Typus aller Kanonen-Lafetten der deutschen Belagerungs- und Festungsartillerie seit 1864.
Zum Artikel »Geschütz«.
Lange 15 Zentim.-Ringkanone (3,84 Meter Rohrlänge) in Oberdeckslafette mit Mittelpivot.
Typus der Mittelpivot-Lafetten der deutschen Marine.
Kurze 21 Zentim.-Marine-Ringkanone (4 Meter Rohrlänge) in Breitseiten-Lafette der deutschen Panzerfregatten »Kronprinz« und »Friedrich
Karl«.
Typus der Breitseiten- und Rahmen-Oberdecks-Lafetten mit
Vorderpivot.
Lange 24 Zentim.-Ringkanone (5,23 Meter Rohrlänge) in Küsten-Lafette.
Typus der deutschen Küstengeschütze.
Moncrieffs Gleichgewichts-Lafette für 7 Tons-Geschütze (17,7 Zentim. Seelendurchmesser).
(England.)
Zum Artikel »Geschütz«.
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die glatten nur noch als Kartätschgeschütze zur Grabenverteidigung verwendet.
Geschütze der europäischen Armeen.
Die gezogenen Geschütze der deutschen Artillerie sind Hinterlader mit gepreßter Geschoßführung, d. h. die Geschosse, mit
Ausnahme der Kartätschen, haben auf dem cylindrischen Teil ihrer Oberfläche eine Ummantelung von Blei, Hartblei oder Kupferringe.
Durch das Einpressen der ringförmigen Bleiwülste in die Züge des Rohrs wird der Spielraum zwischen Geschoß
und Seelenwand aufgehoben. Die Geschosse sind Granaten, Schrapnells und Kartätschen. In Deutschland sind 8, 9, 12, 15, 17, 21,
24, 26, 28 und 30,5 cm Kaliber im Gebrauch, unter denen 9, 15 und 21 cm Mörser, 8, 9, 12 und 15 cm Kanonen
aus Bronze, seit 1878 Hartbronze (in Österreich Stahlbronze genannt) gefertigt werden.
Die Züge sind bei allen von gleicher Einrichtung, 1,3-2,6 mm tief, hinten 16-18 mm breit, vorn 3-5 mm schmäler. Man nennt sie
ihrer ungleichen Breite wegen Keilzüge; deren Zweck ist, den Widerstand der Geschoßführung auf die ganze
Rohrlänge zu verteilen. Parallelzüge sind vorn und hinten gleich breit. Die zwischen den Zügen stehen gebliebenen Teile
heißen Felder. Die Anzahl der Züge steigt mit dem Kaliber von 12 bei der 8 cm bis zu 36 bei der 28 cm Kanone. Krupps 40 cm Kanone
hat 96 Züge.
Die Ansteigung der Züge (Drallwinkel) liegt zwischen 2½- 4½ Grad. Die Dralllänge ist das Maß für die
einmalige Umdrehung der Züge, man pflegt sie in Anzahl Kalibern auszudrücken; sie muß abnehmen mit dem Wachsen der Ladung und
der Länge des Geschosses und zwar um so mehr, je kleiner das Kaliber ist; sie beträgt bei Krupps Kanonen
etwa 28-45 Kaliber, erstere bei 9 cm, letztere bei 40 cm Kanonen. Der hintere Teil der Seele, der Ladungsraum, ist glatt, bei
neuern Geschützen gezogen (Züge von etwa der halben Tiefe der gezogenen Seele), dient zur Aufnahme des Geschosses und der Pulverladung
und hat deshalb einen größern Durchmesser als die Seele in den Zügen; er muß sich in Rücksicht auf
Pulververwertung zur Länge des Ladungsraums wie 1:3-4,5 verhalten, wächst also, wenn man die Ladung desselben Kalibers steigert.
Dieses Verhalten des erweiterten Ladungsraums ist wissenschaftlich noch nicht erklärt. Vom Ladungsraum zum gezogenen Teil
führt der Übergangskonus. Die Seele wird hinten durch den Verschluß geschlossen, der seiner Konstruktion
nach entweder Kolben- oder Keilverschluß ist.
Ersterer ist älterer Art (9 cm) und besteht aus dem Verschlußkolben a
[* ]
(Fig.
1), in der Seelenachse liegend, der seine Führung in der Verschlußthür b erhält. Senkrecht zur Seelenachse wird durch das
Rohr und den Verschlußkolben der Quercylinder c gesteckt, der dem Stoß der Pulverladung Widerstand bieten muß.
Die Handhabung geschieht mittels der Kurbel d. Der Keilverschluß ist entweder Doppel- oder Einheitskeil. Ersterer ist die
ältere Konstruktion; sein Konstruktionsprinzip ist folgendes
[* ]
(Fig. 2): Zwei rechtwinkelige Keile a und e liegen mit den
schrägen Flächen aneinander, so daß Vorder- und Hinterfläche parallel laufen. Je nachdem man nun die schrägen Flächen
von- oder übereinander schiebt, vermindert oder vermehrt sich der Abstand der parallelen Vorder- und Hinterfläche und gestattet
das Herausziehen und Hineinschieben des Verschlusses oder das Öffnen und Schließen des Rohrs. Die Knebelschraube i
begrenzt das Herausziehen, so daß die Ladeöffnungen k in die Seele treten. Bei den Panzergeschützen mußte der Doppelkeilverschluß
seiner ungenügenden Widerstandsfähigkeit wegen durch den Kruppschen Einheitskeil, nach Form der hintern Keilfläche Rundkeil,
bei einigen aptierten Geschützen Flachkeil genannt, ersetzt werden. Er
[* ]
(Fig. 3) ist ein ungeteilter prismatischer
Körper a aus Stahl, dessen vordere Fläche i senkrecht, dessen hintere k aber schräg zur Rohrachse steht.
Eine gleiche Form hat das Keilloch. Der Keil erhält seine Führung durch Führungsleisten und Nuten auf der obern und untern
Keil- und Keillochfläche, die parallel der hintern schrägen Keilfläche laufen, wodurch es möglich ist, nach geringer
Lockerung den Verschluß aus dem Rohr zu ziehen. Das Bewegen und Feststellen des Keils geschieht durch eine Kurbel b, die eine
Schraubenvorrichtung von eigentümlicher Konstruktion, aus der Verschlußschraube f und der Spindel c bestehend, in Drehung
setzt. Bei den Panzergeschützen wird der Verschluß seiner Schwere wegen (der 28 cm Verschluß wiegt 675 kg)
im Rohr durch eine Transportschraube bewegt.
Um die Seele vollständig gasdicht abzuschließen, bedarf man eines besondern Liderungsmittels. Beim Kolbenverschluß dient
hierzu der Preßspanboden, ein flaschenbodenähnlicher Napf aus mehrfachen Lagen sehr fester Preßspanpappe. Beim Keilverschluß
ist in die Stahlplatte eine Kupferliderung
[* ]
(Fig. 2: m
in der Stahlplatte h), deren Querschnitt ein rechtwinkeliges Dreieck bildet, so eingesetzt, daß eine Kathete die Liderungsfläche
bildet und in Funktion tritt, sobald die Pulvergase unter die Hypotenuse treten und die Kupferliderung heben. Die Kupferliderung
setzt eine immer gleiche Lage des Vorderkeils im Rohr voraus, die bei Verschmutzungen nicht immer erreichbar
ist; wegen der Weichheit ihres Metalls wird sie auch leicht unbrauchbar. Diese Nachteile sind durch den Broadwell-Ring beseitigt.
Seine Konstruktion ist aus dem Durchschnitt
[* ]
(Fig. 4) ersichtlich. Er sitzt im Rohr an der Mündungskante des Ladungsraums und
wird durch die bei a eintretenden Pulvergase gegen die Stahlplatte des Keils gedrückt.
Alle neuen Geschütze (auch Feldgeschütze) erhalten eine durch Beseitigung der sehr empfindlichen scharfen Kante b modifizierte
Form
[* ]
(Fig. 5), Liderungsring C/1873. Weil derselbe im Rohr sitzt, ist die gleiche Lage des Keils im Rohr bei jedem Schuß nicht
geboten. Aber auch dieser Liderungsring erfordert eine so außerordentlich aufmerksame und sachverständige
Behandlung zur Erfüllung seines Zwecks, daß die gegen seine Kriegsbrauchbarkeit laut werdenden Bedenken sich mehren.
Major Wille hält deshalb die Annahme von metallenen Kartuschhülsen, nach Art der Gewehrpatronenhülsen, für Geschütze, die
sowohl die Pulverladung aufnehmen, als die Liderung bewirken, nur noch für eine Frage der Zeit. Der Verschluß wie
die Bedienung der Geschütze würde dadurch vereinfacht und die Gebrauchsfähigkeit des erstern nicht durch Ausbrennungen
beschränkt werden. Solche von Lorenz in Karlsruhe gepreßte Kartuschhülsen für Feldgeschütze befinden sich im Versuch.
Die deutschen Feldgeschütze C/1873 sind aus dem Bestreben hervorgegangen, den Geschossen eine möglichst große Anfangsgeschwindigkeit
zu geben (s. Flugbahn), weshalb sie nach den Prinzipien der »künstlichen«
Metallkonstruktion (S. 219) als Ring- (Mantel-) Rohre gefertigt wurden. Einige der wichtigsten Geschütze der deutschen Artillerie
nebst den Lafetten sind auf beifolgenden Tafeln »Geschütze I u. II« abgebildet.
Die russische Feldartillerie hat ihre bronzenen 4 und 9pfündigen Kanonen, deren Leistungen im russisch-türkischen Krieg nicht
befriedigten, zufolge Verordnung vom durch Kruppsche Stahlkanonen, die nur unerheblich von den deutschen Feldkanonen
abweichen, ersetzt. Die nähern Angaben sind aus der Tabelle S. 219 ersichtlich. Die Kanonen von 10,67 cm Kaliber heißen Batteriekanonen,
die 8,7 cm der Fußartillerie leichte, die der reitenden Artillerie Kavalleriekanonen.
Die Belagerungs-, Festungs-, Küsten- und Schiffsgeschütze sind, mit Ausnahme einer Anzahl 12 und 15 cm
nach englischem System beschaffter Rohre, alle mit den preußischen gleicher
Konstruktion und zum großen Teil von Krupp bezogen
oder zum Teil auch in russischen Fabriken, in dem Obuchowschen Gußstahlwerk am Ladogasee, gefertigt. Man hat 6-, 8-, 9-,
12zöllige Gußstahlringkanonen, zum Teil mit französischem Schraubenverschluß oder Rundkeil mit Broadwell-Ring, sowie
leichte und schwere Hinterladungsmörser aus Bronze und Stahl mit Rundkeil und Parallelzügen. Ebenso ist gegenwärtig in der
belgischen Artillerie durchweg das preußische System vertreten.
In die französische Feldartillerie wurden, nachdem sie im Krieg 1870/71 fast ihr gesamtes Material verloren
hatte, neue Feldgeschütze nach der Konstruktion des Generals Reffye eingeführt, gezogene Hinterlader aus Bronze von 7,5 und 8,5
cm Kaliber mit gepreßter Geschoßführung, benannt nach dem Gewicht ihrer Granaten canon de 5 und de 7. Sie hatten den in Frankreich
gebräuchlichen Schraubenverschluß und am Boden der Kartusche eine kurze kupferne Hülse, welche die Liderung
bewirken sollte, sich aber nicht bewährte, weil sie sich festschoß und schwer ausziehen ließ.
Die Geschütze waren nur ein Übergangsmodell bis zur Herstellung von Gußstahlringgeschützen nach der Konstruktion von Lahitolle.
Es wurde ein solches von 95 mm Kaliber als Einheitsgeschütz eingestellt; als sich dasselbe zu schwer erwies,
traten 2 Kaliber von 80 und 90 mm für die eigentlichen Feldbatterien an seine Stelle, während die 95 mm Kanonen für Feldpositionsbatterien
bestimmt wurden. Nähere Angaben s. Tabelle S. 219. Die bis 1870 bestehenden Feld- und Gebirgskanonen aus Bronze waren gezogene
Vorderlader nach dem System La Hitte.
Um den Geschossen eine Drehung um ihre Längenachse zu geben, sind in die Seelenwand Züge mit ca. 7° Drallwinkel
eingeschnitten. In das Geschoß (s. Granaten) sind Zinkwarzen (ailettes) zur Führung, daher Ailettenführung, eingesetzt. Die
ältern französischen Festungs- und Belagerungsgeschütze sind nach demselben System gefertigt. Auch die ältern Marinegeschütze
sind eiserne Hinterlader mit Ailettenführung, aus Gußeisen, am Bodenstück mit Stahlreifen umringt, die
sich mit der Rohroberfläche vergleichen.
Die Zahl und Art der Züge ist 3, 5 oder 6, Rechts- oder Linksdrall. Die Valérie, welche 1871 als Beute vom Mont Valérien heimgebracht
wurde und jetzt neben dem Zeughaus zu Berlin ausgestellt ist, hat 21 cm Kaliber und 5 Linkszüge mit Progressivdrall,
weshalb die hintern Ailetten halbmondförmig sind. Diese Geschütze haben den Schraubenverschluß
[* ]
(Fig. 6). Die Verschlußschraube
a hat ein Schraubengewinde, das in drei Sextanten bis auf die Spindel fortgenommen ist (b). In der Seele befindet sich die entsprechende
Muttereinrichtung, so daß die Verschlußschraube,
in das Rohr eingeführt, nach einer Rechtsdrehung um 60° in die Gewinde des Rohrs eingreift und hierin den Widerstand beim
Schießen findet. Beim Herausziehen aus dem Rohr gleitet sie auf den Schlitten d, mit welchem sie seitwärts um den Scharnierbolzen
c herumgedreht wird. Die Liderung wird durch einen kupfernen napfförmigen Ring am Kopf der Verschlußschraube
bewirkt. Später wurde das Liderungssystem des Obersten de Bange, welches auch in England mit dem Schraubenverschluß bei Einführung
der Hinterladung zur Annahme kam, besser befunden. Es besteht aus einem von zwei Metallplatten eingeschlossenen, vor dem Kopf
der Verschlußschraube liegenden Polster, einem Gemisch aus Asbest mit Hammeltalg, welches, beim Schießen
zusammengedrückt, die Seele abdichtet. 1872 wurde ein neues Geschützsystem eingeführt, von dem die Flotte 14, 19, 24, 27 und 32 cm
Kanonen erhielt.
Die Geschütze sind Hinterlader mit dem Verschluß
[* ]
Fig. 6 und einer Art Broadwell-Ring. Die Rohre aus grauem Gußeisen sind mit
Ringen aus Puddelstahl bis vor das Schildzapfenstück bezogen. Bis auf etwa ⅓ Rohrlänge wird von
hinten eine Stahlseele, aus Bessemerstahl und in Öl gehärtet, eingezogen. Die Rohre haben 14-32 Züge mit Progressivdrall.
Das 14, 19, 24 und 27 cm Rohr wiegt 2655, 7896, 14,418, resp. 20,940 kg. Das 27 cm Rohr feuert mit 39 kg
Ladung eine Langgranate von 150 kg. Die Langgranaten sind 2,4
Kaliber lang, und alle Geschosse haben zwei flache Kupferringe. In die Festungs- und Belagerungsartillerie sind Kanonen von 120,
138, 155 und 220 mm, Hinterladermörser von 220 und 270 mm Kaliber eingeführt. Sämtliche Rohre sind Stahlringgeschütze mit
Kernrohren aus Gußstahl, Ringen aus Martinstahl und dem Schraubenverschluß; die Geschosse haben hinten
kupferne Führungsbänder, vorn einen eisernen Zentrierwulst.
Die italienische Feldartillerie hat ihre frühern bronzenen Vorderladergeschütze französischen Systems nach dem Vorgang Deutschlands
durch Hinterlader ersetzt, deren Konstruktion sich ganz der der deutschen Feldgeschütze anschließt, wie aus der Tabelle S. 219 ersichtlich.
Die von Krupp gefertigten 8,7 cm Kanonen werden von den schweren, die 7,5 cm von den leichten Batterien geführt;
letztere Geschütze sind, wie die österreichischen, aus Hartbronze gefertigt.
Für die Belagerungs- und Festungsartillerie ist ein einheitliches Geschützsystem von gußeisernen beringten Hinterladern
mit französischem Schraubenverschluß in der Einführung begriffen. Die Küstenartillerie besitzt 24 und 32 cm
Rohre, hat 1886 auch 4 Kruppsche 35 Kaliber lange 40 cm Kanonen von je 120 Tonnen Gewicht erhalten und die Marine in den 100 Tonnen-Kanonen
der Armierung des Duilio und Dandolo die größten bis jetzt im Gebrauch befindlichen Geschütze.
Die Schweizer Feldartillerie führte gezogene Vorderlader nach dem La Hitte-System und Hinterlader verschiedener
Kaliber, ähnlich dem ältern preußischen System, hat aber bei Krupp 8,4 cm Gußstahlrohre für die Feld- und 7,5 cm Gußstahlrohre
für die Gebirgsbatterien beschafft, die den Kruppschen Rundkeilverschluß und Stahlblechlafetten haben.
Das ältere in der österreichischen Feldartillerie vertretene System (nach Lenk) gezogener Vorderlader
ist aus dem Bestreben hervorgegangen, mit der Vorderladung eine feste, zentrale Geschoßführung zu verbinden. Es wurde durch
Bogenzüge erreicht, deren
Basis der Bogen eines Kreises ist, dessen Mittelpunkt um die Zugtiefe seitlich der Rohrachse liegt
[* ]
(Fig. 7). Die österreichische Feldartillerie führte 4 und 8pfündige Feld- und 3pfündige Gebirgskanonen dieses Systems,
welches dem in Deutschland eingeführten Feldgeschütz C/1873 erheblich nachstand.
Nachdem man die Überzeugung gewonnen, daß Gußstahlgeschütze von befriedigender Güte durch die inländische Industrie nicht
geliefert werden konnten, entschied man sich für solche aus Stahlbronze, nach dem von Uchatius angegebenen Verfahren im Arsenal
zu Wien hergestellt. Das Material der Festungs- und Belagerungs- ebenso wie das der Küsten- und Schiffsartillerie
ist ganz nach deutschem System reorganisiert; jedoch sind vorwiegend unter den ältern gußeiserne (9, 12, 15 cm Kanonen, 17, 21 cm
Hinterladermörser) vertreten, an deren Stelle in neuerer Zeit solche aus Stahlbronze traten, in der Küsten- und Schiffsartillerie
sind gußstählerne Ringrohre vorhanden.
In England waren bis 1871: 13 Kaliber, teils glatte, teils gezogene, in der Feldartillerie vertreten, letztere für Hinterladung
nach Armstrongs System. 1871 wurden für die Feldartillerie in Indien bronzene, in England gezogene Vorderlader eingeführt, die
aus einem Kernrohr von Gußstahl mit einer Anzahl übergeschobener Ringe von Schmiedeeisen bestehen. Die Züge
sind die sogen. Woolwich-Züge mit bogenförmiger Basis. Das Geschoß erhält seine Führung durch Ailetten (System Maxwell).
Die Zahl der Kaliber in den Geschützen der englischen Land- und Schiffsartillerie ist so groß, daß eine Auszählung hier
unthunlich. Zur gasdichten Abschließung und Führung durch die Züge hat man am Boden der Geschosse schwerer
Geschütze einen kupfernen Expansionsring (gas check) befestigt und erwartete, durch ihn die Vorteile der Kompressionsführung
der Hinterlader auf die Vorderlader übertragen zu können. Der Erfolg entsprach diesen Erwartungen nicht.
Dieser Mißerfolg wie das Springen einer 38 Tons-Kanone auf dem Thunderer und sodann die außerordentlichen Erfolge
Krupps bei den Schießversuchen Anfang August 1879 und 1882 haben die englische Behörde für die Annahme
der Hinterladung definitiv bestimmt. Diese Rohre bestehen aus einer Seele von Martinstahl, die je nach der Größe des Kalibers
eine oder mehrere Ringlagen haben. Man hat den französischen Schraubenverschluß gewählt. Die Versuche, das Bodenstück
nach den Vorschlägen von Longridge mit Stahldraht oder Stahlband in großer Anzahl Lagen zu umgeben, hatten
günstigen Erfolg in Bezug auf Widerstandsfähigkeit der Rohre. Eine Übersicht der Feldgeschütze der größern europäischen
Staaten gewährt die Tabelle auf S. 219.
Die Anfertigung der Geschütze
geschieht in staatlichen Geschützgießereien oder Privatfabriken. Bronzene und eiserne Rohre werden gegossen,
stählerne gegossen und geschmiedet. Für den Guß wird eine Form aus Lehm hergestellt, die, nachdem sie gebrannt ist, in
eine Dammgrube senkrecht, mit der Mündung nach oben, eingesetzt wird. Die Rohre werden entweder voll oder über einen die Seele
bildenden Kern und über der Mündung um 0,7-1 m länger gegossen, damit der obere
Teil des Gußstückes, welcher in der Regel poröser ist, nicht einen Teil des Rohrkörpers bilde (der verlorne Kopf). Stahlrohre
werden bei Krupp aus Tiegeln gegossen und
Die Feldgeschütze der größern europäischen Staaten.
Deutschland
Frankreich
Italien
Österreich
Rußland
Spanien
England
leichtes C/73
schweres C/73
80 mm C/77
90 mm C/77
7 cm C/74
9 cm C/76
8 cm C/75
9 cm C/75
leichtes C/77
schweres C/77
8 cm
C/78
9 cm
16-Pfünder C/74
13-Pfünder C/82
12-Pfünder
22-Pfünder
Kaliber Millim.
78.5
88
80
90
75
87
75
87
87
106.7
78.5
87
94.4
76.2
76.2
89
Aufbau des Rohrs
Mantelrohr
Ringrohr
Hartbronze
Mantelrohr
Hartbronze
Mantelrohr
Hartbronze
Gußstahl
Mantelrohr
Rohrmetall
Gußstahl
Gußstahl, Ringe, Puddelstahl
Hartbronze
Gußstahl
Hartbronze
Gußstahl
Stahl, Mantel aus Schmiedeeisen
Verschlußsystem
Rundkeil
Schraubenverschluß
Rundkeil
Flachkeil
Rundkeil
Rundkeil
Vorderlader
Schraubenverschluß
Rohrgewicht Kilogr.
390
450
425
530
300
492
299
487
438
617
372
516
609
406
-
545
Geschoßführung
Hartblei, Kupfer in der Einführung
Kupferband
Kupferringe
Kupferringe
Kupferband
Kupferringe
Bronze-Ailetten
Kupfer-Ailetten
Kupfer
Art der Granate
Ringgranate
Doppelwand
Ringgranate
Ringgranate
Ringgranate
Ringgranate
einfache
Doppelwand
Gewicht der Granate Kilogr.
5.07
7.0
5,825
8,015
4.20
6.70
4,309
6,397
6.9
12.5
4.60
6.40
7,343
5.89
-
9.98
Gewicht im Schrapnell Kilogr.
5,439
9,002
5.97
8.16
4.20
6.70
4.66
7,082
6.9
12.5
4.60
7.10
7.84
5.19
-
-
Füllkugeln im Schrapnell Stück
175
270
93
92
103
177
105
165
165
340
92
-
72
116
-
234
Geschützladung Kilogr.
1.25
1.50
1.50
1.90
0.85
1.45
0.95
1.50
1,396
1,841
1.25
1.50
1,361
1.42
1,814
3.4
Anfangsgeschwindigkeit Meter
465
444
490
455
421
454
422
448
442
373.4
490
455
411
486
-
538
Lebendige Kraft Meter
55.9
70.4
68.5
83.9
58
71.0
39.2
65.6
68.7
88.6
56.3
65.3
63.1
73.2
78.7
149.4
Schußweite der Granate Meter
6800
7000
7000
7000
-
5600
4500
4500
6400
5334
6000
6000
3800
-
-
-
Schußweite des Schrapnells Meter
3500
3500
5000
5000
2600
2800
2250
2250
3414
3200
2400
2400
3800
-
-
-
Geschütze der Batterie
6
6
6
6
8
8
8
8
8
8
6
6
6
6
-
-
Schußzahl der Batterie pro Geschütz
152 2/3
134 2/3
161.5
150.5
142
130
146
123
165
126
120
103
100
144
-
-
dann
unter dem Dampfhammer geschmiedet. Das Ausbohren und Abdrehen der Rohre geschieht durch Bohrmaschinen
und Drehbänke, das Ausschneiden der Züge auf einer Ziehbank mit Teilscheibe. Vor ihrer Ablieferung werden die Rohre in Bezug
auf Abmessungen und Beschaffenheit des Metalls sorgfältig nach festgesetzten Vorschriften untersucht, nächstdem angeschossen,
d. h. es werden eine bestimmte Anzahl Schüsse mit bestimmten Ladungen und Geschossen aus dem Rohr gethan,
wobei gleichzeitig die Trefffähigkeit festgestellt wird.
Die Bronze ist ihrer bedeutenden Zähigkeit wegen ein sehr geschätztes Geschützrohrmetall; dazu kommt, daß unbrauchbare
bronzene Rohre sich mit geringer Entwertung des Metalls zum Neuguß wieder verwenden lassen; dagegen sind sie leicht zu beschädigen,
büßen auch infolge baldigen Ausschießens durch Ausschmelzen des Zinns aus der Bronze nach und nach an
Treffsicherheit ein. Zur Vermeidung der Zinnausscheidungen beim langsamen Erkalten des Gußstückes gießt man jetzt die
Rohre, damit sie schnell erstarren, in eisernen Schalen.
Der Herstellung von Geschützen nach dem Uchatiusschen Verfahren liegt gleichfalls der Guß in eisernen Schalen über einen
Kern zu Grunde. Für die 8,7 cm Rohre wird die Seele auf 8 cm ausgebohrt und dann durch Hineinpressen von verschieden starken Stahlcylindern
auf 8,7 cm erweitert. Die Bronze (92 Proz. Kupfer, 8 Proz. Zinn) nahe der Seelenwand erhält durch diese Verdichtung eine Festigkeit
ähnlich dem Gußstahl, daher ihr Name Stahlbronze, und das Rohr in Bezug auf Widerstand beim Schießen ähnliche
Eigenschaften wie die beringten Rohre (künstliche Metallkonstruktion). In Rücksicht auf ihre Billigkeit werden auch in Deutschland
seit 1878 alle Bronzerohre nach diesem Verfahren hergestellt.
Die Bronze wird hier aber Hartbronze genannt. Gußeiserne Rohre sind sehr billig, bieten aber den gegen
früher sehr gesteigerten Geschützladungen gegenüber ungenügende Widerstandsfähigkeit und werden daher nicht mehr gefertigt.
Das beste Geschützmetall für alle Geschütze ist der Gußstahl; seiner so ausgedehnten Verwendung steht nur sein hoher Preis
entgegen. Durch Versuche und Rechnung ist nachzuweisen, daß bei Massivrohren (d. h. aus Einem Stück bestehenden) die äußern
Schichten der Wandung durch den Gasdruck in viel geringerm Grad in Anspruch genommen werden als die innern,
und zwar um so weniger, je größer die Metallstärke im Verhältnis zum Seelendurchmesser ist.
Eine gleichmäßige Inanspruchnahme aller Schichten der Rohrwandung zum Widerstand gegen den Gasdruck wird dadurch erreicht,
daß die äußern Rohrschichten die innere in einem von außen nach innen steigenden Druck zusammenpressen.
Schiebt man auf eine cylindrische Röhre einen durch Erwärmen erweiterten Hohlcylinder, dessen innerer Durchmesser vorher
(in kaltem Zustand) kleiner ist als der äußere der innern Röhre, so wird beim Erkalten diese zusammengedrückt, jener entsprechend
ausgedehnt werden.
Zieht man in ähnlicher Weise noch einen dritten Cylinder auf, so wiederholt sich dieselbe Wirkung. Auf diese
Weise läßt sich bei richtiger Bemessung der Schrumpfmaße die Spannung der innern Schichten den obigen Grundsätzen gemäß
regeln. Theoretisch wäre es vorteilhaft, dem Rohr möglichst viele Ringlagen zu geben; aus technischen Gründen und praktischen
Erfahrungen empfiehlt sich deren Beschränkung auf 1-3 Lagen. Diesen Rohraufbau hat man die künstliche
Metallkonstruktion und die nach ihren Grundsätzen gefertigten Rohre Ring- oder Mantelrohre genannt. Bei erstern bildet die
mehr
Kernröhre, welche auch den Verschluß enthält, den Hauptteil und trägt am Ladungsraum bis vor die Schildzapfen warm aufgezogene
Ringe. Die Mantelrohre enthalten dagegen eine verhältnismäßig schwache Kernröhre, welche vor dem Verschluß endet
und demselben nur nach einer Richtung, radial, Widerstand zu leisten hat; bei den Ringrohren tritt der Widerstand in
Richtung der Rohrachse, durch den Gasdruck auf den Verschluß, hinzu. Die Kernröhre ist in den aus Einem Stück bestehenden
Mantel eingeschoben, in dem also auch der Verschluß sitzt.
Werden außer dem Mantel noch Verstärkungsringe angewendet, so entstehen Mantelringrohre. Die Kruppsche Fabrik fertigt in neuerer
Zeit die kleinern Kaliber als Mantel-, die größern als Mantelringrohre. Je größer die Widerstandsfähigkeit
der Geschützrohre gegen den Gasdruck ist, desto größer ist bei bestimmtem Rohrgewicht ihre Leistung. Bei den sich steigernden
Forderungen an die Durchschlagskraft der Geschosse und der dem entsprechenden Zunahme der Seelendurchmesser ist in Rücksicht
auf das absolute Rohrgewicht die rationelle Ausnutzung des Metalls von größter Wichtigkeit. Die folgende
Tabelle gestattet in den Angaben über die auf 1 kg des Rohrgewichts entfallende lebendige Kraft in dieser Beziehung einen
Vergleich der verschiedenen Rohrsysteme. Er zeigt, daß die Kruppschen Geschütze in ihrer Leistung den englischen entschieden
überlegen sind.
Krupps
Französische
Armstrongs
35 Kaliber lange 24 cm
30.5 cm Kanone
40 cm Kanone C/84
34 cm Kanone C/81
37 cm Kanone C/84
30.5 cm Kanone
43 cm Kanone C/82
Gewicht des Rohrs Tonnen
22.24
49.2
121
53
72
44.35
101
" des Geschosses Kilogr.
215
455
741
420
535
317.5
1000
" der Ladung Kilogr.
98
162
279.2
164
246.5
147.4
350.5
Anfangsgeschwindigkeit Meter
609
565
615.2
600
600
547
558.8
Lebendige Kraft ganze Meterton.
3945
7403
14300
7710
9821
4842
15930
" auf 1 cm des Geschoßumfanges Meterton.
52.32
77.28
113.8
72.18
84.4
50.5
117.3
" auf 1 Ton. Rohrgewicht Meterton.
177.4
150.5
120
148.2
138.3
109.1
159.3
Sir W. Armstrong fertigte seine Rohre in der Weise, daß er schmiedeeiserne Stäbe von trapezförmigem Querschnitt spiralförmig
aufwickelte, über einen Dorn in sich und dann solcher Coils so viele aneinander schweißte, als die Länge des Rohrs erforderte.
Über dieses nächstdem abgedrehte Kernrohr wurden eine Anzahl in gleicher Weise hergestellte Ringe, die
innen ausgedreht waren, warm aufgezogen und dann schnell abgekühlt (das Aufschrinken). Die neuern englischen Rohre erhalten
eine Kernröhre aus Stahl mit mehreren Ringen, die wie die Coils gefertigt werden. In Nordamerika wurden bis vor kurzem glatte
Vorderlader von 39-52 cm Kaliber als Panzergeschütze nach Rodmans verbessertem Gußverfahren bei schneller
Abkühlung von innen und Erwärmung von außen aus Eisen gegossen, welche später eine gezogene Stahlseele
erhielten; doch
sind dieselben von ganz ungenügender Haltbarkeit. Zu einem selbständigen System ist man noch nicht gelangt. Schweden, welches
seiner Eisenproduktion gemäß auch seine Feldgeschütze, die nach dem durch General Wrede abgeänderten
La Hitte-System gezogen sind, aus Eisen fertigte, hat neuerdings von Krupp 8,7 cm Gußstahl-Hinterladungsgeschütze für seine
Feldartillerie bezogen.
Kartätschgeschütze.
Eine besondere Art von Geschützen ist das sogen. Kartätschgeschütz, Kugelspritze oder Mitrailleuse, deren Konstruktionen sich
unter dem Namen der Orgelgeschütze bis zur Mitte des 15. Jahrh. verfolgen lassen, und
die zur Zeit der niederländisch-spanischen Kriege von 1568 bis 1609 vielfach zur Anwendung kamen. Das Wesen derselben besteht
darin, daß eine größere oder geringere Anzahl von Gewehrläufen derart zusammengesetzt ist, daß sie entweder gleichzeitig
oder schnell hintereinander abgefeuert werden können, um so den Kartätsch- und Schrapnellschuß der Geschütze
zu ersetzen.
Bei den Orgelgeschützen lagen die Läufe in Reihen übereinander und wurden durch Leitfeuer abgefeuert. 1832 konstruierte Steinheil
eine Maschine mit Einem Lauf, aus dem durch die Drehgeschwindigkeit eines Rades Kugeln geschleudert wurden. Sie blieb ohne praktische
Bedeutung. 1861 erfand Gatling aus Indianapolis in Nordamerika ein Repetiergeschütz, das er 1863 der französischen
Regierung erfolglos anbot, welches ihm aber 1865 für die Vereinigten Staaten patentiert wurde.
Das Gatling-Geschütz besteht in der Regel aus zehn durch zwei Platten fest zu einem Bündel vereinigten Läufen, in dessen Achse
eine Welle drehbar gelagert ist. Am hintern Ende der Läufe befindet sich eine Trommel, welche den Schloßmechanismus
umschließt. Jeder Lauf hat ein Schlößchen mit Patronenauszieher, Schlagstift und Spiralfeder. Die Trommel, mit der Welle
fest verbunden, wird mit dieser gedreht, wobei die am hintern Ende der Schlagstifte sitzenden Knöpfe in spiralförmigen Führungsrinnen
gleiten, die in den hinter der Trommel feststehenden Lade- oder Spannring eingeschnitten sind.
Dadurch bewegen sie sich vor und zurück und verrichten hierbei selbstthätig das Laden, Abfeuern und Ausziehen der leeren
Hülsen. Ein Mann dreht die Welle, ein andrer läßt die Patronen in die Trommel gleiten. Je schneller man dreht, desto schneller
feuert das Geschütz und erreicht bis 1000 Schüsse in der Minute. Die 1867 in Frankreich eingeführte und 1870 in
den Kampf getretene Mitrailleuse (von de Reffye) gleicht äußerlich einer Bronzekanone. In derselben steckt ein vierseitiger
Stahlblock, durch den 25 Seelen von 13 mm Durchmesser gebohrt sind. In eine Kammer des Ladestückes wird eine Büchse mit 25 Patronen
eingesetzt, welche durch den Schloßmechanismus in kurzen Zeitpausen schnell abgefeuert werden. 1851 hatte
ein ehemaliger belgischer Offizier und Ingenieur, Fafschamps, eine Mitrailleuse konstruiert, welche in ihrer Konstruktion unverkennbar
der Vorläufer der französischen ist; sie hatte 50 fest verbundene Läufe und einen ähnlichen Schloßmechanismus. Die französische
Mitrailleuse ist durch Montigny und Christoph in Lüttich verbessert worden. Sie vereinigten 37 Rohre in ein
Bündel, welches mit einer eisernen Hülle umgeben wurde. Das Vor- und Zurückschieben des Schloßmechanismus wird durch einen
Winkelhebel bewirkt. Aus diesem System ist die
mehr
österreichische Mitrailleuse hervorgegangen, mit der 1870 die ungarischen Honvedbatterien bewaffnet, die aber 1875 wieder
aufgelöst wurden. Bei den bisher genannten Repetiergeschützen laufen sämtliche Seelenachsen parallel, weshalb der Streuungskreis
auch nur dem Durchmesser des Rohrbündels entsprechen kann. Dies ist ein offenbarer Nachteil und erklärt, daß Tote 5, 7,
ja 15 Mitrailleusenkugeln in der Brust hatten. Diesem Übelstand suchte Feldl, Ingenieur in Augsburg, durch
ein System abzuhelfen, bei dem vier Läufe des bayrischen Werder-Gewehrs parallel nebeneinander lagen, denen sich während des
Schießens eine seitliche Streuung von im ganzen 56° geben ließ.
Das Laden und Abfeuern geschah durch Drehen eines seitlichen Handrades. 1870/71 hatte Bayern zwei solcher
Batterien aufgestellt, von denen die eine bei Coulmiers nach 1½stündigem Gefecht durch Störungen im Lademechanismus gefechtsunfähig
war. Das Feldl-Geschütz wurde deshalb nicht eingeführt. Nach dem letzten deutsch-französischen Krieg sind von den meisten
Staaten zum Teil früher abgebrochene Versuche mit Mitrailleusen von neuem durchgeführt. Die Ergebnisse waren
in manchen Staaten für, in andern gegen, in noch andern für eine bedingte Einführung. Im allgemeinen scheint das Urteil
jetzt darin seinen Abschluß erreicht zu haben, daß sie besser für die Defensive als die Offensive geeignet sind und im Festungskrieg
eine hervorragendere Rolle spielen können als im Feldkrieg.
Das Kartätschgeschütz von Palmcrantz-Winborg, aus vier oder zehn nebeneinander liegenden Läufen bestehend,
die durch Vor- und Zurückschieben eines Hebels geladen, abgefeuert und von den Hülsen entleert werden, ist in Rußland als
Flankengeschütz für Festungen wie in der Marine zur Verwendung gegen Torpedoboote eingeführt. Dem Schloßmechanismus werden
Einfachheit und große Haltbarkeit nachgerühmt. Das diesem ähnliche Maschinengeschütz von Gardner ist
in verschiedenen Kalibern in England eingeführt. - Das der Gatling-Kanone nachgebildete Hotchkiß-Geschütz ist gleichfalls
in mehreren Staaten (Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien etc.) mit günstigen Ergebnissen versucht worden.
Die fünf Läufe von 37 mm Kaliber verfeuern 410 g schwere Granaten mit Perkussionszünder und Kartätschen mit 78 g
Ladung. Das Geschütz ist mit wagerechten Schildzapfen und einem senkrechten Drehzapfen so in der Lafette gelagert, daß ihm jede beliebige
Höhen- und Seitenrichtung gegeben werden kann. Die fünf Läufe, welche sich um die zentrale Welle drehen, haben nur eine gemeinschaftliche
Lade- und Abfeuervorrichtung. Das Laden und Ausziehen der Hülsen wird durch zwei Zahnstangen bewirkt.
Zum Abfeuern dient ein Schlagstift mit Spiralfeder. Eine Kurbel mit Schnecke setzt den Mechanismus in Thätigkeit. Eine wertvolle
Eigentümlichkeit ist, daß die Läufe während des Abfeuerns selbstthätig stillstehen. Für den Wert der Kartätschgeschütze
ist nicht nur die Feuergeschwindigkeit, sondern auch die Unempfindlichkeit des ganzen Mechanismus gegen
störende Einflüsse beim kriegsmäßigen Gebrauch maßgebend.
Die Feuergeschwindigkeit betreffend, ist die größte Schußzahl
in einer Minute: für Gatling 1000, Palmcrantz-Winborg 850, österreichische Montigny 481, Feldl 400, Christoph und Montigny 296,
Hotchkiß 150, französische Mitrailleuse 125 Schüsse.
Geschichtliches.
Über das Alter der Geschütze sowie über das des Schießpulvers fehlen sichere Angaben. Diesem ähnliche
Mischungen waren bereits im Altertum namentlich den Chinesen bekannt, deren schon in früher Zeit gebrauchte Brandpfeile mit
Brandsatz gefüllt waren, um ihre Fluggeschwindigkeit durch die nach hinten ausströmenden Gase zu vermehren. Hieraus entstanden 969 n. Chr.
die Raketen, die auch derart an Stangen befestigt, daß das Feuer nach vorn, auf den Feind, ausströmte,
verwendet wurden.
Auch aus den Wurfmaschinen wurden jene pulverähnlichen Mischungen geworfen, was wohl zu der irrigen Tradition von dem Bestehen
von Geschützen schon im 11. Jahrh. und früher Veranlassung gegeben hat. Bis jetzt hat sich
aber nur nachweisen lassen, daß der Gebrauch dieser Mischungen zum Forttreiben von Geschossen aus Röhren
nicht über den Anfang des 14. Jahrh. hinausgeht. In der Chronik von Gent heißt es vom Jahr 1313, daß in Deutschland der Gebrauch
der Büchsen von einem Mönch erfunden sei; ebenso ist authentisch nachgewiesen, daß 1326 in Florenz metallene Kanonen und schmiedeeiserne
Kugeln gefertigt wurden.
Von nun ab mehren sich die Nachrichten über Feuerwaffen. Die ersten Geschützrohre kleinen Kalibers waren geschmiedete Läufe,
die größern wurden aus schmiedeeisernen Stäben mit darübergetriebenen Reifen wie ein Faß zusammengesetzt; in das eine Ende
wurde das Bodenstück, durch welches das Zündloch ging, mit einem Zapfen eingeschraubt. Später wurden die
Rohre aus Bronze gegossen. Der Hochmeister des Deutschen Ordens, Konrad von Jungingen, ließ 1401 durch den Stückgießer Fränzel
zu Marienburg (Westpreußen) eine Geschützgießerei anlegen, deren zu Nürnberg und Augsburg damals schon bestanden.
Die ersten gegossenen Geschütze scheinen vorzugsweise Hinterlader gewesen zu sein. Da das damals noch in Staubform angewendete
Pulver sich von der Mündung schwer zu Boden bringen ließ, gab man dem Geschütz eine von oben in das Rohr mit
der Pulverladung einzusetzende Kammer, welche durch Keile festgehalten wurde, daher Keil- oder Kammerstücke
[* ]
(Fig. 8). Eiserne
Rohre scheinen zuerst in der letzten Hälfte des 15. Jahrh. in Schlesien gegossen worden zu sein, der Herzog
von Sagan hatte deren bereits 1470; Karl der Kühne verlor 1476 bei Murten eiserne Geschütze. Auch die Art, wie Armstrong seine
Rohre fertigt, war bekannt. 1486 wurde zu Mons ein schweres Rohr aus aufgewickelten Eisenstäben (»wie man ein Tau aufwickelt«)
gefertigt und an Jakob II. von Schottland verkauft. Es steht jetzt in Edinburg. Die »tolle Grete« von Gent,
die 33,000 Pfd. wog und eine Kammer hatte, die 140 Pfd. Pulver faßte, war in gleicher Weise gefertigt; sie blieb 1452 bei der
Belagerung von Oudenaarde stehen. Um die Mitte des 15. Jahrh.
hatte sich das Geschützwesen schon bedeutend entwickelt und gelangte im 16. Jahrh. bereits
zu einer gewissen künstlerischen Blüte. Der Hang zum Ungeheuerlichen führte zu den bekannten Riesengeschützen (die »faule
Grete« des Kurfürsten von Brandenburg 1414, »Taube«, »Ungnade«, der »Hahn«, die »böse Else«, »zwölf Apostel«),
zu denen in neuester
Zeit die italienische 100 Tons-, die englische 80 Tons- und Krupps 40 cm Kanone hinzutreten, jedoch mit dem
Unterschied, daß diese Geschütze ihrer Größe Entsprechendes leisten, was bei den alten Riesengeschützen nicht der Fall
war. Nach und nach kam etwas System in das Kaliber, namentlich unter Maximilian zu Anfang des 16. Jahrh., so
daß sich gewisse Gruppen, wie Kartaunen und Feldschlangen (s. d.), unterscheiden lassen. Man legte einen großen Wert
auf die Ausschmückung des Rohrs durch Ziselierungen, Reliefdarstellungen, besondere, oft sehr phantastische Gestaltung der
Henkel und Traube. Nebenbei ist das Bestreben, Hinterladungsgeschütze zu konstruieren, niemals ganz eingeschlafen. Durch
zahlreiche Versuche, namentlich seit Anfang des 18. Jahrh., wurden mit den Kalibern auch die Einzelheiten
der Rohrkonstruktion, wie Länge der Seele, Metallstärke, Stellung des Zündlochs etc., festgestellt und an unsre Zeit überliefert.
Eine neue Zeit des Geschützwesens beginnt 1840 mit der vom schwedischen Baron v. Wahrendorff, Besitzer der Eisengießerei zu
Aker: der für die meisten europäischen Staaten eiserne Geschützrohre goß, ausgeführten Herstellung
eines glatten Hinterladers. Zweck der Hinterladung war, die Bedienung des Geschützes in Kasematten zu erleichtern. Während
die Hinterladung durch die Reihe der Jahrhunderte an den unvollkommenen technischen Mitteln, vorzugsweise zur Herstellung einer
genügenden Liderung, scheiterte, gelang es Wahrendorff, diese Schwierigkeit durch den nach und nach verbesserten
Kolbenverschluß, der bei dem 9 cm Feldgeschütz der deutschen Artillerie zur Einführung gelangte, zu beseitigen. 1846 wurde
Wahrendorff durch den italienischen Artilleriekapitän Cavalli angeregt, sein Rohr mit Zügen zu versehen.
Letzterer setzte 1847 diese Versuche, bei denen er Geschosse mit zwei Ailetten und zwei Flügeln verwendete, in
Turin fort. Die Züge hatten fast genau die Form der jetzigen Woolwich-Züge. Sie wurden 1856 in Frankreich durch die unter La
Hittes Vorsitz zusammengetretene Kommission bei dem oben beschriebenen La Hitte-System eingeführt. In Rußland, Italien, Schweden,
Dänemark, Belgien wurde um 1860 dies System angenommen. 1852 wurde das Lancaster-Geschütz, dessen Querschnitt
elliptisch und dessen Geschoß ein Ellipsoid war, versucht, das dann im Krimkrieg seine Unbrauchbarkeit darthat.
Seine Seele war in der Art gewunden, daß die große Achse der Ellipse am Rohrboden senkrecht stand, an der Mündung wagerecht
lag. Darauf (1854) fiel die englische Artillerie in die Hände von Privatfabrikanten. 1860 wurde, nachdem
die Fabrikanten die öffentliche Meinung für sich gewonnen hatten, das Armstrong-Geschütz eingeführt. Der Rückschlag trat
nur zu schnell ein und wurde durch die gänzliche Unbrauchbarkeit der schweren Armstrong-Marinehinterlader nach kurzem Gebrauch
herbeigeführt.
Man behauptete nun, es sei unmöglich, einen genügenden Hinterladungsverschluß herzustellen, und ging zum Vorderlader über,
nach welchem System unter Anwendung des Fraser- und Woolwich-Rohraufbaues (s. oben) bisher alle schweren
Marine- und Küstengeschütze gefertigt wurden. Die französischen La Hitte-Kanonen erwiesen
sich im italienischen Feldzug 1859 den
glatten Geschützen so überlegen, daß sie der Impuls und das Vorbild für die Einführung gezogener Kanonen in den meisten
Staaten wurden.
In Preußen wurden die Versuche mit gezogenen Kanonen im Frühjahr 1851 begonnen und dabei das Wahrendorffsche
Rohr mit der Modifikation zu Grunde gelegt, daß die Seele flache Züge erhielt und ein Langgeschoß mit Bleimantel zur Kompressionsführung
angewendet wurde. Auf den Grundzügen dieser Konstruktion ruht unsre heutige Artillerie. Die ersten Versuchsrohre waren
aus Gußeisen, dann aus Bronze, 1856 aus Gußstahl. 1859 gelangte dies System zur Einführung.
Auch die Kruppsche sogen. Riesenkanone der Pariser Ausstellung von 1867, von 36 cm Kaliber, wie das gegenwärtig größte Kruppsche
Geschütz, die 40 cm Kanone (s. Tabelle S. 220), fußen auf demselben. Es ist auch unter erheblichen Schwierigkeiten
gelungen, in gleicher Weise gezogene Hinterladungsmörser herzustellen. Österreich mußte nach den Erfahrungen von 1859 gezogene
Geschütze einführen, konnte sich indes nicht für das La Hittesche System mit seiner schlotternden Geschoßführung entscheiden,
wollte aber auch nicht ein Nachahmer Preußens sein und nahm deshalb 1863 das Lenksche Bogenzugsystem an. Über die
um diese Zeit in Preußen nach dem Vorgang Frankreichs und Sachsens eingeführten Granatkanonen s. d.
Gleichzeitig mit Armstrong trat, als dessen bedeutendster Konkurrent, Whitworth mit einer eigenartigen Geschützkonstruktion
auf. Die Seele seines aus Gußstahl gefertigten Rohrs zeigt im Querschnitt ein regelmäßiges Sechsseit mit abgerundeten Ecken
und hat den ungewöhnlich starken Drall von zwei Umdrehungen auf die Rohrlänge. Das Geschoß ist drei Kaliber
lang; die Pulverladung befindet sich in einer metallenen Hülse, welche gleichzeitig zur Liderung dient.
Dieses Geschütz wurde in Nordamerika eingeführt, aber 1862 durch die Parrot-Kanonen verdrängt. Dies sind Vorderladungsrohre aus
Gußeisen, deren Bodenstück mit einem schmiedeeisernen Coil gepanzert ist. Die Geschosse, fast drei Kaliber
lang, erhalten ihre Führung durch einen kupfernen oder bleiernen Expansionsring an der Kante des Geschoßbodens. Neben diesen
sind noch glatte und gezogene Geschütze nach Konstruktionen von Rodman, Dahlgren und Ames eingeführt worden, die allesamt gleich
schlecht sind. Während des Bürgerkriegs zersprangen 259 schwere Rohre, darunter 60 gezogene Parrot-100-Pfünder, 17 glatte
15zöllige Rodman-Kanonen, so daß sich Nordamerika in der Lage befindet, eine ganz neue Artillerie einführen zu müssen, was
bei den herrschenden Parteiinteressen sehr schwer ist. - Das von Ames angewendete Fabrikationsverfahren, runde Scheiben aus
drei konzentrischen schmiedeeisernen Ringen herzustellen und solche Scheiben nach Bedarf für die Rohrlänge
aneinander zu schweißen, ist in England von Macomber durch ein eigentümliches Preß- und Walzverfahren verbessert worden.
Das um 1865 in Nordamerika konstruierte Accelerationsgeschütz, in neuester Zeit durch Lyman-Haskell ebenso erfolglos wieder
versucht, ging aus der Idee hervor, dem Geschoß im Rohr eine steigende Geschwindigkeit zu geben. Zu diesem
Zweck waren in gewissen Abständen Nebenkammern, die mit der Seele kommunizierten, angebracht, deren Ladung durch das Feuer der
eigentlichen Geschützladung entzündet wurde, sobald das Geschoß darüber hinweg war. Die den Belagerungsgeschützen durch
ihre Transportfähigkeit gesteckte Gewichtsgrenze beschränkt auch
mehr
ihr Kaliber und somit auch in gewisser Weise ihre Wirkungssphäre. Dies führte 1877 den russischen Kapitän Kolokolzow, Direktor
der Obuchowschen Gußstahlwerke, auf die Konstruktion zerlegbarer Geschützrohre, um durch ein in seinen Teilen transportiertes
und am Gebrauchsort zusammengesetztes achtzölliges Rohr von 5668 kg Gewicht der russischen Belagerungsartillerie vor Rustschuk
ein wirkungsvolleres Geschütz zuzuführen. Das Rohr bestand aus einer Kernröhre von Stahl, auf welche ein aus
zwei Stücken bestehender Mantel geschoben wurde, den eine muffenartige Verbindungsmutter zusammenhielt.
Das Zusammensetzen geschah in der Batterie in drei Stunden; das Rohr that nach dem Anschießen noch 199 Schuß mit 7,8 kg Ladung
und 80 kg schwerem Geschoß mit Erfolg. Von gleicher Bedeutung sind solche Geschütze für die Gebirgsartillerie.
In Woolwich und Madrid sind 1878 zerlegbare Gebirgskanonen von La Mesrie und Hoyle gleichfalls mit günstigem Erfolg versucht
worden, deren Zusammensetzen in einer Minute geschehen sein soll. Über Dampfgeschütze s. d.
[Litteratur.]
Vgl. v. Decker, Geschichte des Geschützwesens (Berl. 1822);
Mor. Meyer, Geschichte der Feuerwaffentechnik
(das. 1835);
R. Schmidt, Entwickelung der Feuerwaffen (Schaffhaus. 1869);
v. Specht, Geschichte der Waffen (Leipz. u. Berl. 1869-77, 2 Bde.);
Schott, Grundriß der Waffenlehre (2. Aufl., Darmst. 1875);
»Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen« (hrsg. vom Germanischen Nationalmuseum,
Leipz. 1877);
Jähns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens, mit Atlas (das. 1880);
H. Müller: Die
Entwickelung der Feldartillerie (Berl. 1873), Entwickelung der preußischen Festungs- und Belagerungsartillerie (das. 1876),
Entwickelung der preußischen Küsten- und Schiffsartillerie (das. 1879);
Prehn, Artillerieschießkunst (das. 1867);
Roerdansz,
Das gezogene vierpfündige Feldgeschütz (das. 1865);
Schmölzl, Die gezogene Kanone, deren geschichtliche Entwickelung (Münch.
1860);
Jüptner v. Jonstorff, Die Feldartillerie Österreichs, Frankreichs etc. (Wien 1871);
Witte, Artillerielehre
(Berl. 1872-73, 3 Bde.);
Wille, Über die Bewaffnung der Feldartillerie (das. 1880);
Derselbe, Über Kartätschgeschütze (das.
1871);
Beckerhinn, Die Feldartillerie Österreichs, Deutschlands, Englands, Rußlands, Italiens und Frankreichs (Wien 1879);
Galster,
Die Schiffs- und Küstengeschütze der deutschen Marine (Berl. 1885);
v. Löbell, Jahresberichte über die
Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen (das. 1875-86).
(Barbette), die hinter einer Brustwehr zur Aufstellung von Geschützen angeschüttete Erhöhung, deren Oberfläche
für Geschütze in Feldlafetten 1 m, für 9 und 12 cm Kanonen in Belagerungslafetten 1,6, für alle übrigen Geschütze 2,2 m
unter der Feuerlinie liegt, 6,7 m tief (breit) ist und in neuerer Zeit in Festungen als fortlaufende Geschützbank mit
2,2 m Kniehöhe angelegt wird. Auf die Geschützbank führt eine Geschützrampe mit fünffacher Anlage. Die Geschützbank ist für schwere Geschütze,
von der Feuerlinie gemessen, 9, für leichte 8,2 m tief, für 1 Geschütz 4, für 2 Geschütze 10-11,3 m
breit.
(Emplacements) werden für Feldgeschütze oder 9 cm Kanonen im Festungskrieg batterieähnlich derart
erbaut, daß die Geschützstände für erstere auf -0,5, für letztere auf -0,8
m Tiefe und längs der Brustwehr Verbindungsgräben, deren Sohle auf -1,5 m liegt, ausgehoben werden, in
welchen Mannschaften und Geschütze beim Nichtgebrauch Deckung
finden. Die Kartusch- und Geschoßnischen werden in der Brust dieser
Gräben kastenartig nach hinten offen angelegt, nur das Knie der Brust wird bekleidet; die Geschütze haben von Mitte zu Mitte 10 m
Abstand, die Brustwehr ist 5 m stark. Geschützeinschnitte für Feldgeschütze im Feldkrieg werden derart hergestellt, daß
die Erde, 0,5 m tief, 3-4 m breit und 5 m lang, nach hinten schräg hinführt, ausgehoben und
nach vorn und den Seiten aufgeworfen wird.
herkömmliche Bezeichnung einer Anstalt, in der Geschütze angefertigt werden; heute häufig und
besser Geschützfabrik genannt, da die maschinellen Einrichtungen zur Bearbeitung der Geschütze die Hauptsache
sind, hinter welchen die Gießerei als solche zurücktritt. Geschützgießerei pflegt der Staat, Geschützfabrik der Privatbesitzer seine Anstalt
zu nennen. Geschützgießereien und Geschützfabriken hat Deutschland: in Spandau, Ingolstadt, Krupp in Essen, Gruson in Buckau
bei Magdeburg für Revolverkanonen;
Österreich: in der Artilleriezeugsfabrik des Arsenals in Wien, die Neuberg-Mariazeller
Gewerkschaft (Steiermark);
Frankreich: für die Landartillerie in Bourges, für die Marine in Ruelle, Cail in Paris, Schneider in
Creusot, Petin und Gaudet zu St.-Chamond (Rieve de Gier);
England: im Arsenal zu Woolwich, Armstrong in Elswick bei Newcastle, Whitworth
in Manchester, Vavasseur (Blakeleysche Eisenwerke) zu London;
Italien: in Turin, Genua und Neapel;
Spanien:
in Trubia u. Sevilla;
Rußland: Petersburg, Perm, Obuchowsche Gußstahlwerke zu Alexandrowsk bei Petersburg. S. Geschütz, S. 218 f.
im allgemeinen der Platz, auf dem ein Geschütz beim Schießen steht. Feldgeschütze stehen in der
Regel auf bloßem Erdboden, während für Festungs-, Belagerungs- und Küstengeschütze Bettungen (s. d.) hergerichtet werden
müssen. Früher legte man in Festungen an wichtigen Punkten auf dem Wallgang auch bedeckte Geschützstände an, indem man einen
blockhausartigen Holzbau mit bombensicherer Eindeckung herrichtete. Gegen die heutige Geschoßwirkung schützen sie nicht
und werden daher in Festungen nicht mehr gebaut. In Küstenwerken sind an ihre Stelle Panzerbatterien und
Panzertürme (s. Festung, S. 187) getreten. Ältere Festungen, auch solche neupreußischer Manier, geben zuweilen in ausspringenden
Winkeln tief liegende kasemattenartige Geschützstände für Mörser. Gruson in Buckau hat auch in neuester Zeit für Mörser
Hartgußpanzerstände erbaut.
diejenigen Gerätschaften, welche zum Laden, Richten und Abfeuern des Geschützes
erforderlich sind. Es gehören hierher: der Wischer, eine der Länge des Geschützrohrs entsprechende hölzerne Stange, an einem
Ende mit einer cylindrischen Bürste aus Schweineborsten, Piassave, Kittul-, Wurzel- oder Aloefasern versehen, dient zur Reinigung
des Rohrs;
der Lader oder Ansetzer zum Ansetzen des Geschosses und der Kartusche;
die Ladebüchse, ein eiserner
Hohlcylinder bei Geschützen mit Flach- oder Rundkeil, welche nur einen Teil der Ladeöffnung enthalten, zur ungehinderten
Einführung der Ladung;
der Aufsatz (s. d.), Richt- oder Hebebaum, Richtlot, Richtstäbchen zum Richten;
der Libellenquadrant,
eine an einem Ende drehbar an einer Platte befestigte Röhrenlibelle, deren andres Ende sich an einem
Gradbogen bewegt, zum Nehmen der Höhenrichtung;
der Stell- (früher Tempier-) Schlüssel, gabelförmiges Instrument mit zwei
Haken zum Einstellen (Tempieren) der
mehr
Schrapnellzünder;
die Abzugschnur, eine starke geflochtene Schnur mit Haken an einem und Griff am andern Ende zum Abziehen
der Schlagröhren oder Friktionsbrandel;
die Geschoßtrage (bei Küsten- und Schiffsgeschützen fahrbar);
Kartuschtornister
oder Kartuschbüchsen, letztere in Küstenbatterien und auf Schiffen aus Zinkblech mit luftdichtem Verschluß, zum Herantragen,
die Zinkkartuschbüchsen auch zum Aufbewahren der Kartuschen;
die Kartuschnadel zum Reinigen des Zündlochs
und Durchstoßen des Kartuschbeutels, damit die Schlagröhre sicher zünde;
die Schlagröhren- und Zündungentaschen, um den
Leib geschnallte Ledertaschen mit den Schlagröhren etc.;
die Zündlochbürste und der Zündlochbohrer zum Reinigen des Zündlochs;
die Stärke oder Intensität einer Bewegung. Bei gleichförmiger Bewegung wird die
Geschwindigkeit ausgedrückt durch die Wegstrecke, welche in jeder Zeiteinheit (Sekunde) zurückgelegt wird. Bei ungleichförmiger Bewegung
versteht man unter Geschwindigkeit diejenige Wegstrecke, welche in der Zeiteinheit zurückgelegt würde, wenn von dem betrachteten Zeitpunkt
an die Geschwindigkeit sich nicht mehr veränderte. Von bemerkenswerten Geschwindigkeiten seien
folgende erwähnt:
Meter in 1 Sekunde
Schnecke
0.0015
Frachtwagen
0.8
Wasser der meisten Ströme
0.9
Kaum fühlbar bewegte Luft
1.0
Pferd im Schritt
1.1
Schwimmer
1.14
Fußgänger (deutscher Soldat)
1.3
Fliege bei ruhigem Flug
1.6
Fußgänger, schnell gehend
1.7
Mäßiger Wind
2.0
Pferd im Trab
2.1
Schnellläufer bei längerm Weg
2.6
Postwagen
2.7
Pferd vor einem Fiaker
3.8
Ruderboot, Einskuller
3.83
Frischer Wind
4.0
Pferd im Galopp
4.5
Ruderboot, Achtriemer
4.5
Schnell segelnde Schiffe
4.6
Mittlere Geschwindigkeit der Seedampfer
5.0
Schnellläufer bei kurzem Weg
7.18
Catamaran (Segeldoppelboot)
7.71
Segeljacht
8.02
Geübter Schlittschuhläufer
9.50
Ozean-Passagierdampfer
9.77
Schnellstes Rennpferd im Trab
11.66
Dampfer auf dem Hudson
12
Zulässiges Maximum der Güterzüge auf deutschen Bahnen
12.5
Velociped, größte erreichbare Schnelligkeit
15
Sturm
16
Mittlere Geschwindigkeit der Brieftaube
18
Zulässiges Maximum der Personenzüge
16.2, event. 20.8
" " " Schnellzüge
25
Englisches Rennpferd, Maximum
25.3
Brieftaube, Maximum
30
Adler
31.25
Eisjacht
33.60
Heftigster Orkan
39
Schwalbe
45.3
Schall bei 0° und 760 mm Barometerstand
340
Geschoß des deutschen Infanteriegewehrs
430
" der deutschen Feldartillerie
450
Ein Punkt des Äquators in Bezug auf die Achsenumdrehung der Erde
450
Geschoß der deutschen Küstenartillerie
510
Erde in ihrer Bahn um die Sonne
30800
Licht
305684636
Elektrizität im Telegraphendraht
11690000
" in 1.7 mm starkem Kupferdraht
450000000
Unter
Winkelgeschwindigkeit eines sich um eine Achse drehenden Körpers versteht man den Winkel, welchen eine auf der Drehungsachse
errichtete senkrechte gerade Linie während der Zeiteinheit beschreibt, oder auch die Länge des Bogens, welche ein von der Achse
um die Längeneinheit abstehender Punkt in der Zeiteinheit durchläuft. Vgl. Bewegung.
Die Geschwindigkeit eines Punktes wird durch den von ihm in einem gewissen Zeitteilchen durchlaufenen
Weg gemessen, also mittels Zeitmessung, Uhr und Längenmessung. Wichtig ist namentlich die Geschwindigkeitsmessung des Wassers
(Hydrometrie) für den Wassertechniker, den Seemann, die Bauwissenschaft und die Meteorologie. In der Hydrometrie
werden verwendet: der Tiefenschwimmer, Klotzschwimmer, hohle Körper, die so belastet sind, daß sie, in bestimmte Tiefe sinkend,
dort die Wasser- (Strom-) Geschwindigkeit annehmen und diese mittels nach oben angebrachter Marken an der Oberfläche anzeigen;
die Pitotsche Röhre (s. d.) und aus ihr verbessert die Reichenbach-Darcysche Röhre;
der Woltmannsche hydrometrische
Flügel, der durch die Drehung eines Ruders die Geschwindigkeit auch uhrmäßig anzeigt, von Amsler-Laffon verbessert;
auch das
Patentlog, die hydraulische Schnellwage, die Hydrotachometer, Rheometer gehören hierzu.
Zur Messung der Oberflächengeschwindigkeit
dienen: die Schwimmkugel nach Mariotte, das einfache Log, der Stromquadrant;
zur Messung der mittlern Geschwindigkeit: der Schwimmstab,
hydrometrische Stab, der Stromintegrator.
Für die Meteorologie und auch für technische Zwecke ist von Interesse die Messung
der Geschwindigkeit bewegter Luft durch den Anemometer. Zur Messung der Geschoßgeschwindigkeiten hat man komplizierte Apparate,
z. B. das Chronoskop. Auch das ballistische Pendel gehört hierher. Zur Ermittelung sehr kleiner Weg- und Zeitteilchen wird
besonders die Elektrizität angewendet. Zur Messung der Fahrgeschwindigkeit dient der Stathmograph, für
Umdrehungs- (Winkel-) Geschwindigkeit das Gyrometer oder der Tachograph. Für die Messsung ^[richtig: Messung] der Fortpflanzungsgeschwindigkeit
des Schalles, des Lichts, der Elektrizität, der Nervenreize sind besondere Methoden ausgebildet worden. Vgl. auch Zählapparate.
die unmittelbar von Einem Elternpaar oder wenigstens von Einem Vater oder Einer Mutter Abstammenden. Erstere
sind vollbürtige oder leibliche (germani) Geschwister; letztere, halbbürtige Geschwister (Halbgeschwister), heißen Consanguinei, wenn sie
einen gemeinschaftlichen Vater, und Uterini, wenn sie eine gemeinschaftliche Mutter haben. Nicht durch das Blut miteinander verwandte,
sondern nur durch die Verheiratung des Vaters einerseits und der Mutter anderseits zusammengebrachte Geschwister heißen Stiefgeschwister.
Die Ehe zwischen Geschwistern ist nach den Gesetzen aller zivilisierten Völker untersagt. Fleischliche Vermischung zwischen
ihnen ist als Blutschande (s. Inzest) strafbar. Geschwister sind von der Pflicht, gegeneinander Zeugnis abzulegen, frei und können, wenn
sie untereinander ein Verbrechen durch Verheimlichung oder durch Verhelfen zur Flucht begünstigt haben, nicht bestraft werden
(vgl. Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs, § 257, 52, 54; Deutsche Strafprozeßordnung, § 51; Zivilprozeßordnung, § 348).
Von besonderer Bedeutung ist das verwandtschaftliche Verhältnis der Geschwister im Erbrecht (s. Erbfolge).
(Kousin und Kousine), die Kinder von Geschwistern in ihrem wechselseitigen verwandtschaftlichen Verhältnis
und zwar sowohl von vollbürtigen Geschwistern als von Halbgeschwistern.
Personen, welche zu einer Verrichtung eidlich verpflichtet worden sind;
so im ehemaligen Zunftwesen Meister,
welche zur Beaufsichtigung oder Vertretung gewisser Zunftinteressen verpflichtet waren, daher s. v. w.
Zunftvorsteher (vgl. Zunftwesen);
im Bergwesen die frühern Beisitzer der Berggerichte, Berggeschworne
oder Berginspektoren;
im Gerichtsverfahren diejenigen vereidigten Männer, welche bei dem Schwurgericht (s. d.) über die Schuldfrage
zu entscheiden haben.
sind Versicherungsverbände, welche den Zweck verfolgen, gegen jährliche Beiträge
ihrer Mitglieder denjenigen derselben, welche im Lauf des betreffenden Jahrs zur Ausübung der Funktionen
als Geschworne (s. Schwurgericht) herangezogen werden sollten, bestimmte Tagegelder zu zahlen, um sie ganz oder teilweise für
die ihnen durch diesen Ehrendienst erwachsenden Vermögensnachteile zu entschädigen.
Solche Vereine bestehen zur Zeit in
Bayern, Gotha etc. und sind in der Regel auf engere Bezirke beschränkt.
(Tumores), Bezeichnung für krankhafte Bildungen von sehr verschiedener Natur, begrifflich schwer zu definieren,
weil man nach dem jeweiligen Bedürfnis die Grenzen dieses Begriffs bald enger, bald weiter gezogen hat. Der Begriff der Geschwulst
ist ein rein konventioneller; es gibt für denselben kein durchgreifendes Kriterium, welches von der innern
Natur dieser Gebilde selbst hergeleitet wäre. Im allgemeinen nennt man Geschwulst jede abnorme Umfangszunahme eines
Körperteils, namentlich dann, wenn sie lokal beschränkt auftritt.
Geschwulst ist hiernach ungefähr gleichbedeutend mit Anschwellung (intumescentia). Indessen pflegt man die auf Entzündung
beruhenden Anschwellungen gewöhnlich nicht als Geschwülste aufzufassen. Im engern Sinn spricht man von Geschwulst
dann, wenn die krankhafte Umfangszunahme auf einer Neubildung von Geweben beruht (Neoplasma, Gewächs). Die Geschwülste sind häufig vorkommende
Abnormitäten, und sie bieten anatomisch, klinisch, prognostisch die größten Verschiedenheiten dar.
Sie entstehen teils durch wirkliches Wachstum irgend eines Körperteils: dies sind die eigentlichen Gewächse, Aftergebilde
oder Pseudoplasmen;
teils entstehen sie durch Anhäufung von verschiedenartigen Stoffen, welche in letzter
Linie immer aus dem Blut stammen;
teils sind es endlich parasitäre Bildungen im strengen Sinn des Begriffs. Zu der letztern Gruppe
gehören vorzugsweise die oft so umfänglichen Echinokokkussäcke, welche in der Leber und in andern Organen recht häufig
vorkommen;
zu den Geschwülsten, welche durch Anhäufung von Blutbestandteilen (direkt oder indirekt)
entstehen, gehören die Blutgeschwülste oder Hämatome, die Wassergeschwülste oder Hygrome und Hydrocelen, ferner viele Cysten
oder Balggeschwülste, namentlich die, welche auf Anhäufung von Sekretmassen in den Drüsen und Schleimhautkanälen beruhen,
die Sackwassersuchten etc. Auch die Arteriengeschwülste oder Aneurysmen, die Varicen etc. können hierher
gerechnet werden.
Die wichtigste Gruppe sind ohne Zweifel die eigentlichen Gewächse oder Proliferationsgeschwülste, welche
auf krankhaftem Wachstum irgend eines Gewebes beruhen. So mannigfaltig die Gewebe des gesunden Körpers sind,
so mannigfach
ist die Natur dieser Geschwülste. Wir nennen von ihnen die Fasergeschwülste oder Fibrome, die Schleimgewebsgeschwülste oder Myxome,
die Knorpelgeschwülste oder Chondrome, die Knochengeschwülste oder Osteome, Fettgeschwülste oder Lipome, Gehirngeschwülste
oder Gliome, sämtlich aus der Gruppe der Bindesubstanzen; ferner die Gefäßgeschwülste oder Angiome, welche im wesentlichen
aus neugebildeten Blut- und Lymphgefäßen bestehen, die Myome oder Muskelgeschwülste, die echten Neurome oder Nervengeschwülste,
die Adenome oder Drüsengeschwülste; endlich die Lymphome, Tuberkeln, syphilitischen Geschwülste oder Gummata,
die Sarkome und Krebse.
Die feinsten Formbestandteile der zuletzt genannten Gruppe von Geschwülsten sind im wesentlichen denjenigen der normalen
Gewebe gleich: es sind Zellen jeder Art, Zellenderivate, Fasern, Intercellularsubstanzen und Blutgefäße. Spezifische Formelemente,
z. B. spezifische Krebs- oder Tuberkelzellen, kommen in den Neubildungen durchaus nicht vor. Nur die Art
ihrer Anordnung, also die Textur, ist teilweise bei den Gewächsen eine abweichende von der der normalen Gewebe. Das Wachstum
und Leben, die Ernährungsvorgänge unterliegen den gleichen Gesetzen, erfahren auch ähnliche Störungen wie die übrigen Gewebe.
Über die Ursachen der Geschwülste sind schwer allgemein gültige Angaben zu machen. Die Mehrzahl der Geschwülste ist irritativen
Ursprungs, sie beruhen also auf langwierigen örtlichen Reizen der verschiedensten Art. Zahlreiche Neubildungen sind vollkommen
indifferent, indem sie weder das Mutterorgan noch den Gesamtorganismus stören. Andre Geschwülste machen sich zwar unbequem, rufen
selbst beträchtliche Störungen hervor, aber doch nur durch ihren Umfang und Sitz, durch Druck auf die
Nachbarschaft, Verschluß von Kanälen etc. Sie können, wenn sie zufällig in einem lebenswichtigen Organ, z. B. im Gehirn,
sitzen, selbst den Tod herbeiführen, und doch sind sie gutartige Geschwülste, weil sie nicht zu einer spezifischen Veränderung
der Säftemasse (Dyskrasie) führen, sondern ein örtliches Übel sind und bleiben.
Andre Geschwülste sind multipel, d. h. sie treten in größerer Anzahl auf, kommen
aber nur in Einem Organ oder doch wenigstens an einem bestimmten Gewebssystem ausschließlich vor. So sind manchmal fast alle
Knochen des Körpers mit Knorpelgeschwülsten versehen, aber doch eben nur die Knochen, oder es sind an den verschiedensten Nervenstämmen
echte Neurome vorhanden, aber dieselben bleiben eben auf die Nerven beschränkt etc. Auch diese Geschwülste rechnen wir noch zu den
gutartigen, denn sie sind nicht von einer Blutentmischung abhängig, sondern ihr vielfaches Auftreten in Einem Gewebssystem
beweist nur, daß das letztere in allen seinen Teilen eine gewisse oft angeborne Neigung zu einer ganz
bestimmten Neubildung hat.
Dagegen bleiben die im eigentlichen Sinn bösartigen oder malignen Geschwülste nicht auf den ursprünglichen Ort ihrer Entstehung beschränkt,
sondern wachsen ohne Unterschied auch in die Nachbarorgane, selbst in die Knochen, hinein und verbreiten sich sogar auf entfernte
Organe, namentlich auf die Lymphdrüsen im Bereich der ursprünglichen Geschwulst, indem sie Metastasen
machen. Ein Krebs der Brustdrüse z. B. kann Geschwulstmetastasen in der Lunge und dem Rippenfell, in der Leber und im Gehirn,
fast in allen Organen des Körpers nach sich ziehen, sei es, daß von der ursprünglichen Geschwulst Zellen oder Geschwulstkeime
verschleppt werden, die dann zu metastatischen Geschwülsten sich heranbilden, sei es, daß gewisse Säfte
von der primären Geschwulst in die
mehr
Blutmasse übergehen, diese entmischen und nun auch andre Gewebe gleichsam anstecken und zur Geschwulstbildung anregen. Eine
strenge Grenze zwischen gutartigen und bösartigen Geschwülsten läßt sich durchaus nicht ziehen. Es gibt vielmehr eine
gewisse Skala der Gut- und Bösartigkeit, letztere ist aber keineswegs an einen bestimmten anatomischen Bau der Geschwülste gebunden.
Bösartige Geschwülste sind gewöhnlich sehr reich an Zellen und Säften, haben oft eine markige Beschaffenheit, sind bald weich, bald
hart.
Sie pflegen sehr schnell zu wachsen, die Haut über ihnen wird unverschieblich; dann bricht die Geschwulst durch die Haut hindurch,
die Lymphdrüsen der betreffenden Gegend werden hart und schwellen an; es stellt sich Abmagerung, schlechtes
Aussehen, Blutarmut, kurz eine allgemeine Kachexie ein. Was die Behandlung anbetrifft, so ist es Aufgabe des Arztes, die Geschwulst
so früh wie möglich mit dem Messer zu entfernen (exstirpieren) oder sie auf eine andre Weise (durch Ätzmittel, Elektrizität
etc.) zu zerstören.
Den meisten Geschwülsten gegenüber ist das Messer das einzig sichere Mittel. Aber nicht selten kehrt
nach der operativen Entfernung einer Geschwulst dieselbe von neuem wieder, es bildet sich ein sogen. Recidiv, ein Rückfall.
Das Auftreten eines Recidivs wird gewöhnlich als Zeichen der Bösartigkeit der Geschwulst angesehen. Dies ist zwar für die
meisten Fälle, aber nicht durchgehends richtig. Wenn die recidive Geschwulst in der Operationsnarbe erscheint,
so beweist ein solches örtliches oder Narbenrecidiv nichts für die Bösartigkeit der Neubildung, sondern nur, daß ein wenn
auch noch so kleiner Teil der Neubildung nicht mit entfernt worden ist.
Die in der Nachbarschaft der Narbe auftretenden sogen. regionären Recidive begründen allerdings einen
starken Verdacht der Bösartigkeit, aber nach ihrer gründlichen Ausrottung hat man schon oft dauernde und vollkommene Heilung
eintreten sehen. Die sogen. Infektionsrecidive endlich, wobei die neue Geschwulst weit entfernt
von der ausgerotteten alten auftritt, sind ein sicheres Zeichen der Bösartigkeit; denn es muß in diesem Fall
bereits ein Geschwulstkeim mit den Blut- oder Lymphgefäßen verschleppt sein, bevor man zur Operation verschritt, und gerade
in der Tendenz, Metastasen zu machen und sich über den ganzen Körper zu verbreiten, liegt das Wesen der Bösartigkeit der Geschwülste. Die
Lehre von den Geschwülsten heißt Onkologie.
Vgl. außer den Handbüchern der pathologischen Anatomie von Rokitansky, Förster, R. Mayer, Wagner: Virchow,
Die krankhaften Geschwülste (Berl. 1863-67, 3 Bde.);
Lücke in Pitha-Billroths »Handbuch der Chirurgie«; Billroth, Allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie, Kap. 20 (12. Aufl.,
Berl. 1885);
(Ulcus), ein durch Gewebszerfall herbeigeführter Substanzverlust äußerer oder innerer Organoberflächen.
Findet der Gewebeverlust inmitten eines Organs statt, so spricht man von Nekrose oder Absceß; aus beiden kann ein Geschwür
entstehen,
sobald die häutige Decke durchbrochen und damit die freie Oberfläche erreicht ist; ursprünglich
aber können Geschwüre nur an Haut und Schleimhäuten entstehen. Zur Zeit der Entstehung, wenn das abgestorbene Gewebe einschmilzt
oder, wie man sagt, »das Geschwür aufbricht« (verschwärt, exulceriert),
entleert sich die tote, meist mit Eiterzellen untermischte Inhaltsmasse, Grund und Ränder enthalten deren ebenfalls, und
erst später tritt eine reaktive Entzündung im Nachbargewebe auf, welche ein eiteriges oder jauchiges
Sekret auf die Geschwürsfläche absetzt. Je nachdem nun die Entzündung der Ränder und des Grundes zur Bildung eines jungen
Granulationsgewebes führt, aus dem sich die Narbe entwickelt, oder aber zu fernerm Zerfall, d. h. Vergrößerung, Anlaß gibt,
unterscheidet man gute und bösartige Geschwüre.
Ist das Granulationsgewebe (wildes Fleisch) zu üppig, so entsteht das schwammige oder fungöse Geschwür; ist es schlaff, so erscheint
das torpide Geschwür, wie bei den meisten sogen. Fußgeschwüren, die eigentlich Unterschenkelgeschwüre
sind und wegen der Nähe des Schienbeins sich schwer überhäuten und namentlich bei vorhandenen Krampfadern
leicht wieder aufbrechen. Ist die Fleischwarzenbildung sehr bluthaltig ohne Neigung zum Heilen, so spricht man von einem erethischen
Geschwür, sind die Ränder aufgeworfen und hart, von einem kallösen Geschwür, ist endlich eine brandige,
um sich fressende Verjauchung da, vom phagedänischen Geschwür, dem bösartigsten von allen, das namentlich bei syphilitischer
Infektion vorkommt.
Die Ursachen zu einer Verschwärung sind sehr mannigfaltige: am klarsten lassen sie sich übersehen bei gewissen sogen. embolischen
Geschwüren des Magens und des Darms, bei welchen ein kleines Blutgefäß verschlossen wird und der zugehörige Gewebsbezirk,
außer Nahrung gesetzt, abstirbt;
je nach der Größe der verstopften Arterie richten sich Umfang und Tiefe
des Geschwürs. Ob die Geschwüre bei Pocken und die Blutgeschwüre (Furunkeln) zuweilen ebenso beginnen, ist noch offene Frage.
Dauernde Entzündungsreize können beim Einschmelzen der Entzündungsprodukte zur Verschwärung führen. Oft liegt für diesen
Ausgang ein Grund in konstitutionellen Leiden, Syphilis, Skrofulose, Skorbut, welche dann dem Geschwür einen der
oben genannten Charaktere der Bösartigkeit, z. B. den syphilitischen, den kallösen oder phagedänischen,
den skrofulösen, den torpiden, den skorbutischen, den erethischen Charakter, verleihen. Ferner können, wie erwähnt, Abscesse
zur Oberfläche durchbrechen, wobei tiefe, oft unterminierte sinuöse Geschwüre entstehen.
Das Absterben des Gewebes kann dann durch schlechte Ernährung bedingt sein, z. B. durch verhinderten Blutlauf
am Unterschenkel, wo nach Stoß und Verletzung sehr langwierige, schlecht heilende Geschwürformen sehr häufig anzutreffen
sind; ferner kann eine diphtherische Erkrankung den Ausgang bilden, was an der Hornhaut, dem Gaumen und Darm nicht selten ist.
Endlich kann eine Neubildung den Boden für das Absterben bilden, wodurch krebsige, tuberkulöse und gummöse
Geschwüre entstehen, die an allen Schleimhäuten vorkommen. - Form und Größe des Geschwürs richten sich nach seiner Entstehungsursache,
so ist das embolische Geschwür scharf umschrieben, glattrandig, oft so tief, daß die ganze Wand abstirbt und in
Magen oder Darm ein Loch bildet; das tuberkulöse ist linsenförmig (lentikulär) zu Anfang, später bekommt
es zerfressene Ränder, da immer wieder neue stecknadelgroße Knötchen (Tuberkeln) sich bilden und zerfallen; das durch Vereiterung
der Darmfollikel hervorgegangene Geschwür ist
mehr
sinuös, das krebsige an Ausbreitung völlig unbeschränkt. Die Behandlung der Geschwüre ist bei allen konstitutionellen
Kranken eine allgemeine und nur insoweit örtlich, als das Geschwür frei zugänglich liegt. Im allgemeinen entspricht
die örtliche Behandlung den Regeln der Wundbehandlung, Desinfektion, Anregung der Fleischwucherung durch Kampferwein, Reizsalben
etc., Mäßigung zu starker Wucherung durch Höllenstein, Transplantation kleiner Hautstückchen, Verbände
etc. Oft muß die Behandlung von Tag zu Tag gewechselt werden, so daß allgemeine Regeln nicht gegeben werden können. Die Lehre
von den Geschwüren heißt Helkologie.
Stadt im preuß. Regierungsbezirk Arnsberg, Kreis Lippstadt, 103 m ü. M., an der Geseke
und an der Linie Soest-Altenbeken der Preußischen Staatsbahn, hat 3 kath. Kirchen, ein Amtsgericht, eine Provinzialpfleganstalt,
eine höhere Bürgerschule, bedeutende Landwirtschaft, Kalkbrennereien und Ziegeleien, Fabrikation von Zigarren und Holzpfeifenköpfen,
Handel in geräucherten und getrockneten Fleischwaren und (1885) 3686 Einw.
Aus Geseke leiten ihren Ursprung die Fürsten von Lippe (s. d.) her, welchen die Vogtei über das dortige Nonnenkloster
des heil. Cyriakus (946 gegründet, 1823 aufgehoben) gehörte.
(ursprünglich Saal-, Hausgenosse, dann Verbrüderter, Gefährte) ist die übliche Bezeichnung für gelernte
Lohnarbeiter in gewerblichen Unternehmungen im engern Sinn (Handwerks- und industriellen Unternehmungen), im Gegensatz zu ungelernten
Arbeitern und Lehrlingen. Gesellen sind Arbeiter, deren Leistungen eine besondere Ausbildung, welche nur
durch regelmäßigen Fachunterricht, die sogen. Lehre, erworben werden kann, erfordern. Der Name Geselle für gelernte gewerbliche
Lohnarbeiter ward in Deutschland erst üblich, als diese, bis dahin Knechte genannt, zu einem besondern Arbeiterstand wurden
und (im 15. Jahrh., vereinzelt auch schon im 14. Jahrh.)
nach dem Vorbild der Zünfte eigne Gesellschaften (Gesellenschaft, Gesellenbrüderschaft mit besondern Statuten, Vorständen,
Beamten und Kassen) bildeten, welche nicht mehr, wie die alten Brüderschaften, nur für religiöse und gesellige Bedürfnisse
und für die Unterstützung von armen und kranken Knechten sorgten.
Diese Gesellenverbände suchten die Interessen ihrer Mitglieder nach allen Richtungen zu fördern, sie
waren gesellige Vereine und Hilfskassen, sie wahrten Ehre und Sitte des Gesellenstandes durch genossenschaftliche Überwachung
und Gerichtsbarkeit, sie waren insbesondere aber auch, und das war ein Hauptzweck, wie die heutigen Gewerkvereine bestrebt,
die Mitglieder in ihren Arbeits- und Erwerbsverhältnissen gegen Willkür und Egoismus der Arbeitgeber zu
schützen, und führten zu diesem Zweck auch planmäßige Koalitionen und Arbeitseinstellungen herbei (s. darüber Geselle Schanz,
Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, Leipz. 1877). Bei der frühern strengen Scheidung des Gewerberechts nach Meistern,
Gesellen und Lehrlingen war ein Rechtsbegriff.
Die Arbeits- und Erwerbsverhältnisse der Gesellen waren durch besondere gesetzliche Bestimmungen geregelt
und in den Zeiten gewerblicher Unfreiheit den mannigfachsten Beschränkungen unterworfen; überall war in der Regel eine bestimmte
Lehrlingszeit und Gesellenprüfung vorgeschrieben. Die Beschränkungen sind nach Einführung der Gewerbefreiheit fortgefallen,
in Deutschland allgemein erst nach der Gewerbeordnung von 1869, und das Wort Geselle ist kein
Rechtsbegriff mehr.
Rechtlich werden gelernte und ungelernte Arbeiter nicht mehr unterschieden (die auf sie bezüglichen Bestimmungen
enthält für Deutschland der Titel 7 der Gewerbeordnung über »gewerbliche Arbeiter«, für Österreich das 6. Hauptstück der
Gewerbeordnung über »gewerbliche Hilfspersonale«). Aber im gewöhnlichen
Leben und in der Wissenschaft wird jener Unterschied noch gemacht, und je nachdem gelernte Lohnarbeiter
in sogen. Handwerksunternehmungen oder in industriellen Unternehmungen beschäftigt sind, unterscheidet man Handwerks- und
Fabrikgesellen.
Die Lage der letztern und der Gesellen in andern großen gewerblichen Unternehmungen ist Gegenstand der »industriellen Arbeiterfrage«
(s. d.), die der Handwerksgesellen im Klein- und Mittelgewerbe ist Gegenstand der sogen. Gesellenfrage, die ihrerseits einen
Teil der Arbeiterfrage (s. d.) bildet. Die Verhältnisse dieser Arbeiterklasse sind
aber nur in geringem Grad Gegenstand eines sozialen Problems, die Gesellenfrage tritt an Inhalt und Bedeutung weit hinter die
landwirtschaftliche (s. d.) und die industrielle Arbeiterfrage zurück.
Vergleicht man die hier in Betracht kommenden Lohnarbeiter mit den industriellen, so ist ihre ganze ökonomische
und soziale Lage eine wesentlich andre, viel günstigere. Vor allem schon dadurch, daß die Gesellenschaft für den größten
Teil derselben nur eine Durchgangsstufe zum selbständigen Gewerbebetrieb ist und die meisten dieser Gesellen noch in jüngerm
Lebensalter und unverheiratet sind. In den Unternehmungen überwiegt die Zahl der Arbeitgeber. Die Gesellen
sind viel freier in der Wahl des Arbeitsorts, des Arbeitsvertrags und stehen auch dem letztern bei der Abrede der Bedingungen
des Arbeitgebers (Arbeitszeit, Lohn, Arbeitsort) viel selbständiger gegenüber; von einer Übermacht derselben kann keine
Rede sein.
Viel günstiger liegen auch die Verhältnisse bezüglich der Arbeitsart: die Arbeit ist weniger monoton,
anstrengend und gesundheitsschädlich, der Geselle verrichtet in der Regel gleiche Arbeitsleistungen und in denselben Räumen wie
der Arbeitgeber. Übermäßige Arbeitszeit kommt wider den Willen des Gesellen kaum vor. Leichter ist die Lohnabstufung nach
den Leistungen (Akkordlöhnung, Prämien beim Zeitlohn), und was sehr wesentlich: keine soziale Kluft scheidet Arbeitgeber und
-Nehmer, die letztern können sich durch Fleiß, Moralität, Wirtschaftlichkeit, ordentliche Ausbildung
etc. eine selbständige befriedigende Existenz schaffen.
Übelstände gibt es auch hier, aber diese sind mit Ausnahme der geringen Arbeitsfähigkeit, über welche oft geklagt wird,
und welche die Folge einer schlechten Ausbildung und eines schlechten Zustandes des Lehrlingswesens (s. d.) ist,
und des Mangels der Versicherung gegen Unfälle, Krankheit, Tod (bei Verheirateten) und Alter auf dem Weg
der Selbst- und Gesellschaftshilfe zu beseitigen. Zu solchen Übelständen gehören moralische, wie geringer Arbeitsfleiß,
geringes Streben, sich ordentlich auszubilden und durch Fleiß, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit vorwärts zu kommen, eine
schlechte Verwendung der freien Stunden, insbesondere ein liederliches Wirtshausleben etc.; mit der
Freiheit ist auch die Zuchtlosigkeit gewachsen, hat der Kontraktbruch zugenommen und die sozialdemokratische Agitation auch
hier Anhänger gefunden. Diese moralischen Mißstände haben zum Teil ihre Ursache in dem schlechten Zustand des Lehrlingswesens,
die Reform desselben wird auch da eine Besserung herbeiführen; im übrigen können hier helfend einwirken:
Vereine der
mehr
verschiedensten Art, welche sich die moralische Hebung von Gesellen zur Aufgabe machen, Arbeiterbildungsvereine, an denen auch
die Arbeitgeber sich beteiligen, Gesellen-, Handwerker- und Gewerbevereine, Innungen etc. Gegen den Übelstand, daß vom Lohn
am Sonnabend Abend und Sonntag zu viel im Wirtshaus verbraucht und dann noch ein blauer Montag gemacht wird,
ist das einfache Heilmittel: die Verlegung des Zahltags auf einen andern Wochentag als den üblichen Sonnabend.
Ein spezifischer Übelstand endlich, die Notlage wandernder Gesellen, welche keine Arbeit finden und keine Existenzmittel
haben, ist zu heben, mindestens zu mildern durch Errichtung von Herbergen (s. d.), mit welchen Arbeitsnachweisungsbüreaus
zu verbinden sind, seitens der Innungen oder andrer gewerblicher Korporationen oder durch entsprechende
Organisation von Gesellenvereinen, event. durch gemeinnützige Vereine zur Unterstützung wandernder Gesellen. - Im Bergbauwesen
heißen Gesellen die Teilhaber (Eigenlöhner) an einem gemeinschaftlichen sogen. Bau, sofern deren nicht über acht sind;
der Bau einer solchen Gesellschaft heißt dann Gesellenbau, Gesellenzeche.
Unter dieser Bezeichnung ist seit 40 Jahren eine größere Zahl von Vereinen gegründet
worden, welche, unter geistlicher Leitung stehend, auf katholisch-konfessioneller Grundlage ruhen. Um dieselben machte sich
besonders verdient Domvikar Adolf Kolping (geb. 1813, gest. 1865 in Köln), welcher, ursprünglich selbst Schuhmachergeselle,
seine eignen Erfahrungen bei seiner Wirksamkeit für das Vereinswesen verwerten konnte. Nachdem er sich
dem geistlichen Stand gewidmet, gründete er als Kaplan in Elberfeld den ersten Gesellenverein. 1849 als Domvikar nach Köln
versetzt, gelang es ihm bald, den Gesellenvereinen eine weitere Verbreitung zu verschaffen (vgl.
seine Schrift »Der Gesellenverein«, Köln 1849). Als Ziel derselben wird bezeichnet: Anregung und Pflege
eines kräftigen religiösen Sinnes und Lebens, Verbreitung nützlicher Kenntnisse und Fertigkeiten in Verbindung mit geselliger
Unterhaltung.
Zureisenden und bedürftigen Gesellen wird Unterstützung in Form freier Herberge und von Naturalien gewährt. Doch wird auf
solche kein Recht zuerkannt, und der Geselle soll durch Weckung des Ehrgefühls daran gewöhnt werden, nur im
dringenden Notfall Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit andern, mehr als untergeordnet betrachteten Aufgaben (Kassenwesen, Arbeitsvermittelung
etc.) haben die Gesellenvereine keine besondern Erfolge erzielt. Ordentliche Mitglieder können nur ledige katholische Gesellen werden.
Jeder Lokalverein hat eine aus Ehrenmitgliedern bestehende Vorstandschaft, an deren Spitze ein von ihr gewählter, vom Bischof
genehmigter und nur durch diesen absetzbarer Präses steht, der nur ein katholischer Geistlicher sein
darf. Die Vereine bilden mehrere größere Verbände unter dem gemeinsamen Vorsitz eines Generalpräses, welcher der jeweilige
Vorsitzende des Kölner Vereins ist. Abreisende Gesellen erhalten eigne Wanderbücher, auf Grund deren sie in andern Vereinen
Aufnahme finden können.
Etwa 85 dieser Vereine besitzen eigne Vereinshäuser. In Deutschland bestehen zur Zeit über 100, in Österreich
gegen 100, in der Schweiz etwa 20 Gesellenvereine. Die Gesamtzahl aller Gesellenvereine wird auf etwa 540 mit 70-80,000 Mitgliedern
angegeben. Organe der deutschen Gesellenvereine sind die »Rheinischen Volksblätter« (Köln, seit 1853) und der »Arbeiterfreund« (Münch.,
seit 1873). Ähnliche Vereine wie die deutschen Gesellenvereine sind die französischen Cercles catholiques d'ouvriers, deren Zahl auf 200 beziffert
wird, mit dem
Organ »L'association catholiques« (seit 1874) und die belgische Fédération
des sociétés ouvrières catholiques mit dem Organ »L'Économie chrétienne« (Lüttich).
Vgl. Bongartz, Das katholisch-soziale
Vereinswesen in Deutschland (Würzb. 1873);
Dehn, Die katholischen in Deutschland (Berl. 1882);
Krönes, Winke
und Ratschläge bezüglich der Gründung und Leitung eines katholischen Gesellenvereins (Paderb. 1886). -
Über die protestantischerseits den Gesellenvereinen entsprechenden Jünglingsvereine s. d.
(Societät, lat. Societas), die Vereinigung mehrerer Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes. Der
Zweck der Gesellschaft kann auf gemeinsamen Vermögenserwerb oder auf sonstige Güter gerichtet sein. Die Rechte und
Pflichten der Gesellschaftsmitglieder (Gesellschafter, Societäre, Socii) sowie die Zwecke werden durch ein Statut (Gesellschaftsvertrag)
bestimmt. Das Gesellschaftsmitglied (socius) hat gewöhnlich einen Beitrag zu geben, die zugesagten Dienste zu leisten, über
die Geschäfte für die Gesellschaft Rechenschaft abzulegen.
Ein Rechtsverhältnis in der Gesellschaft entsteht überall nur dann, wenn zum Zweck der Gesellschaft vermögensrechtliche
Verbindlichkeiten eingegangen werden. Die Gesellschaft kann entweder das ganze gegenwärtige und zukünftige Vermögen ihrer Mitglieder
umfassen (societas omnium bonorum) oder auch nur einzelne bestimmte Teile desselben (societas particularis). Die Anteile an den
Beiträgen sowohl als überhaupt am Gewinn und Verlust der Gesellschaft können für die einzelnen Mitglieder auf
verschiedentliche Weise festgestellt werden.
Wenn nicht besondere Vereinbarungen vorliegen, wird Gleichheit als die Absicht angenommen. Eine Löwengesellschaft (societas leonina),
so genannt nach der bekannten Fabel Äsops, bei welcher der ganze Gewinn Einem Gesellschafter ausschließlich zufallen soll,
wird als Schenkung angesehen. Zur Geltendmachung seiner Rechte aus dem Gesellschaftsvertrag steht jedem
Gesellschafter gegen den andern eine besondere Klage (actio pro socio) zu. Die Gesellschaft wird nach römischem Recht aufgelöst durch
den Tod eines Socius, durch dessen Konkurs oder Vermögenskonfiskation, durch Erreichung eines vorher bestimmten Endtermins,
durch Untergang der gemeinsamen Sache, durch Erreichung des Societätszwecks, durch freiwillige Aufhebung
des Vertrags seitens der Kontrahenten oder durch einseitigen Rücktritt eines solchen, welcher jedoch, wenn er unzeitig und
ohne die ausbedungene Kündigung geschah, zum Schadenersatz verpflichtet. Während das römische Recht bei der Gesellschaft das persönliche
Element als das Prinzipale ansah, hat das deutsche Recht bei den Erwerbsgesellschaften die gemeinsame Kapitalmacht
als die Grundlage derselben aufgefaßt. Daher hat im modernen Rechte der Gesellschaftsvertrag wesentliche Veränderungen erfahren,
namentlich in Ansehung der Handelsgesellschaften (s. d.) und der als deutsch-rechtlich zu bezeichnenden
Genossenschaften (s. d.).
[Gesellschaftswissenschaft.]
Das Wort »Gesellschaft« bezeichnet nicht nur einen Rechtsbegriff, sondern
auch eine wegen ihrer wechselseitigen Lebensbeziehungen (wirtschaftlicher Verkehr, Geselligkeit, geistiger
Zusammenhang, gegenseitige Förderung etc.) als ein zusammengehöriges Ganze aufgefaßte Gruppe von Menschen. In diesem Sinn
kann als Gesellschaft eine besondere Klasse, deren Mitglieder unter sich ausschließlichen Verkehr pflegen, zumal auf dem Boden, auf welchem
sie einander begegnen (»in die Gesellschaft einführen«, »aus
der Gesellschaft ausstoßen«),
erscheinen. Dann kann als solche auch die Gruppe aufgefaßt werden, welche auf Grund
ihrer
mehr
staatsrechtlichen und wirtschaftlichen Stellung eine hervorragende, tonangebende, herrschende Rolle im öffentlichen Leben spielt.
In diesem Sinn spricht man von einer Gesellschaft des alten Regimes, von der industriellen oder bürgerlichen Gesellschaft, welch letztere auf
Grund der technisch-wirtschaftlichen Errungenschaften der neuern Zeit die erstere ablöste und an ihrer Stelle ihren Interessen
im Staatsleben an erster Stelle Geltung verschaffte, während von einer Gesellschaft der untern Klassen, der Arbeiter
etc. keine Rede ist.
Endlich spricht man auch von der menschlichen Gesellschaft schlechthin, indem man hierbei an die Menschheit mit
allen ihren geistigen und wirtschaftlichen Interessen und Verknüpfungen denkt. Der Mensch ist auf das Zusammenleben
und den Verkehr mit andern Menschen angewiesen. Erst durch die Vergesellschaftung mit ihrer arbeitsteiligen Gliederung und ihrer
Vererbung von angesammelten geistigen Schätzen und materiellen Hilfsmitteln des Lebens wird eine Kulturentwickelung, werden
die Begriffe Bildung, Gesittung überhaupt erst ermöglicht. (»Unus homo nullus homo«,
d. h. Ein Mensch ist kein Mensch, dann nach Aristoteles: »ἄνθρωπος φύσει ζῶον πολιτικόν«,
»der Mensch ist von Natur ein gesellschaftliches Wesen«.) Dieses Zusammenleben äußert sich aber nicht allein in der Staatenbildung
und im Staatsleben mit seiner Rechtsentwickelung, sondern es macht sich auch in Erscheinungen bemerklich, welche über die
Landesgrenzen hinausgreifen oder, wenn sie auch nur einem Land angehören, doch gar nicht oder nur indirekt
vom Staat als solchem und seinen Lebensäußerungen beeinflußt werden und insofern selbständig auftreten (ein großer Teil
des wirtschaftlichen Verkehrs, Entwickelung von Sitte, Sprache, Rechtsgefühl etc.). Dieser Umstand hat dazu Veranlassung gegeben,
eine Gesellschaftswissenschaft oder Sociologie als besondere Wissenschaft neben den Staatswissenschaften und der Rechtswissenschaft
auszubauen.
Dieselbe will die gesellschaftlichen Lebenserscheinungen als solche in ihren wechselseitigen Zusammenhängen und in ihrer
zeitlichen Entwickelung erforschen und die Gesetze ermitteln, denen dieselben unterworfen sind. In diesem Sinn ist die Gesellschaftswissenschaft
sehr umfassend. Eine scharfe Grenze zwischen ihr und Psychologie auf der einen Seite läßt sich nicht ziehen, weil
individuelles und gesellschaftliches Leben sich gegenseitig beeinflussen; auf der andern Seite aber ist aus dem gleichen Grund
keine strenge Scheidung gegen Staats- und Rechtswissenschaften und gegen Staats- und Rechtsgeschichte möglich.
Sie wäre etwa gleichbedeutend mit einer Kulturgeschichte, welche sich nicht auf eine einfache Beschreibung äußerlicher Erscheinungen
beschränkt, sondern durch Zurückgehen auf das ganze wirtschaftliche Leben und seine Veränderungen,
auf Wandlungen in sittlichen Anschauungen und Begriffen, natürliche Bewegung der Bevölkerung etc. einen ursachlichen Zusammenhang
aufdecken und allgemeine Gesetzmäßigkeiten darlegen will. Die Methode der einfachen Spekulation und der aprioristischen Folgerung
aus Begriffen, wie sie ältere Schriftsteller, wie Herder, insbesondere aber Hegel, einschlugen, kann hier
ebensowenig zu brauchbaren Ergebnissen führen wie die Analogieschlüsse eines Schäffle, welcher das Gesellschaftsleben mit
organischen Körpern und deren Lebensthätigkeit vergleicht, ein Verfahren, das keinen weitern Anspruch erheben kann als den,
interessant zu sein.
Dagegen haben mit Recht A. Comte und nach ihm Herbert Spencer die Notwendigkeit hervorgehoben, die Thatsachen
zu beobachten, die Ergebnisse der
eignen und fremden Erfahrungen zusammenzustellen, um auf induktivem Weg zu wissenschaftlichen
Erkenntnissen zu gelangen. Ist hierbei auch oft deduktiv vorzugehen, so dürfen doch die Vordersätze, von welchen man ausgeht,
nur durch Induktion (eigne oder fremde) gewonnen sein, während die Schlußfolgerungen, welche man zieht, immer
erst noch mit der Wirklichkeit verglichen werden müssen, um als zutreffend betrachtet werden zu können. - In einem engern
Sinn faßt L. v. Stein den Begriff Gesellschaftswissenschaft auf, indem sich dieselbe nach ihm nur mit den Zusammenhängen und
Beziehungen befassen soll, welche durch die Verteilung des Besitzes hervorgerufen werden.
Doch kann man auch bei dieser Beschränkung nicht umhin, fortwährend über die gesteckten Grenzen hinüberzugreifen,
weil diese Verteilung mit dem ganzen übrigen gesellschaftlichen Leben, mit Staats- und Rechtsentwickelung innig verknüpft
ist. S. auch Sociologie.
Vgl. L. v. Stein, Der Begriff der Gesellschaft (Leipz. 1850);
Derselbe, Gesellschaftslehre (Stuttg. 1856);
Treitschke,
Die Gesellschaftswissenschaft, ein kritischer Versuch (Leipz. 1859);
Riehl, Die bürgerliche Gesellschaft (7. Aufl.,
Stuttg. 1866);
Spencer, Einleitung in das Studium der Sociologie (deutsch, Leipz. 1875);
Derselbe, Die Prinzipien der Sociologie
(deutsch, Stuttg. 1877, Bd. 1);
Schäffle, Bau und Leben des sozialen Körpers (2. Aufl., Tübing. 1881, 4 Bde.);
desheiligenHerzensJesu (franz. Société du Sacré-Cœur), die wirkliche, wenn auch nicht nominelle
Fortsetzung des Jesuitenordens nach dessen Aufhebung, 1794 zu Löwen von den ehemaligen Jesuiten Abbé Tournelly, Charles de
Broglie und Abbé Pey in Erinnerung an das der Marie Alacoque (s. d.) widerfahrene Wunder gegründet. Mit Unterstützung
des Abtes Beck und des Kanonikus Binder zu Lautershofen verbreitete sie sich nach Deutschland. Ihr Vereinigungspunkt war anfangs
in der Nähe von Bremen, sodann bei Augsburg, bis sie sich vor dem vorrückenden Franzosenheer erst nach Passau, 1796 nach Wien
zurückziehen mußte.
Sie ging in dem 1814 restaurierten Jesuitenorden auf. Aber schon 1800 gründete die 1879 von Leo XIII. selig gesprochene Magdalene
Barat, die Schwester eines Mitgliedes der Gesellschaft, in Paris auch eine weibliche Gesellschaft die, von Papst Leo XII. bestätigt,
weite Verbreitung und durch die Erziehung der weiblichen Jugend bedeutenden Einfluß gewonnen hat. Aus
dem Deutschen Reich ist die Gesellschaft als ein den Jesuiten affiliierter Orden infolge des Jesuitengesetzes vom ausgewiesen.
Um so mehr Anhang hat sie in Frankreich, namentlich seit Papst Pius IX. 1875 die ganze Welt dem heiligen Herzen Jesu geweiht und
das Wunder der Alacoque bestätigt hat (s. Heiliges Herz Jesu).
Vgl. Speil, Leonor Franz von Tournelly und
die Gesellschaft (Bresl. 1874).
(Societätsinseln), Inselgruppe im Stillen Ozean zwischen 16-18° südl. Br. und 207-212° östl.
L. (s. Karte »Ozeanien«),
besteht aus 14 Inseln, welche in der Richtung von NW. nach SO. liegen und durch eine
breite Straße in eine Westabteilung (Inseln unter dem Winde) und eine Ostabteilung (Inseln über dem Winde) geschieden werden.
Die Westgruppe bilden Huahine, Raiatea, Tahaa, Borabora, Tubai, Maupiti, Tapamanoa und
mehr
die weiter westlich vereinzelt liegenden Mopiha (Lord Howe), die Scillyinseln und Bellingshausen (im ganzen 471 qkm (8,5 QM).
Von diesen sind nur die sechs ersten bewohnt und zwar von (1881) 5165 Polynesiern. Zur östlichen Gruppe gehören: Tahiti, Mourea
(Eimeo), Tetiaroa und Mahetia (Maitia), zusammen 1179 qkm (21,4 QM.)
mit (1881) 11,172 Einw., so daß die ganze Gruppe der ein Areal von 1650 qkm (30 QM.) mit 16,300 Bewohnern
umfaßt. Die westliche Abteilung ist unabhängig, doch wurden Raiatea und Borabora kürzlich von Frankreich in Besitz genommen;
die östliche ist schon länger französisch (s. Tahiti).
Die Inseln sind von Korallenriffen umgeben, hinter denen schöne, aber schwer zugängliche Häfen liegen.
Alle sind gebirgig (höchster Berg der 2336 m hohe Orohena auf Tahiti) und von entschieden vulkanischem Ursprung, wie die erloschenen
Krater beweisen. Die durch ihre Felsschluchten, Gießbäche und schönen Wasserfälle ausgezeichneten Gebirge sind dicht bewaldet
und von schmalen, reichlich bewässerten Küstenebenen umgeben, die allein angebaut und bewohnt und mit
Fruchtbäumen bestanden sind.
Das Klima ist wild und sehr gleichmäßig, der Boden sehr ergiebig, die Vegetation mannigfaltig. Die Erzeugnisse des Pflanzenreichs
sind größtenteils die der übrigen Südseeinseln, namentlich: Brotfruchtbäume, Yams-, Arons- und andre Wurzeln, Bataten, Bananen,
Kokosnüsse, Feigen, Zuckerrohr, Mirobalanen- und Papiermaulbeerbäume sowie, von den Europäern hierher
verpflanzt, Orangen, Zitronen, Ananas, Kürbisse, Baumwolle, Kaffee, Tabak etc. Von Säugetieren sind nur einheimisch australische
Hunde, Schweine und Ratten, von Europa eingeführt die gewöhnlichen Haustiere.
Das Mineralreich liefert Eisen, Thonerde, Basalt, Schwefel und Salz. Die Bewohner, deren Zahl früher weit bedeutender war (zu
Cooks Zeit 240,000, nach Forster noch 120,000), sind ein wohlgebauter polynesischer Menschenschlag (s.
Tafel »Ozeanische Völker«,
[* ] Fig. 27). Bei der ersten Berührung mit den Europäern zeigten sie sich freundlich,
auch bald zugänglich für europäische Kultur. Die Inseln wurden von Quiros 1606 entdeckt, 1722 von Roggeveen, 1767 von Wallis
und 1768 von
Bougainville besucht, aber erst von Cook 1769-78 gründlich erforscht und zu Ehren der Royal Society zu London
benannt.
Schon 1797 wurden von der Londoner Missionsgesellschaft unter Wilsons Führung evangelische Missionäre hierher gesandt, deren
bedeutende Erfolge seit 1836 auch katholische Missionsversuche veranlaßten. Die dadurch entstehenden Reibungen führten schließlich
(1842) zur Abhängigkeit der Inseln der östlichen Gruppe von Frankreich. Der größere Teil der Bewohner
der Gesellschaftsinseln ist durch die Engländer für das protestantische, ein kleinerer durch die Franzosen für das katholische Christentum
gewonnen.
Vgl. Meinicke, Inseln des Stillen Ozeans (Leipz. 1875-76, 2 Bde.).
(Repartitions- oder Verteilungsrechnung), das Rechnungsverfahren, mittels dessen
man eine gegebene Größe S nach gegebenen Verhältnissen verteilt. Sind a, b, c... die gegebenen Verhältniszahlen, aus denen
man einen etwa vorhandenen gemeinsamen Faktor zweckmäßigerweise entfernt hat, und ist s ihre Summe, so sind die Teile a/s.S,
b/s.S, c/s.S... Gesetzt, ein Geschäftsgewinn von 2100 Mk. sei unter drei Geschäftsteilhaber zu
verteilen, welche sich mit 1000, 2500 und 3500 Mk. beteiligt haben, so kürzt man diese drei Zahlen mit 500 und erhält
die
Verhältniszahlen 2, 5, 7, deren Summe s = 14 ist; daher erhält der erste 2/14.2100 = 300 Mk., der zweite 5/14.2100 = 750 Mk.
und der dritte 7/14.2100 = 1050 Mk.
Gemälde, welches figurenreiche Szenen meist aus der vornehmen Gesellschaft und den bessern Ständen
des Bürgertums, meist Trinkgelage, Mahlzeiten, musikalische Unterhaltungen, Spiele, Soldaten in der Wachtstube, vorführt, eine
besondere Gattung des Genre- oder Sittenbildes, die vornehmlich von den niederländischen Meistern des 17. Jahrh. kultiviert
wurde.
Die hervorragendsten Vertreter des Gesellschaftsstücks sind: Dirk Hals, Palamedes, P. Codde, Duck
und P. Quast.
1) Eduard, Maler, geb. zu Amsterdam, besuchte von 1834 bis 1841 die Akademie zu Düsseldorf, versuchte
sich anfangs in romantischen und religiösen Motiven und malte dann einige verdienstliche Geschichtsbilder,
bis er in der Genremalerei sein richtiges Gebiet fand. Feinste Ausführung und harmonische Färbung sind seinen Bildern eigen,
von denen sich die meisten auch durch eine treffliche Wiedergabe des Lampen- oder Kerzenlichts auszeichnen.
Hervorzuheben sind: Szenen aus »Faust«, »Romeo und Julie« und andern Dichtungen;
die Grablegung Christi (1846),
die Auffindung der Leiche Gustav Adolfs (1848), Nachtlager Wallensteinscher Soldaten in einer Kirche (1849), der St. Nikolausabend
(1852), der St. Martinsabend (Eigentum der Hamburger Galerie), der Weihnachtsmorgen (Museum zu Stockholm), der Großmutter Bilderbibel,
musikalische Abendgesellschaft (Museum zu Köln), Abendgottesdienst, Christbescherung und eine Menge anmutiger Familienszenen
in größerm und kleinerm Format.
Viele seiner Gemälde sind in Stichen von Martinet, Fritz Werner u. a.
ein beliebter Zimmerschmuck geworden. Er starb in Düsseldorf.
2) Friedrich, Maler, geb. zu Wesel, bildete sich auf der Kunstakademie zu Dresden und dann unter Mintrop in Düsseldorf
vorzugsweise in der dekorativen Malerei aus. Im J. 1866 begab er sich nach Italien, wo er sich besonders
in Rom dem Studium der monumentalen Malerei widmete. Dann ließ er sich in Berlin nieder, wo er zunächst dekorative Malereien
in Privathäusern ausführte. In weitern Kreisen wurde er zuerst durch die Konkurrenz um die Wandmalereien für das Goslarer
Kaiserhaus (1877) bekannt, wobei sein in Gemeinschaft mit Bleibtreu gefertigter Entwurf den zweiten Preis erhielt. Zu einer grandiosen
monumentalen Schöpfung erhob er sich in den Wandgemälden der Kuppel (einen römischen Triumphzug darstellend) und an den
Schildbogenfeldern im Berliner Zeughaus. Er hat auch Entwürfe für Glasfenster ausgeführt, ist königlicher Professor und
Mitglied der Berliner Kunstakademie.
Wilhelm, berühmter Orientalist und Bibelkritiker, geb. zu Nordhausen, studierte in Helmstedt, wurde 1806 Repetent
an der Universität Göttingen und folgte 1810 einem Ruf als Professor der Theologie für das Fach der alttestamentlichen Exegese
an die Universität Halle. Hier starb er Gesenius war der erste deutsche Semitist, der das Studium
der hebräischen Sprache und des Alten Testaments ganz von den Fesseln der Theologie befreite. Durch die systematische Vergleichung
der übrigen semitischen Sprachen schuf er für die