kann ihn als Baumaterial selbst bei -5° bis -10° verarbeiten. Auf
Grund dieser
Thatsachen hat
man in neuerer Zeit den Gips
[* 2] als
Baumaterial wieder empfohlen, und eine Art
Gipsbeton wurde seit mehreren
Jahren unter dem
NamenAnnalith mit dem günstigsten
Erfolg vielfach zu bedeutenden Bauten verwendet. Der
Annalith besteht aus einer Mischung von scharf gebranntem,
langsam bindendem Osteroder Gips mit reinem, scharfem
Sand oder
Grand und größern erdfreien
Steinen (Flußkieseln,
Abfällen
von
Bruchsteinen, Backsteinschrotten etc.). Er wird in eigentümlich zusammengesetzte
Formen gegossen, in denen er bald die
Festigkeit,
[* 3] Dauerhaftigkeit und Wetterbeständigkeit der alten Gipsmauerwerke erlangt.
Bisweilen formt man auch aus Gips zunächst
Quadern, die dann wie gewöhnlich benutzt werden. Fermin hat
aus den
Brocken alter
Mauern, die er in einen
Kasten schüttete, und deren Zwischenräume er mit gutem dünnen Gips ausgoß, große
Bausteine gefertigt, die in wenigen
Tagen zum Vermauern brauchbar waren. Das
Hôtel de Plâtres
(RueGrenelle) inParis,
[* 4] aus derartigen
Quadern gebaut, war nach 80
Jahren ohne
Borsten,
Risse und
Senkung.
In denJahren 1858 und 1859 wurden am
Harz verschiedene
Gebäude in Gipsquadern ausgeführt, die sich sehr gut bewährt haben; auch hat man dort hohle
Quadern angefertigt, indem
man Kernstücke in die
Formen setzte.
Gewölbe,
[* 5]
Treppen
[* 6] und
Plafonds wurden mit großem Vorteil aus
Annalith
hergestellt; ebenso hat man Dampfmaschinenschornsteine, Anschlagsäulen, Dampftrockenöfen u.
dgl. aus
Annalith gebaut, und alle
Erfahrungen sprechen dafür, daß diese Bauweise eine bedeutende Zukunft haben wird, zumal
wir in
Deutschland
[* 7] ausgedehnte Gipslager besitzen, welche den
Bedarf auf lange Zeit zu decken im stande sind.
Über die Benutzung des Gipses zu
Zement s. d.
Der Gips und seine große Verwendbarkeit waren schon den Alten bekannt. Herodot erzählt von den Äthiopiern, daß
sie ihre getrockneten
Leichname durchaus übergipsten und schön anmalten. Der
Mörtel der großen
Cheops-Pyramide besteht zu 83 Proz.
aus auch Vitruv und
Plinius sprechen von der Benutzung des Gipses zu Bauzwecken, und letzterer erzählt,
daß
Lysistratos aus
Sikyon zuerst einen
Gipsabguß von einem menschlichen
Gesicht
[* 8] genommen und in die Form
Wachs gegossen habe.
Mit Gipsspat bestreute man bei den circensischen
Spielen den
Boden, und auf ähnliche
Weise benutzte später der gläubige
Sinn
desVolkes den farblosen, durchsichtigen Gipsspat als
Symbol der Reinheit und
Keuschheit und schmückte
mit demselben die
Statuen der
Maria
(Marienglas). Die großen Tafeln des spanischen Gipsspats dienten den Alten als Glastafeln.
Später geriet die
Kunst, in Gips zu arbeiten, in Vergessenheit und soll zuerst von Margaritone um 1300 in
Italien
[* 9] wieder
erfunden worden sein.
Vervollkommt ward sie namentlich durch den
Maler Nani zu Zeit
Raffaels, wie die vielen herrlichen Stuckarbeiten im
Vatikan
[* 10] beweisen.
In
Deutschland wurde der in der Mitte des 17. Jahrh. zu gewöhnlichen
Arbeiten vielfach benutzt; die
Aufnahme der Stuckarbeiten
datiert aber hier und in
Frankreich erst von dem Anfang des 18. Jahrh., worauf sie dann, namentlich
in der Rokokozeit, eine großartige
Rolle spielte.
Vgl.
Heusinger v. Waldegg, Der Gipsbrenner, Gipsgießer und Gipsbaumeister
(Leipz. 1867);
ein fester, starrer
Verband,
[* 11] welcher in der Neuzeit ausgedehnte Anwendung gefunden
hat und überall da benutzt werden kann, wo ein
Glied
[* 12] längere Zeit hindurch in fast absoluter Unbeweglichkeit erhalten werden
soll. Von der größten Bedeutung ist der in der
Kriegschirurgie, wenn es gilt, Verwundete mit zerschossenen
Knochen
[* 13] und verletzten
Gelenken auf weite
Strecken zu transportieren. Das kranke
Glied wird dann für die Dauer des
Transports in
einen Gipsverband gelegt, um dem Verwundeten die Qualen und
Schmerzen zu ersparen, welche sonst durch die mit jeder Art des
Transports
verbundenen
Erschütterungen des
Körpers hervorgerufen werden.
Beim Anlegen eines Gipsverbands verfährt
man in folgender
Weise: Zuerst wird das kranke
Glied gereinigt
und mit einer
Binde aus dünnem
Flanell oder aus weichem Baumwollstoff in der
Ausdehnung
[* 14] des künftigen Gipsverbands kunstgerecht
eingewickelt. Hierauf werden Gazebinden, welche vorher mit Gipsmehl imprägniert worden sind, in lauwarmes
Wasser getaucht
und in regelmäßigen
Touren um das mit der Flanellbinde versehene
Glied geführt. Gleichzeitig muß ein
dünner Gipsbrei angerührt werden, welchen man mit der
Hand
[* 15] über die gegipsten Gazebinden streicht, bis der
Verband eine
genügende, gleichmäßige
Dicke und ein glattes, regelmäßiges Aussehen angenommen hat.
Der
Gips erstarrt nach etwa ¼
Stunde und bleibt je nach dem individuellen
Bedürfnis mehrere
Tage oder
Wochen
lang liegen. Befindet sich im Bereich des Gipsverbands eine
Wunde, so wird an der
Stelle der letztern nach Vollendung des
Verbands
eine Öffnung, sogen.
Fenster, in die starre
Hülle eingeschnitten, um die
Wunde genügend übersehen und verbinden zu können.
Zur
Entfernung des Gipsverbands bedient man sich einer starkenSchere,
[* 16] sogen. Gipsschere. Vgl.
Verband.
(CamelopardalisSchreb., Kamelparder), Säugetiergattung aus der
Ordnung der
Huftiere, repräsentiert allein die
Familie der Abschüssigen
(Devexa) und enthält nur die eine Art C. GiraffaSchreb. Dies ist ein höchst
auffallend gebautes
Tier, 2,2 m lang, mit 1,1 m langem
Schwanz, am
Widerrist 3, bis zum
Scheitel aber 6 m hoch, da die Vorderbeine
und der
Hals sehr lang sind; der
Rumpf ist dick und sehr kurz, der
Rücken abschüssig, der
Kopf sehr zierlich gebaut, mit mittellangen
Ohren, großenAugen und zwei auf der
Nase
[* 17] zwischen
Stirn- und
Scheitelbein stehenden, dem
Rosenstock der
Hirsche
[* 18] entsprechenden Knochenzapfen, welche sich bei beiden Geschlechtern finden, stets von der
Haut
[* 19] überzogen bleiben und nicht
abgeworfen werden. Vor ihnen liegt auf dem Nasenrücken eine dritte knöcherne
Erhöhung. Die
Beine sind zart mit zierlichem
Huf
[* 20] und nackter
Schwiele an den Beugegelenken, der lange
Schwanz besitzt eine Endquaste. Die Giraffe ist fast
sandgelb, auf dem
Rücken dunkler, auf der Unterseite weißlich, mit dicht stehenden, ziemlich großen, eckigen, dunkler oder
heller rostbraunen
Flecken, zwischen welchen der helle
Grund nur netzartig hervortritt; der Haarkamm auf
¶
mehr
der Rückseite des Halses ist fahl und braun gebändert. Die Giraffe bewohnt Afrika
[* 22] von der südlichen Grenze der Sahara bis 24°
südl. Br. und lebt in den ebenen Steppengegenden in Trupps von 6-8, selbst 30 und 40 Stück. Ihr Gang
[* 23] ist ein langsamer Paßschritt,
ihr Lauf ein schwerfälliger, plumper, aber ungemein fördernder Galopp,
[* 24] in welchem sie es mit einem guten
Pferd
[* 25] aufnimmt, aber länger als dieses aushält. Sie lebt von Baumlaub, besonders von dem der Mimosen, und in der trocknen
Jahreszeit von dürrem Gras, welches sie mit ihrer wurmförmigen, als Greiforgan sehr geschickten Zunge pflückt. Um zu trinken
oder etwas vom Boden aufzunehmen, spreizt sie die Vorderläufe so weit auseinander, daß sie mit dem langen
Hals auf den Boden herabreichen kann.
IhreSinne, namentlich Gesicht und Gehör,
[* 26] sind vortrefflich entwickelt. Sie ist friedlich, sanft, weiß sich aber durch gewaltige
Schläge mit den Läufen selbst gegen den Löwen
[* 27] zu verteidigen. Die Paarung erfolgt im Frühjahr, und nach 14 Monaten
wirft die Alte ein Junges. Jagd und Fang der Giraffe sind sehr schwierig. Man benutzt die Haut zu Lederwerk, die Schwanzquaste als
Fliegenwedel, die Hufe zu Hornarbeiten und genießt das Fleisch. In den innerafrikanischen Städten läßt man gezähmte Giraffen
oft frei umhergehen.
In den zoologischen Gärten sind sie nur bei sorgsamer Pflege längere Zeit zu erhalten und gehen meist an einer eigentümlichen
Knochenkrankheit zu Grunde. Indes haben sie sich in zoologischen Gärten bereits fortgepflanzt. Abbildungen der Giraffe finden sich
auf den altägyptischen Denkmälern. Der Name ist aus dem arabischen Serahfe, die Liebliche, verstümmelt.
Nach Rom
[* 28] kam die erste Giraffe unter Julius Cäsar, nach Deutschland 1212, und dann gelangten erst wieder 1827 lebende Giraffen nach
London
[* 29] und Paris. Gegenwärtig erhält man die meisten Giraffen aus Taka oder den zwischen dem BlauenFluß und dem RotenMeer gelegenen
Steppenländern. 1874 führte Reiche eine Gesellschaft von 24 Stück in Deutschland ein.
Name des Glockenturms in Sevilla
[* 31] (s. d.). ^[= (spr. ssewillja), span. Provinz in der Landschaft Andalusien, grenzt im N. an die Provinz Badajoz, ...]
Das Bemerkenswerteste unter seinen Werken sind seine bekanntlich von Shakespeare vielbenutzten »HundertNovellen« (»Gli Hecatommiti«,
Mondovi 1565 u. öfter; neue Ausg., Turin
[* 34] 1853, 3 Bde.),
worin er alles Anstößige fern zu halten sucht, aber höhere dichterische
Begabung und feinern Geschmack vermissen läßt. Nächstdem fanden seine »Tragedie« (Vened.
1582, 2 Bde., u. öfter) den meisten
Beifall. Giraldi schrieb außerdem: »Egle«, Satyrspiel (Ferrara
1546 u. öfter);
(franz., spr. schirangd, Girandel, v.
ital. girare, sich drehen), Wasserrad,
[* 38] vielröhriger Springbrunnen, bei welchem Wasserstrahlen im Kreis
[* 39] hervorschießen (Girande d'eau);
auch s. v. w. Feuerrad, Raketenkranz (vgl.
Girandole).
insbesondere heißt so das prachtvolle
Feuerwerk in Rom, das früher am Ostertag, jetzt am Konstitutionsfest (2. Juni) abends auf der Engelsburg veranstaltet wird. Girandole ist
auch Name eines silbernen oder bronzenen Leuchters mit drei und mehr Armen (s. Tafel »Bronze-Kunstindustrie«,
[* 41] Fig. 8 u. 10),
Die Pestalozzischen Ideen über Erziehung nahmen, seit er (1810) im amtlichen Auftrag der Tagsatzung die Anstalt zu Ifferten
^[richtig: Iferten] mit andern besucht und über sie berichtet hatte, ihn ganz für sich ein. Er starb Seine
Hauptschriften sind: »De l'enseignement régulier de la langue maternelle dans les écoles et dans la famille« (Par.
1844, 4. Aufl. 1873, von der französischen Akademie gekrönt; deutsch von Pabst, Biel 1846) und »Cours éducatif de la langue
maternelle« (Par. 1840-48, 6 Bde.).
und beständig verbesserte Maschine
[* 50] der Begründer der jetzigen mechanischen Flachsspinnerei, da die spätern einschlagenden
Erfindungen nur Fortschritte auf dem von ihm angebahnten und praktisch verfolgten Weg sind. Er konstruierte auch einen
Röhrenkessel, eine rotierende Dampfmaschine,
[* 51] eine Dampfkanone etc. 1815 nach Österreich
[* 52] berufen, betrieb er bis 1825 eine
Spinnerei zu Hirtenberg bei Wien.
[* 53] Später leitete er das Bergwesen in Polen und starb in Paris.
3) Edouard, franz. Maler und Kupferstecher, Bruder des vorigen, geb. zu Neuchâtel, gest. in Versailles,
[* 62] war anfangs Kupferstecher und arbeitete 1836 an dem großen Werk »Les galeries
historiques de Versailles« mit. 1839 brachte er von einer Reise in das Berner Oberland das erste jener fein
beobachteten und korrekt gezeichneten ländlichen Genrebilder mit, welche durch ihn rasch populär wurden. Fortan entlehnte
er seine Motive überwiegend diesem Landstrich und wußte die lokale Eigentümlichkeit in seinen zugleich einfachen und dramatischen
Kompositionen vortrefflich wiederzugeben. Der verwundete Hund, der Tod eines Kindes, die Bibellektüre, das
Tischgebet, die Erzählung der Großmutter und der väterliche Segen gehören zu seinen erfolgreichsten Arbeiten, der Jahrmarkt
im Kanton Bern
und die Auktion zu seinen letzten und reifsten. Von seinen Kupferstichen sind verschiedene Blätter nach Delaroche und Gérôme
zu nennen.
2) Alexandre, Graf von, Bruder des vorigen, geb. nahm an den FeldzügenNapoleons I. mit Auszeichnung
teil und ward 1814 Divisionsgeneral. Später von entschieden royalistischer Gesinnung, ward er OberjägermeisterKarls X. Nach
der Julirevolution lebte er zurückgezogen und starb Girardin veröffentlichte unter anderm: »Mémoire sur
la situation politique et militaire de l'Europe« (1844).
zu Paris, trat 1821 in das pharmazeutische Laboratorium
[* 66] der Hospitäler von Paris, 1825 in das Laboratorium von Thénard und
erhielt 1828 die Professur der angewandten Chemie in Rouen.
[* 67] Hier richtete er auch einen Kursus der angewandten Chemie für Arbeiter
ein und veröffentlichte diese Vorlesungen als »Leçons de chimie élémentaire appliquée aux arts industriels«
(1837; 6. Aufl. 1880, 5 Bde.). 1838 wurde
er zum Professor der Agrikulturchemie an der auf seinen Antrieb gegründeten École d'agriculture ernannt. 1848 begann er seine
Vorlesungen über den Dünger im DepartementNiederseine und übte einen großen Einfluß auf die Fortschritte der Kultur in der
Normandie. 1858 folgte er einem Ruf nach Lille und wurde dann Rektor der Akademie zu Clermont. Er schrieb:
»Éléments de minéralogie appliquée aux sciences chimiques« (Par. 1826, 2 Bde.);
»Nouveau manuel de botanique« (das. 1827);
»Considérations générales sur les volcans« (Rouen 1830);
»Chimie générale et appliquée« (1868-1869, 4 Bde.).
5)DelphineGay, MadameEmile de, franz. Dichterin, geb. zu Aachen,
[* 68] Tochter der Schriftstellerin
SophieGay, machte sich schon in ihrem 17. Jahr als Dichterin (auch durch ihre Schönheit) bekannt und erhielt von der Akademie
einen Preis. Seit 1831 mit Emile de Girardin verheiratet, starb sie in Paris. Ihr Ruf gründete sich
namentlich auf ihre Poesien, die als »Essais poétiques« (Par.
1824-26, 2 Bde., u. öfter) erschienen.
Außerdem schrieb sie Romane (»Le lorgnon«, »Contes d'une vieille fille«, »Le marquis de Fontanges«, »Marguerite«) und Theaterstücke
(»Judith«, »Cléopâtre«, »Lady Tartufe«, »Le chapeau de l'horloger« u. a.).
Großen Erfolg hatten ihre »Lettres parisiennes«, die sie unter dem Namen eines Vicomte de Launay 1836-48
in der »Presse«
[* 69] veröffentlichte. Ihre »Œuvres complètes« erschienen 1860 bis 1861 in 6 Bänden.
6) Emile de, franz. Publizist, geb. in der Schweiz als illegitimer Sohn von Girardin 2), hieß bis 1827 Delamothe
und ward 1847 von seinem Vater anerkannt. Er erhielt auf einem PariserCollège seine Bildung, ward 1823 im Kabinett des Generalsekretärs
der königlichen Museen angestellt und einige Jahre später Kunstinspektor im Ministerium des Innern. Litterarisch machte er
sich zuerst bekannt durch den Roman »Émile«, worin er seine Herkunft und die Geschichte seiner Kindheit
berichtet, sowie durch Gründung mehrerer Blätter, des »Voleur« (1828) und der »Mode« (1829),
denen nach der Julirevolution
das »Journal des connaissances utiles« (1831) und das »Musée des familles« (1832) folgten. Gleichzeitig beteiligte er sich
bei verschiedenen industriellen Unternehmungen und Spekulationen, die zum Teil einen übeln Nachklang für
ihn hatten. 1834 zum Abgeordneten in die Kammer gewählt, that er sich als eifriger Ministerieller hervor und gründete das
Journal »La Presse« als Organ der Hofpartei und der Konservativen, dessen Schmähungen ihn in einen Zweikampf mit dem Redakteur
des »National«, ArmandCarrel (s. d.), der im Duell blieb, verwickelten.
Für sein Journal bezog er vom Hof die
[* 70] reichlichste Unterstützung und
wurde durch Kabinettsbefehl von allen Untersuchungen,
in welche ihn seine Aktienschwindeleien verflochten, freigesprochen; ministeriellem Einfluß verdankte er auch 1838 seine
Wiederwahl in die Kammer. Nach den Februartagen 1848 schloß er sich der republikanischen Partei an und
verteidigte anfangs die provisorische Regierung, die er aber gleich wieder bekämpfte, da sie seine Dienste
[* 71] nicht annahm.
Obwohl er die Kandidatur LudwigNapoleons zur Präsidentschaft zuerst offen empfohlen, bekämpfte er auch diese bald wieder,
da der Prinz auf das politische Programm Girardins nicht eingehen wollte. Er warf sich nun entschieden
in die Arme des Sozialismus und gehörte, als er nach vielen vergeblichen Bemühungen 1850 vom DepartementNiederrhein in die
Nationalversammlung gewählt worden war, der äußersten Linken, der Bergpartei, an, die er aber bereits im August ebenfalls
wieder verließ.
Infolge seiner Wahl zum Deputierten hatte er die Redaktion der »Presse« an Nefftzer abgetreten; darauf nahm
er 1850 und 1851 teil an den Friedenskongressen zu Frankfurt
[* 72] und London. Nach dem wurde er auf unbestimmte Zeit aus
Frankreich verbannt und lebte in Brüssel,
[* 73] erhielt aber schon im Februar 1852 die Erlaubnis, nach Paris zurückzukehren, wo er
die oberste Redaktion der »Presse« wieder übernahm, bis er sie 1856 um 800,000 Frank an die Bankiers Millaud
u. Komp. verkaufte.
Vor dem italienischen Krieg empfahl er eine nationale und liberale Politik, welche Frankreich die Rheingrenze und Freiheit im
Innern verschaffen sollte. Trotz dieses liberalen Scheins diente seine Thätigkeit doch der Verherrlichung
des Kaisertums, das nach seiner Darstellung mit der wahren Freiheit sich recht gut vertragen könne. Als es ihm gleichwohl
nicht gelang, das gewünschte Portefeuille zu erhalten, kehrte er 1862 zu der publizistischen Thätigkeit zurück, leitete
wieder bis 1866 die »Presse« und gründete 1867 die imperialistische »Liberté«, welche er zu maßlosen
Hetzereien gegen Preußen
[* 74] benutzte.
Unter dem MinisteriumOllivier verkaufte er die »Liberté«, abermals um einen hohen Preis, und zog sich in der sichern Aussicht,
zum Senator gewählt zu werden, von der publizistischen Thätigkeit zurück; doch gelangte seine Wahl nicht mehr zur Veröffentlichung.
Während des Kriegs 1870 erreichten seine Auslassungen gegen Preußen die Höhe eines geradezu wahnwitzigen
Paroxysmus. Nochvor der Belagerung von Paris sich nach Limoges zurückziehend, gründete er hier das Journal »La Défense nationale«,
ließ dann seit April 1871 »L'Union française« erscheinen, worin er die
Idee einer Umgestaltung Frankreichs in eine Föderativrepublik vertrat, erwarb späterhin das »Journal officiel« und
übernahm im November 1874 die Direktion der »France«. Hier trug er 1877 wesentlich zum Sturz der reaktionären Regierung vom 16. Mai bei,
gewann sich dadurch eine neue Popularität und wurde im 9. Wahlbezirk von Paris als Nachfolger Grévys in die Deputiertenkammer
gewählt. Im J. 1881 verzichtete er auf eine Wiederwahl und zog sich reich und mit dem Ruf des größten
französischen Publizisten der Gegenwart ins Privatleben zurück. Er starb in Paris.
Von seinen zahlreichen Schriften heben wir noch hervor: »Études politiques« (2. Aufl. 1849);
»De l'instruction publique en
France« (neue Ausg. 1842);
»L'égale de l'homme« (wieder über die Frauenfrage, 1880, eine Entgegnung auf Dumas' »Les femmes
qui tuent, etc.«) etc. Eine Auswahl seiner Journalartikel
erschien gesammelt unter den Titeln: »Questions de mon temps« (1858, 12 Bde.)
und »Questions philosophiques« (1868).
Auch mehrere Lustspiele hat Girardin verfaßt, z. B. »Le
supplice d'une femme« und »Les deux soeurs« (beide 1865 aufgeführt,
das erstere mit ungeheuerm Erfolg, das letztere mit ebenso vollständigem Fiasko),
»Le mariage d'honneur« (1866),
»Les
hommes sont ce que les femmes les font« (1868) u. a. -
(spr. schirardóng),François, franz. Bildhauer, geb. 1630 zu Troyes, arbeitete anfangs in Paris in dem Atelier
des Bildhauers Fr. Anguier und ging später nach Rom. Nach seiner Rückkehr ward er 1650 erster Inspektor der Bildhauerarbeiten, 1659 Professor
und 1695 Kanzler der Akademie und starb Girardon gehört zu den bedeutendsten Künstlern seiner Zeit,
und wenn man ihm auch Reichtum an Erfindung absprechen und seine allzu theatralische Darstellungsweise tadeln muß, so war
er doch trefflich in der Komposition sowie in ausdrucksvoller Darstellung derKöpfe, und in den meisten seiner Werke gibt sich
auch ein gründliches Studium der Antike kund, wodurch er sich weit über Bernini erhebt. Tiefern geistigen
Ausdruck sucht man aber auch bei Girardon vergebens. Von seinen zahlreichen Werken sind die vorzüglichsten: das
Grabmal des KardinalsRichelieu in der Kirche derSorbonne, die Statuen in den Apollobädern zu Versailles, der Raub der Proserpina
und der Winter in Gestalt eines Greises (im Park zu Versailles).
Vgl. Corrard de Breban, Notice sur la vie
et les œuvres de Girardon (Par. 1850).
besonders rote, blaue und gelbe Korunde, wenn sie auf der konvexen Oberfläche heller schimmern, als die
Farbe des Steins ist (vgl. Korund
[* 77] und Adular).
(spr. schiro), 1) Giovanni, Graf, ital. Lustspieldichter, geb. zu Rom aus französischer Familie, trat 1793 in
Kriegsdienste und erhielt eine Offizierstelle, schrieb nebenbei eine Reihe von Lustspielen, die in Venedig
[* 78] mit lebhaftem Beifall
aufgeführt wurden, und wurde infolgedessen 1809 von Napoleon zum Generalintendanten aller Theater
[* 79] im Departement
jenseit der Alpen
[* 80] ernannt. Nach dem Sturz des Kaisers betrieb er Handelsunternehmungen, wodurch er ein ansehnliches Vermögen
erwarb, und starb in Neapel. Giraud erscheint als ein Nachahmer Molières, aber von der derbkomischen Seite, und seine
Stücke sind durch eine wirksame Situationskomik ausgezeichnet. Als die bekanntesten derselben (gesammelt
als
»Teatro«, Mail. 1823, 3 Bde.) sind zu nennen: »L'ajo nell' imbarazzo« (deutsch von Hell: »Der Hofmeister in tausend Ängsten«,
Dresd. 1824),
»La capricciosa confusa«,
»La conversazione al bujo« und »DonDesiderio«.
2) Eugène, franz. Maler und Kupferstecher, geb. zu Paris, wurde Schüler des Kupferstechers Richomme
und des Malers Hersent und erhielt 1826 den großen römischen Preis für einen Kupferstich; doch scheint er später diese
Kunst wenig mehr betrieben zu haben. Nach seiner Rückkehr aus Italien machte er 1846 mit dem Herzog von Montpensier
und AlexandreDumas eine Reise nach Spanien und Nordafrika, auf Grund deren er viele Szenen aus dem dortigen Volksleben malte.
Dahin gehören: der Tanz in einer Posada zu Granada
[* 81] (1853), ein tanzendes Mädchen in Kairo
[* 82] (1866) und (1869) ein tödlich verwundeter
Matador, der in einer Kapelle die Sterbesakramente empfängt und seiner Geliebten die Devisa, die dem getöteten
Stier abgenommene Schleife, reicht (die beiden letztern im Luxembourg). Unter seinen spätern Bildern sind zu nennen: die Abreise
zur ArmeeCondés (1873), Juwelenhändler im Harem (1874), der Bücherantiquar (1875), der Blumenmarkt unter
dem Direktorium (1876) und die Rückkehr aus der Schenke (1877). Er starb in Paris. - Sein jüngerer
Bruder und Schüler Sébastien Charles Giraud, geb. zu Paris, der sich anfangs historischen Gegenständen widmete, ist
ein Genre- und Interieurmaler.
(Ghirga, Gerga, Dschirdscheh), Stadt in Oberägypten, malerisch gelegen auf hohem Ufer an einer scharfen Biegung
des Nils, der ein Stück nach dem andern vom Ort wegspült und in seinen Fluten begräbt, hat ein Post- undTelegraphenbüreau und (1882) 14,819 Einw., davon 26 Ausländer. Außerhalb der Stadt ein lateinisches Kloster, angeblich das
älteste in Ägypten, und 17 km südlich an einem Kanal
[* 83] die Ruinen des alten Abydos. Die Stadt ist Hauptort
der gleichnamigen Provinz (Mudirieh) von 15,703 qkm (davon 1688,6 qkm kulturfähig) mit (1882)
521,413 Einw.
Schule, ein bischöfliches Seminar, (1881) 19,380 Einw. und ist Sitz eines Präfekten, eines Bischofs, eines Zivil- und Korrektionstribunals,
einer Finanzintendanz, einer Provinzialpostdirektion, einer Handelskammer sowie eines deutschen Konsuls. Sie liegt an der Stelle
der Akropolis
[* 94] des alten Agrigentum (s. d.), dessen großartige Ruinen sich südlich bis zum Meer erstrecken. Als Hafenort
von Girgenti dient das 5 km südwestlich gelegene Porto Empedocle (s. d.).
[* 95] (SerinushortulanusKoch), Sperlingsvogel
[* 96] aus der Familie der Finken (Fringillidae) und der Unterfamilie der Gimpel
(Pyrrhulinae), 13 cm lang, 21 cm breit, mit sehr kurzem, kleinem, nicht sehr stark gewölbtem, vorn abgestumpftem
Schnabel, kurzen, schwächlichen Füßen, mäßig langen, spitzigen Flügeln, in welchen die zweite und dritte Schwinge am längsten
sind, und mittellangem, ziemlich tief ausgeschnittenem Schwanz. Er ist im wesentlichen grün, auf Hinterkopf, Rücken und Schultern
grüngelb, schwärzlich gefleckt, an Schwingen und Steuerfedern schwarzgrau, an den Brust- und Bauchseiten mit
großen, schwarzen Längsflecken; das Auge ist hellbraun, der Schnabel horngrau, der Fuß gelblich-fleischfarben. Er bewohnt
Südeuropa und Kleinasien, ist dort an manchen Orten gemein und streift im Winter von einem Ort zum andern.
Bei uns erscheint er, seit etwa 30 Jahren in immer wachsender Zahl und über Österreich, Schlesien,
[* 97] Franken,
Thüringen immer weiter vordringend (1877 bis in die Mark), im März oder April und bleibt bis zum Spätherbst, während er in
Südeuropa, wo er sehr häufig ist, nur herumstreift. Baumgärten mit Gemüsepflanzungen sagen ihm am meisten zu; sein Nest
baut er gern auf Obstbäumen und legt 4-5 grünliche, braun und schwarz gezeichnete Eier.
[* 98] Wahrscheinlich
macht er mindestens zwei Bruten im Jahr; nach denselben streift er mit Familienverwandten im Land umher. Seine Nahrung besteht
aus allerlei Sämereien. Er ist sehr anmutig und lebendig, singt fast das ganze Jahr hindurch, hält aber nicht sehr gut
aus. In Spanien wird er zu Tausenden gefangen und verspeist.
Otto, Schriftsteller und Bühnendichter, geb. zu Landsberg
[* 99] a. d. Warthe, studierte seit 1852 in Berlin
[* 100] und Heidelberg,
[* 101] anfangs die Rechte, sodann Philosophie und Geschichte, betrat, nachdem er sich die philosophische Doktorwürde
erworben, in Berlin die schriftstellerische Laufbahn und war zunächst als Redakteur verschiedener Zeitschriften
thätig. Einen Bühnenerfolg errang er zuerst mit dem Lustspiel »Y 1«, das 1865 auf dem Berliner
[* 102] Hoftheater zur Aufführung
kam, und seitdem haben die meisten neuern dramatischen Arbeiten von ihm mit Beifall die Bühnen passiert. Er veröffentlichte:
»CäsarBorgia«, Drama (Berl. 1864);
die Übertragung oder Indossierung (Begebung) eines Wechsels oder
einer Anweisung auf einen andern. Derjenige, der einen girierten Wechselbrief an einen andern indossiert
(überträgt, begibt), heißt Girant und derjenige, auf dessen Namen das Indossament des Giranten lautet, Girat. Wenn in dem Giro der
Girat mit Hinzufügung des Datums genannt und der Bezogene (Trassat) angewiesen ist, ihm oder an dessen Order die in Rede stehende
Summe zu bezahlen, so heißt ein solches ein »ausgefülltes«; ist aber
über dem Namen des Giranten ein leerer Raum gelassen, damit ihn der Girat mit dem Giro ausfüllen könne, so heißt ein solches
ein »unausgefülltes« oder ein »in blanco« (in bianco). Girieren (spr. dschi-),
einen Wechsel oder eine
Forderung oder ein auf Namen lautendes Wertpapier auf einen andern schriftlich übertragen. Es geschieht dies gewöhnlich mit
den Worten: »Für mich (uns) an die Order des HerrnN. N.« auf der Rückseite (in dosso) des Wechsels oder Wertpapiers. Deshalb
heißt girieren auch indossieren. Vgl. Wechsel. - Vollgiro, wenn der Indossator benannt, im Gegensatz zum
Blankogiro, bei dem dies nicht der Fall.
(spr. schirodä-triosóng),AnneLouis de Roucy, franz. Maler, geb. zu Montargis (Loiret), wurde 1785 SchülerDavids und erhielt 1789 den Preis für Rom, wo er 1792 den schlafenden Endymion
[* 104] (im Louvre) und einen Hippokrates,
die Geschenke des persischen Königs zurückweisend, ausführte. Unter den nach seiner Rückkehr in Paris geschaffenen Werken
machte eine große Sündflutszene (1806, im Louvre) das größte Glück, da sie bei der Verteilung des zehnjährigen Preises
(1810) den Sabinerinnen von David vorgezogen wurde und den Preis erhielt.
Außerdem zeichnete
er viele Illustrationen zu Werken antiker Schriftsteller. Er starb in Paris. Seine Arbeiten charakterisiert
eine korrekte Zeichnung, eine aus dem Studium der Antike abgeleitete Komposition und Darstellungsweise sowie kräftiges, durch
frappante Beleuchtungseffekte gehobenes Kolorit. Doch lassen seine Figuren das innere Leben vermissen und leiden an einem erdfahlen
Fleischton. Seine »Œuvres posthumes, poétiques et didactiques« (Par. 1830, 2 Bde.)
enthalten seine Korrespondenz und ein Gedicht: »Le peintre«.
(spr. dschi-), Giuseppe, ital. Edelsteinschneider
und Medailleur, geb. 1780 zu Rom, widmete sich erst der Bildhauerei, dann dem Intaglio in Pietra dura, worin er bald der ausgezeichnetste
seines Faches in Europa
[* 105] wurde. Seine hervorragendsten Arbeiten sind: zwei große Kameen
[* 106] mit dem Kopf des Genius
im Grabdenkmal des PapstesClemens XIII. und dem von CanovasPerseus;
[* 107]