2) Genoveva von
Brabant; eine der rührendsten Gestalten deutscher Sagendichtung, Tochter eines
Herzogs von
Brabant und (um 731) Gemahlin
des
PfalzgrafenSiegfried, dessen Residenzschloß Hohensimmern im Gebiet von
Trier
[* 6] lag, ward von Golo, dem
Haushofmeister des
Grafen, während dessen
Abwesenheit verleumdet, die eheliche
Treue gebrochen zu haben, und dafür zum
Tod verurteilt, indessen
von dem mit der Vollziehung des
Urteils beauftragten
Knecht aus
Mitleid in der Wildnis ihrem
Schicksal überlassen und lebte
nun sechs Jahre in einer
Höhle des Ardennenwaldes, sich und ihren inzwischen gebornen Sohn Schmerzenreich
mit Kräutern und der
Milch einer Hirschkuh nährend, bis ihr Gemahl, der ihre Unschuld erkannt hatte, bei Gelegenheit einer
Jagd sie wiederfand und auf sein
Schloß zurückführte.
Der
Jesuit Cerisiers bearbeitete die
Legende in der »Bibliothèque bleue« unter dem
Titel: »L'innocence reconnue« (Par. 1638),
und hiernach ist das (auch in die Sammlungen von
Marbach und
Simrock aufgenommene) deutsche Volksbuch von der
Pfalzgräfin Genoveva gearbeitet, das die Geschichte in schlicht-treuherziger
Weise erzählt. Als
Drama wurde der
Stoff behandelt
vom
MalerMüller, L.Tieck,
Raupach und
Fr.
Hebbel, als
Oper von R.
Schumann.
Vgl. Sauerborn, Geschichte der Pfalzgräfin Genoveva (Regensb.
1856);
Zacher, Die Historie von der Pfalzgräfin Genoveva (Königsb. 1860), worin der
Versuch gemacht ist, die
Legende auf einen
Mythus zurückzuführen, während dieselbe nach
Seuffert (»Die
Legende von der Pfalzgräfin
Genoveva«, Würzb. 1877) keine eigentliche
Sage, sondern die
Erfindung eines
LaacherMönchs und erst im 14. Jahrh. entstanden ist.
dasjenige
Fach der
Malerei, welches Individuen als
Typen einer bestimmten
Gattung zur
Darstellung bringt, im
Gegensatz zur
Historienmalerei, welche bestimmte geschichtliche Individuen vorführt, im weitesten
Sinn
jede
Darstellung aus dem
Leben irgend einer Zeitperiode, in welcher nichthistorische
Personen vorkommen. Im
Französischen bezeichnet
das
Wort genre jedes
Fach der
Malerei, so genre historique, genre du paysage etc., absolut gebraucht aber
jedes Gemälde mit menschlichen
Figuren, doch nicht mit solchen von historischer Bedeutung, auch
Tier- und Architekturstücke,
Blumen undStillleben.
Obwohl Genrebilder in der
Regel in kleinerm
Maßstab
[* 8] ausgeführt werden als historische
Darstellungen; die
meist lebensgroße oder selbst überlebensgroße
Dimensionen in Anspruch nehmen, so ist dies doch kein wesentlicher Unterschied,
sondern dieser wird einzig und allein durch den
Charakter der
Darstellung bedingt. Genrebilder malten bereits die alten griechischen
Maler, so Peiraikos Barbierstuben,
Antiphilos eine Weberwerkstätte etc., und in
Pompeji
[* 9] trifft man unter
den Wandgemälden verschiedene Genrebilder an. Zu einer selbständigen
Ausbildung gelangte die Genremalerei allerdings erst infolge
der
Erfindung der
Ölmalerei, und schon J. ^[Jan] van
Eyck malte Genrebilder. In steigendem
Maß folgte die nordische
Kunst dem
von ihm ausgehenden Anstoß, und nachdem bereits im 16. Jahrh. P.
Brueghel die niederländische Bauernwelt
trefflich geschildert, erreichte die Genremalerei im 17. Jahrh. ihren Höhepunkt.
In der italienischen
Malerei haben nur
Giorgione und später
Caravaggio Genrebilder im engern
Sinn geschaffen. Im 18. Jahrh.
wurde die in
Frankreich mit großem Erfolg durch
Watteau,
Lancret,
Pater,
Boucher,
Greuze u. a. kultiviert, und in
Spanien
[* 10] schufen
Velasquez und
Murillo Ausgezeichnetes. Der
Verfall der
Kunst im 18. Jahrh. machte sich natürlich auch in der
Genremalerei geltend, und erst in der neuesten Zeit hat dieselbe wieder, besonders durch den Einfluß der
DüsseldorferSchule, ihr
Terrain
erobert und schließlich die historische
Kunst vollständig überwuchert.
(lat.), die
Genossenschaft derer, welche durch gemeinsame Abstammung miteinander verbunden sind. Zu
Rom
[* 13] bildeten
die
Gentes die Unterabteilungen der
Kurien und den eigentlichen
Stamm des römischen
Volkes, und außer ihnen
gab es in der
¶
mehr
ältesten Zeit des Staats keine wahren Vollbürger. Sie waren die Patres oder Patricii, an welche sich der übrige Teil der
Bewohnerschaft Roms als Hörige oder Klienten anschloß. Nachdem aber durch die Unterwerfung zahlreicher benachbarter Städte
sich ein neuer Stand, der der Plebejer, gebildet hatte, und nachdem dieser durch die Verfassung des Servius Tullius
zum Rang von Staatsbürgern emporgehoben worden war, traten auch unter den PlebejernGentes hervor, wiewohl man diese nicht mehr
wie die frühern als eine Unterabteilung der Kurien anzusehen hat.
Daher erkannten auch die Patrizier diese neuern Gentes nicht als ebenbürtig an. Die Genossen einer Gens hießen Gentiles
und ihr Verhältnis zu einander Gentilität. Das Zeichen, daß man einer Gens angehöre, war das Nomen gentilicium, der Geschlechtsname
(der immer mit -ius endigt), z. B. Fabricius, Valerius, Claudius etc. Diesem vorgesetzt wurde zur Bezeichnung des Individuums
das Praenomen, der Vorname; manche Gentes hielten gewisse Vornamen vorzugsweise fest, andre schlossen sie
ganz aus.
Ferner aber spalteten sich die Gentes meist in Familien, welche zu ihrer Unterscheidung noch einen besondern Beinamen (cognomen)
führten, welcher dem Nomen gentile als dritter Name nachgesetzt wurde. So war z. B. Scipio Beiname der Cornelier, Piso der Calpurnier
etc. Mit der Gentilität waren auch gewisse Rechte und Pflichten (jura gentium oder gentilitatis) verbunden,
unter denen die Teilnahme an den gemeinsamen Opfern (sacra gentilicia oder, im Gegensatz zu den vom Staat begangenen Opfern, sacra
privata genannt) hervorzuheben ist.
Jede Gens nämlich hatte jährlich wiederkehrende Festtage (feriae gentiliciae), an welchen sie sich vereinigte, um
der Schutzgottheit der Gens unter der Aufsicht der Pontifices besondere Opfer (sacrificia gentilicia oder
anniversaria) darzubringen. Die Gentilen beerbten denjenigen ihrer Geschlechtsgenossen, welcher ohne Testament und Erben starb.
Damit hängt zusammen, daß sie das Recht hatten, einen ihrer Genossen, der als Verschwender oder geisteskrank sein Vermögen
nicht selbst verwalten konnte, unter ihre Cura oder Tutela zu nehmen. Die Gentilität ging verloren durch
Capitis deminutio (s. d.) und wurde verändert durch Arrogation und Adoption (s. d.), wobei man die Rechte und Pflichten der einen
Gens aufgab, um die einer andern Gens zu übernehmen. Unter den Kaisern verlor die Gentilität ihre Bedeutung.
(Yuensan, Wönsan), Hafenstadt an der Ostküste von Korea, an einer Bucht der Broughtonbai,
seit 1880 dem japanischen, später dem fremden Handel überhaupt geöffnet; doch hat der Hafen seit EröffnungChemulpos sehr
verloren, so daß die japanische Niederlassung, welche auf niedrigem und sumpfigem Grund angelegt und daher ungesund ist, 1883 nur
noch 230 Japaner, 4 Deutsche,
[* 15] je 1 Engländer und Österreicher zählte. In strengen Wintern friert die Bucht
bis weit hinaus zu. Die Ausfuhr wertete 1883: 427,419, die Einfuhr 336,663 Doll. Es liefen 17 Schiffe (12 Dampfer) von 5682 Ton.
und 1 Dschonke von 308 T. ein. Mit Fusan, Chemulpo, Nagasaki, Wladiwostok, Schanghai
[* 16] besteht Dampferverkehr.
(spr. schangd-), falsche Schreibweise für Gendarmen (s. d.). ^[= (franz. Gendarmes, spr. schangdárm, oder Hommes d'armes), nach Aufhören des Lehnsdienstes ...]
Die in Form eines Dreiecks erbaute Stadt hat einen Durchmesser von fast 4 km und umschließt in ihrem 11 km
weiten Umfang zahlreiche Gärten, Wiesen, Teiche und Promenaden. Sie hat enge, finstere Gassen und noch zahlreiche gotische Giebelhäuser
sowie einzelne altertümliche Gebäude mit Böschungsmauern, Vorsprüngen und Schießscharten; aber sie hat auch freundliche,
neue Straßen, moderne Paläste und schöne Kais. Unter den Plätzen ist der von altertümlichen Gebäuden
umgebene Freitagsmarkt, an welchem die »Dulle Griete«, eine ungeheure, 5,8 m lange, 3,3 m im
Umfang messende eiserne Kanone aus dem 15. Jahrh., liegt, der für die Genter Geschichte bedeutsamste Platz (seit 1863 mit
dem kolossalen Standbild Jacob van Arteveldes von Devigne-Quyo geschmückt), der sogen. Kouter, der als
Paradeplatz und Blumenmarkt dient, der regelmäßigste.
Auf jenem fanden zur Zeit des HerzogsAlba
[* 35] und der Inquisition unzählige Hinrichtungen statt; an letzterm wohnten die Maler van
Eyck und unweit davon Jacob van Artevelde. Die beste Übersicht über die Stadt bietet der fast in der Mitte
derselben stehende Belfried (1183-1339 gebaut), der 118 m Höhe hat, obschon er nur in zwei Dritteilen ausgebaut ist. Auf
seiner gußeisernen, 36 m hohen, 1854 erneuten Spitze schwebt als Wetterfahne ein über 3 m langer vergoldeter Drache,
[* 36] der sich
ehedem auf der Sophienkirche in Konstantinopel
[* 37] befand und 1204 nach der Eroberung dieser Stadt durch die
Kreuzfahrer von Balduin IX. nach Gent geschickt wurde. In diesem Belfried hing auch der berühmte Roland, eine mächtige Glocke,
welche Karl V. nach der Einnahme der Stadt entfernte.
Gegenwärtig enthält der Turm
[* 38] (auf dem auch ein Glockenspiel von 44 Glocken) das städtische Gefängnis,
den
»Mammelocker«. Neben dem Belfried steht die ehemalige Tuchhalle (1325
erbaut). Von der alten Citadelle (het Spanjaerds Kasteel), innerhalb deren die St. Bavoabtei lag, stehen nur noch Trümmer
der achteckigen, im 12. Jahrh. erbauten St. Machariuskapelle; eine neue, 1822-30 angelegte
Citadelle liegt auf dem Blandinusberg, dem einzigen Hügel in der Gegend, im W. der Stadt und beherrscht
den Lauf der Schelde und der Lys. Die ehemaligen Wälle sind in Spaziergänge umgewandelt.
Unter den Kirchen der Stadt, deren Gesamtzahl auf 55 angegeben wird, steht obenan die Kathedrale zu St. Bavo, die in ihrem Äußern
schwerfällig, in dem mit Marmor bekleideten Innern aber eine der prächtigsten KirchenBelgiens ist. Die
Krypte oder unterirdische Kirche ist aus dem Jahr 941, das Chor von 1274-1300. Die 24 Kapellen der Seitenschiffe und die spätgotischen
des Chors enthalten viele ausgezeichnete und berühmte Gemälde, z. B. Johann und Hubert van EycksAnbetung des Lammes (ursprünglich
aus 13 Tafeln bestehend, wovon sich noch 4 dort, 6 im BerlinerMuseum, 2 im BrüsselerMuseum befinden).
Neben der Kathedrale steht der bischöfliche Palast. Die St. Nikolaikirche am Kornmarkt, dem belebtesten Platz Gents, ist unter
den Kirchengebäuden das älteste, in ihrem jetzigen Bau frühgotisch. Ebenfalls gotisch ist die St. Michaeliskirche, aus
dem 15. Jahrh., mit unvollendetem Turm. Auf dem Blandinusberg, neben der erwähnten neuen Citadelle, steht
die im Anfang des 18. Jahrh. erneuerte St. Peterskirche mit vielen ausgezeichneten Gemälden, während von der alten Abtei
zu St. Peter ein Teil als Kaserne (für 4000 Mann) dient.
Unter den weltlichen Gebäuden zeichnet sich besonders das Rathaus aus, das unweit des Belfrieds steht
und nur durch das gotische Haus der Schützengilde (von 1325) davon getrennt ist. Seine nördliche Fronte (1481-1533 nach den
Plänen von D. van Waghenmakere und Keldermans im Flamboyantstil erbaut, 1829 restauriert) ist vielleicht das an Verzierungen
reichste und reizendste gotische Architekturstück Belgiens; der östlichen Fronte (zwischen 1595 und 1628 aufgeführt)
mit drei ReihenHalbsäulen soll der PalazzoCornaro in Venedig
[* 39] zum Vorbild gedient haben. Im Thronsaal des Rathauses wurde 1576 die
Pazifikation von Gent unterzeichnet.
Auf der andern Seite des Belfrieds steht der Universitätspalast, von Roelandt 1818 in antikem Stil erbaut. Auch
der 1844 von Roelandt erbaute Justizpalast mit einem Peristyl korinthischer Ordnung ist ein Prachtgebäude; in den untern
Räumen desselben befindet sich die Börse. Gegenüber steht das 1848 erbaute schöne Schauspielhaus, ebenfalls ein Bau Roelandts.
Merkwürdig ist ferner der 1234 gegründete und noch bestehende Beghinenhof (Beggynhof) am BrüggerThor: eine kleine
Stadt von 103 Häuschen, 18 Konventen und 2 Kirchen, mit Mauer und Graben umgeben und von gegen 700 Beghinen bewohnt, deren Zweck
religiöses Leben und Übung der Barmherzigkeit ist, und deren Beschäftigung größtenteils in Spitzenklöppeln besteht. Eigentliche
Klöster zählt Gent 21 (7 Mönchs- und 14 Frauenklöster). An der Promenade de la Coupure (Verbindungskanal
zwischen dem BrüggerKanal
[* 40] und der Lys) steht das 1825 vollendete Rasp- oder Zuchthaus, ein Achteck mit 9 innern Höfen und Raum
für 2600 Sträflinge. Ein neues Zellengefängnis mit Raum für 368 Gefangene steht vor dem Brügger
Thor. Dem Zuchthaus schräg gegenüber befindet sich das große, 1837 erbaute Kasino, das zu Konzerten, Gesangsfesten und besonders
zu den berühmten halbjährigen Blumenausstellungen des BotanischenVereins dient. Zu den merkwürdigsten alten Bauten gehören
noch die aus dem 14. Jahrh. stammenden und bis 1794 von privilegierten Metzgerfamilien benutzten
Fleischerhallen am Groensel- (Gemüse-) Markt, der verfallene Prinzenhof, in welchem die Grafen von Flandern
und die spanischen StatthalterHof hielten und Karl V. geboren wurde, sowie die uralte Oudeburg oder 's Gravensteen am Pharaildenplatz,
ein turmartiges, mit Schießscharten versehenes Thor von 1180, das vom alten Schloß der ersten flandrischen Grafen noch übrig
ist und jetzt den Eingang zu einer Baumwollspinnerei bildet. Neuerdings hat die Stadt beschlossen, die
Oudeburg anzukaufen und das Eingangsthor nebst den Umfassungsmauern bloßzulegen. Die Bevölkerung
[* 43] zählte 1885: 140,926 Seelen
(1846: 102,977, 1866: 115,354).
In industrieller Beziehung behauptet Gent lange nicht mehr den Rang, den es im 14. und 15. Jahrh. einnahm
(die Stadt zählte damals 40,000 Lein- und Wollweber); doch ist seine Gewerbthätigkeit immer noch groß, und namentlich datiert
von der Einführung der Baumwollspinnerei zu Anfang dieses Jahrhunderts ein neues Aufblühen der Stadt. Die wichtigsten Industriezweige
sind neben der Baumwollspinnerei (480,000 Spindeln) Flachsspinnerei (100,000 Spindeln) und Weberei,
[* 44] Spitzenfabrikation, Kattundruckerei,
Gerberei, Zuckersiederei; ferner Eisengießerei,
[* 45] Maschinenfabrikation, Brauerei, Fabrikation von Bijouteriewaren,
Seife, Tapeten, Handschuhen, Papier, Tabak,
[* 46] Chemikalien etc. Sehr in Flor ist auch die Blumenkultur und Handelsgärtnerei. Gent zählt 62 größere
Blumenhändler und über 400 Treibhäuser, und der Handel mit Blumen undPflanzen im Umfang von 10 Mill. Frank erstreckt sich über
Deutschland, Frankreich und Italien bis nach Rußland.
Der Handel Gents ist noch heute sehr bedeutend. Ein großer, ursprünglich nur zum Schutz gegen Überschwemmungen angelegter
Kanal (10 m breit, 5 m tief), welcher bei Terneuzen in die Schelde mündet, gewährt Gent die Vorteile einer Seestadt, die jedoch
infolge des von Holland seit der Trennung erhobenen starken Durchgangszolles wenig zur Geltung kommen.
Ein zweiter Kanal verbindet die Lys mit dem Kanal von Brügge nach Ostende. Haupthandelsartikel sind: Korn, Rüböl, Flachs etc.
Das neue, 1828 vollendete Hafenbassin, an der Nordseite der Stadt, 1700 m lang, 60 m breit, kann 400 Schiffe aufnehmen;
1883 besuchten 719 Seeschiffe
von 277,080 Ton., dann 516 Dampfer von 233,489 T. den Hafen. 15 km nördlich von Gent sind Schleusen, durch welche die ganze Gegend
unter Wasser gesetzt werden kann.
Von den zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten, an denen Gent reicher ist als irgend eine andre
Stadt Belgiens, verdienen das Irrenhaus, das Entbindungshaus, das Findelhaus mit Hebammenschule, die Institute
für Taubstumme und Blinde, die Wohlthätigkeitswerkstätte für Arme (Atelier de charité), das große Bürgerhospital (la
Byloque) u. a. Erwähnung. An Bildungsanstalten besitzt die Stadt eine 1816 mit vier Fakultäten gegründete Staatsuniversität
(in dem ehemaligen Baudelookloster), mit der eine Schule für bürgerliche Ingenieure und eine für Künste
und Gewerbe (1883-1884 mit 870 Schülern) sowie die ehemalige berühmte Stadtbibliothek (mit über 100,000 Bänden und 700 zum
Teil wertvollen Handschriften) verbunden sind; ferner einen sehr reichen botanischen Garten
[* 47] (gewöhnlich Baudeloohof
genannt, 1797 angelegt)
und einen zoologischen oder Akklimatisationsgarten (seit 1852), in welchem vorzugsweise Haustiere, Antilopen und Hirsche
[* 48] gezüchtet
werden; außerdem eine École normale des sciences (Bildungsanstalt für Gymnasiallehrer), Seminare für Lehrer und Lehrerinnen,
ein Athenäum, ein bischöfliches Seminar mit Bibliothek (10,000 Bände), eine höhere Knabenschule, eine Industrieschule, ein
Konservatorium der Musik, ein Archiv des Königreichs, eine Primärmusterschule, eine Akademie der zeichnenden Künste (in dem
alten Augustinerkloster) mit gegen 700 Schülern und einer Sammlung (Musée) von etwa 140 Gemälden (meist
aus den 1795 aufgehobenen Genter Klöstern), Gesellschaften für schöne Litteratur und Kunst, Gartenbau, den schon erwähnten
BotanischenVerein (Maatschappij van kruidkunde) etc. In Gent erscheint die älteste ZeitungBelgiens, die 1667 gegründete »Gazette
van Gent«. Die Stadt ist Sitz eines Appellhofs, eines Tribunals und Handelsgerichts sowie eines deutschen
Konsuls. Die ordentlichen Einnahmen der Stadt betrugen 1884: 4,5 Mill., die ordentlichen Ausgaben 4,4 Mill. Fr.;
die außerordentlichen
Ausgaben (meist durch Anleihen gedeckt) erforderten 5,4 Mill. Fr., wovon 5,2 Mill. Fr. für öffentliche Arbeiten verwandt wurden.
[Geschichte.]
Gent wird schon im 8. Jahrh. erwähnt, und bereits
in karolingischer Zeit befand sich eine kaiserliche Burg daselbst, welche um die Mitte des 10. Jahrh. von Otto I. einem deutschen
Burggrafen verliehen wurde. Allein um das Jahr 1000 bemächtigte sich GrafBalduin vonFlandern derselben und wurde 1007 mit
der Burg und der um dieselbe entstandenen Stadt von KaiserHeinrich II. belehnt. Letztere wuchs durch ihren
Handel, den der 1228 gegrabene Canal de Liéve sehr beförderte, so ungemein, daß sie im 14. und 15. Jahrh. 50,000 Mann ins
Feld stellen konnte.
Nachdem aber Artevelde27. Nov. d. J. von Karl VI. von Frankreich und Philipp vonBurgund bei Roosebeke besiegt
und gefallen war, mußte sich Gent nach mehrjährigem Widerstand 1385 dem Herzog von Burgund unterwerfen, welcher der Stadt jedoch
ihre alten Rechte und Privilegien ließ. Damals stand in seiner größten Blüte;
[* 49] letztere verdankte es hauptsächlich der
Tuchmacherei, die schon um 1400 in so lebhaftem Betrieb war, daß man 40,000 Wollweber zählte, welche
18,000 streitbare Männer aus ihrer Zunft stellen konnten.
Als der HerzogPhilipp der Gute von Burgund eine neue Steuer auf Salz
[* 50] und Getreide
[* 51] legte, zog (1452) ein Heer von 12,000 Gentern
gegen ihn ins Feld, und die Stadt behauptete vier Jahre lang ihre Unabhängigkeit, bis sie in der Schlacht
bei Gaveren bezwungen wurde, worauf sie einen Teil ihrer Privilegien verlor. Als Maria von Burgund, die in Gent residierte, 1477 nach
dem Tod ihres VatersKarl des Kühnen ihre Räte Hugenet und Imbercourt an König Ludwig XI. von Frankreich gesandt hatte, um
¶
mehr
ihm gegen Anerkennung ihrer Herrschaft einige Abtretungen anzubieten, ließen die Bürger beide Männer nach ihrer Rückkehr
in Gegenwart der Fürstin und trotz flehentlicher Bitten derselben enthaupten. Nach MariasTod empörten sich die Genter gegen
deren Gemahl, den ErzherzogMaximilian, welcher Vormund seines SohnsPhilipp war, und zwangen ihn zu dem
für ihn und die Niederlande so verderblichen Frieden von Arras
[* 53] Doch mußte sich Gent nach neuer Empörung dem kaiserlichen
Feldherrn, HerzogAlbrecht vonSachsen,
[* 54] 1489 ergeben.
Unter Karl V. begann der Glanz der Stadt zu sinken. Als derselbe 1539 der GrafschaftFlandern eine neue Steuer auferlegte, weigerten
sich die Genter, auf Grund ihrer Privilegien, dieselbe zu zahlen, errichteten eine eigne Regierung, vertrieben den Adel und
alle Anhänger der Statthalterin Maria, der SchwesterKarls V., und drohten, den König Franz I. von Frankreich als ihren Herrn
anzuerkennen. Karl V. bezwang aber 1540 die Stadt, nahm ihr alle ihre Privilegien, ihr Geschütz und alle
Waffen,
[* 55] zog die öffentlichen Gebäude ein, ließ 26 der vornehmsten Bürger hinrichten, verwies andre Hauptschuldige aus dem
Land und legte der Stadt eine Geldbuße von 150,000 Goldgulden auf, wovon zur Bändigung der Genter die Citadelle erbaut wurde.
In Gent wurde im November 1576 die Genter Pazifikation zwischen Holland und Zeeland einerseits und den südlichen
Provinzen der Niederlande anderseits zur gemeinschaftlichen Abwehr der spanischen Gewaltherrschaft geschlossen.
fast unmittelbar dabei das Dorf Altenplatow mit
Zichorien- und Schrotfabrik und 1981 Einw. Genthin ist wendischen
Ursprungs und kommt schon 1171 als Stadt vor.
(oder Gentius), König von Illyrien, verband sich mit König Perseus
[* 63] von Makedonien 168 v. Chr. gegen die Römer,
[* 64] ließ zwei römische Gesandte gefangen setzen und verwüstete die Gegend von Apollonia und Dyrrhachium,
wurde jedoch, nachdem er von Perseus um die versprochenen 300 Talente betrogen worden, von dem römischen Prätor Anicius binnen 30 Tagen
besiegt und zur Übergabe seiner Hauptstadt Scodra gezwungen.
Später wurde er zu Rom im Triumph aufgeführt und starb in der
Gefangenschaft.
Die meisten Gentianen blühen blau, doch kommen auch gelb, weiß und rot blühende Arten vor; letztere sind auf die Andes beschränkt,
blau blühende steigen im Himalaja bis 5000 m hoch; die große Mehrzahl findet sich in hügeligen und bergigen Gegenden, doch
dringen manche auch bis in die Tropen vor. Die Gentianen zeichnen sich durch eleganten Habitus und Schönheit
der Blüten aus und bilden einen Hauptschmuck der Alpen.
[* 65] Gentiana luteaL. (gemeiner oder großer Enzian, Fieberwurzel, Bitterwurz),
ausdauernd, wird 1,25 m hoch, hat halbumfassende, elliptische Blätter und gelbe Blüten in reichblütigen, achselständigen
Trugdolden, findet sich im mittlern und südlichen Europa,
[* 66] auf Alpenmatten von 950-2000 m, von Spanien und
Portugal bis zum Thüringer Wald und Kroatien.
Die wenig ästige, bis 60 cm lange, meist zolldicke Wurzel
[* 67] ist als Radix gentianae offizinell. Sie ist außen gelblich oder
rötlichbraun, innen rot oder orangebräunlich, schmeckt zuerst etwas süß, dann stark und anhaltend
bitter, riecht schwach eigentümlich und enthält als besondere Bestandteile Gentiansäure (Gentisin) C14H10O5 ,
welche in geschmacklosen, blaßgelben Nadeln
[* 68] kristallisiert, in Wasser sehr schwer löslich ist und über 300° sublimiert,
sowie Gentiopikrin C20H30O12 , welches in farblosen Nadeln kristallisiert, leicht löslich in
Wasser, nicht flüchtig ist und beim Kochen mit Säuren in Zucker
[* 69] und Gentiogenin gespalten wird.
Die Enzianwurzel wird häufig bei Dyspepsie gebraucht; früher schrieb man ihr auch erhebliche Wirkung als Fiebermittel zu,
doch hat sich diese nicht bestätigt. Die Wurzel enthält kein Stärkemehl, aber gärungsfähigen Zucker; ein wässeriger Auszug
derselben gärt und gibt dann bei der Destillation
[* 70] den Enzianbranntwein, welcher in der Schweiz
[* 71] und Süddeutschland
dargestellt wird. Gentiana acaulisL., ein ausdauerndes Gewächs mit einblütigem Stengel,
[* 72] am Schlund nackter, prächtig blauer Blumenkrone
und rosettenartig ausgebreiteten, steilen, weißlich geränderten Blättern, wächst auf den Alpen und Voralpen Mitteleuropas
bis in die Ebenen hinab und wird in Gärten auch mit weißen oder gefüllten Blumen kultiviert. Gentiana amarellaL. (Himmelsstengel, Gentianellenkraut), einjährig, mit fünfspaltigen, im Schlund gebarteten, dunkelblauen oder violetten Blüten
in arm- oder reichblütigen Rispen und sitzenden Blättern, findet sich auf
¶
Gentiana pannonicaScop., mit wirtelständigen, schön braunpurpurroten Blüten, wächst auf Triften und Wiesen der Gebirge von den
Pyrenäen durch Österreich, Böhmen bis Ungarn.
[* 76] Die Wurzeln werden besonders in Österreich und Bayern
[* 77] statt der von
Gentiana luteaL. gesammelt und angewendet und haben dieselbe Wirkung wie erstere. Gentiana PneumonantheL. (Lungenenzian, Lungenblume,
blauer Dorant), mit einzelnen dunkelblauen Blüten, ist ausdauernd, wächst auf feuchten und grasreichen Wiesen durch Europa
bis Nordasien und galt früher für sehr heilkräftig. Gentiana punctataL. mit wirtelständigen, gelben, rot punktierten
Blüten, wächst ausdauernd auf Wiesen in den GebirgenÖsterreichs und der Schweiz, in Mähren und auf den
Sudeten. Die bittere Wurzel wird in Mähren und Salzburg
[* 78] häufig gesammelt und wie die der Gentiana lutea angewendet. Dasselbe gilt
von Gentiana purpureaL., ausdauernd, mit kopf- und wirtelständigen, sitzenden, bräunlich purpurroten, glockigen,
am Schlund nackten Blüten, wächst auf den GebirgenNorwegens, der Schweiz, auf den Karpathen und Pyrenäen.
Mehrere Enzianarten werden wie andre Alpenpflanzen in Gärten kultiviert.
dikotyle Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Kontorten, einjährige und perennierende Kräuter, wenige Halbsträucher
oder niedrige Sträucher. Der Stengel ist rund oder vierkantig, die meist gegen-, bisweilen auch quirl-,
aber sehr selten wechselständigen Blätter haben keine Nebenblätter, sind sitzend oder gestielt, einfach und ungeteilt, nur
bei Menyanthes handförmig dreiteilig. Die meist regelmäßigen, vollständigen Blüten sind end- oder achselständig, einzeln
oder bilden Trauben oder Trugdolden.
Der stehen bleibende Kelch besteht aus 4-8 verwachsenen Blättern, welche klappige oder gedrehte Knospenlage
haben. Die monopetale Blumenkrone ist trichter-, präsentierteller- oder fast radförmig mit ebenso vielen Abschnitten des
Saums wie der Kelch, in der Knospenlage meist gedreht. Der Schlund der Blume ist häufig gewimpert oder mit kleinen Schüppchen
besetzt. Die Staubgefäße
[* 79] entsprechen an Zahl den Abschnitten der Korolle und sind in der Röhre derselben
inseriert.
Der oberständige, aus zwei Karpiden gebildete Fruchtknoten ist einfächerig, seltener zweifächerig; die beiden wandständigen
Samenleisten tragen zahlreiche anatrope Samenknospen. Der endständige Griffel bildet meist eine zweiteilige Narbe. Die Frucht
ist eine einfächerige, zweiklappige Kapsel. Die zahlreichen, sehr kleinen, runden oder zusammengedrückten Samen
[* 80] enthalten
ein fleischiges Endosperm und einen sehr kleinen Embryo.
Vgl. Grisebach, Gentianaceae, in »Prodromus«, Bd. 9. Die
Familie enthält 500 Arten und ist über die ganze Erde verbreitet; alle lieben lichte Standorte und humösen, feuchten Boden,
finden sich meist auf Wiesen und Weiden, besonders der kältern Klimate und der Gebirge, in denen vorzugsweise zahlreiche
Arten der GattungEnzian (Gentiana T.) bis zur Grenze des ewigen Schnees gefunden werden.
Darauf ging er nach Venedig, wo er für ein Bild der Seeschlacht bei Pirano die Patriziertoga sowie eine lebenslängliche Pension
von einem Dukaten täglich erhielt. Die letzten Jahre seines Lebens brachte er wieder in Rom zu, wo er gegen 1450 starb.
Das einzige noch von ihm erhaltene Freskobild befindet sich im Dom von Orvieto. Außerhalb Italiens finden sich nur sehr wenige
Werke Gentiles; das Museum in Berlin besitzt eine auf Goldgrund in Tempera gemalte Anbetung der Madonna mit dem Kinde durch
die HeiligenNikolaus und Katharina und das Stifterpaar. Gentile da Fabriano verstand seine Köpfe fein zu beseelen; seine Bilder haben einen anmutigen
Charakter und sind verständig, wenn auch ohne Schwung komponiert und mit Liebe durchgeführt.
(engl., spr. dschenntl'män, entsprechend im gewissen
Sinn den französischen Ausdrücken »gentilhomme« und »galant-homme«, mehr noch dem italienischen gentiluomo) ist zunächst
in England eine Standesbezeichnung. Früher bezeichnete man mit Gentleman den wappenberechtigten Mann von Geburt, den Angehörigen
der Gentry im Gegensatz zum Mitglied des Adels (nobility) auf der einen und zu der großen nicht gesellschaftsfähigen
Masse auf der andern Seite. Später dehnte man den Begriff aus auf alle Personen, welche kein Gewerbe treiben, litterarische Bildung
genossen haben, auf Beamte, Offiziere, Geistliche, Rentiers, Großkaufleute etc., also auf Personen, welche vermöge ihrer Stellung
und Bildung oder ihres Reichtums¶