Getreidehalmwespe - Getreidehandel und -Produktion
mehr
besitzen. Die Entleerung der Eisenbahnzüge erfolgt mittels
Schaufeln, welche von dem
Arbeiter nur geleitet, dagegen von einer
Dampfmaschine
[* 2] in
Bewegung gesetzt werden. Es erfolgt dies in unglaublich kurzer Zeit; die
Frucht gelangt in Sammelräume, aus
denen dieselbe mit
Hilfe einer großen Anzahl von Schöpfbecherelevatoren bis in die höchsten
Räume des
Magazins gehoben wird. Dieselbe passiert alsdann kräftig wirkende
Gebläse,
[* 3] welche alle Verunreinigungen abscheiden, ferner
eine automatische
Wage
[* 4] zur Registrierung des
Gewichts und wird hierauf in die für dieselbe bestimmten
Kasten des Magazins geleitet.
Das Einladen in die
Schiffe
[* 5] erfolgt durch geneigte Rinnen, welche an den
Kasten in verschiedener
Höhe angebracht
sind. Wenn die neuern großen
Elevatoren in
Chicago und
New York durchweg auf diesem hier kurz skizzierten
Prinzip beruhen, so
ist es doch selbstverständlich, daß dieselben je nach ihrer lokalen
Situation,
Größe und den speziellen Verhältnissen
in ihren
Details mannigfaltig voneinander abweichen. In jüngster Zeit finden auch mit großem Vorteil
schwimmende
Elevatoren Anwendung, welche zur Befrachtung der nicht am
Bollwerk anlegenden
Schiffe und zur Löschung von Getreidebarken
dienen.
Vgl.
Perels, Handbuch des landwirtschaftlichen Transportwesens
(Jena
[* 6] 1882);
und
-Produktion.
Alle Kulturvölker entnehmen einen großen oder den größten Teil
ihrer
Nahrung den Getreidearten, teils direkt, indem sie die Körnerfrüchte selbst
(Mais,
Hirse
[* 10] etc.), das daraus bereitete
Mehl,
[* 11]
Brot
[* 12] etc. verzehren, teils indirekt, indem sie
Getreide
[* 13] zur
Fütterung von Schlachtvieh benutzen. Wegen dieser Bedeutung
als Grundlage der
Existenz und wegen des Zusammenhanges zwischen Seßhaftigkeit und Getreidebau kann man
letztern als den Anfang des eigentlichen Kulturlebens bei allen Völkern und in allen
Zeiten bezeichnen.
Nur auf den tiefsten
Stufen können die
Menschen ihren
Getreide- und Brotbedarf an
Ort und
Stelle selbst decken.
Schon sehr frühzeitig
werden Getreidebau und Brotverbrauch örtlich und wirtschaftlich getrennt, und es beginnt die
Notwendigkeit
eines regelmäßigen
Tausches, der Getreidehandel. Mit dieser Trennung treten auch Interessengegensätze hervor zwischen der
ackerbautreibenden und grundbesitzenden
Klasse einerseits und der mehr städtischen, gewerblichen oder vom
Grundeigentum ausgeschlossenen
Klasse der
Konsumenten anderseits. Als deren
Konsequenz beginnt zu allen
Zeiten der
Kampf über die Agrarfrage,
es folgt die Reglementierung des Kornhandels und endlich dessen eigentliche
Organisation.
1) Bedeutung in Vergangenheit und Gegenwart.
Die Kulturvölker der ältesten Zeit: Chinesen,
Inder, Phöniker, Assyrer, Babylonier,
Perser, Ägypter, waren auf die eigne
Versorgung mit Brotfrüchten angewiesen, Zufuhr war nur an den Küstenstrichen möglich;
daher finden wir bei ihnen auch
die Verteilung von
Grund und
Boden sowie den innern Kornhandel schon frühzeitig streng geregelt.
Die Kulturvölker späterer
Zeit verstehen dagegen bereits durch Zufuhren die Ergänzung ihres
Bedarfs zu sichern, und schon im hellenischen und römischen
Altertum wird dem auswärtigen Kornhandel die sorgfältigste
Pflege zu teil, ohne die Agrarfrage zu vernachlässigen;
die
Athener fordern von einem Staatsmann »die Beantwortung der
Fragen, wieviel
GetreideAttika braucht, wieviel es
selbst hervorbringt
und wieviel es zuführen muß«
(Xenophon).
Rom
[* 14] bezog anfänglich aus
Ägypten,
[* 15] später aus
Sizilien,
[* 16]
Sardinien,
[* 17]
Corsica
[* 18] große
Mengen von
Getreide.
Dieselben
Erscheinungen wiederholen sich im
Mittelalter. Die
Völkerwanderung hängt mit der Abhängigkeit
der
Menschen von den Erzeugnissen des eignen
Bodens zusammen; man wandert an die
Orte, wo
Korn reichlich produziert wird. Die
spätere
Wiedergeburt der
Kultur beruht auf der
Pflege des
Ackerbaues im Kornbau, und erst mit der Städtebildung entwickelt
sich im 11. und 12. Jahrh. der Kornhandel; derselbe erreicht in den italienischen
Republiken sowie bereits im 15. Jahrh. im
Norden
[* 19]
Europas, bez. in
Holland und
England eine hohe Bedeutung. Im 16. Jahrh. beginnt
allmählich die
Bevölkerung
[* 20] einzelner
Länder sich von der örtlichen Getreideerzeugung unabhängig zu machen.
Diese
Erscheinung lenkt aber die
Verwaltung auf die falsche
Bahn, von
Staats wegen den innern und äußern
Kornhandel so zu reglementieren, daß bald die
Interessen des
Grundeigentums und bald jene der
Konsumenten vorzugsweise geschützt
werden sollen. Die Fortschritte der
Landwirtschaft erleichterten lange Zeit im 17. und 18. Jahrh. die örtliche Versorgung,
dann aber eilt die Bevölkerungsdichte der eignen
Produktion voraus; infolgedessen spitzen sich dieGegensätze
in den entwickelten
Ländern schärfer zu, es beginnt die Kampfesepoche in der Kornzollbewegung des 19. Jahrh.
Die seit den 40er
Jahren rasch fortschreitende
Entwickelung des Verkehrswesens schafft endlich die Möglichkeit einer weltwirtschaftlichen
Lösung in dem
Sinn, daß die Lebensmittelversorgung der
Menschen von deren
Wohnsitz unabhängig geworden ist.
Dieser Umstand hat neuestens wieder zur Besorgnis in Bezug auf die agrarischen Verhältnisse und zu einer
rückläufigen Strömung auf dem Gebiet des internationalen Kornhandels geführt. Thatsächlich hat aber die heutige Gestaltung
des Getreidehandels viele Kulturländer von den früher so häufigen
Gefahren der
Hungersnot und
Teurung befreit. Der
Ausgleich
zwischen den entferntesten Teilen der
Erde ist ein vollständiger; die Ungunst der natürlichen
Beschaffenheit
einzelner
Länder oder die jährlichen Witterungsschwankungen werden dadurch überwunden. In keinem
Zeitalter war eine so große
Stetigkeit der
Preise und eine so billige Brotversorgung erreicht worden wie in dem gegenwärtigen.
Die großen
Gefahren, welche sowohl Mangel und
Teurung als allzu großer Vorrat und Preiserniedrigung des
Getreides für die davon betroffenen
Kreise
[* 21] der
Bevölkerung haben können, veranlaßten schon frühzeitig eine ganz eigenartige
Einflußnahme der
Staatsverwaltung und eine eigentümliche soziale Auffassung in Bezug auf den Kornhandel, dem man wegen seiner
Schwierigkeiten eine Ausnahmestellung zuerkannte. Als
Beweggründe für alle Maßregeln gelten einerseits
die
Sicherung des Brotbedarfs der
Bevölkerung, anderseits der
Schutz des
Einkommens der ackerbautreibenden und grundbesitzenden
Klassen; man will also mittlere, möglichst feste
Preise bei stets genügenden
Mengen der Brotfrüchte durch die Kornhandelspolitik
herbeiführen, eine Aufgabe, deren
Lösung große Schwierigkeiten bereitet. Bei keiner zweiten
Ware lagen so viele Anlässe
zu starken Preisschwankungen vor, die
Produktion hing ganz vom örtlichen
Ausfall der
Ernte
[* 22] ab, während man die
Konsumtion nicht
oder nur wenig einzuschränken im stande war. Dazu kam die Schwierigkeit des
Transports;
Getreide als ein im
Verhältnis zu
Volumen und
Gewicht¶
mehr
wenig wertvolles Gut ließ keine weiten Versendungen zu. Ebensowenig verfügte man über die technischen und ökonomischen
Mittel, um durch Aufspeicherung größerer Mengen eine zeitliche Ausgleichung der Jahresernten zu sichern. Endlich wurde der
Getreidehandel wegen seiner Schwierigkeit und Gefährlichkeit lange Zeit nur von kühnen Spekulanten und oft mit unlautern
Mitteln betrieben, was im Zusammenhang mit einem ohnedies schon herrschenden Vorurteil dahin führte, ihn
als unrechtmäßig anzusehen, jeden Kornhändler als Kornwucherer zu brandmarken, dadurch die soliden Elemente abzuschrecken
und die Hilfe des Staats gegen den Kornwucher und für eine regelmäßige Brotversorgung anzurufen.
Die Maßregeln, welche von diesen Gesichtspunkten geleitet werden, lassen sich bis in die neueste Zeit
verfolgen. Dahin gehören:
diese Magazine mußten bei der Ernte gefüllt und mit einem gewissen Vorrat erhalten werden;
ihrer Einrichtung begegnet man
schon bei den Griechen, wo die Staatskornpolizei am meisten entwickelt war;
bei den Römern, bei denen
fast jede Stadt ihr öffentliches Getreidemagazin (horreum) hatte;
im deutschen und italienischen Mittelalter (die cura annonae,
als ein auf Naturalabgaben basiertes System des staatlichen Getreidehandels in Verbindung mit Speichern) und endlich in der
feudalen und patrimonialen Agrarverfassung der Neuzeit bis in die Mitte unsers Jahrhunderts mit den Regierungsspeichern,
Staatskornmagazinen, kontributionspflichtigen Schüttböden etc.
2) Verbot und möglichste Unterdrückung des privaten Kornhandels; auch diese Maßregel beginnt schon in der Solonischen
Gesetzgebung, wiederholt sich in der Aufsicht der römischen Magistrate über die Kornhändler und in der Beschränkung des
Getreidehandels durch das römische Recht; sie artet im Mittelalter zu einer fanatischen Verfolgung der
Kornwucherer und Kornjuden aus und dauert bis in die neue Zeit in der Form polizeilicher Überwachung der Kornhändler,
der Beschränkung des Kornhandels auf wenige Orte, Marktreglements in betreff der dazu berechtigten Personen etc. fort.
3) Festsetzung von Getreidepreistaxen, welche ebenfalls im Altertum beginnen, im deutschen Mittelalter
und im neuern Polizeistaat ihren Höhepunkt erreichen und überhaupt mit den Satzungen und Marktordnungen gleichen Schritt gehen.
Betrafen diese Maßregeln vorzugsweise den innern Kornhandel, so fügte sich daran die ganze Kette von Vorschriften zur Regelung
des äußern Kornhandels. Auch diese beginnen bei den Griechen mit dem Verbot der Ausfuhr und
verschiedenen Zwangsmitteln der Zufuhr, sie dauern im Mittelalter fort und leiten periodenweise zu einer vollständigen Absperrung
nicht nur der Staaten, sondern sogar der Provinzen gegeneinander.
Häufig waren die Ausfuhrprohibitionen mit Einfuhrprämien verbunden und wurden entweder dauernd oder nur bei
Mißernten und drohender Hungersnot erlassen oder verschärft. Zwar beginnt mit der physiokratischen Schule
in Frankreich eine Bewegung für die Freiheit des Kornhandels, und diese wird zu Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrh. auch
schon in Deutschland
[* 24] verfochten; doch bedurfte es des großen Umschwunges in Produktion und Verkehr, wie er sich in den letzten 60 Jahren
vollzogen hat, um die veraltete Getreidehandelspolitik zu beseitigen.
Großbritannien
[* 25] und Frankreich sind in unserm Jahrhundert der klassische Boden geworden, auf
welchem sich die heftigsten Kämpfe
um die Korngesetze entspannen. In England war die Kornfrage durch die egoistischen Interessen des Grundbesitzes gegenüber der
rasch heranwachsenden Großindustrie zum Anlaß einer der bedeutendsten sozialpolitischen Reformbewegungen
geworden. Die seit dem 14. Jahrh. bestandenen Prohibitionen wurden später dahin umgewandelt,
daß möglichst ein für die Landwirte lohnender Normalpreis erhalten werden sollte, bis dann die Mißernten und die Geschäftskrise
der letzten 30er Jahre und die Wirksamkeit der Anti-cornlaw-league dem free trade zum Sieg verhalfen.
Ebenso wurde in Frankreich der Getreidezoll 1861 als Differentialzoll auf ein unschädliches Minimum herabgesetzt
und 1867 der Hauptsache nach aufgehoben. Die übrigen europäischen Staaten folgten in den 50er oder 60er Jahren mehr oder
weniger rückhaltlos diesem Beispiel. Die Getreidezölle hatten, wo sie beibehalten wurden, nirgends mehr einen prohibitiven
Charakter; sie gaben immer mehr die Rücksicht auf den Schutz der Landwirtschaft auf, indem das Interesse
der Konsumenten als ausschlaggebend galt, und sie dienten mehr als statistische und Kontrollmaßregeln und wurden in den Handelsverträgen
und allgemeinen Tarifen zumeist gänzlich aufgegeben (vgl. Getreidezölle).
Die mannigfachen Maßregeln der frühern Kornhandelspolitik mußten nicht bloß wegen ihrer Irrtümer,
sondern insbesondere wegen des Umschwunges, welchen die internationale Wirtschaftsweise bewirkt hat, beseitigt werden. Die
Aufgabe, welche sich die Staatsverwaltungen durch die Anlegung von Vorratsmagazinen gestellt hatten, hat heute das freie wirtschaftliche
Unternehmen im großartigsten Umfang und viel erfolgreicher übernommen. In jedem wichtigern Produktionsland
und in jedem für den Getreidehandel bedeutendern Marktplatz befinden sich Getreidespeicher, Magazine (Silos und Elevatoren),
welche durch ihre Leistungsfähigkeit die alten Provianthäuser und Schüttböden unvergleichlich übertreffen (s.
Getreideelevatoren).
Diese Organisation konnte erst durchgeführt werden, nachdem einmal der Handel mit Getreide als berechtigte und im Interesse
der Gesamtheit wünschenswerte Vermittlerthätigkeit anerkannt worden war. Nur eine umfassende Getreidespekulation
kann die Preise zeitlich und örtlich ausgleichen, dieselben werden demnach auch durch den Spekulationsgewinn nicht erhöht.
Im Gegensatz zur mittelalterlichen Verpönung begegnen wir daher heute einer zielbewußten Pflege des privaten Getreidehandels
von seiten der Staatsverwaltung. Die Einrichtung der großen Getreidebörsen (die älteste in Amsterdam
[* 35] 1617, jetzt die
größten in London
[* 36] [MarkLane], Paris [Marché au
¶
Freilich konnte der Erfolg dieser Maßregeln erst zur vollen Geltung kommen, als die Verkehrsmittel gestatteten, Getreide
aus allen Teilen der Erde rasch und billig zu beziehen, und als die Statistik im Zusammenhang mit dem internationalen
Nachrichtendienst es ermöglichte, sich in Umrißziffern stets über die verfügbaren Getreidemengen in den Produktions- und
Handelszentren und über den Bedarf in den Konsumtionsgebieten zu unterrichten. Es mußten also der Post- und Telegraphendienst
einschließlich der transatlantischen Kabel, die Dampfschiffahrt, das Eisenbahnwesen mit seinen niedrigen Zonentarifen, die
amtliche Erntestatistik mit den fortlaufenden Beobachtungen des Saatenstandes, die geschäftlichen Berichte der Börsen und
der Getreidehändler zusammentreffen, und es mußte das Prinzip der Freiheit des Kornhandels in der Verwaltung siegreich durchdringen,
um zur heutigen, früher unerreichbaren Vollkommenheit der Versorgung der ganzen zivilisierten Menschheit mit Brotfrüchten
und Getreide zu gelangen und eine vollständige Ausgleichung zwischen den fruchtbaren Produktionsgebieten
im Nordosten und Osten von Europa,
[* 43] im Westen von Nordamerika
[* 44] und in Ostindien
[* 45] einerseits und den dicht bevölkerten Industriestaaten
unsers Erdteils anderseits herbeizuführen.
Die Mißernten einzelner Jahre oder Länder werden auf dem Weltmarkt kaum mehr fühlbar. Die Getreidepreise
[* 46] sind nicht allein
gleichmäßig und stetig, sondern auch so niedrig geworden, wie sie seit einem halben Jahrhundert nicht
waren, und der steigenden Tendenz, welche sich in der Zeit von 1650 bis 1860 verfolgen ließ und auf die Kosten des Lebensunterhalts
der arbeitenden Klassen gefährlich einzuwirken drohte, ist jetzt eine Zeit mit sinkender Tendenz gefolgt.
Diese Erscheinungen haben leider aber auch nachteilige Einflüsse im Gefolge gehabt, indem sie die Konkurrenzfähigkeit
der Bodenwirtschaft in den europäischen Staaten bedrohten. Es trat daher in den letzten Jahren wieder eine mächtige agrarische
Strömung hervor, welche den Schutz der ackerbautreibenden Klassen und des Grundbesitzes forderte. Es wurde zwar darauf hingewiesen,
daß der Kornzoll, wenn er die beabsichtigte Wirkung habe, eine schwere Auflage für die konsumierende
Bevölkerung und besonders für die niedern Klassen zu gunsten einer begüterten Minderheit bedeute;
daß die Verschiedenheit
der natürlichen Produktionsbedingungen zur Produktionsteilung führe und nicht künstlich unterdrückt werden dürfe;
daß
Kornzölle den Landwirt in einer verfehlten Produktionsrichtung bestärkten, statt ihn zum Übergang
auf andre, noch rentable Arten der Bodenbenutzung (Futterbau, Viehzucht,
[* 47] Industrialpflanzen, Gemüse- und Obstbau etc.) zu lenken;
daß ohnedies in den Transportkosten ein natürlicher Schutz für das inländische Getreide gegeben sei;
daß der Getreidezoll
als notwendige und billige Ergänzung noch höhere Industrieschutzzölle zur Folge haben müsse;
daß
der Getreidehandel vielfach im Austausch von Cerealien verschiedener Gattung und Qualität (z. B. von Weizen gegen Hafer,
[* 48]
oder
Brauergerste gegen gewöhnliche Futtergerste u. dgl.)
bestehe, was durch Zölle gestört und verhindert würde;
endlich daß viele Länder, wie z. B. das Deutsche Reich
[* 49] und Frankreich,
ihren Bedarf selbst unter dem höchsten Schutz nicht mehr selbst zu decken vermöchten, weshalb der Zoll
eine stete Abgabe des Konsumenten an den Bodenproduzenten bedeute, ohne daß der letztere dabei einen wirklichen Vorteil erreichen
könne.
DiesenGründen gegenüber wurde die Krisis in der Landwirtschaft, welche ein Mißverhältnis gegen alle übrigen Erwerbszweige
hervorrufe, als zu wichtig erklärt, um auf den Schutz verzichten zu können; es wurde darauf hingewiesen,
daß die von der Landwirtschaft lebenden Einwohner in der Mehrzahl der mitteleuropäischen Staaten (Deutschland, Frankreich, Österreich-Ungarn),
[* 50] nahezu die Hälfte der Gesamtbevölkerung oder darüber bilden; daß Grund und Boden den größten Teil des Nationalvermögens
ausmache und die Grundsteuer die ergiebigste direkte Steuer sei, daher das Einkommen dieser Art nicht der
fremden Konkurrenz preisgegeben werden dürfe, und daß der Getreidezoll nur eine berechtigte Ausgleichung der großen Verschiedenheit
der Produktionsbedingungen in den alten Kulturländern Europas gegenüber dem reichen BodenAmerikas oder der billigen Arbeitskraft
und klimatischen GunstOstindiens herbeiführen solle.
Auf diese und andre Gründe gestützt, hat die Kornzollbewegung zu jenen Schutzzöllen geführt, welche
im DeutschenReich im Zolltarif vom Jahr 1879 und mit namhaften Erhöhungen im Tarif von 1885 auf alle Cerealien, Mehl und Mahlprodukte
enthalten sind; ebenso wurden in Frankreich 1881 und 1882 wieder Getreidezölle eingeführt, dann abermals 1885 und zwar
besonders mit Rücksicht auf das nicht direkt zugeführte Getreide außereuropäischer Provenienz erhöht. Österreich-Ungarn
folgte 1882 im Interesse des Getreidebaues der östlichen Reichshälfte ebenfalls dem Beispiel, und auch auf andre StaatenEuropas
übertrug sich die Strömung, wenngleich nur in vereinzelten Maßregeln (vgl. Getreidezölle).
4) Statistik der Getreideproduktion und des Getreidehandels.
Getreideproduktion und Getreidehandel haben sich infolge der Zunahme des Konsums und der Erleichterung
des Transports in der letzten Zeit mit ungeahnter Raschheit gehoben. Die Erntestatistik, wie sie in der Mehrzahl der Kulturstaaten
gegenwärtig eingerichtet ist, gestattet einen ziffermäßigen Ausdruck der thatsächlichen Verhältnisse, welcher zwar nicht
auf unbedingte Genauigkeit im einzelnen Anspruch erheben darf, aber doch durchaus genügende Anhaltspunkte
bietet, um alle maßgebenden Elemente im großen und ganzen verläßlich zu konstatieren. Man kann (nach Neumann-Spallart,
dessen »Übersichten der Weltwirtschaft« hier benutzt wurden) sämtliche für die Kornfrage wichtige Staaten in zwei Gruppen
einteilen: erstens solche Länder, welche in mittlern Erntejahren regelmäßig Überschüsse der eignen
Erzeugung ausführen (Getreideausfuhrländer), und zweitens solche Länder, welche regelmäßig auf Getreidezufuhren angewiesen
sind (Getreideeinfuhrländer).
Der Wert der Cerealienernten wurde amtlich berechnet: 1880 auf 1361 Mill., 1882 auf 1469 Mill., 1883 auf 1281 Mill.
und 1884 auf 1184 Mill. Doll. Die großen Mengen von Getreide werden auf einem zusammenhängenden Netz von Eisenbahnen und Kanälen
an die Seen und von den Emporien des Zwischenhandels, unter denen Chicago obenan steht, an die atlantischen Häfen zur
Verschiffung nach Europa gebracht. Die Ausfuhr von Getreide und Mehl betrug in TausendenBushels (bei MehlBarrels):
Rußland. Die Getreideproduktion hat ihren Hauptsitz im Südosten von Rußland in der Gegend des sogen.
Tschernosjom (humusreiche Schwarzerde). Nach den neuesten Erhebungen betrug die Erntemenge in Rußland
und Polen in Tausenden Hektoliter:
Der Wert derAusfuhren betrug 1880: 228 Mill., 1882: 321 Mill. und 1884: 310 Mill. Rubel.
Österreich-Ungarn. In der Gesamtmonarchie ist es das dünn besiedelte FlachlandUngarns mit natürlichem Bodenreichtum, welches
regelmäßige Überschüsse für die Ausfuhr liefert. Die Ernten betrugen in Tausenden Hektoliter:
Untere Donauländer. Unter denselben ist Rumänien
[* 53] mit einer Mittelernte von 8-11 Mill. hlWeizen, 6 Mill. hlGerste und 22 Mill.
hlMais das wichtigste Produktionsgebiet; nächst demselben sind Bulgarien und die europäische Türkei zu
nennen, während Serbien geringere Bedeutung hat.
Britisch-Ostindien ist erst seit sechs Jahren in die Reihe der für den europäischen Handel bedeutenden Länder eingetreten;
seine Jahresproduktion wird auf 90-100 Mill. hlWeizen geschätzt, wovon jetzt 11-13 Mill. hl für die Ausfuhr verfügbar sind.
Es betrugen die Weizenausfuhren:
Frankreich. Der Getreidebau ist zwar im Lauf der letzten Jahre nicht eingeschränkt worden; trotzdem genügt die eigne Ernte
nicht mehr wegen des rasch zunehmenden Bedarfs, der zu den höchsten Europas gehört (vor 20 Jahren 182 kg, heute 216 kg
Weizen pro Kopf). Die Erntemengen betrugen in Tausenden Hektoliter:
Die gesamte Kornhandelsbilanz stellte sich in MillionenFrank:
1880
1882
1884
Einfuhr
795.7
524.2
359.6
Ausfuhr
60.9
54.5
42.7
Mehreinfuhr
734.8
469.7
316.9
Deutsches Reich. Auch hier machen Zunahme der Bevölkerung und des Verbrauchs immer mehr auswärtige Zufuhren erforderlich.
Nach der amtlichen Erntestatistik betrugen die Anbauflächen in TausendenHektar im J. 1884:
Belgien.
[* 61] Hier haben infolge fortschreitender Industrialisierung die Getreideanbauflächen seit 1866 abgenommen, ohne
daß jedoch das Ernteergebnis wesentlich sich geändert hat. Das jährliche durch Einfuhr zu deckende Defizit beläuft sich
auf nahezu 6 Mill. hl Brotgetreide.
Italien
[* 64] hat sehr bedeutende Ernten von Weizen (45-54 Mill. hl) und Mais (26-33 Mill. hl), jedoch werden dieselben durch den Bedarf
überwogen. Dasselbe gilt von Spanien
[* 65] mit der namhaften Produktion von 61 Mill. hlWeizen, 28 Mill. hlGerste und 13 Mill. hlMais,
die durch Zufuhren im Wert von 16-17 Mill. Mk. ergänzt werden muß. Ebenso wurde
Dänemark,
[* 66] welches noch bis zum Jahr 1883 regelmäßige Mehrausfuhren von Getreide ermöglichte, in den beiden letzten Jahren,
obwohl die Erntemengen weit über dem Durchschnittsertrag standen, genötigt, für Zufuhren schon 10 Mill. Mk.
aufzuwenden. Schweden
[* 67] und Norwegen sind durch die klimatischen und Bodenverhältnisse naturgemäß auf
Einfuhr angewiesen, die im zehnjährigen Durchschnitt 39 ⅓ Mill. Mk. betragen; dasselbe gilt von Finnland, Portugal und endlich
von Griechenland.
[* 68]
Um die vorangehenden Einzeldarstellungen zu ergänzen und übersichtlich anzuordnen, lassen wir nachstehenden Nachweis von
Neumann-Spallart folgen:
Getreideproduktion von 1884 (in Millionen Hektoliter).
Eine teils auf amtlichen Daten, teils auf privaten Ermittelungen beruhende Schätzung ergibt, daß der Wert der Getreideernte
im Durchschnitt von 1878 bis 1881 noch auf etwa 25 Milliarden, für 1884 mit Rücksicht auf die gesunkenen Preise auf 22 MilliardenMark zu veranschlagen ist.
Es äußert sich hierin nicht bloß die mit den Erntejahren zusammenhängende wechselnde Notwendigkeit des internationalen
Tausches, sondern schon zweifellos die Wirkung des Umschlags, welcher in der Getreidehandelspolitik in der neuesten Zeit
erfolgt war.
Litteratur. Außer der reichen Litteratur seit dem physiokratischen Zeitalter, die insbesondere zu Ende des 18. und zu Beginn
des 19. Jahrh. ungemein anschwillt, in neuerer Zeit besonders die Schriften der Anti-cornlaw-league; »The debate upon the cornlaws«
(Lond. 1846, 2 Bde.);
Käfer aus der Gruppe der Pentameren
und der Familie der Blatthornkäfer (LamellicorniaLatr.), 8-11 mm lang, erzgrün, unten dicht weiß, am punktierten Halsschild
gelb behaart, auf den Flügeldecken fein runzelig punktiert, undeutlich gestreift, beim Männchen rostrot, beim Weibchen
mehr gelb und bei diesem um das Schild
[* 71] mit einem viereckigen, grünen Fleck gezeichnet, mit dreiblätterigem
Endknopf an den Fühlern und vorn verschmälertem Kopfschild mit aufgebogenem Rande. Der Getreidelaubkäfer benagt die Kornähren zur Zeit der
Blüte
[* 72] und kurz darauf und wird dadurch schädlich. Die Larve frißt vielleicht an den Wurzeln des Getreides. Diese Art findet
sich hauptsächlich in Norddeutschland, die etwas größere, A. agricolaFabr., in Süddeutschland, andre
Arten in Südeuropa.
Käfer aus der Gruppe der Pentameren und der Familie der Laufkäfer
[* 73] (Carabidae), 15 mm lang, gedrungen gebaut, mit stark gewölbtem, quer rechteckigem, dicht und fein punktiertem Halsschild,
sich eng anschließenden, ebenfalls stark gewölbten und vorn gleich breiten, tief gestreiften und in
den Streifen punktierten Flügeldecken und dicken, untersetzten Beinen, pechschwarz, auf der Unterseite, an Fühlern und Beinen
braun, lebt auf Getreidefeldern und benagt abends die noch im Milchsaft stehenden Roggen-, Weizen- und Gerstenkörner.
Das hier befruchtete Weibchen legt seine Eier
[* 74] haufenweise flach unter der Erde anGräser.
[* 75] Die etwa 2,6
cm lange Larve ist auf dem Rücken braunrot mit hellerer Längsfurche, an den fußlosen Hinterleibsringen durch zahlreiche kleinere
Hornfleckchen gezeichnet. Sie lebt bei Tage etwa 16 cm tief in der Erde und frißt sich in der Nacht in das Herz der jungen
Pflanzen ein. Im Mai verpuppt sie sich tief in der Erde, und nach einem Monat erscheint der Käfer. Der Getreidelaufkäfer fügt bisweilen den
Saaten bedeutenden Schaden
zu.
[* 77] mechan. Vorrichtungen zur Abscheidung fremder Körper von dem Getreide und ähnlichen
Früchten, wie Raps, Rübsen, Buchweizen, Erbsen, Gras- und Kleesamen, sowie zur Sortierung der Früchte nach der Größe, um verschiedene
Qualitäten, als Saatfrucht und Marktware, zu gewinnen. LetztereGruppe von Getreidereinigungsmaschinen führt speziell den Namen Sortiermaschine. Die
einfache Reinigungsmaschine, auch Windfege genannt, scheidet schwerere und leichtere Körper von dem Getreide sowie
größere und kleinere. Zu diesem Zweck besitzt dieselbe ein Gebläse, welches das im Fallen
[* 78] begriffene Getreide der Einwirkung
eines Windstroms aussetzt und so das Abscheiden nach der Schwere bewirkt.
Die leichten fremden Beimengungen, Spreu, Kaff, kleine Körner, Staub, unterliegen der Wirkung des Windes in stärkerm Maß als
das gute und schwere Korn; sie werden demnach aus der Maschine
[* 79] geblasen. Einfachste Getreidereinigungsmaschinen bestehen nur aus
der Windfege, eine Sortierung nach der Größe findet bei ihnen nicht statt. Letztere wird aber in neuerer Zeit von allen bessern
Getreidereinigungsmaschinen bewirkt und erfolgt durch flache Siebe, welche bei schwacher Neigung in schüttelnde Bewegung versetzt
werden.
Körper, welche größer sind als die Durchgangsöffnungen (die Maschenweite) des Siebes, gleiten infolge der schüttelnden
Bewegung in der Richtung der Neigung zur Seite herab und gelangen so aus der Maschine; kleinere Körper fallen durch das Sieb,
passieren ein zweites, drittes etc. in verschiedener Maschenweite, bis die gewünschte Sortierung
nach der Größe erreicht ist. Die Siebe können ausgewechselt werden, um jede Fruchtart sortieren zu können,
zu welchem Zweck der Maschine ein »Sortiment« Siebe beigegeben wird.
Abgeschlagene Ähren, Strohstücke etc. werden von dem ersten Sieb zurückgehalten, seitwärts abgeführt und von dem Sortiergut
getrennt. Zuweilen wendet man auch eine Stachelwalze an, welche derartige fremde Körper zurückhält,
ehe sie in die Getreidereinigungsmaschine gelangen; dieselbe befindet sich vor dem Einlauf und erfaßt die größern fremden
Körper. Die allgemeine Disposition gestattet keine große Mannigfaltigkeit. Abweichungen finden nur statt in der Anordnung der
Siebe und in der Erzeugung der schüttelnden Bewegung derselben.
Zum Betrieb dienen zwei Arbeiter, zumeist Frauen; die Leistung hängt hauptsächlich von der Größe der
Siebfläche, also auch von der Breite
[* 80] der Maschine ab, ferner von dem Grade der Verunreinigung und von der Stetigkeit der Arbeit.
Im Durchschnitt kann angenommen werden, daß die einfachern, in kleinern Wirtschaften benutzten Getreidereinigungsmaschinen von 36 bis 40 cm Arbeitsbreite
täglich 60-80 hl reines Getreide fertigen, die bessern, aber auch kostspieligern, z. B. die Maschinen von Hornsby u. Baker,
150-160 hl bei Handbetrieb.
[* 69]
Fig. 1 und 2 zeigen die typische Anordnung der gewöhnlichen in der Seitenansicht und dem Durchschnitt:
a ist der Rumpf zum Aufgeben der Frucht, b der Schieber zur Regulierung des Einlaufs;
c c sind die Siebe
des ersten, d des zweiten Satzes;
In neuerer Zeit wendet man außer dieser einfachen Maschine, welche sich in jeder Wirtschaft befindet, die
sogen. Trieurs an, d. h. Sortiermaschinen, welche die Abscheidung der runden Unkrautsämereien,
¶