem Kothurn des Alexandriners einherstelzt, fand denn auch bei den Jüngern
des LeipzigerMessias überschwengliche Bewunderung. Im J. 1727 war der Theaterprinzipal Neuber mit seiner Truppe nach Leipzig
gekommen; seine Frau, die eigentliche Seele seiner Unternehmung, ging auf Gottscheds Pläne ein und begann im Zusammenwirken
mit diesem durch Aufführung von aus dem Französischen übertragenen und selbständig verfaßten Dramen
die Begründung des regelmäßigen deutschen Schauspiels. Zunächst wurden die
¶
Der poetische Gehalt der Sammlung ist, was die vaterländischen Dramen betrifft, außerordentlich mager, und der Eindruck des
Ganzen in seiner Regelmäßigkeit und kalten Nüchternheit mutet geradezu trostlos an. Von weit höherer
litterarhistorischer Bedeutung als die »Schaubühne« war Gottscheds »Nötiger
Vorrat zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst« (Leipz. 1757-65), worin ein Verzeichnis aller dramatischen Produkte
aus den Jahren 1450-1760 gegeben werden sollte.
Das Werk ist nicht vollständig, aber noch heute ein wichtiges Hilfsmittel für das Studium der Geschichte
des deutschen Schauspiels. Außer einer MengeDissertationen litterarhistorischen und kritischen Inhalts schrieb auch eine Reihe
von Lehrbüchern, worunter als die wichtigsten anzuführen sind: »Ausführliche Redekunst« (Hannov. 1728);
»Versuch einer kritischen
Dichtkunst für die Deutschen« (Leipz. 1730 u. öfter) und »Grundlegung
einer deutschen Sprachkunst« (das. 1748).
Vgl. Danzel, Gottsched und seine Zeit (Leipz. 1848);
2) Luise Adelgunde Viktorie, geborne Kulmus, Gattin des vorigen, geb. zu Danzig,
[* 62] machte sich nicht nur mit mehreren
neuern Sprachen vertraut, sondern erwarb sich auch wissenschaftliche Kenntnisse und bildete ihren Geschmack
namentlich durch die Lektüre der englischen Dichter. Nach ihrer Verheiratung mit Gottsched (1735) soll sie in Leipzig sogar noch
Lateinisch und Griechisch gelernt haben. Sie starb Eine ebenso fruchtbare Schriftstellerin und Übersetzerin wie
ihr Gatte, war sie vielfach über dessen Schwächen erhaben. In ihren »Briefen« (Dresd. 1771-72, 3 Bde.)
zeigte sie feinen Sinn und Geschmack, sowie ihr auch als dramatischer Dichterin oder Bearbeiterin ausländischer Stücke das
Verdienst zuzuerkennen ist, daß sie es besser als ihr Gatte verstand, das Fremde der deutschen Bühne anzueignen. Ihr Lustspiel,
das, obgleich Nachbildung, als Originalwerk unter dem Titel: »Die Pietisterei im Fischbeinrock« (Rost. 1736) anonym erschien,
war eine Bearbeitung der französischen Komödie »La femme docteur, ou la théologie tombée en quenouille«
(Douai 1731, wahrscheinlich vonGuill. Hyacinthe Bougeant). Ihre »Gedichte« gab ihr Gatte mit ihrer Lebensbeschreibung (Leipz.
1763) heraus. Von ihren Übersetzungen heben wir hervor die des »Spectator« (Leipz. 1739-43, 9 Bde.)
sowie die von Popes »The rape of the lock« (das. 1744,
neue Aufl. 1772).
Vgl. Schlenther, Frau Gottsched und die bürgerliche Komödie (Berl. 1885).
Die Stadt Gottschee ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, hat ein Schloß, eine schöne Dechanteikirche,
ein Untergymnasium, eine Fachschule für Holzindustrie, ein Spital, Glas- und Wolldeckenfabrikation und (1880) 1332 Einw. In der
Umgebung finden sich mehrere Grotten und ein Braunkohlenbergwerk.
Vgl. Schröer, Ein Ausflug nach Gottschee (Wien
[* 66] 1869);
Unter den sogen. Anakreontikern zeichnete sich Götz durch eine gewisse lebendige Sinnlichkeit sowie Reinheit und Anmut der Sprache
aus. Er machte seine Gedichte anonym in Ramlers »LyrischerBlumenlese« bekannt. Gesammelt erschienen sie Mannheim
[* 71] 1785 (neue
Aufl., Berl. 1807, 3 Tle.). Er übersetzte auch einiges, z. B. AnakreonsLieder und SapphosOden, Gressets »Vert-vert« (»Paperle«,
Karlsr. 1762). Sein Gedicht »Die Mädcheninsel« fand selbst vor den kritischen AugenFriedrichs d. Gr. Gnade.
3) Hermann, Komponist, geb. zu Königsberg i. Pr., erhielt zuerst geregelten Musikunterricht beiL.Köhler in seiner Vaterstadt, woselbst er auch (1858) die Universität bezog, um Mathematik zu studieren. Bald jedoch vermochte
er der Neigung zur Musik nicht länger zu widerstehen und begab sich 1860 zu seiner künstlerischen Ausbildung nach Berlin, wo
er als Zögling in das Sternsche
¶
mehr
Konservatorium eintrat. 1863 kam er als Organist nach Winterthur, nahm aber vier Jahre später seinen Wohnsitz in Zürich
und zog sich 1870 nach
Hottingen bei Zürich
zurück, wo er starb. Götz war eine echt musikalische, gemütvoll und poetisch angelegte
Künstlernatur. Seine Oper »Die Zähmung der Widerspenstigen« (nach Shakespeare) sowie seine Symphonie in
F dur haben allgemeinen Beifall erlangt. Eine zweite Oper: »Francesca von Rimini«, zu welcher er denText selbst schrieb, beendete
er nicht mehr;
Andre Werke von Götz sind: »Nänia«, für Chor und Orchester,
ein Violin- und ein Klavierkonzert, Frühlingsouvertüre, der 137. Psalm für Chor und Orchester, Kammermusikstücke u. a.
jeder als Gott verehrte körperliche Gegenstand, besonders das Abbild einer Gottheit, mag dasselbe ein Naturprodukt
oder durch die (plastische) Kunst geschaffen sein. Die Verehrung von Götzenbildern oder Götzen (Götzendienst)
ist eine höhere Stufe des Fetischismus (s. d.) und findet sich bei Völkern, welche zwar nicht mehr
der niedersten Wildheit angehören, aber höchstens einen mittlern Grad von Zivilisation erreicht haben, wie die Juden in der
Zeit, wo sie Hausgötzen und das goldene Kalb verehrten.
Doch wurden von den Kirchenvätern in ihrer Polemik gegen das Heidentum auch die auf einem höhern Standpunkt stehenden Religionen
der Ägypter, Griechen und Römer als Götzendienst gebrandmarkt, weil dieselben ihre Götzenbilder vielfach nicht bloß als
Repräsentanten der Götter, sondern als von ihnen beseelte Leiber derselben ansahen. Mit den Heiligenbildern
der christlichen Kirche geschieht indessen vielfach dasselbe.
Vgl. Scholz, Götzendienst und Zauberwesen bei den alten Hebräern
und den benachbarten Völkern (Regensb. 1877).
Johann, Graf von, General im Dreißigjährigen Krieg, aus lüneburgischem adligen Geschlecht, geb. 1599, diente
bis 1626 der protestantischen Partei, trat aber hierauf in WallensteinsArmee, kommandierte auf Rügen und vor Stralsund
[* 76] (1628)
und ging bald auch zur katholischen Religion über, worauf er erst in den Freiherren-, dann in den Grafenstand
erhoben wurde. In der Schlacht bei Nördlingen
[* 77] trug er nicht unwesentlich zum Sieg der kaiserlichen Armee bei, erhielt später
selbständigere Aufträge, insbesondere gegen Bernhard vonWeimar am Oberrhein, trat in die bayrische Armee
(1636), wurde aber, nachdem er die kaiserlichen und bayrischen Truppen beim KlosterSchuttern zusammengezogen hatte und gegen
Breisach vorrücken ließ, bei Wittenweier gänzlich geschlagen.
(franz., spr. guásch-, v.
ital. guazzo, »Wasserfarbe«),
Deckfarbenmalerei, eine Modifikation der Aquarellmalerei (s. d.), wobei die
mit Gummi oder Leim und destilliertem oder filtriertem Regenwasser bereiteten Farben nicht durchscheinen oder sich miteinander
verbinden, sondern sich decken. Während man bei der gewöhnlichen Aquarellmalerei für die Lichter das weiße Papier entweder
gar nicht oder nur mit ganz schwachen Lasurfarben übermalt, werden bei der Gouachemalerei die lichten Stellen mit
Weiß und andern hellen Farben auf den dunklern Grund aufgetragen (aufgehöht).
Letztere werden zu diesem Behuf mit dem besser deckenden Weiß vermischt. Man malt Gouache nicht nur auf Papier, sondern auch
auf Pergament, Seide,
[* 86] Atlas
[* 87] und Elfenbein (namentlich bei Fächern, die aus solchen Stoffen angefertigt werden,
bei Adressen, Buch- und Albumdecken u. dgl.). Die Gouachemalerei umspannt
alle Fächer
[* 88] der Malerei und ist gegenwärtig (in Deutschland namentlich durch A. Menzel) zu großer Vollkommenheit ausgebildet
worden. Eine Abart derselben ist die sogen. Halbgouache, bei der man es vorzieht, bei sehr hellen Tönen den weißen
oder hell übermalten Grund des Papiers hervorscheinen zu lassen, statt mit Weiß aufzuhöhen, im übrigen aber mit Deckfarben
malt und die hellern Töne auf die dunklern aufträgt.
¶