wozu die
Antikritiken von Frh. v.
Berger(»Goethes
Faust und die
Grenzen
[* 5] des Naturerkennens«,
Wien 1883) und
Kalischer ( Goethe als Naturforscher«, Berl.
1883) zu vergleichen sind.
Die größern
Schriften Goethes haben meist wieder eine Litteratur für sich, die zahlreichste
»Werther« (vgl.
Appell,
Werther
und seine Zeit, 3. Aufl., Oldenb. 1882) und
»Faust« (vgl.
Engel, Zusammenstellung der Faustschriften, das.
1885).
Kommentare und
Kritiken des
»Faust« lieferten unter andern:
Chr. H.
Weiße (Leipz. 1837),
Rieger (»Goethes
Faust nach seinem
religiösen
Gehalt«, Heidelb. 1881),
Schreyer (»GoethesFaust als einheitliche
Dichtung erläutert u. verteidigt«,
Halle 1881). Kommentierte
Ausgaben des Gedichts liegen vor von
Carriere (Leipz. 1869), v. Löper (2. Ausg.,
Berl. 1879), A. v.
Öttingen
(Erlang. 1880),
Strehlke
(Ȇber Goethes
Elpenor und Achilleis«, Marienb. 1870),
A.
Jung (»Goethes Wanderjahre und die wichtigsten
Fragen des 19.
Jahrhunderts«,
Mainz
[* 8] 1854) u. a.
Kommentare zu Goethes Gedichten lieferten: Viehoff (»Goethes Gedichte erläutert«, 3. Aufl.,
Stuttg. 1876, 2 Bde.),
welch letzterer auch zu den meisten übrigen Werken Goethes
Erläuterungen geschrieben
hat,
und v. Löper (»Goethes Gedichte mit Anmerkungen«,
Berl. 1882). Die bedeutendsten dichterischen Werke Goethes sind wiederholt in alle Hauptsprachen
Europas übersetzt worden; vom
»Werther« allein gibt es 20 französische Übersetzungen, mehrere englische, italienische, spanische,
schwedische, russische und polnische; gleich
groß ist die Anzahl der Übersetzungen des
»Faust«, namentlich
ins
Englische
[* 9] (neueste und beste von
Taylor, Leipz. 1872-76, 2
Tle.). Der Textkritik wurde durch
Bernays'
Schrift Ȇber
Kritik
und Geschichte des Goetheschen
Textes« (Berl. 1867)
Bahn gebrochen; wichtige Beiträge zu derselben gaben
Biedermann (»Goethe-Forschungen«,
Frankf. 1879; neue
Folge, Leipz. 1886) und die Hempelsche Goethe-Ausgabe, namentlich Goethe v.
Löper.
Einen
Mittelpunkt der gesamten Goethe-Forschung bildet jetzt das »Goethe-Jahrbuch«,
das seit 1880 zu
Frankfurt
[* 10] a. M. erscheint und auch zum
Organ der
»Goethe-Gesellschaft« (s. unten) erhoben wurde.
Vgl. Unflad,
Die Goethe-Litteratur inDeutschland
[* 11] von 1781 bis 1877
(Münch. 1878).
eine Sammlung lyrischer Gedichte (das. 1851) und schrieb das vorzügliche, nur als
Manuskript gedruckte Werk
»Studien und Forschungen über das
Leben und die Zeit des
KardinalsBessarion« (1871). Beide
Brüder wurden 1859 in
den Freiherrenstand erhoben.
Durch das
TestamentWaltersv. Goethe wurde das großväterliche
Haus am Frauenplan in
Weimar samt seinen Kunstschätzen und seinen
naturwissenschaftlichen Sammlungen dem
Besitz und der Obhut des weimarischen
Staats überwiesen, während
zur Erbin und alleinigen Verwalterin des Goetheschen Familienarchivs (»welches
die Schriftstücke,
Akten, ferner das Privatarchiv Goethes wissenschaftlichen, poetischen, litterarischen, administrativen,
familiären
Inhalts sowie alle von Goetheschen Familiengliedern herrührenden
Papiere umfaßt«) die regierende Großherzogin
Sophie von
Sachsen
[* 20] ernannt wurde. Nachdem nun die Erbin dieses wichtigsten Goetheschen
Nachlasses ihrerseits die Bereitwilligkeit
ausgesprochen hatte, das
Archiv nutzbar und namentlich für die längst begehrte kritische Gesamtausgabe
von Goethes Werken und für eine umfassende
Biographie zugänglich zu machen, erließ am eine freie Vereinigung
von Litteraturfreunden in
Weimar,
Jena und
¶
mehr
Berlin behufs Gründung einer Goethe-Gesellschaft den Aufruf zu einer konstituierenden Versammlung, die unter zahlreicher Beteiligung 20. und 21. JuniWeimar
stattfand und die Goethe-Gesellschaft definitiv begründete. Dieselbe steht unter dem Protektorat des regierenden Großherzogs
von Sachsen-Weimar, hat ihren bleibenden Sitz in Weimar und ist im Großherzogtum mit den Rechten einer
juristischen Persönlichkeit beliehen. Als Zweck verfolgt sie »die Pflege der mit Goethes Namen verknüpften Litteratur sowie
die Vereinigung der auf diesem Gebiet sich bethätigenden Forschung«.
Zum ersten Präsidenten ward Reichsgerichtspräsident Simson in Leipzig erwählt; zugleich wurde ein zweckentsprechendes Statut
angenommen und ein geschäftsführender Ausschuß eingesetzt; zum Organ der Gesellschaft aber bestimmte
man das vonLudw. Geiger seit 1880 herausgegebene »Goethe-Jahrbuch«. Nach § 2 ihres
Statuts wird die Goethe-Gesellschaft jährlich Generalversammlungen abhalten sowie größere Veröffentlichungen veranstalten,
welche auf Goethe und dessen Wirken Bezug haben.
Daneben wird sie der Fortführung des »Goethe-Jahrbuchs« ihre Thätigkeit zuwenden,
Anregung zur theatralischen Darstellung Goethescher Werke und zu gleichmäßiger Bearbeitung und Inszenierung
derselben sowie zu Vorlesungen aus und über Goethe geben, ferner die Schaffung einer Goethe-Bibliothek anstreben,
nicht minder auch Erwerbungen für das Goethe-Archiv und das Goethe-Museum ins Auge
[* 22] fassen, überhaupt aber dafür Sorge zu
tragen bestrebt sein, daß wie Goethes eignem Wirken und Schaffen, so auch der Goethe-Forschung immer
weitere Gebiete im geistigen Leben der Nation erschlossen werden. - Zum Direktor des Goethe-Archivs ward ProfessorErichSchmidt
aus Wien berufen.
Auch die Einrichtung des weimarischen Goethe-Hauses zum Goethe-Museum wurde eifrig in Angriff genommen und dasselbe nach
einer würdigen Einweihungsfeier der Öffentlichkeit übergeben. Die Herausgabe der »Schriften der Goethe-Gesellschaft«,
im Auftrag des Vorstandes herausgegeben von ErichSchmidt, begann mit der Veröffentlichung der »Briefe von Goethes Mutter an
die Herzogin AnnaAmalia«, herausgegeben von Burkhardt. Bei der ersten Generalversammlung 1. und konnte die Zahl der
bis dahin beigetretenen Mitglieder bereits auf 1660 festgestellt werden; im August 1886 war sie auf 2500 angewachsen.
bezeichnete früher (noch bei Lessing) allgemein das dem Klassisch-Antiken entgegengesetzte
Mittelalterliche, daher s. v. w. altertümlich, altdeutsch, auch wohl altfränkisch und einfältig
oder roh.
Schrift, in der Buchdruckerei Bezeichnung einer Schriftart, welche sich aus den Buchschriften
des Mittelalters entwickelt hat, und die in der Form ihrer Versalien sich mehr der lateinischen oder Antiquatype nähert, in
den kleinen Buchstaben (den gemeinen) hingegen mehr der deutschen oder Frakturtype gleichkommt.
Sie zerfällt in zahlreiche,
meist nach ihrer Form benannte Abarten (s. Schriftarten).
Sprache,
[* 28] die Sprache derjenigen Völker, welche im 2. Jahrh. n. Chr. an der Weichsel bis gegen die Donau wohnten
und der großen Verbindung der Goten angehörten oder diesen verwandt waren. Die gotische Sprache bildete einen Hauptzweig der Germanischen Sprachen
(s. d.), welcher am nächsten mit den skandinavischen Sprachen verwandt ist, eine Thatsache, welche ihre
ausreichende Erklärung darin findet, daß die ursprünglichen Sitze der Goten (in der jetzigen ProvinzPreußen)
[* 29] den skandinavischen
Völkern sehr nahelagen.
Das schwedische Gotland darf übrigens nicht mit den Goten in Zusammenhang gebracht werden, beide Völkernamen sind in ihrer
Form ursprünglich verschieden; in gotischer Sprache würde die skandinavische Völkerschaft Gautôs heißen,
während Gutans der Name der Goten war. Die Spaltung des großen Gotenstammes in mehrere Völkerschaften (Ost- und Westgoten,
Gepiden) können wir sprachlich nicht verfolgen, da unsre Überlieferungen allein auf die Westgoten zurückgehen; die dialektischen
Verschiedenheiten müssen aber mindestens sehr geringfügig gewesen sein, da die westgotische Bibelübersetzung
ohne weiteres auch bei den Ostgoten in Italien
[* 30] in Gebrauch genommen wurde.
Die nicht sehr umfangreichen Überreste der gotischen Sprache, die wir noch besitzen, sind für die Sprachforschung ein höchst
wertvoller Schatz, denn von keiner andern germanischen Sprache sind gleich alte Überreste vorhanden. So liegt z. B.
zwischen den ältesten Denkmälern unsrer hochdeutschen Sprache und den gotischen Denkmälern ein Zwischenraum von nahezu 400 Jahren.
Die wichtigsten Überreste sind die Fragmente der gotischen Bibelübersetzung des Ulfilas (gest. 381 n. Chr.). Sie bestehen in
bedeutenden Fragmenten der vier Evangelien, welche der »Codex argenteus« (jetzt in Upsala)
[* 31] enthält, in Bruchstücken aus
den Paulinischen Briefen an die Römer,
[* 32] die Korinther, Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, Thessalonicher, an Timotheus, Titus
und Philemon.
Aus dem Alten Testament sind nur spärliche Bruchstücke der BücherEsra und Nehemia übriggeblieben. Außerdem sind noch Bruchstücke
einer Auslegung des EvangeliumsJohannis, einige Urkunden aus den ZeitenTheoderichs d. Gr., das Bruchstück
eines gotischen Kalenders und einige unzusammenhängende Zeilen und Namen vorhanden. Zwar berichten die griechischen Schriftsteller,
daß Ulfilas das gotische Alphabet erfunden habe; doch wissen wir jetzt, daß diese Thätigkeit des Ulfilas nur darin bestand,
daß er das griechische Alphabet der gotischen Sprache anpaßte, indem er fehlende Zeichen aus dem Runenalphabet,
zum Teil
¶
mehr
auch aus der lateinischen Schrift, herübernahm. Jedenfalls beweist die Größe des Werkes, da Ulfilas die Bibel
[* 34] fast ganz übersetzte,
sodann der Umstand, daß man selbst Erklärungen der biblischen Schriften in gotischer Sprache besaß, und besonders auch die
Pracht, mit welcher der »SilberneKodex« geschrieben ist, daß die Goten schon eine Litteratur hatten und
die Kunst zu lesen sich nicht auf wenige Individuen beschränkte. Doch waltete ein unglückliches Los über dieser so schönen
Sprache. In Italien verschwand sie mit dem Fall der Goten bis auf die letzte Spur, und in Spanien
[* 35] scheint sie bei den Westgoten
durch die überwiegende einheimische Bevölkerung
[* 36] schon lange vor derEroberung des Landes durch die Araber
gänzlich unterdrückt worden zu sein, so daß sie sich kaum noch in einigen Namen erhielt.
Dagegen haben sich in der Krim
[* 37] Überreste einer schon früh dahin versprengten Gotenabteilung bis in die neuere Zeit erhalten.
Diese sogen. Gothi Tetraxitae oder Krimgoten hatten noch bis ins 16. Jahrh.
ihre Sprache bewahrt, von welcher uns durch die Aufzeichnungen des Augerius Gisler von Busbeck in Flandern (1522-1592) beachtenswerte
Reste überliefert sind. Obwohl schon im 18. Jahrh. alle Spuren dieses Völkchens verweht waren, so ist doch an der Existenz
desselben sowie an der Echtheit der überlieferten Sprachreste nicht zu zweifeln. Ausführliche Nachweisungen
darüber gab Maßmann in Haupts »Zeitschrift für deutsches Altertum« (Bd. 1).
Die gotische Sprache zeigt eine große Durchsichtigkeit der Laut- und Formenlehre. An Formenreichtum kommt ihr keine andre germanische
Sprache gleich. Sie hat z. B. im Verbum und Pronomen noch den Dualis; in der Verbalflexion ist das Mediopassiv
in genauer Übereinstimmung mit dem Griechischen erhalten, freilich nur im Präsens. Der Reichtum an Bildungssilben, welcher
das Gotische vor dem Althochdeutschen und noch mehr natürlich vor dem Neuhochdeutschen auszeichnet, tritt uns klar vor Augen,
wenn wir z. B. das gotische habaidêdeima vergleichen mit dem identischen
althochdeutschen habêtim, neuhochdeutsch " (wir) hätten«.
Ist also in lautlicher und formeller Hinsicht das Gotische die Grundlage der germanischen Grammatik, so kann dies betreffs
der Syntax nicht in ganz gleichem Maß gelten. Da unsre gotischen Sprachdenkmäler Übersetzungen aus dem Griechischen sind,
so liegt eine Einwirkung der griechischen Syntax nahe, und es läßt sich dieselbe auch in der That in
manchen Fällen nachweisen. Es gilt also bei der Betrachtung der gotischen Syntax, immer das germanische Element von den griechischen
Einwirkungen zu sondern, ehe man darauf das Gebäude der historischen Syntax der germanischen Sprachen gründen kann.
Die Kenntnis der gotischen Sprache in neuerer Zeit datiert von dem Bekanntwerden des »Codex argenteus« in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrh. Der erste, welcher der gotischen Sprache ein gründlicheres Studium widmete, war der Niederländer FranzJunius.
Außer seiner Ausgabe des »Codex argenteus« (1665) lieferte er auch schon grammatische und lexikalische
Arbeiten über das Gotische. Auch die gotische Grammatik wurde durch die eingehende Behandlung, welche ihr Grimm in seiner »DeutschenGrammatik« zu teil werden ließ, auf einen ganz neuen Standpunkt gestellt. Von spätern Werken sind zu nennen:
die ausführliche gotische Grammatik von Gabelentz und Lobe (Bd. 2, Abtlg. 2 ihrer Ausgabe des Ulfilas, Leipz.
1846) sowie die mehr sprachvergleichende Behandlung
in dem Buch von LeoMeyer: »Die gotische Sprache« (Berl. 1869). Das ausführlichste
Wörterbuch der gotischen Sprache lieferte ErnstSchulze (»GotischesGlossar«, Magdeb. 1848) und in sprachvergleichender HinsichtL.Diefenbach (»Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache«, Frankf. a. M. 1851). Zur Einführung in
das Studium des Gotischen ist zu empfehlen die Ausgabe des Ulfilas von Stamm-Heyne (8. Aufl., Paderb. 1885),
(Gottland), schwed. Insel in der Ostsee, 70 km von der schwedischen Ostküste und 44 km von der etwas südlicher
gelegenen InselÖland entfernt, bildet mit den sie umgebenden kleinern Inseln (Karlsinseln im W., Farö und Gottska Sandö
im N.) das Gotland- oder Wisbylän, welches 3152,5 qkm (57 QM.)
umfaßt mit (1885) 52,750 Einw. Die Insel besteht aus einem mit fruchtbarem Erdreich bedeckten Kalkfelsen und ist 20-30 m,
in den Thorsbergen 60 m hoch. Geologisch interessant ist der im äußersten Süden gelegene Berg Hoburg, ein Kalksteinplateau
von 38 m Höhe, das auf den die Südwestseite der Insel bildenden Lagern von Sandstein und Oolith ruht.
Außer einigen Bächen, die im Sommer austrocknen, und mehreren Quellen finden sich an Wasserflächen nur Sümpfe. Das Klima
[* 40] ist
so mild, daß selbst Walnuß und Maulbeere hier und da reifen. Die Ufer sind im allgemeinen hoch und enthalten viele gute Häfen,
von denen der jetzt befestigte Slitehamn zu den vorzüglichsten der Ostsee gehört. Das Ackerland nimmt nur 20,52 Proz., die
natürlichen Weideflächen 10,18 Proz. der Insel ein, doch bilden Ackerbau und Viehzucht
[* 41] die Hauptnahrungsquelle der Bevölkerung;
die Schafe
[* 42] mit grober Wolle liefern vortreffliches Fleisch; die kleinen Pferde
[* 43] (Öländer genannt) gehen zum
Teil auch den Winter über auf die Weide.
[* 44]
als Gehilfe in das Geschäft seines Bruders in Berlin ein, wo er mit Friedrich II. bekannt wurde. Auf dessen Veranlassung gründete
er in Berlin eine Samt-, dann eine Seidenfabrik und brachte sie trotz mancher Verluste zu hoher Blüte;
[* 50] ebenso errichtete er 1761 die
Berliner
[* 51] Porzellanmanufaktur. Als 1760 die RussenBerlin besetzten, wußte es Gotskowski durch seinen Einfluß bei
dem GeneralTotleben zu erreichen, daß die Stadt mit Plünderung verschont, mehrere bereits befohlene Gewaltmaßregeln unterlassen
und die Kontribution von 4 Mill. Thlr. auf 1½ Mill. herabgesetzt wurde, für deren Zahlung er selbst große Opfer brachte.
Einen ähnlichen Dienst leistete er 1761 der Stadt Leipzig. Durch die vielen Bürgschaften, die er während
des Kriegs aus Edelmut übernommen, wurde sein Vermögen zerrüttet; er machte 1763 Bankrott und starb zurückgezogen und arm in
Berlin. Seine Selbstbiographie, in der Form eines Briefs, erschien französisch (»Mémoires d'un négociant patriote«, Berl.
1769) und deutsch (neuer Abdruck in den »Schriften des Vereins für die Geschichte der Stadt Berlin«, Heft
7, das. 1873).
oder, abstrakt ausgedrückt, Gottheit nennen wir den eigentlichen Gegenstand alles religiösen Glaubens, sofern
jener Zwiespalt, in welchem sich der Mensch als Naturwesen mit sich selbst als sittlichem Wesen vorfindet, nur unter Voraussetzung
einer höhern, die Natur als Mittel für die Persönlichkeit in Dienst nehmenden und ihr unterwerfenden Macht lösbar erscheint
(s. Glaube). In der Regel ist daher mit jeder positiven Stellung zur Religion auch die Setzung irgend eines Gottesbegriffs verbunden.
Denn die Vorstellung Gottes bedeutet unter allen Umständen das vergegenständlichte Bedürfnis nach Aufhebung
eines Zwiespalts, den der religiöse Mensch unvermeidlich in sich fühlt und mit sich herumträgt. Nur sofern in den rohesten,
vielleicht selbst schon verrohten Formen der Naturreligion der Gottesgedanke sozusagen erst im Werden begriffen oder noch latent
ist, kann man heutzutage dem Satz des Altertums, daß alle Menschen (so Aristoteles, »De coelo«, I, 3) oder
alle Völker (so Cicero, »Tuscul.«, I, 13) eine Vorstellung von der Gottheit hätten, seine durchgängige Gültigkeit aberkennen.
Mit größerm Recht wird man immerhin dem früher aus dieser Behauptung für das Dasein Gottes geführten Beweis (e consensu
gentium) eine verbindliche Kraft
[* 52] absprechen. Denn die mehr oder weniger ausgebildete Vorstellungswelt,
welche Natur- und Kulturreligionen uns in ihrer mythologischen Götterlehre darbieten, kann zunächst nur den Eindruck von
Produkten eines noch ganz naiven, aller soliden Mittel der Befriedigung entbehrenden Kausalitätsbedürfnisses auf der einen,
luxurierender Phantasie auf der andern Seite machen.
Aber in demselben Maß, wie das Denken des Menschen der Anerkennung einer zusammenhängenden Ordnung der Dinge
entgegengedrängt wird, verlieren jene Götter, welche nur die Lücken des Wissens ergänzen und die Zwischenräume der Welt
bewohnen, an Lebensfähigkeit; sie erhalten nur da auch über dem Grab der ihnen gewidmeten Dienste
[* 53] noch ein ideales Leben, wo
die Phantasie, die sie hervorgebracht hat, eine ästhetisch disziplinierte war, wie bei dem formenfrohen
und schönheitssinnigen Volk der Griechen. Aber gerade hier strebte der denkende Geist schon früh über die vielen Göttergestalten
der Volksreligion hinaus dem Monotheismus zu, wie denn auch der Olymp der Poesie sich je länger, je mehr in seinem Haupte, dem
»Vater der Menschen und Götter«, einheitlich zuspitzte.
Von einer andern
Seite her stellt sich noch unvermeidlicher und mit der Übermacht offenbarungsmäßiger Gewißheit der einheitliche
Gottesgedanke ein, wo die oben angedeuteten religiösen Motive des Gottesglaubens reiner und kräftiger wirken und es Interessen
nicht sowohl des Wissens als vielmehr der sittlichen Persönlichkeit sind, welche in ihm ihre Sicherheit
suchen. So hat auch die Geschichte zweierlei Wege eingeschlagen, um das Ziel des einheitlich gefaßten, in einem gleichmäßigen
Verhältnis zur vielgestaltigen Welt stehenden, die Zwecke des persönlichen Lebens der gesamten Natur gegenüber aufrecht erhaltenden
Gottesbegriffs zu erreichen.
Die arischen Völker sind diesen, die semitischen jenen gewandelt. Die indogermanische Art, Vielheit und
Einheit im Gottesbegriff zu verbinden, hat ihren charakteristischen Ausdruck im indischen Brahmanismus gewonnen, wo der Gedanke
der Immanenz vorherrscht und der Durst des menschlichen Gemüts nach einem gegenwärtigen, der Welt innewohnenden Gott Befriedigung
sucht. Aber freilich geschah dies auf Kosten der Lebendigkeit und Fülle des Gottesbegriffs selbst, daher
die Volksgötter doch wieder als farbige Erscheinungsformen des blassen Brahma zu Hilfe gerufen wurden, während im Buddhismus
das unpersönliche Alleins, welches Brahma hieß, in das Nichts umschlug und sich uns solchergestalt das denkwürdige Schauspiel
einer ursprünglich atheistisch gemeinten, freilich sofort zur Vergötterung ihres Urhebers fortschreitenden Religion darbietet.
Der fernere Verlauf, welchen die Entwickelung des christlichen Gottesgedankens genommen hat, war bedingt
durch die seitens der Kirchenväter von den spätern Platonikern entlehnte Kategorie des grenzenlosen, unbeschränkten, durchaus
bestimmungslosen Seins, welches im Grunde die religiöse Vorstellungvon Gottes Persönlichkeit ausschließt und den allgemeinen
Hintergrund einer pantheistischen Weltanschauung bildet. Während dieser Gottesbegriff den Vorteil bot, aller sinnlichen
Elemente entledigt und von dem hebräischen Bodensatz des Anthropomorphismus und Anthropopathismus gründlich
rein gefegt, auch der philosophischen Bildung der römischen Kaiserzeit unmittelbar verständlich zu sein, war doch positiv
nicht viel mit ihm anzufangen, da sein eigentlicher Gehalt auf die konsequent durchgeführte Verneinung der Welt hinauslief.
In der That wurden christlicherseits nicht selten Konsequenzen aus dem philosophischen Gottesbegriff gezogen,
welche jede
¶
mehr
Proportion zwischen Schöpfer und Geschöpf, jedes unter sittlichen Gesichtspunkten gedachte Verhältnis zwischen beiden ausschlossen.
Anderseits ragte allenthalben schon in das religiöse Bewußtsein der alten katholischen Kirche herein die jüdische Erbschaft
einer Vorstellung Gottes als eines ins Ungeheure gesteigerten Menschen, welcher von außen her die Welt in Bewegung setzt und
möglicherweise ganz partikuläre, von dem sittlichen Zweck verschiedene Zwecke in derselben verfolgt.
War es schon unmöglich, diese beiden sich ganz spröde zu einander verhaltenden Elemente miteinander in Einklang zu bringen,
so kamen nun noch hinzu die konkreten Bestimmungen der kirchlichen Dreieinigkeitslehre, welche weder zu der massiven Gottesvorstellung
und dem strengen Monotheismus des Hebraismus noch zu dem PlatonischenSchema des Absoluten stimmen, in welches
sie doch hineingezeichnet wurden. Die verschiedenen Experimente, welche gemacht wurden, um diese Unebenheiten zu glätten,
bilden die Geschichte des christlichen Gottesbegriffs.
Ein bekanntes Kapitel desselben machen die schon seit dem 2. Jahrh. angestrengten Beweise für das Dasein Gottes
aus, welche wenigstens den Wert denkender Nachzeichnung des Wegs behalten werden, auf welchem die Vorstellung Gottes zu deutlicherer
Fixierung gelangt ist. Unter ihnen hatten sich jederzeit der kosmologische und der teleologische (physiko-theologische) des
meisten Beifalls zu erfreuen. Zunächst hatte man eine Formel in Bereitschaft, welche die bloße Abstraktion von der Welt
ausdrückte und daher nur mit dem negativen Prädikat des Unendlichen zu bezeichnen war; ihre Notwendigkeit gedachte man dadurch
zu erweisen, daß das Dasein des Endlichen nicht anders als so zu begreifen wäre. In diesem Interesse schob man dem Unendlichen
zunächst den Begriff der Ursache unter, indem man von der Totalität des Bedingten auf ein Bedingendes schloß
(kosmologischer Beweis).
Da man hiermit über den Standpunkt des Pantheismus nicht prinzipiell hinausgekommen war, schob man dem Begriff der Ursache denjenigen
des Endzwecks unter, indem man aus den mancherlei Symptomen von Anordnung, Absicht und Zweck in der Welt auf einen vernünftigen
Welturheber schloß (teleologischer Beweis), wobei man sich jedoch auf die Dauer nicht verhehlen konnte,
daß der einen Kehrseite unsrer Erfahrungen, welche zu solchem Schluß auffordert, eine andre gegenübersteht, die dagegen
protestiert, so daß zuletzt die SchuleHerbarts nur noch von einer auf diesen allein zulässigen Beweis zu gründenden höchsten
Wahrscheinlichkeit sprach.
Schon um 400 bereitete Augustin einen Beweis vor, welchen dann um 1100 Anselm von Canterbury vollendete.
Dieser sogen. ontologische Beweis schließt von dem Begriff des vollkommensten Wesens auf seine Existenz, weil, wenn ihm diese
abginge, ein noch vollkommneres Wesen denkbar wäre. Also: »Diese Geschichte ist die schönste von allen, die ich
je las, folglich muß sie auch eine wahre sein, sonst würde mir die unbedeutendste Geschichte, wenn sie nur wenigstens wahr
ist, besser gefallen«.
Noch ehe Kant das Unzureichende aller dieser Beweise endgültig darthat, indem er an ihre Stelle, wenngleich nicht mit wissenschaftlicher
Gültigkeit, den moralischen Beweis setzte, der von dem Thatbestand des menschlichen Bewußtseins als eines
sittlichen auf einen urbildlichen Urheber und Bürgen für die Erreichbarkeit der Zwecke desselben schließt und sonach nur
eine Reflexion
[* 55] des frommen Bewußtseins über seine eignen Zusammenhänge und Existenzbedingungen darstellt,
hatte die Aufklärung
des vorigen Jahrhunderts dem christlichen Gottesbegriff teils die trinitarische Bestimmtheit, teils den
jüdischen Anthropomorphismus abgestreift und ihn so auf die farblose Idee des »höchsten Wesens« (être suprême) reduziert,
welches seine Unfähigkeit, das religiöse Gefühl zu befriedigen, in dem Kultus der französischen Revolutionszeit erweisen
sollte.
Theoretisch wurde dieser leere Gottesbegriff überboten durch eine von Spinoza datierende, vorzugsweise aber durch Schelling
und die Romantik, durch Fichte
[* 56] und Schleiermacher vertretene pantheistische Strömung. Man fand am rationalistischen
Gottesbegriff namentlich auszusetzen, daß derselbe Gott als ein überweltliches Einzelwesen zu der Summe der übrigen Einzelwesen
addiere, wogegen die spekulative Philosophie sich wieder auf den Begriff des Absoluten zurückzog und dasselbe bald als Indifferenz
(Schelling), bald als einfache Kausalität der Welt (Schleiermacher), bald als absolute, in der Welt sich
realisierende Vernunft (Hegel), reine Thätigkeit der Weltbegründung, actus purus (Biedermann), immer aber unpersönlich faßte,
wie auch Fichtes moralische Weltordnung im Unterschied zu Kants Gott gewesen war.
Dem gegenüber hatte eine an Weiße, den jüngern Fichte, Ulrici, K. Schwarz anknüpfende Schule vonPhilosophen
und Theologen den Begriff der Persönlichkeit mit demjenigen der Immanenz, welcher als die dauernde Frucht unsrer neuern Philosophie
galt, zu vereinigen gesucht, während in der neuesten Theologie es nicht an Kundgebungen fehlt, welche von den philosophischen
Voraussetzungen, unter denen die kirchliche Gotteslehre vom 2. Jahrh. an sich entwickelt hat, ganz abzusehen
und alles, was an eine Substanz erinnert oder Analogie zu Quantitativem bietet, aus dem Begriff herauszuschaffen, ja die ganze
metaphysische Behandlung des Gottesbegriffs abzustellen raten (Ritschl).
Dieser Reformversuch bezieht sich auch auf die Lehre
[* 57] von den sogen. Eigenschaften Gottes (attributa divina), welche entweder
durch Verneinung der dem menschlichen Geistesleben anhaftenden Schranken (via negationis) oder durch möglichste
Steigerung der Vorzüge desselben (via eminentiae) gewonnen werden. Naturgemäß führt jener Weg zu leeren Abstraktionen,
dieser zu inadäquaten Bildern. Nur die auf letzterm Weg sich ergebenden, meist dem konkreten alttestamentlichen Gottesbild
entstammten Aussagen sind dazu angethan, das unauslöschliche und berechtigte Verlangen des religiösen
Gefühls nach einem lebendigen Gott zu befriedigen.
Dazu kommt, daß die auf dem ersten der angedeuteten Wege gewonnenen Eigenschaften, wie Ewigkeit und Unveränderlichkeit, Allmacht
und Allgegenwart, selbst schon jenem philosophischen Schema des Absoluten angehören. Es haben daher viele
Dogmatiker sich bemüht gerade diese Eigenschaften einzuschränken oder möglichst zu neutralisieren, den Begriff Gottes nicht
sowohl unter dem altherkömmlichen Gesichtspunkt der Kausalität als vielmehr unter
¶
mehr
dem des Zweckes zu fassen, wie man zugleich philosophischerseits sogar bald von einem allmählich entstehenden und sich vervollkommnenden
Gott, bald von einem zwar nicht schöpferischen, wohl aber als anziehendes Ideal dem sittlichen Prozeß vorstehenden, als liebender
Genius über der Menschheit schwebenden Gott geredet und die alte Verbindung von höchster Macht und sittlichem
Gedanken im Gottesbegriff aufgelöst, ebendamit aber diesen letztern natürlich gefährdet hat. Da solchergestalt das
eigentliche Problem bis auf den heutigen Tag nicht gelöst ist, scheint es vielen zeitgemäß, sich nach den seit Kant zugänglichen
Gründen seiner Unlösbarkeit zu erkundigen und mit Trendelenburg u. a. die einfache Unerkennbarkeit Gottes zu
behaupten.
Die Rechte jener Bildersprache, welcher sich alles lebendige Gottesbewußtsein, jede kräftige Gotteserfahrung von jeher bedient
hat und bedienen muß, werden aber auch von der andern Richtung nicht mehr angetastet, welche, weil sie ein spekulatives Denken
für im Gefolge der Religion unabkömmlich erachtet, an einer von dieser Seite her sich ergebenden Erkennbarkeit
Gottes, d. h. an der Möglichkeit einer nicht bloß negativen Bestimmung des Begriffs des Absoluten, festhält.
1) GustavAdolf, Graf von, preuß. Diplomat, geb. zu Altenburg,
[* 60] studierte in Jena und Halle die Rechte
und war seit 1715 seinem Vater, gothaischem Kammerdirektor, in Wien bei Abwickelung finanzieller Geschäfte
behilflich. Hier gewann er das Vertrauen des PrinzenEugen, ward der Günstling vornehmer Damen, machte ein glänzendes, luxuriöses
Haus und erlangte am kaiserlichen Hof
[* 61] großen Einfluß. 1717 wurde er als Legationssekretär Vertreter des Herzogs von Gotha
[* 62] am kaiserlichen Hof, 1720 außerordentlicher Gesandter desselben, 1724 in den Reichsfreiherrenstand erhoben, 1729 zugleich
Komitialgesandter in Regensburg
[* 63] und 1732 preußischer Gesandter am WienerHof, zog sich aber 1736 auf das von ihm im Rokokostil
prächtig erbaute und mit zahlreichen Kunstwerken ausgeschmückte Schloß Molsdorf bei Erfurt
[* 64] zurück, von wo er gleichzeitig
das Amt eines preußischen Gesandten im obersächsischen Kreis
[* 65] versah. 1740 trat er nach der Thronbesteigung
Friedrichs II., der an Gotters geistreicher, liebenswürdiger Unterhaltung besondern Gefallen fand, sich jedoch gelegentlich
auch über seine Schwächen, seine ewige Geldverlegenheit und seine Schlemmerei, lustig machte, als Oberhofmarschall wieder
in preußische Dienste, wurde vom KaiserKarl VI. zum Reichsgrafen ernannt, führte Ende 1740 eine wichtige
Mission an Maria Theresia aus, deren Scheitern den ersten SchlesischenKrieg zur Folge hatte, ward 1743 Generaldirektor der Oper, 1744 einer
der Kuratoren der Akademie der Wissenschaften und, nachdem er seiner Kränklichkeit wegen wieder fünf Jahre zu Molsdorf in
Ruhe hatte leben müssen, 1752 Generalpostmeister und 1753 dirigierender Minister im Generaldirektorium.
Er starb in Berlin.
2) FriedrichWilhelm, Dichter, geb. zu Gotha, studierte in Göttingen
[* 66] die Rechte, daneben englische, italienische und
namentlich französische Litteratur, insbesondere die Dramatiker, und wagte, angeregt durch den SchauspielerEkhof, selbst einige nicht unglückliche dramatische Versuche. Nach der Rückkehr in seine Vaterstadt (1766) ward er als zweiter
Archivar daselbst angestellt und begleitete im folgenden Jahr den Freiherrn v. Gemmingen als
Legationssekretär nach Wetzlar.
[* 67]
Doch verließ er die diplomatische Laufbahn, um 1768 als Erzieher zweier junger Edelleute nach Göttingen
zurückzukehren, wo er mitBoie die Herausgabe des ersten deutschen »Musenalmanachs« besorgte
und durch seine dazu gelieferten Beiträge seinen Dichterruf begründete. Im J. 1770 ging er als Legationssekretär wieder
nach Wetzlar, wo er mit Goethe, Jerusalem
[* 68] u. a. verkehrte, und ward nach seiner Rückkehr nach Gotha GeheimerSekretär
[* 69] daselbst.
Aus Gesundheitsrücksichten unternahm er 1774 eine Reise nach Lyon,
[* 70] lebte dann in seiner Vaterstadt den
Musen
[* 71] und starb daselbst Gotter war der letzte namhafte Vertreter des spezifisch französischen Geschmacks in der deutschen
Poesie, welcher in korrekter Nüchternheit und eleganter Versifikation seine Triumphe suchte.
mit Musik von Benda (1778). Seine Episteln, Lieder, Elegien, Erzählungen
etc. zeichnen sich durch schalkhafte Laune und weltmännischen Ton aus, sind aber ohne tiefern poetischen Wert. Seine »Gedichte«
erschienen gesammelt Gotha 1787-1788, 2 Bde.; Bd.
3, als »LitterarischerNachlaß«, das. 1802.
(Ragnarök), in der nordischen Mythologie der Weltuntergang, herbeigeführt durch eine hereinbrechende
allgemeine Verwilderung. Diese Zeit kündigt sich an durch drei Jahre, die mit schweren Kriegen erfüllt sind; Brüder bringen
sich aus Habgier ums Leben, und in Mord und Sippebruch schont der Vater nicht des Sohns, der Sohn nicht des
Vaters. Dann kommt der Fimbulwinter, der drei Jahre dauert, ohne Sommer dazwischen. Sonne
[* 72] und Mond
[* 73] werden von den Wölfen verschlungen,
die sie immer schon im (heulenden) Wettersturm zu verfolgen schienen; die Sterne fallen vom Himmel,
[* 74] die Erde bebt, die Bäume
werden entwurzelt, die Berge stürzen zusammen, das Meer überflutet das Land. Der grimme Fenriswolf (s.
Loke), bis dahin gefesselt, zerreißt seine Bande und fährt mit klaffendem Rachen daher, aus Augen und Nase
[* 75] Feuer sprühend; sein
Oberkiefer berührt den Himmel, sein Unterkiefer die Erde.
Auch das große, aus den Nägeln der Toten gefertigte Schiff
[* 76] Naglfar, gesteuert von Hrim, dem Anführer
der Reifriesen, wird bei der Überschwemmung flott, und die Midgardschlange (s. Jormungandr), von Riesenwut ergriffen, erhebt
sich aus dem Meer und speit Gift aus, daß Luft und Meer entzündet werden. Da birst der Himmel; herangeritten kommen von Süden
die Söhne Muspels, die Götter der Flammenwelt, Surtr an der Spitze, vor und hinter ihnen glühendes Feuer.
Die Brücke
[* 77] Bifröst bricht, indem sie darüberreiten.
Das gesamte Heer der Götterfeinde sammelt sich auf der Ebene Wigrid, wo auch Loke nebst Hels ganzem Gefolge erscheint. Von Heimdall
durch einen Stoß in das Giallarhorn geweckt und zum Kampf aufgerufen, versammeln sich die Götter und halten
Rat. Dann zieht Odin mit allen Asen und Einheriern nach der Ebene Wigrid, wo nun sechs große Einzelkämpfe stattfinden: der KampfOdins gegen den Fenriswolf, der jenen verschlingt;
der KampfThors gegen die Midgardschlange, die jener erlegt, während er
selbst von dem Gifte, das sie auf ihn speit, tot zur Erde fällt;
der KampfFreyrs gegen Surtr, in welchem
ersterer erliegt;