Gerra
(Krug), früheres Flüssigkeitsmaß auf Minorca, = 12,063 Lit.
(Krug), früheres Flüssigkeitsmaß auf Minorca, = 12,063 Lit.
Stadt im preuß. Regierungsbezirk und Landkreis Düsseldorf, [* 2] an den Linien Neuß-Schwelm und Düsseldorf-Schwelm der Preußischen Staatsbahn, hat ein Amtsgericht, eine katholische (1246 eingeweiht) und eine evang. Pfarrkirche, 3 bedeutende Drahtstiftfabriken, eine Nietenfabrik, eine Glasfabrik (das größte derartige Etablissement der Erde, mit einer besondern Arbeiterkolonie von über 1600 Seelen und einer täglichen Produktion von allein über 100,000 Glasflaschen) und (1885) 5293 meist kathol. Einwohner. Mit der Bürgermeisterei Gerresheim-Stadt ist die gleichnamige Landbürgermeisterei verbunden. Dieselbe besteht aus den Gemeinden Erkrath und Ludenberg und zählt gegen 7000 Seelen. Zur Gemeinde Erkrath gehört das Hüttenwerk Hochdahl. Erkrath selbst hat eine mechanische Spinnerei und Weberei [* 3] und eine Papierfabrik. Die Gemeinde Ludenberg hat eine Provinzial-Irrenanstalt.
im Altertum bedeutende, ganz aus Salzblöcken erbaute Hafenstadt an der Ostküste von Arabien, am Gerrhäischen Golf, einer Bucht des Persischen Meerbusens, war reich durch Handel mit arabischen Spezereien und von vertriebenen Chaldäern bewohnt.
Heute wahrscheinlich El Katif.
(spr. schähr), Fluß im südwestlichen Frankreich, entspringt im Departement Oberpyrenäen, auf dem Plateau von Lannemezan, durchfließt das nach ihm benannte Departement sowie das Departement Lot-et-Garonne und mündet nach einem Laufe von 168 km oberhalb Agen links in die Garonne. Der Fluß ist so wasserarm, daß er durch einen Kanal [* 4] aus der Neste gespeist werden muß. - Das Departement Gers ward aus Teilen der alten Provinz Gascogne (Armagnac, Astarac, Comminges, Condomois, Lomagne) gebildet, grenzt im N. an das Departement Lot-et-Garonne, im O. an Obergaronne und Tarn-et-Garonne, im S. an die Departements Oberpyrenäen und Niederpyrenäen und im W. an das Departement Landes und hat einen Flächenraum von 6280 qkm (114,5 QM.). Das Land hat im N. weite Ebenen, im S. enthält es hügelige Ausläufer des Plateaus von Lannemezan, welche die Höhe von 400 m nicht überschreiten, und zwischen denen enge Längenthäler sich fächerförmig nach N. verbreiten.
Bewässert wird es von der Save, Gimone, dem Arrats, Gers, der Baise mit der Losse und Lausso, sämtlich Zuflüssen der Garonne, dann der Douze, Midouze und dem Arros mit Bouès, welche dem Adour zuströmen. Wegen ihrer Wasserarmut müssen mehrere der genannten Flüsse [* 5] aus der im Departement Oberpyrenäen entspringenden wasserreichen Neste durch einen Kanal gespeist werden. Das Klima [* 6] ist gesund und gemäßigt. Die Temperatur fällt im Winter manchmal unter -10° C.; die Kälte dauert indessen nur wenige Wochen, und Schnee [* 7] ist selten.
Die Bevölkerung, [* 8] welche 1881: 281,532 Seelen betrug und sich in den letzten Jahrzehnten konstant verminderte (1861: 298,931), treibt vorzugsweise Ackerbau, obschon der Boden meist mittelmäßig ist und wenig reichliche Ernten gibt. Hauptprodukte sind: Weizen, Mais, Hafer, [* 9] Flachs und Raps. Vom Gesamtareal kommen 3050 qkm auf Ackerland, 979 auf Weinberge, 560 auf Wiesen, 532 auf Wälder und 200 auf Heideland. Die Weinberge liefern reichliches, aber meist mittelmäßiges Gewächs (jährlich gegen 2 Mill. hl), daher sehr viel Wein in Branntwein verwandelt wird (eau-de-vie de Condomois oder d'Armagnac, nach dem Kognak der beste).
Die Wälder bestehen vorzugsweise aus Laubholz (Eichen). Das Tier- wie das Mineralreich tragen wenig zum Reichtum des Landes bei, beträchtlich ist nur die Rindvieh- und Geflügelzucht. Ebenso dient die Industrie, abgesehen von der Branntweinbrennerei, nur den lokalen Bedürfnissen, der Kohlenverbrauch ist minimal. Der Handel erstreckt sich wesentlich auf Branntwein und etwas Vieh. Die Volksbildung steht auf niederer Stufe. Das Departement ist in fünf Arrondissements: Auch, Condom, Lectoure, Lombez und Mirande, eingeteilt und hat Auch zur Hauptstadt.
Vgl. Jacquot, Description géologique et agronomique du département du Gers (Par. 1871-73, 2 Bde.)
pers. Längenmaß, s. Göß. ^[= (Guz, Guj), ursprünglich Längenmaß der Inder; in Bengalen = 1 Yard = 0,914 m; in Bombay = ...]
Dorf im schweizer. Kanton Schwyz, [* 10] am Südfuß des Rigi, eine der belebtesten Touristenstationen am Vierwaldstätter See, in einem von steilen Bergwänden eingeschlossenen Winkel, [* 11] mit zerstreuten Häusern unter Kastanien- und Obstbäumen, hat (1880) 1771 Einw. -
Gersau bildete seit 1390 infolge von Loskauf vier Jahrhunderte lang eine selbständige Republik, die kleinste Europas (kaum 15 qkm mit 1000 Einw. umfassend), aber durch Handel und Seidenindustrie zu großem Wohlstand sich erhebend, bis die Helvetische Republik 1798 den Freistaat aufhob und dem damaligen Kanton Waldstätten zuteilte. 1803 kam Gersau zum Kanton Schwyz, von dem es gegenwärtig einen der sechs Bezirke ausmacht.
(Ghersch), s. Piaster. ^[= spanisch-mexikan. Münze, s. v. w. Peso (s. d.); Rechnungsgeld und Silbermünze in der Türkei ...]
1) (Alt-Gersdorf und Neu-Gersdorf) zwei Dörfer in der sächs. Kreishauptmannschaft Bautzen, [* 12] Amtshauptmannschaft Löbau, [* 13] nahe der böhmischen Grenze und der Spreequelle, an der Linie Bischofswerda-Zittau der Sächsischen Staatsbahn, haben zusammen eine evang. Pfarrkirche, bedeutende mechanische Weberei, Bierbrauerei [* 14] und (1885) 3434 und 4470 meist evang. Einwohner. - 2) Dorf in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau, [* 15] Amtshauptmannschaft Glauchau, [* 16] mit evang. Pfarrkirche, Strumpfwarenfabrikation, Ziegelbrennerei, Steinkohlengrube und (1885) 5167 Einw.
s. Nickelarsenkies. ^[= (Arsennickelglanz, Nickelglanz), Mineral aus der Ordnung der einfachen Sulfuride, ...]
Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel, [* 17] 510 m ü. M., in der Rhön und an der Fulda, [* 18] hat eine evangelische und eine kath. Kirche, 3 Schlösser des Grafen von Froberg, Orgelbauerei, Viehzucht, [* 19] Holzwaren-, Zigarren- und Tabaksfabrikation, Flachsbau und Leinenindustrie und (1885) 1401 meist evang. Einwohner. Gersfeld kam 1866 von Bayern [* 20] an Preußen. [* 21]
Jean Charlier de, einer der gelehrtesten und einflußreichsten Theologen des 15. Jahrh., geb. 1363 zu Gerson im Bistum Reims, [* 22] machte zu Paris, [* 23] besonders unter Pierre d'Aillys Leitung, seine Studien, befand sich 1387 unter den Abgeordneten der Universität, welche wegen Streitigkeiten mit den Dominikanern an Papst Clemens VII. nach Avignon gesendet wurden, erhielt 1392 die theologische Doktorwürde und 1395 das Amt eines Kanzlers der Universität. Er wirkte durch Schriften (»De unitate ecclesiastica«, »De auferibilitate papae«) und That eifrig mit zur Beseitigung des päpstlichen Schismas und zur Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern, namentlich auf den Konzilen zu Pisa [* 24] und Kostnitz. Auf letzterm war er es vornehmlich, der die energische Haltung der Versammlung dem flüchtigen Papst gegenüber aufrecht erhielt und gegen die ruchlose Unsittlichkeit der Geistlichkeit eiferte, was ihm den Beinamen Doctor christianissimus erwarb. Wenn er anderseits auch die Hinrichtung von Joh. Huß und Hieronymus betrieb, so mag hierzu auch ¶
deren Hinneigung zum Realismus mitgewirkt haben. Weil er gegen die Sophistik, mit welcher der Franziskaner Jean Petit die Ermordung des Herzogs von Orléans [* 26] durch den Herzog von Burgund zu rechtfertigen gesucht, gesprochen hatte, mußte er nach dem Schluß des Konzils vor den Nachstellungen des Herzogs von Burgund nach Rattenberg in Tirol [* 27] entweichen; 1419 begab er sich nach Lyon, [* 28] wo er im Cölestinerkloster für den Jugendunterricht thätig war und starb. Seine »Considerationes de mystica theologia speculativa et practica« erstreben eine höhere Einheit der mystischen und scholastischen Theologie.
Auch drang er in den Briefen »De reformatione theologiae« auf fleißiges Bibelstudium. Gerson ist zugleich einer der ältesten musikalischen Schriftsteller; eine musikalische Abhandlung von ihm: »De canticorum originali ratione«, befindet sich im 3. Band [* 29] seiner sämtlichen Werke, Baseler Ausgabe von 1518 in 3 Bänden. Die beste Sammlung seiner Schriften gab Ludwig Ellies du Pin (Antwerp. 1706, 5 Bde.) heraus.
Vgl. Engelhardt, De Gersonio mystico (Erlang. 1822-23);
Druckerfamilie in Prag [* 30] im Beginn des 16. Jahrh. Der Begründer derselben, Gerson ben Salomo Kohen (Kaz, daher später Kazische Buchdruckerei), gilt als der erste Drucker, welcher sich in Prag hebräischer Typen zum Druck von Werken bedient hat.
s. Levi ben Gerson. ^[= (Leon de Bannolas), jüd. Religionsphilosoph und Schrifterklärer, Sohn des naturkundige ...]
(Kinder Gersons), israelitisches Priestergeschlecht, Nachkommen Gersons, des ältesten Sohns Levis, zählten in der Wüste 7500 Mann, welche die Teppiche und das Tuch der Stiftshütte tragen mußten.
Ihre Ortschaften lagen im Gebiet der Stämme Menasse, Isaschar, Asser und Naphtali.
1) Friedrich, Roman- und Reiseschriftsteller, geb. zu Hamburg, [* 31] Sohn eines seiner Zeit beliebten Opernsängers, kam nach dem frühen Tode desselben (1825) zu Verwandten nach Braunschweig, [* 32] besuchte später die Nikolaischule in Leipzig, [* 33] widmete sich dann auf Döben bei Grimma [* 34] der Landwirtschaft und wanderte 1837 nach Nordamerika [* 35] aus, wo er mit Büchse und Jagdtasche das ganze Gebiet der Union durchstreifte. 1843 nach Deutschland [* 36] zurückgekehrt, widmete er sich mit Erfolg litterarischen Arbeiten. Er stellte zunächst sein Tagebuch unter dem Titel: »Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten [* 37] von Nordamerika« (Dresd. 1844, 2 Bde.; 2. Aufl. 1856) zusammen, schrieb kleine Sagen und Abenteuer aus Amerika [* 38] nieder und wagte sich endlich an ein größeres Werk: »Die Regulatoren in Arkansas« (Leipz. 1845, 3 Bde.; 8. Aufl. 1883),
worauf in rascher Reihenfolge »Der deutschen Auswanderer Fahrten und Schicksale« (das. 1847),
»Mississippibilder« (das. 1847-48, 3 Bde.; 5. Aufl. 1884),
»Reisen um die Welt« (das. 1847-48, 6 Bde.; 3. Aufl. 1870),
»Die Flußpiraten des Mississippi« (das. 1848, 3 Bde.; 8. Aufl. 1883) und »Amerikanische Wald- und Strombilder« (das. 1849, 2 Bde.) neben verschiedenen Übersetzungen aus dem Englischen erschienen. In den Jahren 1849-52 führte Gerstäcker eine Reise um die Welt, 1860-1861 eine neue große Reise nach Südamerika [* 39] aus; 1862 begleitete er den Herzog Ernst von Koburg-Gotha nach Ägypten [* 40] und Abessinien. 1867 trat er eine neue Reise nach Nordamerika, Mexiko [* 41] und Venezuela [* 42] an, von der er im Juni 1868 zurückkehrte.
Seine letzten Jahre verlebte er in Braunschweig, wo er starb. Seine spätern Reisen beschrieb er in den Werken: »Reisen« (Stuttg. 1853-54, 5 Bde.);
»Achtzehn Monate in Südamerika« (Jena [* 43] 1862) und »Neue Reisen« (Leipz. 1868, 3 Bde.; 4. Aufl. 1885).
Von seinen sonstigen sehr zahlreichen Schriften seien hier nur angeführt: »Der Wahnsinnige« (Berl. 1853);
»Wie ist es denn nun eigentlich in Amerika?« (2. Aufl., Leipz. 1853);
»Tahiti«, [* 44] Roman aus der Südsee (4. Aufl., das. 1877);
»Nach Amerika« (das. 1855, 6 Bde.);
»Kalifornische Skizzen« (das. 1856);
»Unter dem Äquator« (5. Aufl., Jena 1881);
»Gold« [* 45] (4. Aufl., Leipz. 1878);
»Inselwelt« (3. Aufl., das. 1878);
»Die beiden Sträflinge« (5. Aufl., das. 1881);
»Unter den Penchuenchen« (das. 1867, 3 Bde.);
»Die Blauen und Gelben«, venezuelanisches Charakterbild (das. 1870, 3 Bde.);
»Der Floatbootsmann« (2. Aufl., Schwerin [* 46] 1870);
»In Mexiko« (Jena 1871, 4 Bde.) etc. Seine kleinern Erzählungen und Skizzen wurden unter den verschiedensten Titeln gesammelt: »Aus zwei Weltteilen« (Leipz. 1851, 2 Bde.; 4. Aufl. 1885);
»Hell und Dunkel« (das. 1859, 2 Bde.);
»Heimliche und unheimliche Geschichten« (das. 1862, 3. Aufl. 1884);
»Unter Palmen [* 47] und Buchen« (das. 1865-67, 3 Bde.);
»Wilde Welt« (das. 1865-67, 3 Bde.);
»Kreuz [* 48] und Quer« (das. 1869, 3 Bde.);
»Kleine Erzählungen und nachgelassene Schriften« (Jena 1879, 3 Bde.) u. a. Unter seinen Jugendschriften verdienen »Die Welt im Kleinen für die kleine Welt« (Leipz. 1857-61, 7 Bde.; 3. Aufl. 1881),
unter seinen Humoresken besonders »Herrn Mahlhubers Reiseabenteuer« (das. 1857, 7. Aufl. 1884) Auszeichnung.
Alsbald nach dem Tode des Autors erschienen seine »Gesammelten Schriften« (Jena 1872-79) in 44 Bänden. Gerstäckers Reisen galten nicht wissenschaftlichen oder sonstigen allgemeinen Zwecken, sondern der Befriedigung eines persönlichen Dranges ins Weite; seine Schilderungen sind daher vorwiegend Unterhaltungslektüre, wenn schon um ihrer frischen Beobachtung willen schätzbar. Ebenso verfolgte der fruchtbare Autor bei seinen zahlreichen Romanen und Erzählungen nicht poetische, sondern schlechthin Unterhaltungszwecke.
2) Adolf, Entomolog, geb. zu Berlin, [* 49] studierte 1847-51 daselbst Medizin und Naturwissenschaft, ward 1852 praktischer Arzt, gab aber im weitern Verfolg früh begonnener zoologischer Studien die Medizin auf und nahm eine Anstellung am zoologischen Museum in Berlin an. Er habilitierte sich 1856 als Dozent der Zoologie an der Universität, wurde noch in demselben Jahr zum Vorstand der königlichen entomologischen Sammlung der Universität und 1873 zum Professor der Zoologie ernannt.
Seit 1860 fungierte er auch als Dozent am landwirtschaftlichen Lehrinstitut in Berlin, und 1876 folgte er einem Ruf als Professor der Zoologie nach Greifswald. [* 50] Er schrieb: »Rhipiphoridum, coleopterorum familiae dispositio systematica« (Berl. 1855);
»Entomographien«, Bd. 1: »Monographie der Endomychiden« (Leipz. 1858);
»Naturwissenschaftliche Reise nach Mosambik von W. Peters«, Bd. 5: »Insekten« [* 51] (Berl. 1862);
»Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen im Gebiet der Entomologie 1853-70« (das. 1855-72);
die Arthropoden in Carus' »Handbuch der Zoologie« (Leipz. 1863);
den 5. Band (Arthropoda) zu Bronns »Klassen und Ordnungen des Tierreichs« (das. 1866 ff.);
»Die Gliedertierfauna des Sansibargebiets, nach dem von Kersten während der v. d. Deckenschen Expedition gesammelten Material bearbeitet« (das. 1873);
»Zur Morphologie der Orthoptera amphibiotica« (Berl. 1873);
»Über das Vorkommen von Tracheenkiemen bei ausgebildeten ¶
Insekten« (Leipz. 1874); »Die Wanderheuschrecke« (Berl. 1876); »Der Coloradokäfer« (Kassel 1877).
[* 52] (Hordeum L.), Gattung aus der Familie der Gramineen, [* 53] ein- oder mehrjährige Gräser [* 54] mit sitzenden oder kurzgestielten, ein- oder mehrblütigen Ährchen [* 55] zu 1-6 in den Ausschnitten einer bleibenden oder in Glieder [* 56] zerfallenden Spindel, lineal-lanzettlichen bis borstenförmigen, begrannt zugespitzten Hüllspelzen, an der Spitze begrannten, selten unbegrannten Deckspelzen. Bei den Saatgersten (Crithe Döll.) sind die Deckspelzen, wenigstens der Mittelährchen, breit-elliptisch und begrannt, die einblütigen Ähren ohne Gipfelährchen, und die zähe Spindel zerfällt nicht in Glieder. Gemeine Gerste (Hordeum vulgare L., H. polystichum Döll.), alle Ährchen sitzend und mit fruchtbaren Blüten und begrannten Deckspelzen, wird in mehreren Varietäten kultiviert:
1) Wintergerste (vierzeilige Gerste, H. vulgare var. α genuinum, H. polystichum α vulgare Döll., [* 52] Fig. 1), mittlere Ährchen jedes Spindelausschnittes weniger gedrängt, anliegend, Seitenährchen gedrängt, abstehend, die Ähre daher vierkantig.
2) Himmelsgerste (nackte Gerste, H. vulgare var. β coeleste), Frucht mit den Spelzen verwachsen, frei, sonst wie bei der vorigen.
3) Sechszeilige Gerste (H. vulgare var. γ hexastichon, H. polystichum var. hexastichon Döll., [* 52] Fig. 2), Ährchen alle gedrängt, abstehend, sechs gleiche Reihen bildend.
4) Zweizeilige Gerste (Sommergerste, H. distichon L., [* 52] Fig. 3), Ähre von den nicht mit Ährchen besetzten Seiten zusammengedrückt, mittlere Ährchen fruchtbar, begrannt, aufrecht, Seitenährchen kurzgestielt, männlich, unbegrannt, wird in folgenden Varietäten gebaut: Staudengerste (var. α erectum Schübl. et Mart., [* 52] Fig. 4), Ähre kurz, dicht, aufrecht;
var. β nutans Schübl. et Mart., Ähre lang, locker, nickend;
var. γ nudum Arduino (Kaffeegerste), Frucht nicht mit den Spelzen verwachsen.
Pfauengerste (Fächer-, Reisgerste, H. zeocriton L.), Mittelährchen samt ihren Grannen in einer Ebene fächerförmig abstehend, sonst wie die zweizeilige Gerste. Zur Untergattung Hordeastrum Döll., mit lanzettlichen, an allen Ähren begrannten Deckspelzen, dichten, cylindrischen Ähren, aufrechten Ährchen, kurzgestielten Seitenährchen und bei der Reife in Glieder zerfallender Ährenspindel gehört die Mauergerste (Mäusegerste, Hordeum murinum L.), mit knieartig gebogenem Halm, etwa 30 cm hoch, mit über 2,5 cm langer Ähre und gewimperten Spelzen des Mittelblütchens,
[* 52] ^[Abb.: Fig. 1. Vierzeilige Gerste (Hordeum vulgare).
Fig. 2. Sechszeilige Gerste (H. hexastichon).
Fig. 3. Zweizeilige Gerste (H. distichon).
Fig. 4. Staudengerste (H. distichon erectum).
Fig. 5. Löffelgerste (H. trifurcatum).
Fig. 6. Fächergerste (H. zeocriton).] ¶
mit längern Grannen als die vorige, wächst überall an Mauern, Zäunen, Ställen etc., wird von Schafen gefressen. Die Wiesengerste (H. pratense Sm., H. nodosum L.) ist perennierend, 45-80 cm hoch, mit tief grasgrünen, flachen Blättern, etwa 2,5 cm langen Ähren und wimperlosen Blütchen, wächst auf guten, frischen Wiesen, ist gutes, nahrhaftes Futter- und Weidegras und verkündet, wo sie vorkommt, reichen Graswuchs. Zur Ansaat eignet sie sich nur in starker Mischung mit andern Gräsern in feuchtem Klima und auf gutem, etwas bindigem Boden.
Die Kulturgersten gedeihen am besten in mildem Kalkmergelboden, dessen Obergrund sich leicht erwärmt, hinlängliche Bindigkeit besitzt, lange die Frische bewahrt und auf einem Mergelgrund liegt, den die tief gehende Wurzel [* 58] leicht durchdringt. Auch milder Lehm, der frei von stagnierenden Tag- und Grundwässern ist, sagt der Gerste zu. Man läßt die Gerste am besten in der Wechselwirtschaft auf eine gedüngte Hackfrucht folgen. Wegen der Niedrigkeit des Halms vermag sie sich von allen Getreidearten am wenigsten gegen Unkraut zu schützen und verlangt daher ein gut gereinigtes Erdreich.
Daher würde ihr auch frischer Dung nachteilig sein, welcher überdies Doppelwüchsigkeit oder Lagerung befürchten läßt. Bei der kurzen Vegetationszeit der Gerste (vierzeilige 12-14, sechszeilige 16-18 Wochen) gedeiht sie auch noch in mäßig warmem Sommer und hoch im Norden. [* 59] Aber auch im Süden, in Kleinasien und den Kaukasusländern gibt sie reiche Erträge. Da die Sommergersten bei uns vorzugsweise zur Bierbereitung und zu Graupen verwendet werden, so hat man nicht nur auf die Größe der Ernten, sondern auch auf die Tauglichkeit zur Malzbereitung besondere Rücksicht zu nehmen. Die Wintergerste (vierzeilige, kleine gemeine, Sandgerste, [* 57] Fig. 1) wird in Norddeutschland und Schweden [* 60] am häufigsten (als Sommer- und Winterfrucht) gebaut, verträgt weniger bindiges Erdreich als die zweizeilige, ist aber sehr empfindlich gegen Nachtfröste und wird daher sehr spät gesäet.
Man unterscheidet vier Varietäten: Wintergerste, Perl-, Bärengerste, Rettema, mit stets beschalten, gelben oder schwarzen (Rußgerste) Körnern, wird besonders in Nordwestdeutschland und am Rhein gebaut, bestockt sich sehr schön, verträgt den geilsten Boden, lagert sich nicht leicht, gibt höhere Erträge als die kleine Gerste als Sommerfrucht und reichliches, kräftiges Stroh und wird gleich nach dem Einbringen des Heus geerntet (daher Rettema, »rette den Mann«, nämlich durch zeitiges Brot [* 61] bei hohen Fruchtpreisen).
Das Korn ist sehr kleberreich, daher zu Brot und Graupen, aber nicht zur Bierbereitung geeignet. Man baut sie meist nach Raps oder Hackfrucht und säet sehr früh, damit die Bestockung vor Winter beendigt sei. Das Korn wiegt nicht sehr schwer. Die Sommergerste mit beschalten Körnern (kleine, vierzeilige, gemeine, Sand-, Spät-, Zeilen-, Bärengerste), in Norddeutschland die gemeinste Art, gibt noch im guten Mittelboden der Sandregion Erträge, wird in Norwegen noch unter 70° nördl. Br. (Altengard) gebaut, ist leichter als zweizeilige Gerste und verbraut sich auch nicht so gut wie diese, es sei denn, daß man mit frischer Gerste malzen müßte.
Die Himmelsgerste (Sommergerste mit nackten Körnern, Himalajagerste, ägyptisches Korn, Russen-, Jerusalemsgerste [zum Teil], Griesgerste, walachische Gerste, Davidskorn) verlangt besonders guten, kräftigen Boden, bestockt sich besser, ist gegen Fröste weniger empfindlich, im Halm kräftiger als die vorige und gibt auf kräftigem Boden ebenso gute Ernten wie die zweizeilige Gerste, eignet sich trefflich zur Graupen-, Gries- und Mehlbereitung, aber nicht zum Malzen, unterliegt sehr stark dem Sperlingsfraß und fällt leicht aus. Sehr ähnlich ist ihr die Löffelgerste (H. trifurcatum, [* 57] Fig. 5), deren Korn statt der Grannen drei in Form einer Gabel abstehende, kleine, spelzenartige, hohle Schuppen trägt; dieselbe wird kaum angebaut. Die sechszeilige Gerste (Stock-, Roll-, Kiel-, Rot-, Bärengerste, [* 57] Fig. 2) wird seit etwa 300 Jahren in Deutschland gebaut (nur als Sommerfrucht), hat aber niemals allgemeinere Verbreitung gefunden. Sie geht leicht auf, bestockt sich schön, widersteht gut dem Unkraut, lagert sich weniger leicht, leidet nicht leicht vom Rost und ist in den Ähren sehr ergiebig. Da aber ihre Halme weitläufiger stehen, bringt sie doch keine reichere Ernte [* 62] als die kleine Gerste und weniger Stroh. Die Körner malzen zwar gut, sind aber wegen der dicken Spelzen leichter. Die zweizeilige Gerste (große, Frühgerste, [* 57] Fig. 3) wird in Mittel- und Süddeutschland allgemein, aber nur als Sommerfrucht angebaut, gedeiht am besten in sehr gutem Kalkmergelboden, aber auch noch vortrefflich in kräftigem Lehmboden der Thon- und Sandkonstitution. Die gemeine lange Gerste (große, Ziel-, Zeil-, März-, Frühgerste, H. distichon nutans) verlangt einen reinen, sorgsam bestellten Boden, wird frühzeitig gesäet und bestockt sich stark, eignet sich trefflich zur Malzbereitung. Die kurze Gerste (Stauden-, Platt-, Spiegel-, Hainfelder Gerste, H. distichon erectum, [* 57] Fig. 4) hat manche Vorzüge vor der vorigen; doch ist das Stroh etwas geringer, der Ausdrusch schwerer, auch keimt sie schneller beim Malzen und darf daher mit der vorigen nicht gemischt werden.
Die Brauer ziehen deshalb jene vor. Die zweizeilige, nackte Gerste (Himmels-, Himalaja-, Kaffeegerste) wird wie die gemeine zweizeilige Gerste kultiviert, verlangt aber ausgesprochen kräftigen Gerstenboden, gibt geringern Ertrag als jene, aber ungemein schwere Körner. Ihre Verwertung ist beschränkt, und deshalb kommt sie nicht in allgemeinere Kultur. Die Fächergerste (Pfauen-, Bart-, Wucher-, Riemen-, türkische, Peters-, Dinkel-, Jerusalemer Gerste [zum Teil], Hammelkorn, [* 57] Fig. 6) bestockt sich ungemein stark, keimt schneller als gemeine hat steife Halme, wird selten vom Rost befallen, widersteht auch der ungünstigen Witterung, fällt nicht aus, ist vor Sperlingsfraß geschützt, vorzüglich zum Malzen geeignet, gibt aber nur im ausgesprochenen Gerstenboden bedeutende Erträge, hat härteres Stroh, drischt sich schwerer und muß beim Malzen auch von der gemeinen Gerste getrennt werden. Sie wird deshalb nicht sehr häufig angebaut. Wahrscheinlich ist dies die Mutterform des H. distichon erectum.
Über Aussaat, Ertrag etc. belehrt die nachstehende Tabelle:
Gerste | Aussaat auf 1 Hektar | Ertrag von 1 Hektar | Keimfähigkeit | Vegetationsperiode | 1 Scheffel wiegt | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
breitwürfig Scheffel | Kilogr. | gedrillt Scheffel | Kilogr. | Körner Scheffel | Stroh Kilogr. | Jahre | Wochen | Kilogr. | |
Zweizeilige | 4.7-5.8 | 153-192 | 4.3-5.4 | 137-170 | 43-69 | 1566-2740 | 2 | 16-18 | 31.85 |
Vierzeilige | 5.4-6.5 | 157-192 | 4.7-5.8 | 141-170 | 34-60 | 1175-2350 | 2 | 12-14 | 29.12 |
Wintergerste | 4.7-5.8 | 137-168 | 4.3-5.4 | 125-157 | 69-103 | 1958-2937 | 2 | 40-44 | 29.12 |
¶
Die gemeine Gerste leidet viel vom Brande;
der Engerling und der Drahtwurm beschädigen die Wurzel, so daß der ganze Stock vergilbt;
unter der Blattscheide saugt die mennigrote Larve des Getreideschänders oder eine der Chlorops-Larven;
an der Spindel oder an den Blütenstielen nistet sich die grüne oder rötlichbraune, mit schwarzen Röhren [* 64] und gelbem Schwänzchen versehene Getreideblattlaus und zwischen den Blütenschuppen die weiße Made der Fritfliege ein.
Die Gerste enthält im wesentlichen dieselben Bestandteile wie der Weizen; doch kann das Stärkemehl derselben nicht, wie beim Weizen, durch Auskneten des Mehls gewonnen werden. Gerste enthält in 100 Teilen:
Schottische | Jerusalemer | Wintergerste | nach Payen | nach Oudemans | nach Oudemans wasserfrei | nach Lermer wasserfrei | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Eiweißstoffe | 12.72 | 11.97 | 14.69 | 11.22 | 9.7 | 11.8 | 16.25 |
Zellstoff | 38.57 | 34.52 | 35.13 | 4.11 | 7.7 | 9.4 | 7.10 |
Stärkemehl | 33.28 | 34.41 | 31.80 | 57.49 | 53.8 | 65.7 | 63.43 |
Dextrin | bei Zellstoff berechnet | 8.66 | 4.5 | 5.5 | 6.63 | ||
Fett | - | - | - | 2.39 | 2.1 | 2.5 | 3.08 |
Asche | 2.72 | 2.31 | 4.58 | 2.68 | 2.5 | 3.1 | 3.51 |
Die Asche enthält besonders Phosphorsäure, Kieselsäure, Kali und Magnesia. Die quantitative Zusammensetzung schwankt nach Art, Varietät, Bodenbeschaffenheit und Klima. Die Eiweißstoffe (Kleberstoffe) der Gerste bestehen aus Glutenkasein, Glutenfibrin, Mucedin und Eiweiß. Früher glaubte man, die Gerste enthalte ein Stärkemehl, welches viel schwieriger löslich sei als das des Weizens, und nannte es Hordein; später fand man aber, daß dies Hordein ein mit Zellstoff verunreinigtes Stärkemehl ist, und daß das reine Stärkemehl der Gerste mit dem des Weizens vollkommen übereinstimmt.
Die Gerste ist ein Hauptnahrungsmittel in Sibirien, Norwegen, Schottland und Irland; bei uns dient sie besonders zur Bierbereitung und wird zu diesem Zweck teilweise in Malz umgewandelt (s. Bier); aus dem Malz bereitet man das Malzextrakt. Die rohe Gerste wird auch zur Bereitung von Gerstenwasser benutzt; geschält liefert sie die Perlengerste und die Graupen (s. d.). Das früher offizinelle präparierte Gerstenmehl (farina hordei praeparata) wird durch 30stündiges Erhitzen von zusammengedrücktem Gerstenmehl in einem verschlossenen zinnernen Gefäß [* 65] im Wasserbad bereitet. Es ist rötlichgelb, enthält lösliche Stärke, [* 66] Stärkegummi und Dextrin und ist dadurch leichter verdaulich geworden. Es wird bisweilen noch für Rekonvaleszenten und Brustleidende angewandt, aber besser durch Malz (s. d.) und Malzextrakt ersetzt.
Das Gerstenwasser wird erhalten durch Kochen von ½-1 Teil ausgelesener und gewaschener Gerste mit 12 Teilen Wasser, bis die Gerste aufspringt, worauf man durchseiht und Zucker [* 67] und Zitronensaft oder Kremortartari oder Himbeeressig hinzufügt. Es ist ein kühlendes, einhüllendes und durstlöschendes Getränk für fiebernde Kranke, bei Ruhren, Heiserkeit u. dgl. -
Die Heimat der Gerste ist nicht mit Sicherheit anzugeben. H. vulgare soll noch jetzt zwischen Euphrat und Tigris wild wachsen. H. distichon fand Meyer wild wachsend zwischen Lenkoran und Baku, Koch im Südosten des Kaukasus und Kotschy in Südpersien. Die Gerste ist vielleicht die älteste Ackerfrucht. Am längsten bekannt ist die sechszeilige Gerste, welche Ägypter, Juden, Griechen und Inder seit uralter Zeit gebaut haben. Man fand ihre Körner bei ägyptischen Mumien. Nach Europa [* 68] kam sie über Ägypten, wo noch gegenwärtig die zwei- und die sechszeilige Gerste angebaut werden.
Auch in Griechenland [* 69] wurden früher alle drei Gerstenarten gebaut; gegenwärtig finden sich daselbst nur noch die gemeine und sechszeilige, welche als Pferdefutter verwendet werden. Die Römer [* 70] kannten die zwei- und sechszeilige Gerste. Vereint mit dem Hafer hat die Gerste ihre Herrschaft in Europa bis über den Polarkreis, in Asien [* 71] und Amerika bis nahe an denselben ausgedehnt. Der Gürtel, [* 72] wo der Anbau beider Cerealien vorherrschend ist, ist der arktische und in den östlichen Ländern des Kontinents auch der größere Teil des subarktischen.
Heinrich Wilhelm von, Dichter und Kritiker, geb. zu Tondern in Schleswig, [* 73] besuchte die Schule zu Altona, [* 74] studierte in Jena die Rechte und trat hierauf in dänische Kriegsdienste. Während des Feldzugs gegen die Russen (1763) avancierte er bis zum Rittmeister, nahm aber 1766 seine Entlassung, kam 1768 in die deutsche Kanzlei und wurde 1775 dänischer Resident und Konsul in Lübeck. [* 75] Im J. 1783 zog er sich nach Eutin zurück, ward 1785 als Justizdirektor des königlichen Lottos nach Altona berufen, wo er, seit 1812 pensioniert, starb. Seine litterarische Laufbahn begann Gerstenberg mit den »Tändeleien« (Leipz. 1750 u. öfter),
im Stil der hallischen Anakreontiker. Ihnen folgten die »Prosaischen Gedichte« (Altona 1759),
die »Kriegslieder eines dänischen Grenadiers« (das. 1762),
die »Gedichte eines Skalden« (Kopenh. 1766) und die Kantate »Ariadne auf Naxos« (das. 1767). Am bekanntesten machte ihn sein Trauerspiel »Ugolino« (Hamb. 1768),
einer der Vorläufer der Sturm- und Drangperiode, dessen grausigen Stoff er gewählt hatte, um eine gewisse Kraftgenialität des Ausdrucks entfalten zu können. Weit schwächer ist sein Melodrama »Minona« (Hamb. 1785). Seine »Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur« (Schlesw. 1766-70, 4 Bde.) enthalten manche verdienstvolle kritische Arbeit. Weniger Bedeutung haben seine Schriften über die Kantsche Philosophie. Eine Sammlung seiner »Vermischten Schriften« erschien in 3 Bänden (Altona 1815).
s. Spelz. ^[= (Spelt, Dinkel, Dinkelweizen, Triticum Spelta L.), Pflanzenart aus der Gattung Weizen, mit vierseiti ...]
Gewichts- oder Größebestimmung, = 1 Gran, [* 76] resp. 1 Linie.
(Krithe, Hordeolum), eine häufig vorkommende Geschwulst der Augenlider, welche auf einer Entzündung der Meibomschen Drüsen beruht. Die Affektion beginnt mit Rötung und Schwellung einer Stelle des Augenlidrandes, wozu sich Jucken und Brennen gesellen; häufig treten auch noch Lichtscheu und Thränenfluß hinzu. Nach einiger Zeit bildet sich auf der Höhe der Geschwulst ein gelber Eiterpunkt, welcher anzeigt, daß die entzündete Drüse in Eiterung übergegangen (»reif geworden«) ist.
Jetzt bricht entweder der Eiter von selbst nach außen durch, oder man verschafft ihm durch einen kleinen Stich oder Schnitt Abfluß nach außen, worauf meist in kurzer Zeit die Anschwellung völlig zurückgeht und das Leiden [* 77] beseitigt ist. Eine ganz ähnliche Erkrankung stellt das sogen. Hagelkorn (Chalazion) dar, welches auf dem Lidknorpel aufsitzt und als eine pfefferkorn- bis erbsengroße Geschwulst unter der äußern Liddecke erscheint (s. Tafel »Augenkrankheiten«, [* 78] Fig. 4). Der Inhalt dieser Geschwulst besteht anfänglich aus Eiter, später aus einer grauen, sulzigen Masse, welche Fett und Kalk enthält. Falls dasselbe nicht von selbst auf dem Weg der Resorption sich verkleinert und verschwindet, muß es operativ entfernt werden. Beide Erkrankungen treten besonders häufig bei Individuen mit skrofulösen Anlagen auf, eine Behandlung der Gerstenkörner ist außer der genannten Eiterentleerung meist gar nicht nötig. Einen Schutz gegen ¶
das Wiederauftreten des Leidens gewährt öfteres Bestreichen der Lidränder mit roter Präzipitatsalbe.
s. Orgeade. ^[= (franz., spr. -schāde, Orgeat), kühles, schleimiges Getränk, Graupenschleim, ...]
s. Gerste, ^[= (Hordeum L.), Gattung aus der Familie der Gramineen, ein- oder mehrjährige Gräser mit sitzenden ...] S. 191.
(Saccharum hordeatum), mit Gerstenauszug gekochte Bonbonmasse, welche nach dem Ausgießen in Streifen zerschnitten wird, die man mehrmals um sich selbst dreht.
Beliebtes Hustenmittel.
(Gardini-Gerster), Etelka, Opersängerin, geb. 1856 zu Kaschau in Ungarn, [* 80] trat schon mit zwölf Jahren in einem Wohlthätigkeitskonzert mit solchem Erfolg auf, daß der zufällig anwesende Direktor des Wiener Konservatoriums, Hellmesberger, die Eltern bestimmte, ihre Tochter der Gesanglehrerin Marchesi in Wien [* 81] zur weitern Ausbildung zu übergeben. Nach Beendigung ihrer Studien betrat sie im Januar 1876 die Bühne zu Venedig [* 82] als Gilda in »Rigoletto«, sang später in Marseille [* 83] und Genua [* 84] und endlich 1877 im Krollschen Theater [* 85] zu Berlin, wo sie das Publikum und die Kritik derart enthusiasmierte, daß ihr Ruf sich schnell über ganz Europa verbreitete. Nachdem sie sich noch in demselben Jahr mit dem Opernunternehmer Gardini verheiratet und beim schlesischen Musikfest in Breslau [* 86] mitgewirkt hatte, unternahm sie größere Kunstreisen, die sie zuerst nach Paris und London, [* 87] dann auch nach Amerika führten, wo sie überall durch ihre Meisterschaft im Kunstgesang, als dramatische Sängerin auch in naiven Rollen, [* 88] z. B. Sonnambula, reichen Beifall erntete.
1) Franz Joseph, Ritter von, Ingenieur, geb. zu Komotau in Böhmen, [* 89] studierte zu Prag Mathematik, wurde 1788 Lehrer der Mathematik in Prag, übernahm später die Oberleitung des von ihm begründeten polytechnischen Instituts daselbst und wurde 1811 Vorstand der Wasserbaudirektion für Böhmen. Er starb in Mladiegov bei Gitschin. 30 Jahre lang kam fast keine bedeutende Unternehmung in Böhmen ohne seine mittelbare oder unmittelbare Teilnahme zu stande. Sein Hauptwerk ist das »Handbuch der Mechanik« (Prag 1831, Bd. 1; 2. Aufl. von seinem Sohn, 1832-1834, 3 Bde.). Seine Arbeit »Ob und in welchen Fällen der Bau schiffbarer Kanäle Eisenwegen oder gemachten Straßen vorzuziehen sei« (Prag 1813) hatte großen Einfluß auf die Entwickelung des Eisenbahnwesens in Mitteleuropa.
2) Franz Anton von, Ingenieur, Sohn des vorigen, geb. zu Prag, besuchte das polytechnische Institut daselbst, ward 1818 Professor der praktischen Geometrie am polytechnischen Institut in Wien, studierte wiederholt das Eisenbahnwesen in England, betrieb 1823-24 die Vorarbeiten für die Bahnstrecke von der Moldau zur Donau und übernahm 1825 auch die Oberleitung des Baues. Da jedoch die Aktionäre beschlossen, die zweite Hälfte der Bahn nach einem weniger kostspieligen, aber auch unzweckmäßigern System zu bauen, trat Gerstner von der Leitung zurück. 1829 ging er wieder nach England und 1834 nach Petersburg, [* 90] wo er die erste Eisenbahn in Rußland, von Zarskoje Selo nach Petersburg, baute. 1838 begab er sich nach Nordamerika, um die dortigen Eisenbahnbauten zu untersuchen, und starb in New York. Er schrieb: »Lehrgegenstände der praktischen Geometrie« (Wien 1818). - Seine amerikanischen Beobachtungen wurden von seiner Gattin in der »Beschreibung einer Reise durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika« (Leipz. 1842) herausgegeben und von L. Klein bearbeitet in der Schrift »Die innern Kommunikationen der Vereinigten Staaten von Nordamerika« (Wien 1842, 2 Bde.).
Flecken im sachsen-weimar. Kreis [* 91] Eisenach, [* 92] an der Werra und der Linie Kassel-Dietendorf der Preußischen Staatsbahn, hat ein Amtsgericht, Backsteinfabrikation und (1885) 1722 evang. Einwohner. - Gerstungen gehörte ursprünglich den Landgrafen von Thüringen. In den Jahren 1073 und 1085 wurden hier Reichstage gehalten; 1074 ward daselbst Friede zwischen Kaiser Heinrich IV. und den mit den Sachsen [* 93] verbündeten Thüringern geschlossen. Während der Irrungen zwischen dem König Adolf und den Söhnen Albrechts des Unartigen kam Gerstungen 1292 unter die Botmäßigkeit des Abtes von Fulda und blieb in dessen Besitz, bis 1403 Landgraf Balthasar es zurückkaufte.
Johann Wilhelm, dän. Maler, geb. 1818 zu Kopenhagen, [* 94] besuchte die Kunstschule seiner Vaterstadt und zeichnete anfangs Gegenstände des Museums der Altertümer für den Kupferstich. Nach des Königs Friedrich VI. Tod erhielt Gertner den Auftrag, die Krönungsfeierlichkeiten in lebensgroßen Figuren darzustellen. Seine Porträte [* 95] in Öl: Thorwaldsen, Professor Dahl, König Friedrich VII. etc., sind mit Sauberkeit und Korrektheit ausgeführt, leiden aber durch Härte. Von seinen Genrebildern sind die Kinder am Meeresufer und die zwei Freunde hervorzuheben. Er starb in Kopenhagen.
(althochd. Gêrdrûd, »Speerjungfrau, Speerkämpferin«),
1) Heilige, Tochter des fränk. Majordomus Pippin von Landen, geb. 626, ward 647 Äbtissin des Klosters zu Nyvel und starb 659. Im Volksglauben galt sie wie die altheidnische Göttin Freyja als Schutzheilige der Reisenden, welche ihr zu Ehren die Gertrudsminne tranken (vgl. Gesundheittrinken). Ihr Tag 17. März. - 2) Gertrud v. Hackeborn, Äbtissin des Cistercienserklosters Helfta bei Eisleben, [* 96] starb 1291. - 3) Die große Gertrud, ebenfalls Nonne in dem genannten Kloster Helfta. Den Inhalt ihrer Visionen, deren sie seit 1281 gewürdigt zu sein glaubte, legte sie nieder in dem Buch »Insinuationes divinae pietatis«.
4) Einzige Tochter des Kaisers Lothar und Richenzas von Nordheim, geb. 1115, Erbin der supplinburgischen, braunschweigischen und nordheimischen Güter, wurde 1127 die Gemahlin Heinrichs des Stolzen von Bayern, welchem sie 1129 Heinrich den Löwen [* 97] gebar, und heiratete, seit 1139 Witwe, 1142 den Markgrafen Heinrich Jasomirgott von Österreich, [* 98] der bald darauf mit dem Herzogtum Bayern belehnt wurde. Sie starb schon in Kindesnöten und wurde zu Königslutter begraben.
s. Geertruidenberg. ^[= (spr. gehrtreud-), Stadt und Festung in der niederländ. Provinz Nordbrabant, links an der Mündung ...]
(Olfactus), das Vermögen, mittels des Riechnervs eigentümliche Empfindungen (Gerüche) wahrzunehmen, welche sich aber nicht genauer beschreiben lassen. Der Vorgang beim Riechen besteht darin, daß die Endorgane des Geruchsnervs (nervus olfactorius) durch die Berührung mit gewissen flüchtigen oder gasförmigen Stoffen, die mit dem Einatmungsstrom in die Nasenhöhle gelangen, in Erregung versetzt werden. Diese Erregung wird durch die Fasern des Geruchsnervs auf das Zentralorgan des Geruchssinns im Gehirn [* 99] übertragen, und dadurch wird in uns die Vorstellung einer Geruchsempfindung erweckt, deren Quelle [* 100] wir stets unwillkürlich nach außen verlegen. Als das Organ des Geruchssinns wird gewöhnlich die Nase [* 101] bezeichnet; genau genommen jedoch ist es nur ein kleiner Teil der Nasenschleimhaut, welcher beim Riechen unmittelbar in Frage kommt (s. Nase). Alle Wirbeltiere besitzen deutliche Geruchsorgane und also wahrscheinlich ¶