Die
Rohstoffgenossenschaften (Rohstoffvereine) beschaffen durch die
Geschäftsanteile und sonstige
Einzahlungen der Mitglieder, im Bedarfsfall durch aufgenommenes fremdes
Kapital oder durch Ankauf auf
Kredit die
Rohstoffe im
großen und verkaufen sie im einzelnen an die Mitglieder gegen einen entsprechenden, zur
Deckung der Geschäftsunkosten
erforderlichen und zugleich einen Nettogewinn erzielenden
Aufschlag (4-8 Proz.) über den Einkaufspreis.
Der Nettogewinn wird an die Mitglieder nach
Höhe der von ihnen entnommenen
Waren verteilt. Ein eigner Vereinsfonds in
Geschäftsanteilen
der Mitglieder und
Reserve (Gesamtvermögen desVereins) wird durch Innebehaltung von Gewinnanteilen und
durch Monatssteuern der Mitglieder gebildet. Die Vorteile dieser
Vereine bestehen darin, daß sie bei dem Einkauf im großen
nicht allein billigere, sondern auch bessere
Waren erhalten können. Grundsätzlich sollten diese Genossenschaften gegen bar verkaufen und
auf
Kredit nur dann, wenn entsprechende
Deckung gegeben ist. Der kreditierte Kaufpreis ist zu verzinsen,
Buchschulden sind möglichst bald in Wechselschulden umzuwandeln. Der Anwaltschaft waren Rohstoffvereine bekannt in den
Jahren
Die
Magazingenossenschaften (Magazinvereine,
Absatzgenossenschaften), denen
Handwerker eines
wie auch verschiedener
Gewerbe angehören können, bezwecken die Einrichtung eines gemeinschaftlichen
Verkaufsladens
(Gewerbehalle), in welchem jedes Mitglied berechtigt, bez. verpflichtet
ist, die in seinem Privatgeschäft gefertigten
Waren für seine eigne Rechnung zum Verkauf aufzustellen. Mit dem gemeinschaftlichen
Verkaufsladen ist oft noch ein Rohstoffgeschäft für die Mitglieder verbunden.
Für den Verkauf ist meist ein besonderer Geschäftsführer angestellt,
der auch
Bestellungen auf nicht
vorrätige
Waren annimmt, deren Ausführung entweder den Mitgliedern auf deren Rechnung
übertragen, oder auf gemeinsame Rechnung
und
Gefahr übernommen wird. Im letztern
Fall erweitert sich die
Magazingenossenschaft zur
Produktivgenossenschaft. Die Vorteile
der
Magazingenossenschaften bestehen darin, daß an Ladenmiete und Verkaufskräften gespart, ein
Laden in guter Geschäftslage
aufgesucht und reichlich ausgestattet werden kann.
Dagegen leiden sie öfters an dem Übelstand, daß der Verkäufer seine eignen
Interessen nicht voll wahrnehmen (Bevorzugungen
durch den Geschäftsführer) und sich keine ständige
Kundschaft bilden kann. Infolgedessen haben diese auch keine große
Verbreitung gefunden. Vielfach stehen die
Magazingenossenschaften mit
Vorschußvereinen oder auch Privatbankhäusern
in einer derartigen Geschäftsverbindung, daß letztere die im
Magazin stehenden
Waren den Eigentümern beleihen. Es gab industrielle
Magazingenossenschaften 1862: 12, 1870: 38, 1875: 55, 1881: 53, 1884: 59, ferner landwirtschaftliche
Magazin- und
Produktivgenossenschaften
1875: 95, 1881: 142, 1884: 5.
Die
Werkgenossenschaften
(Werkzeug- und Maschinengenossenschaften) schaffen auf gemeinschaftliche Rechnung
Maschinen, besonders
landwirtschaftliche, an, um sie an ihre Mitglieder zu verkaufen oder gegen eine gewöhnlich nach der Zeit der Verwendung
oder (bei
Säemaschinen)
[* 2] auch nach der
Fläche bemessene Vergütung zu verleihen.
Die
Produktivgenossenschaften verfertigen und verkaufen
Waren auf gemeinschaftliche Rechnung, um durch diese innige, das ganze
Geschäft umfassende
Verbindung möglichst vollständig die Vorteile des
Großbetriebes zu erzielen. Diese
Innigkeit fördert jedoch auch die
oben erwähnten Schwierigkeiten. Aus diesem
Grund sind diese Genossenschaften nur in beschränktem
Maß
anwendbar, insbesondere in
Unternehmungen, welche wenig
Kapital und spekulatives
Talent, dagegen gute und einander gleichstehende
Arbeitskräfte erfordern. Sie erheischen wie keine andre
Genossenschaft echt genossenschaftlichenGeist
und wirtschaftliche
Zucht. Es bestanden
Die
Baugenossenschaften, die jüngsten unter den deutschen Genossenschaften, bezwecken, das Wohnungsbedürfnis auf
genossenschaftlichem Weg zu befriedigen. In
England kommen sie vielfach vor in Form von Bausparvereinen
unter dem freilich nicht immer passenden
NamenBenefit building societies. Diese
Vereine, deren rechtliche
Stellung dort 1836 gesetzlich
geregelt wurde, erheben von ihren Mitgliedern monatliche Beiträge, welche verzinslich angelegt werden.
Nach Verlauf einer festgesetzten Zeit löst sich die
Gesellschaft auf, und jedes Mitglied erhält einen entsprechenden
Anteil
des
Vermögens (Beiträge nebst
Zinsen), um mit
Hilfe desselben eine
Wohnung zu bauen. Doch werden auch gegen
Bestellung hypothekarischer Sicherheit schon vorher
Vorschüsse auf Bauten gegeben. Viele dieser
Gesellschaften wurden schon
frühzeitig dem genossenschaftlichen
Zweck entfremdet. Indem sie
Darlehen von Nichtmitgliedern annahmen und nicht alle Mitglieder
wirklich
Wohnungen bauten, nahmen
sie denCharakter reiner Realkreditanstalten an. 1870 zählte man 2000
Gesellschaften
mit 800,000 Mitgliedern. Die deutschen
Baugenossenschaften¶
mehr
treten in zwei verschiedenen Formen auf. Bei der einen, welche seltener vorkommt, bauen die Mitglieder selbst und erhalten
von der Gesellschaft langsam amortisierbare Darlehen (so bei der BreslauerBaugenossenschaft). Bei der andern baut die Gesellschaft,
um die Wohnungen an ihre Mitglieder zu vermieten oder gegen Ratenzahlungen zu verkaufen. Diese Genossenschaften
haben mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß sie gleich von Anfang umfänglicherer Mittel als die übrigen Genossenschaften bedürfen,
und daß diese Mittel durch den Hausbau festgelegt werden.
Hierfür sind aber die Geschäftsanteile unzureichend, denn dieselben können von austretenden Mitgliedern zurückgezogen
werden, eignen sich also nicht zur Anlage in Grundbesitz. Allerdings kann hierfür der Reservefonds verwandt
werden, doch wächst derselbe nur langsam zu einem nennenswerten Betrag an. Hiernach muß die Gesellschaft anderweit ein für
längere Zeit unkündbares, allmählich abzutragendes Kapital zu erhalten suchen. Zu dem Zweck hat man »stille Gesellschafter«
zugelassen mit Einlagen, welche für bestimmte Zeit unkündbar sind und, wie die Geschäftsanteile, an
Gewinn und Verlust teilnehmen, oder man hat einen Vorschußverein eigens zur Unterstützung der Baugenossenschaft ins Leben gerufen
oder endlich unkündbare, allmählich zu tilgende Hypotheken (Annuitäten) aufgenommen.
Kommt man auf diesen Wegen nicht vollständig zum Ziel, so müßten die Mitglieder, ähnlich wie bei den Konsumvereinen mit
Grundbesitz, zur Ansammlung unkündbarer »Hausanteile«
oder »Obligationen« angehalten werden. Viele Baugenossenschaften entstanden zur Zeit der Wohnungsnot bei hohen Bodenpreisen
und Baukosten. Inzwischen sind bei lebhafter Bauthätigkeit einzelner Unternehmer die Mietpreise gesunken, vielfach ist sogar
ein Wohnungsüberfluß entstanden. Infolgedessen fanden manche Genossenschaften zu gedeihlicher Thätigkeit keinen
Boden mehr und mußten liquidieren. Es gab der Anwaltschaft bekannte Baugenossenschaften 1875: 52, 1881: 34 und
1884: 33. Über die Organisation und Verwaltung der Baugenossenschaften vgl. Schneider, Mitteilungen über deutsche Baugenossenschaften
(Leipz. 1875); ferner Plener, Die englischen Baugenossenschaften (Wien
[* 4] 1873).
1So beim Nachweis der registrierten Genossenschaften, beim Nachweis der »Vereine« 1368. - 2So beim Nachweis der registrierten
Genossenschaften, beim Nachweis der »Vereine« 113.
Die frühere gesetzliche Grundlage der Genossenschaften vom wurde durch ein dem deutschen
im wesentlichen nahekommendes Gesetz vom dahin abgeändert, daß neben der Solidarbürgschaft der Mitglieder auch
eine Solidarbürgschaft der Geschäftsanteile, also eine beschränkte Haft (bis auf wenigstens den doppelten Betrag der Anteile),
zugelassen wurde. NeueVereine können nur nach dem Gesetz von 1873 gebildet werden, bei Statutenänderungen müssen
sich die ältern den Bestimmungen dieses Gesetzes anpassen.
Die privatrechtlichen Verhältnisse der in Ungarn wurden durch das in Kraft
[* 7] getretene Handelsgesetz geregelt. Alle
neuen Genossenschaften sind im Sinn dieses Gesetzes einzurichten, früher bestandene Genossenschaften mußten bis ihre Statuten mit
den Bestimmungen desselben in Einklang bringen. Auch in Ungarn sind, wie in Österreich, zwei verschiedene Haftformen, die unbeschränkte
und die beschränkte zugelassen, und zwar haften die Mitglieder einer Genossenschaft mit beschränkter Haftung, insofern die
Statuten der Gesellschaft nicht ein andres verfügen, nur bis zum Betrag ihres festgesetzten Geschäftsanteils.
Die unbeschränkte Haftung kommt nur ganz vereinzelt vor. Durch diese und einige andre Bestimmungen haben
die ungarischen Genossenschaften mehr oder weniger den Charakter einer Kapitalvereinigung erlangt, wie denn auch die Fusion gesetzlich als
eine Auflösungsart von Genossenschaften bezeichnet wird. 1881 zählte man inUngarn 278, Siebenbürgen 54, Kroatien und Slawonien 25 Genossenschaften, zusammen 357 Genossenschaften, und
zwar waren hiervon: Vorschuß- und Kreditvereine 308, Konsumvereine 16, Rohstoffgenossenschaften 2, Magazingenossenschaften 3,
landwirtschaftliche Hilfsgenossenschaften 2, gewerbliche Produktivgenossenschaften 6, landwirtschaftliche Produktivgenossenschaften
7, Versicherungsgenossenschaften 8, verschiedene Genossenschaften 5.
In Frankreich ist das Genossenschaftswesen viel mit der Politik verquickt worden, doch sind viele von den Gesellschaften, welchen
Staatshilfe zu teil wurde, nach kurzem Bestand wieder zu Grunde gegangen. 1852 wurden fast alle bestehenden
Genossenschaften geschlossen, erst mit 1857 wurden mehrere Kreditvermittelungsinstitute für den kleinen Mann ins
Leben gerufen, und 1863 entstand auf Anregung von Beluze der erste Vorschußverein mit 762 Mitgliedern und 20,129 Fr. Grundkapital. 1866 zählte
man inParis
[* 8] 166 solcher Vereine, 5 Konsumvereine und 53 Produktivgenossenschaften. In neuerer Zeit ist insbesondere
das Konsumvereinswesen wieder in lebhafter Zunahme.
England ist dagegen von jeher ein günstigerer Boden für Entwickelung der Genossenschaften, insbesondere der Konsumvereine, gewesen, und zwar
sind die modernen Genossenschaften dort früher entstanden als in Deutschland.
[* 9]
¶
mehr
Bereits 1822 gab es mehrere Vereine zur Anschaffung und zum Vertrieb genossenschaftlicher Vorräte (cooperative stores). 1827 erschien
in Brighton das erste englische Fachblatt für genossenschaftliche Propaganda (»Brighton cooperator«). Seine glänzendsten Triumphe
feierte das Genossenschaftswesen in den Erfolgen, welche die Rochdale Society of Equitable Pioneers erzielte, und die in Deutschland
durch die Mitteilungen von Huber u. a. allgemeiner bekannt geworden sind. 1843 vereinigten sich in Rochdale 28 arbeitslose
Flanellweber, um auf genossenschaftlichem Weg ihre häusliche und soziale Lage zu verbessern.
Nachdem sie 28 Pfd. Sterl. zusammengebracht, konnte 1844 die Registrierung des Vereins erfolgen. Man begann mit einem kleinen
Konsumvereinsladen, der sich allmählich erweiterte, und zu dem noch andre Läden in eignen Häusern hinzukamen.
Bald wurden auch andre genossenschaftliche Anstalten ins Leben gerufen, so 1851 eine später mit Dampfkraft betriebene Kornmühle, 1855 eine
Baumwollspinnerei, 1863 eine Baugenossenschaft mit 1 Mill. Mk. Kapital. Dazu kam ein eignes Gesellschaftshaus mit Bibliothek
und Lesezimmer, Theater,
[* 11] Badehaus etc. Die Mitgliederzahl war 1874 auf 7021 angewachsen.
Die Haftbarkeit der englischen Genossenschaften ist eine verschiedene, je nachdem sie sich unter dem Spezialgesetz
oder unter dem allgemeinen registrieren lassen. Im letztern Fall können sie unbeschränkte Haftpflicht
oder auch eine auf bestimmte Garantiebeträge beschränkte wählen. Nach dem Spezialgesetz vom können Gesellschaften
von wenigstens sieben Personen sich für jeden erlaubten gewerblichen Zweck registrieren lassen. Der höchste statthafte Geschäftsanteil
beträgt 200 Pfd. Sterl. Derselbe ist mit Genehmigung übertragbar. Deckungspflicht besteht nur bis zu
dem genannten Betrag. Jedes Mitglied hat, wenn die Statuten es gestatten, freies Austrittsrecht und kann seine Geschäftsanteile
zurückziehen; Bedingung hierfür ist jedoch, daß keine Bankgeschäfte getrieben werden.
Vgl. Genossenschaften Holyoake, History of the
cooperation in England (3. Aufl., Lond. 1885, 2 Bde.).
In Italien
[* 16] beträgt die Zahl der Volksbanken 316. 195 derselben zeigten Ende 1883 etwa 140,000 Mitglieder auf mit 64½ Mill.
Lire eignem Vermögen, 261½ Mill. fremder Kapitalien und 609½ Mill. jährlicher Kreditgewährung.
Schulze-Delitzsch, Die Streitfragen im deutschen Genossenschaftsrecht (Leipz. 1880);
Derselbe, Material zur Revision
des Genossenschaftsgesetzes (das. 1883);
»Jahresbericht über die auf Selbsthilfe gegründeten deutschen Erwerbsgenossenschaften«
(das., früher von Schulze-Delitzsch, jetzt von Schenck herausgegeben);
Nach der Februarrevolution zog er sich zurück und starb in Hyères. Man hat von ihm außer einer Anzahl politischer
Broschüren eine ziemlich ungenaue Übersetzung der Bibel;
[* 20]
2) Genoveva von Brabant; eine der rührendsten Gestalten deutscher Sagendichtung, Tochter eines Herzogs von Brabant und (um 731) Gemahlin
des PfalzgrafenSiegfried, dessen Residenzschloß Hohensimmern im Gebiet von Trier
[* 28] lag, ward von Golo, dem Haushofmeister des
Grafen, während dessen Abwesenheit verleumdet, die eheliche Treue gebrochen zu haben, und dafür zum Tod verurteilt, indessen
von dem mit der Vollziehung des Urteils beauftragten Knecht aus Mitleid in der Wildnis ihrem Schicksal überlassen und lebte
nun sechs Jahre in einer Höhle des Ardennenwaldes, sich und ihren inzwischen gebornen Sohn Schmerzenreich
mit Kräutern und der Milch einer Hirschkuh nährend, bis ihr Gemahl, der ihre Unschuld erkannt hatte, bei Gelegenheit einer
Jagd sie wiederfand und auf sein Schloß zurückführte.
Der Jesuit Cerisiers bearbeitete die Legende in der »Bibliothèque bleue« unter dem Titel: »L'innocence reconnue« (Par. 1638),
und hiernach ist das (auch in die Sammlungen von Marbach und Simrock aufgenommene) deutsche Volksbuch von der
Pfalzgräfin Genoveva gearbeitet, das die Geschichte in schlicht-treuherziger Weise erzählt. Als Drama wurde der Stoff behandelt
vom MalerMüller, L.Tieck, Raupach und Fr. Hebbel, als Oper von R. Schumann.
Vgl. Sauerborn, Geschichte der Pfalzgräfin Genoveva (Regensb.
1856);
Zacher, Die Historie von der Pfalzgräfin Genoveva (Königsb. 1860), worin der
Versuch gemacht ist, die Legende auf einen Mythus zurückzuführen, während dieselbe nach Seuffert (»Die Legende von der Pfalzgräfin
Genoveva«, Würzb. 1877) keine eigentliche Sage, sondern die Erfindung eines LaacherMönchs und erst im 14. Jahrh. entstanden ist.
dasjenige Fach der Malerei, welches Individuen als Typen einer bestimmten Gattung zur
Darstellung bringt, im Gegensatz zur Historienmalerei, welche bestimmte geschichtliche Individuen vorführt, im weitesten Sinn
jede Darstellung aus dem Leben irgend einer Zeitperiode, in welcher nichthistorische Personen vorkommen. Im Französischen bezeichnet
das
Wort genre jedes Fach der Malerei, so genre historique, genre du paysage etc., absolut gebraucht aber
jedes Gemälde mit menschlichen Figuren, doch nicht mit solchen von historischer Bedeutung, auch Tier- und Architekturstücke,
Blumen undStillleben.
Schärfer ist der Begriff, den man inDeutschland mit Genrebildern verbindet. Nach diesem ist zu einer solchen
Darstellung keineswegs immer eine bestimmte Handlung als Vorwurf notwendig, sondern es können auch allerlei Zustände den
Stoff hergeben, wie auch historische Personen, sobald sie in Situationen des alltäglichen Lebens zur Anschauung gebracht werden,
dazu geeignet sind. Man bezeichnet Darstellungen der letztern Art mit dem Namen historisches Genre.
Obwohl Genrebilder in der Regel in kleinerm Maßstab
[* 29] ausgeführt werden als historische Darstellungen; die
meist lebensgroße oder selbst überlebensgroße Dimensionen in Anspruch nehmen, so ist dies doch kein wesentlicher Unterschied,
sondern dieser wird einzig und allein durch den Charakter der Darstellung bedingt. Genrebilder malten bereits die alten griechischen
Maler, so Peiraikos Barbierstuben, Antiphilos eine Weberwerkstätte etc., und in Pompeji
[* 30] trifft man unter
den Wandgemälden verschiedene Genrebilder an. Zu einer selbständigen Ausbildung gelangte die Genremalerei allerdings erst infolge
der Erfindung der Ölmalerei, und schon J. ^[Jan] van Eyck malte Genrebilder. In steigendem Maß folgte die nordische Kunst dem
von ihm ausgehenden Anstoß, und nachdem bereits im 16. Jahrh. P. Brueghel die niederländische Bauernwelt
trefflich geschildert, erreichte die Genremalerei im 17. Jahrh. ihren Höhepunkt.
In der italienischen Malerei haben nur Giorgione und später Caravaggio Genrebilder im engern Sinn geschaffen. Im 18. Jahrh.
wurde die in Frankreich mit großem Erfolg durch Watteau, Lancret, Pater, Boucher, Greuze u. a. kultiviert, und in Spanien
[* 31] schufen
Velasquez und Murillo Ausgezeichnetes. Der Verfall der Kunst im 18. Jahrh. machte sich natürlich auch in der
Genremalerei geltend, und erst in der neuesten Zeit hat dieselbe wieder, besonders durch den Einfluß der DüsseldorferSchule, ihr Terrain
erobert und schließlich die historische Kunst vollständig überwuchert.
(lat.), die Genossenschaft derer, welche durch gemeinsame Abstammung miteinander verbunden sind. Zu Rom
[* 34] bildeten
die Gentes die Unterabteilungen der Kurien und den eigentlichen Stamm des römischen Volkes, und außer ihnen gab es in der
¶
mehr
ältesten Zeit des Staats keine wahren Vollbürger. Sie waren die Patres oder Patricii, an welche sich der übrige Teil der
Bewohnerschaft Roms als Hörige oder Klienten anschloß. Nachdem aber durch die Unterwerfung zahlreicher benachbarter Städte
sich ein neuer Stand, der der Plebejer, gebildet hatte, und nachdem dieser durch die Verfassung des Servius Tullius
zum Rang von Staatsbürgern emporgehoben worden war, traten auch unter den PlebejernGentes hervor, wiewohl man diese nicht mehr
wie die frühern als eine Unterabteilung der Kurien anzusehen hat.
Daher erkannten auch die Patrizier diese neuern Gentes nicht als ebenbürtig an. Die Genossen einer Gens hießen Gentiles
und ihr Verhältnis zu einander Gentilität. Das Zeichen, daß man einer Gens angehöre, war das Nomen gentilicium, der Geschlechtsname
(der immer mit -ius endigt), z. B. Fabricius, Valerius, Claudius etc. Diesem vorgesetzt wurde zur Bezeichnung des Individuums
das Praenomen, der Vorname; manche Gentes hielten gewisse Vornamen vorzugsweise fest, andre schlossen sie
ganz aus.
Ferner aber spalteten sich die Gentes meist in Familien, welche zu ihrer Unterscheidung noch einen besondern Beinamen (cognomen)
führten, welcher dem Nomen gentile als dritter Name nachgesetzt wurde. So war z. B. Scipio Beiname der Cornelier, Piso der Calpurnier
etc. Mit der Gentilität waren auch gewisse Rechte und Pflichten (jura gentium oder gentilitatis) verbunden,
unter denen die Teilnahme an den gemeinsamen Opfern (sacra gentilicia oder, im Gegensatz zu den vom Staat begangenen Opfern, sacra
privata genannt) hervorzuheben ist.
Jede Gens nämlich hatte jährlich wiederkehrende Festtage (feriae gentiliciae), an welchen sie sich vereinigte, um
der Schutzgottheit der Gens unter der Aufsicht der Pontifices besondere Opfer (sacrificia gentilicia oder
anniversaria) darzubringen. Die Gentilen beerbten denjenigen ihrer Geschlechtsgenossen, welcher ohne Testament und Erben starb.
Damit hängt zusammen, daß sie das Recht hatten, einen ihrer Genossen, der als Verschwender oder geisteskrank sein Vermögen
nicht selbst verwalten konnte, unter ihre Cura oder Tutela zu nehmen. Die Gentilität ging verloren durch
Capitis deminutio (s. d.) und wurde verändert durch Arrogation und Adoption (s. d.), wobei man die Rechte und Pflichten der einen
Gens aufgab, um die einer andern Gens zu übernehmen. Unter den Kaisern verlor die Gentilität ihre Bedeutung.
(Yuensan, Wönsan), Hafenstadt an der Ostküste von Korea, an einer Bucht der Broughtonbai,
seit 1880 dem japanischen, später dem fremden Handel überhaupt geöffnet; doch hat der Hafen seit EröffnungChemulpos sehr
verloren, so daß die japanische Niederlassung, welche auf niedrigem und sumpfigem Grund angelegt und daher ungesund ist, 1883 nur
noch 230 Japaner, 4 Deutsche,
[* 36] je 1 Engländer und Österreicher zählte. In strengen Wintern friert die Bucht
bis weit hinaus zu. Die Ausfuhr wertete 1883: 427,419, die Einfuhr 336,663 Doll. Es liefen 17 Schiffe (12 Dampfer) von 5682 Ton.
und 1 Dschonke von 308 T. ein. Mit Fusan, Chemulpo, Nagasaki, Wladiwostok, Schanghai
[* 37] besteht Dampferverkehr.
(spr. schangd-), falsche Schreibweise für Gendarmen (s. d.). ^[= (franz. Gendarmes, spr. schangdárm, oder Hommes d'armes), nach Aufhören des Lehnsdienstes ...]
Die in Form eines Dreiecks erbaute Stadt hat einen Durchmesser von fast 4 km und umschließt in ihrem 11 km
weiten Umfang zahlreiche Gärten, Wiesen, Teiche und Promenaden. Sie hat enge, finstere Gassen und noch zahlreiche gotische Giebelhäuser
sowie einzelne altertümliche Gebäude mit Böschungsmauern, Vorsprüngen und Schießscharten; aber sie hat auch freundliche,
neue Straßen, moderne Paläste und schöne Kais. Unter den Plätzen ist der von altertümlichen Gebäuden
umgebene Freitagsmarkt, an welchem die »Dulle Griete«, eine ungeheure, 5,8 m lange, 3,3 m im
Umfang messende eiserne Kanone aus dem 15. Jahrh., liegt, der für die Genter Geschichte bedeutsamste Platz (seit 1863 mit
dem kolossalen Standbild Jacob van Arteveldes von Devigne-Quyo geschmückt), der sogen. Kouter, der als
Paradeplatz und Blumenmarkt dient, der regelmäßigste.
Auf jenem fanden zur Zeit des HerzogsAlba
[* 52] und der Inquisition unzählige Hinrichtungen statt; an letzterm wohnten die Maler van
Eyck und unweit davon Jacob van Artevelde. Die beste Übersicht über die Stadt bietet der fast in der Mitte
derselben stehende Belfried (1183-1339 gebaut), der 118 m Höhe hat, obschon er nur in zwei Dritteilen ausgebaut ist. Auf
seiner gußeisernen, 36 m hohen, 1854 erneuten Spitze schwebt als Wetterfahne ein über 3 m langer vergoldeter Drache,
[* 53] der sich
ehedem auf der Sophienkirche in Konstantinopel
[* 54] befand und 1204 nach der Eroberung dieser Stadt durch die
Kreuzfahrer von Balduin IX. nach Gent geschickt wurde. In diesem Belfried hing auch der berühmte Roland, eine mächtige Glocke,
welche Karl V. nach der Einnahme der Stadt entfernte.
Gegenwärtig enthält der Turm
[* 55] (auf dem auch ein Glockenspiel von 44 Glocken) das städtische Gefängnis,
den
»Mammelocker«. Neben dem Belfried steht die ehemalige Tuchhalle (1325
erbaut). Von der alten Citadelle (het Spanjaerds Kasteel), innerhalb deren die St. Bavoabtei lag, stehen nur noch Trümmer
der achteckigen, im 12. Jahrh. erbauten St. Machariuskapelle; eine neue, 1822-30 angelegte
Citadelle liegt auf dem Blandinusberg, dem einzigen Hügel in der Gegend, im W. der Stadt und beherrscht
den Lauf der Schelde und der Lys. Die ehemaligen Wälle sind in Spaziergänge umgewandelt.
Unter den Kirchen der Stadt, deren Gesamtzahl auf 55 angegeben wird, steht obenan die Kathedrale zu St. Bavo, die in ihrem Äußern
schwerfällig, in dem mit Marmor bekleideten Innern aber eine der prächtigsten KirchenBelgiens ist. Die
Krypte oder unterirdische Kirche ist aus dem Jahr 941, das Chor von 1274-1300. Die 24 Kapellen der Seitenschiffe und die spätgotischen
des Chors enthalten viele ausgezeichnete und berühmte Gemälde, z. B. Johann und Hubert van EycksAnbetung des Lammes (ursprünglich
aus 13 Tafeln bestehend, wovon sich noch 4 dort, 6 im BerlinerMuseum, 2 im BrüsselerMuseum befinden).
Neben der Kathedrale steht der bischöfliche Palast. Die St. Nikolaikirche am Kornmarkt, dem belebtesten Platz Gents, ist unter
den Kirchengebäuden das älteste, in ihrem jetzigen Bau frühgotisch. Ebenfalls gotisch ist die St. Michaeliskirche, aus
dem 15. Jahrh., mit unvollendetem Turm. Auf dem Blandinusberg, neben der erwähnten neuen Citadelle, steht
die im Anfang des 18. Jahrh. erneuerte St. Peterskirche mit vielen ausgezeichneten Gemälden, während von der alten Abtei
zu St. Peter ein Teil als Kaserne (für 4000 Mann) dient.
Unter den weltlichen Gebäuden zeichnet sich besonders das Rathaus aus, das unweit des Belfrieds steht
und nur durch das gotische Haus der Schützengilde (von 1325) davon getrennt ist. Seine nördliche Fronte (1481-1533 nach den
Plänen von D. van Waghenmakere und Keldermans im Flamboyantstil erbaut, 1829 restauriert) ist vielleicht das an Verzierungen
reichste und reizendste gotische Architekturstück Belgiens; der östlichen Fronte (zwischen 1595 und 1628 aufgeführt)
mit drei ReihenHalbsäulen soll der PalazzoCornaro in Venedig
[* 56] zum Vorbild gedient haben. Im Thronsaal des Rathauses wurde 1576 die
Pazifikation von Gent unterzeichnet.
Auf der andern Seite des Belfrieds steht der Universitätspalast, von Roelandt 1818 in antikem Stil erbaut. Auch
der 1844 von Roelandt erbaute Justizpalast mit einem Peristyl korinthischer Ordnung ist ein Prachtgebäude; in den untern
Räumen desselben befindet sich die Börse. Gegenüber steht das 1848 erbaute schöne Schauspielhaus, ebenfalls ein Bau Roelandts.
Merkwürdig ist ferner der 1234 gegründete und noch bestehende Beghinenhof (Beggynhof) am BrüggerThor: eine kleine
Stadt von 103 Häuschen, 18 Konventen und 2 Kirchen, mit Mauer und Graben umgeben und von gegen 700 Beghinen bewohnt, deren Zweck
religiöses Leben und Übung der Barmherzigkeit ist, und deren Beschäftigung größtenteils in Spitzenklöppeln besteht. Eigentliche
Klöster zählt Gent 21 (7 Mönchs- und 14 Frauenklöster). An der Promenade de la Coupure (Verbindungskanal
zwischen dem BrüggerKanal
[* 57] und der Lys) steht das 1825 vollendete Rasp- oder Zuchthaus, ein Achteck mit 9 innern Höfen und Raum
für 2600 Sträflinge. Ein neues Zellengefängnis mit Raum für 368 Gefangene steht vor dem Brügger