Gletscher (Wirkungen; Geschichte der Gletscherforschung)
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Gletschern aus dem
Felsengebirge lassen nicht vollkommen klar erkennen, ob es sich um wirkliche, in ununterbrochener Thätigkeit
begriffene Gletscher handelt. Die Gletscher fehlen ferner in dem tropischen Teil
Amerikas, und nur an einzelnen
Stellen der zwischen den
Wendekreisen gelegenen
Kordilleren sind
Spuren der Gletscherthätigkeit nachweisbar; weiter nach
Süden aber mehren
sich die Gletscher rasch und steigen schon in der chilenischen
ProvinzColchagua (unter 34° südl.
Br.) bis zu 1800 m Meereshöhe
herab. Daß unter 47°, also unter der
Breite
[* 2] der
Alpen
[* 3] auf der nördlichen
Halbkugel, dort die untere
Grenze das
Meer erreicht,
wurde schon
oben erwähnt.
Die geologische Wichtigkeit der Gletscher beschränkt sich aber nicht auf den im obigen geschilderten
Transport des
Eises von Bergeshöhen hinab in das
Thal.
[* 4] Es dient vielmehr zugleich der Gletscher als
Vehikel für bedeutende Felsmassen,
welche von den Felswänden längs des Gletscherbettes durch die Einwirkung der
Atmosphärilien, besonders aber durch
Frost abgelöst werden und auf den Gletscher niederfallen. Durch die langsame, aber stetige
Bewegung thalabwärts ordnen
sich die
Blöcke zu zwei
Reihen an, parallel zur Längsachse des Eisstroms, nahe den beiderseitigen
Ufern (Seitenmoränen,
Gandecken
in Bern,
[* 5] moraines latérales,
a der
[* 1]
Figur).
Bei Gletschern, welche aus der Vereinigung zweier Einzelströme entstanden sind, legen sich zwei Seitenmoränen
zu einer Mittelmoräne
(Gufferlinie, bandes, moraines médianes, b der
[* 1]
Figur) zusammen, welche in
Mehrzahl sich wiederholen,
wenn sich drei oder mehr Gletscher vereinen. Sie überragen oft bedeutend die Oberfläche des Gletschers, eine
Erhöhung, die nicht
ausschließlich auf das
Gestein selbst zurückzuführen ist, sondern zum Teil ihrenGrund darin hat, daß
der durch die Gesteinsbedeckung
vor der Einwirkung der
Sonne
[* 6] geschützte Gletscherstreifen weniger abschmilzt als der übrige
ungeschützte Teil.
Besonders deutlich ist dieses
Verhältnis bei den sogen. Gletschertischen
(Champignons, c der
[* 1]
Figur) nachweisbar, einzelnen
in die Mitte des
Stroms geratenen
Blöcken, unter deren
Schutz sich Eissäulen, meist 0,5-1 m, mitunter
selbst 2-4 m hoch, erhalten haben, denen nun das Gesteinsstück wie der
Hut
[* 7] eines
Pilzes aufsitzt. Im Gegenteil zu solcher
schützenden Einwirkung größerer Gesteinsstücke befördert aufgeflogener
Staub und
Sand durch feine dunklere Färbung die
oberflächliche Abschmelzung, wie
oben bei den Schmutzstreifen besprochen wurde.
Aber auch am
Grunde des Gletschers bewegt sich Gesteinsmaterial, vorwiegend in Form eines Zerreibungspulvers,
welches in den dort sich bewegenden und als Gletscherbach austretenden
Wassern suspendiert wird und denselben je nach der
Natur der pulverisierten
Gesteine
[* 8] verschiedene intensive
Farben (Gletschermilch) erteilt. Daneben kommen auch größere Gesteinsstücke,
mitunter fest im
Eis
[* 9] eingewachsen, am
Grund vor, die bei ihrer
Wanderung thalwärts den felsigen
Untergrund
und die Seitenwände des Gletschers ritzen und polieren (Gletscherstreifen), dabei selbst aber geritzt und gestreift werden
(geritzte
Gerölle, Scheuersteine).
Unebenheiten des
Untergrundes werden geebnet, Felszacken allmählich entfernt und namentlich in der
Richtung des anstoßenden
Gletschers, also thalauf, gerundet u. dadurch die eigentümlichen, mit
Streifung versehenen runden
Formen erzeugt, die man als Rundhöcker (roches moutonnées) bezeichnet. Wo der Gletscher sein Ende findet,
dort wird grobes u. feines
Material (letzteres, soweit es nicht im Bachwasser suspendiert weiter transportiert wird) zum
Absatz
kommen
(Endmoränen, Stirnmoränen, moraines frontales, d der
[* 1]
Figur), untermeerisch als Gletscherdelta
dann, wenn der in das
Meer mündet.
Eine besondere Wichtigkeit besitzen diese Gletscherstreifen, geritzten
Gerölle, Rundhöcker und Stirnmoränen als bleibende
Signale, wenn sich der Gletscher zurückzieht, und von ihrem Nachweis ist die Kenntnis der weiten Verbreitung
der in geologischer Vorzeit ausgegangen. Immerhin ist bei der Ausdeutung solcher
Anzeichen eine wohl nicht
immer geübte Vorsicht zu empfehlen, da die an ehemalige Gletscherthätigkeit geknüpften
Erscheinungen recht ähnlich auch
durch fließendes
Wasser erzeugt werden können. So ist es sicher zu weit gegangen, wenn man die sogen.
Riesentöpfe (s. d.)
als untrügliche
Anzeichen eines in prähistorischen
Zeiten an der
Stelle befindlichen Gletschers auffaßt.
Dieselben setzen zu ihrer
Bildung strudelförmig bewegtes
Wasser voraus, welches aus einer Gletschermühle
stammen kann, aber nicht zu stammen braucht. In ähnlich extremer
Weise ist neuerdings die erodierende Thätigkeit der Gletscher aufgefaßt
worden. Vorschreitende Gletscher können (dafür gibt es
Beispiele) ein lockeres Erdreich mit der
Grasnarbe vor sich herschieben,
falten und aufrollen, sie können ihre
Stirn- und Grundmoränen in ein wenig festes
Alluvium einwühlen;
aber zwischen solchen
Thatsachen und der
Annahme, daß
Thäler,
Fjorde, Seebecken durch Gletscher im festen
Gestein »ausgehobelt« worden
seien, liegt noch ein großer
Sprung - nicht jeder ist geneigt, mitzuspringen!
Geschichte der Gletscherforschung.
Unter den alten Geographen kennt schon
Strabon die
Eisberge und Gletscher; unter den neuern gibt
Sebast.
Münster
[* 10] 1543 in
seiner
»Kosmographie« die erste
Kunde davon, genauer Simler 1574, der schon
Firn und Gletscher unterscheidet.
Hottinger und Scheuchzer
stellten im Anfang des 17. Jahrh. die erste
Theorie über das
Vorrücken der Gletscher auf, welches sie aus der
Ausdehnung
[* 11] des in den Gletscherspalten gefrierenden
Wassers und der
Ausdehnung der im Gletschereis eingeschlossenen
Luft herleiteten.
Christen und Altmann (1751) verbreiteten die phantastische
Vorstellung eines den höchsten
Rücken der
Alpen von der Rheinquelle
bis nach
Grindelwald bedeckenden wirklichen
Eismeers, aus dem die Gletscherströme sich in die Nachbarthäler verbreiteten,
erklärten aber ihr
Vorrücken richtiger aus den
Wirkungen der
Schwere.
Gruners 1760 erschienenes Werk über
die Eisgebirge der
Schweiz
[* 12] faßt die ganze damalige Kenntnis der Gletscher zusammen. Von großer Wichtigkeit für die Kenntnis der
Gletscher wurden
Saussures Untersuchungen der Gletscher von
Chamonix in den
Jahren 1760 und 1761, wenn auch, verdunkelt durch
das Ansehen jenes verdienstvollen Physikers und Geologen, die von
Bordier 1773 zuerst über das
Vorrücken der Gletscher ausgesprochene
Ansicht, daß sie sich wie eine zähflüssige
Masse bewegen, unbeachtet blieb und erst in unsrer Zeit durch Messung und
Experiment
als die richtige zur Geltung kommen konnte. In
Kuhns Werk
»Versuch über den
Mechanismus der Gletscher« (1787)
werden zum erstenmal die über das heutige Eisgebiet hinausragenden
Moränen verfolgt und so der
Grund zur
Kunde eines in prähistorischen
Zeiten größern
Umfanges der Gletscherthätigkeit gelegt. Ramond,
Studer u. a. brachten manche neue
Thatsachen über Gletscher zur
Kenntnis derPhysiker,
L. v.
Buch, Wehlenberg über ihre Verbreitung. Aber erst in die Jahre 1830-45 fällt
die rastlose Thätigkeit in der Erforschung der
Natur der Gletscher. Wie
Saussure einst auf dem hohen
Col deGéantTage zugebracht hatte,
um meteorologische
Beobachtungen zu machen, so beginnen
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mit Hugis kühnen Forschungsreisen auf den Gletschern und firnbedeckten Gipfeln des Berner Oberlandes, deren Beschreibung 1830 erschien,
die Gletscherexpeditionen, welche 1841-43 von Agassiz in Begleitung von Wild (dem Bearbeiter der vortrefflichen Karte des Unteraargletschers),
Désor, K. Vogt u. a., von Forbes und den Gebrüdern Schlagintweit fortgesetzt wurden. Gleichzeitig entbrannte der heftige
wissenschaftliche Streit über die frühere größere Ausdehnung der Gletscher, welche schonKuhn (1787) und Playfair (1802) behauptet
hatten, ohne daß man ihren Untersuchungen Beachtung geschenkt hätte. Venetz regte durch 1816 und 1821 erschienene Arbeiten
die Frage wieder an, welche in Charpentier einen warmen Vertreter fand. Von den neuern Gletscherforschern nennen
wir: Heim, Forel, Hagenbach, Simony, Gastaldi, Favre, Kjerulf, Torell, Erdmann, Credner, Berendt, Koch, Klocke, Pfaff, Hochstetter, Ramsay,
Geikie, Hall,
[* 14] Dana, Whitney.
Aus der umfangreichen Litteratur sind im folgenden nur einige größere oder für die Geschichte der Gletscherkunde besonders
wichtige Werke (soweit sie nicht schon oben erwähnt wurden) herausgegriffen: Hugi, Alpenreise (Soloth.
1830);
Charpentier, Essai sur les glaciers et sur le terrain erratique (Laus. 1841);
Agassiz, Études sur les glaciers (Neuchât.
1840, deutsch 1841) und »Nouvelles études« (Par. 1847);
Désor, Excursions et séjours dans les glaciers, etc. (Neuchât.
1844);
Forbes, Travels through the Alps (2. Aufl., Lond. 1845; deutsch; Stuttg.
1845);
Derselbe, Norway and its glaciers (Lond. 1853; deutsch, Leipz. 1855);
Mousson, Die Gletscher der Jetztzeit (Zürich
[* 15] 1854);
Dollfus-Ausset, Matériaux pour l'étude des glaciers (Par. 1863-73, 13 Bde.);
in der Schweiz ein in besonderer Höhenlage, selbst oberhalb der Gletscher oder in der Nähe derselben,
gewachsener Wein, der sich durch besondere Stärke
[* 16] auszeichnet.
Diese wird dadurch erreicht, daß die Sonne
auf den Gletschern bekanntlich eine besondere Wärme
[* 17] entwickelt.
Wirklicher Gletscherwein (vin de glacier) ist sehr selten, nur der kleinste
Teil des unter diesem Namen verkauften Weins ist echt.
Ein auf beiden Seiten scharfes, schwertartiges Blatt,
[* 21] in eine Spitze auslaufend
und mit mehreren seitlichen Haken, auf 5-6 m langem Schaft befestigt.
Glevner (Spießer), der eine Gleve führende
Reiter, war stets von Adel und ritt nie als »Einspänniger«, d. h.
mit einem Pferd
[* 22] ohne Diener.
Erst 1838 kam er nach Paris zurück. Vor das Publikum trat Gleyre zuerst 1840 mit einem Gemälde: Johannes auf der InselPatmos. Doch
errang er erst 1843 mit dem Abend, einem Motiv vom Nil, einen Dichter darstellend, der vom Ufer aus die personifizierten
Träume seiner Jugend in einem Kahn davonfahren sieht (im Louvre), einen durchschlagenden Erfolg. Er suchte sich fortan seinen
eignen Weg, indem er Kraft
[* 28] des Ausdrucks und Tiefe der Empfindung mit poetischer Idealität verband. Er malte religiöse, historische
und mythologische Bilder.
[* 32] (lat. Articulus), ein einzelner Teil des Körpers, besonders ein beweglicher äußerer Körperteil
im Gegensatz von Kopf oder Rumpf, auch eine einzelne Abteilung eines solchen Körperteils, z. B. Finger etc. Männliches Glied, s.
Rute. Ferner eine Abteilung eines mechanisch verbundenen Ganzen, welches gegen andre freie Beweglichkeit hat, wie Glieder
[* 33] einer
Kette, bei Pflanzen das Mittelstück zwischen zwei Gelenken; in der Mathematik allgemeiner Ausdruck für eine
Größe, die zwar als für sich abgeschlossene, aber mit andern in Verbindung stehende betrachtet wird, z. B. Glied einer Reihe;
in der Logik ein einzelner Teil oder Satz (Vorder-, Mittel-, Hinterglied) eines Syllogismus.
Militärisch ist Glied eine Reihe nebeneinander stehender Soldaten, geschlossen, wenn letztere mit Fühlung,
geöffnet, wenn sie mit einem größern Abstand stehen, wie dies z. B. bei Fechtübungen etc. nötig
ist; Gliederabstand ist der freie Raum zwischen den hintereinander stehenden Gliedern, bei Fußtruppen normalmäßig so groß,
daß bei ausgestrecktem Arm der Hintermann mit den Fingerspitzen die Schulter des vordern berührt, bei Reitern ein Schritt;
Gliederfeuer, gliedweises Feuer.
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In der Baukunst
[* 35] einzelne Teile, aus denen Bauverzierungen oder Gesimse zusammengesetzt werden. Hinsichtlich ihrer Bestimmung
sind Glieder tragende, wenn sie zur Unterstützung der darauf folgenden dienen, deckende, wenn sie einen Bauteil beendigen
und bekrönen, säumende, wenn sie einen Bauteil einfassen, trennende und verbindende, wenn sie bez.
die Absonderung und Verknüpfung der Hauptglieder untereinander bewirken. Hinsichtlich ihrer Größe oder
Höhe zerfallen sie in große, mittlere und kleine, hinsichtlich ihrer Form in gerade und gebogene. GeradeGlieder sind: die
Platte oder, wenn sie auf der untern Fläche eine Aushöhlung (Regenrinne) hat, Kranzleiste und der Riemen (Saum);
(Arthropoden, Arthropoda), einer der großen Stämme des Tierreichs. Sie sind ausgezeichnet durch den
Besitz eines gegliederten Körpers mit gleichfalls gegliederten Anhängen (Beinen, Fühlern etc.) und unterscheiden sich durch
das letztere Merkmal wesentlich von den Ringelwürmern (Anneliden, s. d.), die gleich ihnen aus Gliedern
bestehen und früher mit ihnen zur Gruppe der Gliedertiere vereinigt wurden. Bei allen Gliederfüßlern wird die Haut
[* 39] aus einer
Zellschicht und einer von ihr abgesonderten Masse, dem Chitin (s. d.), gebildet;
man bezeichnet sie alsdann wohl als Panzer oder Hautskelett. Im Innern derselben liegen sämtliche
Weichteile, doch ragen auch Fortsätze der Haut nach innen hinein und dienen den Muskeln
[* 41] zur Befestigung;
ein inneres Skelett,
[* 42] wie bei den Wirbeltieren, existiert aber nicht, vielmehr geht selbst die Muskulatur der Beine von der Haut
aus.
Der Gegensatz zu den Wirbeltieren wird noch größer dadurch, daß bei den Gliederfüßlern im Innern des Körpers und
namentlich der Gliedmaßen zwischen den Organen meistens viel Raum bleibt, der mit Blut erfüllt ist. Die
Gliederung ist nur in seltenen Fällen nicht deutlich; in der Regel zerfällt der Leib in eine Anzahl hintereinander gelegener
Ringe (Segmente), von denen bei manchen Gliederfüßlern wenigstens jedes dem andern sehr ähnlich (homonom) ist. Verschieden
(heteronom) von den folgenden Segmenten ist jedoch der Kopf: er trägt die Augen und Fühler, birgt das Gehirn
[* 43] etc. Weiter nach hinten unterscheidet man meist eine Brust (Thorax) und einen Hinterleib (Abdomen);
letzterer trägt entweder
gar keine oder doch einfachere Gliedmaßen, während an der Brust meist die eigentlichen Bewegungsorgane (Beine, Flügel) angebracht
sind.
In den höhern Klassen der Gliederfüßler ist die Anzahl der Körperglieder meist gering; bei vielen verwachsen
manche Ringe miteinander, wie denn z. B. der Kopf der Insekten
[* 44] aus einer Anzahl völlig miteinander verschmolzener Segmente hervorgegangen
ist. Bei manchen Krebsen etc. verwachsen Kopf und Brust zu dem sogen. Cephalothorax (Kopfbruststück). Im allgemeinen trägt jeder
Ring ein einziges PaarGliedmaßen (höchst selten deren zwei, häufig keins), so daß man aus der Anzahl
der letztern die Zahl der miteinander verschmolzenen Segmente ermitteln kann.
Die von der Haut nach außen abgeschiedene Chitinschicht gestattet eine Ausdehnung durch Wachstum nur in
sehr geringem Maß, wird daher von dem wachsenden Tier in gewissen Zeiträumen abgeworfen; die unter ihr bereits fertige geräumigere
Schicht ist anfangs weich, erhärtet jedoch bald. Bei diesen Häutungen, die bei vielen Gliederfüßlern zeitlebens erfolgen,
bei andern (Insekten) auf die Jugendzeit beschränkt sind, werden auch alle Veränderungen mit Bezug auf
den Bau des Körpers (Metamorphosen) sichtbar; anscheinend treten dieselben also sprungweise auf, sind aber bereits und zwar
oft seit langer Zeit unter der alten Haut vorbereitet. Es erneuert sich aber nicht nur die Oberfläche der Haut, sondern auch
die des größten Teils des Darms, die der Ausführungsgänge der Drüsen, der Muskelsehnen etc., kurz
aller der Teile, welche eine Chitinbedeckung haben.
Bei vielen Gliederfüßlern ist die Zahl der Bauchknoten eine sehr geringe; manchmal sind sogar alle zu einer großen, in der
Brust gelegenen Nervenmasse verschmolzen. Aus dem Gehirn entspringen die Sinnesnerven, aus dem Bauchmark die Nerven
[* 48] für Haut
und Muskeln. Für die Eingeweide
[* 49] ist meist eine besondere Nervenleitung (sympathisches Nervensystem) vorhanden,
die aber vom Gehirn ausgeht. Von Sinnesorganen sind die Augen in fast allen Fällen gut ausgebildet; man unterscheidet einfache
(Ocellen) und zusammengesetzte oder facettierte Augen (s. Auge).
[* 50]
Gehörorgane sind nicht überall zweifellos nachweisbar und liegen zwar meist am Kopf, jedoch mitunter an den Beinen oder im
Schwanz. Geruchs- und Geschmacksorgane sind sehr verbreitet; zum Tasten dienen eigentümlich geformte Haare
[* 51] an den meisten Körperteilen, vor allen an den Fühlern oder Antennen. Die Verdauung besorgt ein meist kurzer, oft sehr langer
und dann vielfach gewundener Darm,
[* 52] dessen Anfang (Vorderdarm) und Ende (Hinterdarm) Hauteinstülpungen sind.
Speicheldrüsen, Leber und ähnliche Drüsen sind nicht immer vorhanden, häufig jedoch sehr groß. Nur
in sehr seltenen Fällen fehlt der Darm gänzlich. In den Hinterdarm münden fast überall die Nieren (Exkretionsorgane), welche
meist die Form von Schläuchen haben und Harnbestandteile absondern. AndreHarnwerkzeuge finden sich bei Krebsen in Gestalt besonderer
Drüsen, die am Kopf ausmünden. Atmung und Blutumlauf erfolgen bei den einzelnen Gruppen der in ganz verschiedener
Weise. Ein Herz fehlt bei vielen Gliederfüßlern; wo es vorhanden ist, liegt es in Gestalt eines langen oder kurzen
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Schlauchs (Rückengefäß) auf der Rückseite des Körpers über dem Darm. Das Blut wird von ihm hinten aufgenommen und vorn oder
seitlich ausgepumpt; es strömt dann entweder in besondern Gefäßen im Körper umher, oder zirkuliert in den zwischen den
Eingeweiden, Muskeln etc. befindlichen Lücken wie in bestimmten Bahnen. Mit Sauerstoff versorgt es sich in
den Atmungsorganen. Diese sind sehr vielfältiger Natur. Bei dünnhäutigen Wassertieren kann die ganze Körperoberfläche
den Austausch der im Wasser gelösten Atemluft mit dem Blut vermitteln oder auch nur der Darm, indem er rhythmisch Wasser ein-
und auspumpt, dies besorgen; meist jedoch haben die in Wasser oder feuchter Luft lebenden Gliederfüßler besondere
Kiemen, d. h. dünnhäutige Körperteile, in denen das Blut sich oxydieren kann.
Die eigentlichen Landtiere aber besitzen Tracheen,
[* 54] d. h. vielfach verzweigte Luftröhren, die gewöhnlich zu mehreren vorhanden
sind; jede dringt von einer besondern Öffnung am Rumpf aus in das Innere des Körpers ein und löst sich dort
zwischen und in den Organen in die feinsten Zweige auf. Während also in den Kiemen das Blut der Luft entgegenströmt, sucht umgekehrt
in den Tracheen die Luft im Innern des Körpers das Blut auf. Dieser Unterschied ist so wichtig, daß man für die Insekten, Tausendfüße
etc. als Tracheentiere (Tracheaten) eine besondere Abteilung der Gliederfüßler eingerichtet hat (s.
unten).
Die Fortpflanzung geschieht nie durch Teilung oder Sprossung, wie bei manchen Würmern oder andern niedern Tieren, sondern stets
durch Eier;
[* 55] doch brauchen diese durchaus nicht immer befruchtet zu sein. Vielmehr wird die Anzahl der Fälle, in denen unzweifelhafte
Jungfernzeugung (Parthenogenesis s. d.) beobachtet ist,
immer größer; gewöhnlich treten aber nach einer Reihe von Jungferngenerationen wieder Männchen auf, welche die Eier befruchten
und ihnen damit eine längere Entwickelungsfähigkeit verschaffen.
Männchen und Weibchen sind übrigens manchmal so sehr voneinander verschieden, daß man ihre Zusammengehörigkeit erst durch
besondere Beobachtungen feststellen kann; nicht selten leben die Männchen geradezu als Parasiten auf den
viel größern Weibchen. Die Anzahl der Eier ist gewöhnlich sehr groß, die Zeitdauer der Entwickelung bis zur Geschlechtsreife
häufig sehr kurz, so daß die Vermehrung alsdann ungemein rasch vor sich geht. Doch sind auch Fälle bekannt, in denen das
Weibchen überhaupt nur ein Ei
[* 56] legt.
Bei den Krebsen tritt die Geschlechtsreife meist sehr früh, lange bevor die Tiere ausgewachsen sind, ein und dauert lange fort;
bei den Insekten und andern Arten hingegen bildet sie das Ende des Daseins, so daß nach der Begattung das Männchen, nach der
Eiablage auch das Weibchen stirbt. Die Entwickelung geschieht zum Teil derart, daß das Junge aus dem Ei
bereits in vollendeter Form (wenn auch noch nicht in der spätern Größe) ausschlüpft, zum Teil so, daß es in einer andern
Gestalt daraus hervorgeht und nun noch manchen Verwandlungen (Metamorphosen) unterliegt, ehe es seinem Erzeuger ähnlich wird.
Namentlich bei den Insekten sind die Larvenstadien als Raupe, Made, Puppe etc. wegen ihrer Abweichungen von
den Erwachsenen schon von alters her jedermann geläufig.
Die Zahl der bekannten Arten von Gliederfüßlern ist weit größer als die jedes andern Tierstammes; der Grund dafür liegt
ebensowohl in der großen Mannigfaltigkeit der Formen wie in der Menge von Forschern, welche seit mehreren
Jahrhunderten namentlich auf dem Insektengebiet
thätig gewesen sind. Indessen stellt sich in der Neuzeit heraus, daß
ein großer Teil der beschriebenen Arten nicht zu Recht besteht, vielmehr nur auf leichte individuelle Abänderungen zurückzuführen
ist.
Immerhin würden, wenn selbst die Hälfte der Arten aus diesem Grund einginge, allein für die Käfer
[* 57] schon
über 30,000 übrigbleiben. FossileArten sind verhältnismäßig ungemein wenig aufgefunden worden; zur Erkennung der Abstammung
der Gliederfüßler tragen sie wenig oder gar nichts bei. Auf Grund der entwickelungsgeschichtlichen und anatomischen Thatsachen glaubt
man zur Zeit, daß die Gliederfüßler von Würmern abstammen, weiß aber noch nicht bestimmt, ob alle den gleichen
Ursprung haben, oder ob nicht für einzelne Gruppen eine besondere Herkunft anzunehmen sei. Vielfach gebräuchlich ist gegenwärtig
noch die Einteilung der in vier große Gruppen: Krebse, Spinnen,
[* 58] Tausendfüße und Insekten;
doch trägt die folgende den neuesten
Untersuchungen mehr Rechnung:
(Gliedernuß, Gliederfrucht, Lomentum), trockenwandige, nicht aufspringende Frucht,
die sich der Quere nach in mehrere übereinander stehende, meist einsamige Glieder zerteilt;
künstliche (Ersatzglieder, Prothesen), mehr oder weniger komplizierte, aus Holz,
[* 60] Metall, Kautschuk etc. angefertigte
Apparate, welche nach erfolgter Amputation eines Armes oder Beines an den Stumpf des Gliedes angefügt werden
und das verloren gegangene Glied soviel wie möglich zu ersetzen bestimmt sind. Der Gebrauch künstlicher Glieder reicht bis
in das Altertum zurück. Das uns geläufigste historische Beispiel eines solchen Ersatzmittels ist die eiserne Hand
[* 61] des Götz
v. Berlichingen (vgl. Mechel, Die eiserne Hand des Götz etc., Berl. 1815, 4 Tafeln).
Die Anzahl derer, welche durch Verwundungen im Krieg wie durch Krankheiten verschiedener Art (Knochenfraß, Knochengeschwülste
etc.) den Verlust eines Armes oder Beines zu beklagen haben, oder welche durch die dem Handel, der Industrie und Landwirtschaft
dienenden Maschinen aller Art verletzt und verstümmelt werden, ist eine viel größere, als man sich
gewöhnlich vorstellt. Ein zweckmäßig konstruiertes Ersatzglied gewährt solchen Verstümmelten die größte Hilfe, erlaubt
ihnen das Gehen und Stehen, sogar ohne Krücke, und befähigt bei entsprechender Übung selbst zu den kompliziertesten Bewegungen,
z. B. zum Schreiben mit der künstlichen Hand.
Auch ästhetische Rücksichten und der nachteilige Einfluß, welchen der Verlust größerer Gliedmaßen
auf Stellung und Haltung des Rumpfes ausübt, werden dem Gebrauch künstlicher Glieder das Wort reden. Bei allen künstlichen
Gliedern, so verschieden im einzelnen ihre Konstruktion sein mag, kommen folgende drei Faktoren in Betracht:
1) Der Körper oder die Hülse
[* 62] soll in ihrer äußern Form dem abgesetzten Glied so ähnlich wie möglich
sein. Bei möglichst geringem Gewicht muß die Hülse genügend fest und dauerhaft sein. Man formt sie aus
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gebohrtem Holz(meistLinden- oder Weidenholz), aus Leder und zwar aus hartem wie halb weichem Leder und macht dann die Hülse
eventuell verschnürbar, neuerdings aber ganz vorzugsweise aus Hartgummi. Zuweilen werden die Hülsen zur Erreichung größerer
Festigkeit
[* 64] noch mit Stahlschienen versehen, dagegen sind vollständige Metallhülsen gegenwärtig ganz außer Gebrauch gekommen.
2) Der Mechanismus verbindet teils die Hülsenteile miteinander, teils vermittelt er gewisse Stellungen und Drehbewegungen
derselben zu einander. Bei künstlichen Beinen ist ein dreifacher Mechanismus erforderlich: für die Bewegung im Kniegelenk,
im Sprunggelenk und an den Zehen. Die Gelenke werden im allgemeinen durch ein Gewerbegelenk (Scharnier) nachgeahmt, welches
in der verschiedensten Weise zur Ausführung kommt. Besonders fest und dauerhaft muß der Kniegelenksmechanismus
gearbeitet sein. Seit Anwendung des Weichgummivorfußes bei der Konstruktion künstlicher Beine durch den Amerikaner A. Marks
ist der Zehengelenksmechanismus ganz ausgeschlossen worden, und das künstliche Bein besitzt nach dessen Konstruktion nur noch
ein Knie- und ein Fußgelenk.
3) Die Hilfsapparate dienen teils zur Befestigung des künstlichen Gliedes am Amputationsstumpf oder am
Rumpf des Trägers, z. B. Beckengürtel, Achselträger etc., teils
nehmen sie denStumpf auf und erhalten ihn in seiner Form, verhindern stärkere Verschiebung der Weichteile an demselben und
sollen ihn überhaupt vor Druck etc. schützen. Der letztere Bestandteil wird gewöhnlich in Form eines
gepolsterten, dem Stumpf angepaßten und mit weichem Leder überzogenen Trichters ausgeführt.
Aus der großen Zahl verschiedener Konstruktionen dürften folgende als die bewährtesten und renommiertesten hervorzuheben
sein. Für die untern Extremitäten:
4) Das Bein des Dr. Douglas Bly, Sprunggelenk, durch eine frei bewegliche Kugel gebildet; von mancher Seite als vorzüglich bequem
gerühmt, verlangt jedoch eine sehr zarte Behandlung und bedarf häufiger Reparaturen (s. unten).
Preis 175 Doll. Ein solches Bein von 91 cmLänge wog 2,25 kg. 5) Das vom Mechanikus Beckmann in Kiel
[* 68] nach ProfessorEsmarchs Angabe
konstruierte Bein. Die Oberschenkelhülse ist ein Korb aus Stahlstangen, Kniemechanismus aus Holzteilen mit
Stahlspirale hinten und Gummigurt vorn zur Regulierung der
Streckung. Der Mechanismus des Sprunggelenks ist ein beschränktes
Kugelgelenk, der Zehenmechanismus ein Scharnier mit zwei Spiralfedern. Gewicht 2,75 kg, Preis etwa 150 Mk. 6) Das Bein von A.
Marks in Philadelphia
[* 69] wird als dasjenige Ersatzglied angesehen, welchem die Zukunft gehört.
Holzhülse oder schnürbare Oberschenkellederhülse; eigentümlicher, sehr solider Kniegelenksmechanismus.
Der Vorfuß besteht aus Weichgummi (India Rubber-Fuß), ist mit der Unterschenkelhülse durch einen fest stehenden Holzzapfen
verbunden, und der Zehenmechanismus fällt ganz weg. Der Apparat ist sehr einfach, sicher und dauerhaft, muß aber aus dem
besten Gummi verfertigt sein; Gewicht bis zu 3 kg, Preis 100 Doll. Für die obern Extremitäten gibt es noch
zahlreichere Konstruktionen als für die Beine. Hervorzuheben sind:
1) Der künstliche Arm für den Oberarmstumpf von Masters in London. BeweglicheFinger, der Daumen gegen den Zeigefinger durch
Feder stellbar. Sehr elegant, aber nur für den leichtesten Gebrauch geeignet; Gewicht 0,68 kg, Preis 225 Mk.
2) Der künstliche Arm für den Vorderarmstumpf, ebenfalls von Masters, wiegt 0,57 kg und kostet 170 Mk. 3) Der künstliche
Arm von Fichot in Paris für den Ober- und Vorderarmstumpf. Finger unbeweglich bis auf den Daumen, welcher durch Weichgummistreifen
an den Zeigefinger angezogen, durch eine über den Oberarm zur andern Schulter gehende Darmsaite abgezogen
(gespreizt) wird. Gewicht 0,68 kg bei 72 cmLänge, Preis 60 Mk. 4) Der Arm von Werber in Paris. Finger unbeweglich, nur der Daumen
wird vermittelst einer Feder angedrückt u. durch eine Darmsaite abgezogen. Gewicht 0,57 kg bei 76 cmLänge, Preis 120 Mk.
5) Der Arm von Weber-Moos in Zürich
für den Vorderarmstumpf. Finger an der Mittelhand in Halbbeugung, federnd, Daumen nicht feststellbar.
Gewicht 0,57 kg, Länge 42 cm, Preis 127 Mk. An den künstlichen Händen wird häufig eine Vorrichtung zum Einstecken des Messers
oder der Gabel angebracht. Der in der Abbildung
[* 33]
(Fig. 1) beigefügte Ersatz des Oberarms wird mit Gurten
an der Schulter befestigt.
Die Hülsen für Ober- und Vorderarm bestehen aus leichtem Holz, welches durch Stahlschienen größere Festigkeit erhält. Der
Ellbogen ist wie ein Scharnier beweglich, ebenso die einzelnen Finger, das Handgelenk ist frei drehbar, und alle diese Gelenke
werden durch Federn in ihrer Stellung erhalten. Dieser künstliche Arm ist deutsches Fabrikat und kostet ca. 150 Mk.
[* 33]
Fig. 2-4
stellen einen von Charrière ersonnenen künstlichen Vorderarm dar. Der Apparat wird an dem Oberarmstumpf durch eine mit Schnürlöchern
versehene Armschiene A befestigt und durch eine am obern Teil befindliche Schlinge am Herabrutschen verhindert.
Der Vorderarm besteht aus präpariertem Leder und hat am Handgelenk zwei Scharniere, welche die Beugung
[* 70] der Hand gestatten. Eine
am Vorderarm bei C befestigte Darmsaite g zieht diesen an, indem sie ihren Stützpunkt an der Armschiene bei a nimmt. Das Beugen
des Ellbogens und der Hand geschieht durch Erheben des Stumpfes. Bei dieser Bewegung wird eine zweite Schnur D angezogen, die
bei E exzentrisch an dem Ellbogenscharnier befestigt ist, das andre Ende derselben ist mit einer starken Spiralfeder versehen
und in der Hand bei F befestigt, beim Anziehen der Schnur wird diese im Faustgelenk gebeugt. Sobald jedoch
der Zug
an der hinter der Schulter befestigten Schnur nachläßt, richtet sich der Vorderarm durch die Kraft zweier hinter dem Ellbogen
befindlichen Federn wieder gerade.
Gleichzeitig mit dem Vorderarm wird auch die Hand gestreckt und zwar durch den Zug
einer schwächern Spiralfeder, die sich
außerhalb der Hand bei H und am Vorderarm bei J ansetzt. Das Auswärts- und Einwärtsrollen (Pronations- u. Supinationsbewegung)
wird durch Druck auf die Knöpfchen l hervorgebracht. Den sehr komplizierten Mechanismus des Streckens und Beugens der einzelnen
Fingerglieder erläutern
[* 71]
Fig. 3 und 4.
[* 71]
Fig. 5 und 6 zeigen das Bein des Dr. Bly im Vertikaldurchschnitt.
Das Enkelgelenk wird durch eine Glaskugel B gebildet, welche sich in einer Höhlung von vulkanisiertem Kautschuk dreht. Die
Kautschukfedern S vertreten die Muskulatur des Unterschenkels und laufen in vier SaitenC aus, deren Spannung durch die Schraubenmuttern
N beliebig geregelt wird, und deren vier untere Ausläufer in
[* 71]
Fig. 6 C sichtbar sind. Das Kniegelenk wird
durch einen achsenartigen Bolzen gebildet und durch die auf der Platte D angebrachte Feder E bewegt, während die Schnur H diese
Bewegungen regelt, welche durch die Stange F vermittelt werden.
Die Federn, welche aus vulkanisiertem Kautschuk, wie die Eisenbahnwagenfedern, gefertigt sind, haben gegen
Metallfedern
[* 72] den Vorzug der
großen Dauerhaftigkeit und bringen, wenn das Gewicht des Körpers beim Gehen auf dem künstlichen
Bein geruht hat, durch die darauf folgende Ausdehnung den künstlichen Fuß ohne Anstrengung nach vorn in die richtige Stellung.
(Gliedermann), eine mit beweglichen Gliedern versehene Puppe, mit welcher man die Stellungen und Lagen eines
Menschen nachahmen und darstellen kann, dient den Künstlern als Modell, um danach das Gewand richtig anzuordnen
und zu legen, wird auch bei chirurgischen Vorlesungen benutzt.
Die erste Anwendung derselben schreibt man dem italienischen
MalerFra Bartolommeo (1475-1517) zu.