versetzte
Offiziere). Der
Große Generalstab, unter direkter Leitung des
Chefs des Generalstabs der
Armee, zerfällt in folgende Abteilungen:
drei Abteilungen, als 1., 2., 3. bezeichnet, sammeln die Nachrichten über fremde
Heere;
die
Eisenbahnabteilung sammelt die
Nachrichten über
Anlage und
Material der
Bahnen, vereinbart im Inland mit den Zivilbehörden die Fahrpläne
etc. für Truppenbeförderungen und leitet die letztern im Gebrauchsfall durch besondere Linienkommissare;
weitere Abteilungen sind die kriegsgeschichtliche und die geographisch-statistische.
Unter einem besondern
Chef stehen die
drei Abteilungen der
Landesaufnahme, die trigonometrische, die topographische und die kartographische. Ein Zentralbüreau,
Bibliothek und
Archiv vervollständigen die
Organisation. Zur eignen
Ausbildung sind 40
Leutnants aus der
Armee zur Dienstleistung zum Generalstab kommandiert. Neben dem Unterpersonal an Büreaubeamten, Zeichnern etc.
werden eine Anzahl
Trigonometer und Topographen, meist frühere Oberfeuerwerker der
Artillerie, bei den trigonometrischen Messungen
und topographischen
Aufnahmen verwendet. - In
Frankreich heißt auch die gesamte
Generalität der
Armee; dort gibt es auch
einen besondern Generalstab der
Artillerie und des
Genies, gebildet aus den
Generalen und höhern
Stäben dieser
Waffen.
[* 2] In Rußland wird
der Generalstab Hauptstab (glawnii schtab) genannt. - Generalstabsreisen, Übungsreisen zur
Ausbildung von
Offizieren in der Truppenführung
ohne Anwesenheit von
Truppen; es werden dabei nach einer zu
Grunde liegenden
Idee für zwei einander gegenüberstehende
Korps die täglichen
Operationen bestimmt, nach der jedesmaligen
Disposition von einzelnen
Offizieren die Marschstraßen, Biwakplätze,
Vorposten- und Gefechtsstellungen aufgesucht, dann im
Quartier die
Berichte über die Rekognoszierungen, die neu zu erlassenden
Befehle aufgesetzt und durch den
Leiter der Übung die
Arbeiten und die aus den beiderseitigenAnordnungen
für den nächsten
Tag sich ergebende
Lage besprochen.
Solche
Reisen werden in
Deutschland
[* 3] alljährlich durch den
Chef des Generalstabs der
Armee mit den
Offizieren des
Großen Generalstabs
und in zwei Dritteilen der Korpsbezirke durch die Generalstabschefs der
Armeekorps mit den dortigen Generalstabs- und andern
dazu kommandierten
Offizieren gemacht, meist unmittelbar nach
Schluß der Herbstübungen und von 14tägiger
Dauer, ebenso mit den
Offizieren der
Kriegsakademie nach Beendigung ihres dreijährigen
Kursus. Erst in den letzten
Jahren haben
diese
Reisen auch in andern
Ländern, zuerst in Rußland,
Nachahmung gefunden.
Vgl.
Bronsart v. Schellendorff, Der
Dienst des
Generalstabs (2. Aufl. von
Meckel, Berl. 1884);
v. Böhn, Generalstabsgeschäfte (2. Aufl., Potsd.
1875).
Aus dem
Ertrag des Werkes »Der deutsch-französische
Krieg 1870/71« sind 300,000 Mk. der
Stiftung überwiesen, deren
Zinsen zur
Förderung wissenschaftlicher
Zwecke und zu Unterstützungen von
Offizieren und Beamten der preußischen, bayrischen,
sächsischen und württembergischen
Armee
zu verwenden sind.
(Plenarversammlung), in
Vereinen,
Genossenschaften und
Aktiengesellschaften eine Versammlung, zu der
sämtliche Mitglieder der
Gesellschaft in gesetzlicher oder statutarischer Form eingeladen werden, und an der jedes Mitglied
teilzunehmen berechtigt ist. Die vorschriftsmäßig berufene Generalversammlung ist dasjenige
Organ der
Gesellschaft, welches alle Mitglieder
repräsentiert und endgültig über Fortbestehen oder
Auflösung, über
Organisation, Jahresrechnungen,
Wahlen etc. beschließt.
In denStatuten von
Aktiengesellschaften und
Genossenschaften muß ausdrücklich angegeben sein, in welcher Art und Form die
durch Vorstand oder
Aufsichtsrat erfolgende Zusammenberufung der Mitglieder zu erfolgen hat, und in welcher
Weise, resp. unter
welchen
Bedingungen das
Stimmrecht ausgeübt wird. Jede ordnungsgemäß berufene Generalversammlung ist beschlußfähig,
wenn nicht im
Statut noch besondere
Bedingungen vorgesehen sind. Jede
Aktie (nicht jeder Aktienanteil) hat eine
Stimme, und Beschlüsse
werden nach einfacher Stimmenmehrheit gefaßt, sofern nichts andres im
Statut bestimmt ist. Es gibt ordentliche, zu den statutenmäßig
bestimmten
Zeiten zu berufende und außerordentliche Generalversammlungen.
Die erstern finden zum
Zweck von
Neuwahlen im Vorstand und
Aufsichtsrat, zur
Prüfung des gesamten Betriebes,
Abhör der Rechnungen, Entlastung
(Decharge) des Vorstandes,
Verfügung über den Reingewinn, Beschlußfassung über
Deckung
von Verlusten, über Prozeßführung gegen Vorstand und
Aufsichtsrat und zur Erledigung andrer laufender
Geschäfte statt.
Die außerordentlichen Generalversammlungen werden dagegen zur Erledigung außergewöhnlicher Geschäftsangelegenheiten,
wie Veränderungen in der
Organisation (Statutänderung),
Auflösung etc., berufen. Die Wirksamkeit der Generalversammlung ist, da die Zahl
der Mitglieder meist sehr
groß ist, denselben Geschäftskenntnisse abgehen, nicht alle an der Generalversammlung teilnehmen können etc.,
eine sehr schwerfällige und begrenzte. Die wirksame
Kontrolle verbleibt dem
Aufsichtsrat. Im übrigen muß das
Gesetz durch Strafbestimmungen die
Aktionäre gegen Widerrechtlichkeiten durch
Aufsichtsrat und Vorstand zu schützen suchen.
in der katholischen
Kirche der ordnungsmäßige Vertreter eines
Bischofs in allen Jurisdiktionssachen.
Die Veranlassung zu der Einsetzung stehender Stellvertreter der
Bischöfe haben die Anmaßungen der Archidiakonen gegeben;
als Gegengewicht gegen dieselben setzten im 13. Jahrh. die
Bischöfe einen Officialis principalis oder
Vicarius generalis ein (s.
Offizial). Um Generalvikar zu werden, ist der
Besitz der höhern
Weihen nicht notwendig; jedoch muß er
Doktor
oder
Lizentiat des kanonischen
Rechts sein. Obwohl der Generalvikar der Stellvertreter des
Bischofs ist, bedarf er doch zur Ausübung
einer Anzahl von bischöflichen Amtsbefugnissen ein besonderes
Mandat des
Bischofs, wie z. B. zur
Berufung
der Diözesansynoden, zur
Ausstellung von
Dimissorialien, zur Verhängung der
Suspension, der Exkommunikation, des
Interdikts
etc. Der Generalvikar führt den
¶
mehr
Vorsitz in dem Generalvikariat, auch Konsistorium oder Ordinariat genannt, einer aus Räten und Assessoren gebildeten Behörde,
die dem Bischof, resp. dem Generalvikar gegenüber eine beratende und nur, soweit sie Gerichtsbehörde
ist, eine beschließende Stimme hat.
(Mandatum generale), der einer Person erteilte Auftrag zur Vertretung einer andern in allen rechtlichen
Angelegenheiten der letztern, soweit eine solche überhaupt zulässig ist.
Manche rechtliche Handlungen, wie namentlich die
Ableistung eines Eides, können nämlich nicht durch Stellvertreter vorgenommen werden.
Auch die Urkunde, welche über eine
solche generelle Vollmachtserteilung ausgestellt wird, heißt Generalvollmacht. Die Unterschrift des Ausstellers ist hier regelmäßig gerichtlich
oder notariell zu beglaubigen (s. Mandat).
(lat.), s. v. w. Zeugung; in der Geschlechtsfolge rück- oder vorwärts jedes einzelne Glied;
[* 6] dann auch die
Gesamtheit der zu derselben Zeit lebenden Menschen. Die ältere Chronologie pflegte danach die Zeiträume zu bestimmen, indem
gewöhnlich 30 Jahre auf eine Generation oder ein Menschenalter gerechnet wurden. Herodot rechnete 100 Jahre
auf drei, andre 28, 27, selbst nur 22 Jahre auf eine Generation. Eine genaue Begrenzung dieses Begriffs suchte zuerst Rümelin anzubahnen.
Nach demselben bedeutet Generation als Zeitmaß den Altersabstand zwischen Eltern (Vätern) und deren Kindern (Söhnen), und der statistische
Ausdruck für die Dauer einer Generation wird aus dem durchschnittlichen Heiratsalter der
Männer mit Zurechnung der halben Dauer der ehelichen Fruchtbarkeit gewonnen. Zur exakten Bestimmung dieser Dauer zog Rümelin
einerseits aus den Tübinger Familienregistern 500 Ehen und anderseits aus dem »Gothaischen genealogischen Hofkalender« 264 Ehen
aus und berechnete die Dauer der ehelichen Fruchtbarkeit vom Trauungsjahr bis zur Geburt des letzten Kindes.
Das Resultat dieser Berechnungen lieferte 12,2-12,5 Jahre. Wird nun
weiter das mittlere Alter der heiratenden Männer in Deutschland mit 30 Jahren angenommen und noch um ein Jahr erhöht, weil
die Geburt des erstes Kindes gewöhnlich auf das nächste Jahr nach eingegangener Ehe fällt, und die mittlere
Größe der Dauer der ehelichen Fruchtbarkeit (12 Jahre) aus demselben Grund um ein Jahr vermindert, so erhält man die Zahlen 31 und 11 und
sonach 31+11/2 = 36,5 Jahre als die für Deutschland geltende Generationsdauer.
(Metagenese, Ammenzeugung), eine Art der Fortpflanzung, bei welcher der Entwickelungscyklus durch
einen regelmäßigen Wechsel zweier oder mehrerer in verschiedenartiger Weise sich fortpflanzender Generationen zu stande kommt.
Bei der einfachen Entwickelung nämlich gleichen die Nachkommen, wenn sie erwachsen sind, ihren Erzeugern in allen wesentlichen
Punkten; beim Generationswechsel dagegen setzt sich die Lebensgeschichte der Art aus dem Leben zweier oder mehrerer auseinander hervorgehender
Generationen zusammen. Im einfachsten Fall erzeugen die Geschlechtstiere A Nachkommen B, welche ihnen niemals gleichen, dafür
aber durch Knospung Nachkommen A liefern, die zur Form und Organisation der Geschlechtstiere zurückkehren.
Während also das Schema für gewöhnliche Entwickelung lautet: A, A, A... heißt es bei dem einfachsten Generationswechsel A, B;
A, B... oder, wenn B nicht wieder A, sondern eine zweite ungeschlechtliche Generation C hervorbringt, A, B, C;
A, B, C... Hierbei
werden B und C als Großammen und
Ammen bezeichnet.
Der Generationswechsel findet sich bei vielen niedern Tieren (Würmern, Tunikaten
[* 7] etc.; bei
letztern wurde er 1819 vom Dichter Chamisso zuerst beschrieben) vor und kann noch mit Metamorphose verbunden
sein, so daß die aufeinander folgenden Generationen sich nicht nur durch die Art ihrer Fortpflanzung (geschlechtlich-ungeschlechtlich),
sondern auch in ihrem sonstigen Bau unterscheiden und die ungeschlechtliche Generation sogar scheinbar nur die Larve der Geschlechtsgeneration
darstellt.
Eine dem Generationswechsel äußerlich sehr ähnliche Erscheinung ist die sogen. Heterogonie, bei welcher die Art der
Fortpflanzung zwar immer dieselbe, nämlich die geschlechtliche ist, aber die Generationen selbst dem Schema A, B; A, B folgen.
Hierher gehört z. B. die früher allgemein zum Generationswechsel gerechnete Heterogonie der Blattläuse (Aphiden), Wasserflöhe (Daphniden)
u. a. Einer zweigeschlechtlichen, d. h. aus
Männchen und Weibchen bestehenden Generation folgen hier ein oder mehrere parthenogenetische (eingeschlechtliche), d. h.
ohne Zuthun von Männchen fortpflanzungsfähige, Generationen, worauf wieder die zweigeschlechtliche Generation erscheint.
Die eingeschlechtlichen Weibchen können aber in ihrem Bau bedeutend von den normalen (zweigeschlechtlichen) abweichen (heterogon
sein), so daß scheinbar ein Generationswechsel vorliegt. Auch im Pflanzenreich tritt die Erscheinung auf, daß vom Mutterorganismus
scheinbar spezifisch verschiedene Nachkommen erzeugt werden, die durch ihre Fortpflanzung erst wieder den anfänglichen Organismus
reproduzieren oder wohl auch erst nochmals die Generation wechseln, ehe der Entwickelungsgang auf seinen Ausgangspunkt zurückkehrt.
Besonders merkwürdig werden diese Verhältnisse in dem Fall, wo das zugehörige Aecidium auf einer ganz andern Nährpflanze
als der eigentliche Rostpilz schmarotzt, wie dies z. B. bei dem Getreiderostpilz (Puccinia graminis) der Fall ist, welcher auf
Getreidearten den Rost erzeugt, sein Aecidium aber nur auf dem Berberitzenstrauch ausbildet, so daß die
auf dem letztern entstandenen Aecidium-Sporen wieder den ersten Anfang neuer Rostpilzentwickelung auf dem Getreide
[* 10] hervorbringen
(vgl. Pilze und Rost).
Auch bei den Gefäßkryptogamen findet ein regelmäßiger Generationswechsel statt, indem stets eine aus der ungeschlechtlich
erzeugten Spore entstandene, mit den Geschlechtsorganen (Antheridien und Archegonien) ausgestattete Generation:
der häufig lebermoosähnliche Vorkeim oder das Prothallium, mit einer ungeschlechtlichen, aus der befruchteten Eizelle des
Archegoniums hervorgegangenen Generation, d. h. der eigentlichen stamm- und blattbildenden Farnpflanze, abwechselt. Die
Blütenpflanzen lassen nur noch rudimentäre Andeutungen dieses Generationswechsels hervortreten. S. Geschlechtsorgane (der
Pflanzen).
PeterAugust de, der beliebteste holländ. Dichter der Neuzeit, geb. zu
Amsterdam,
[* 19] bildete sich am Remonstranten-Seminar daselbst zum Theologen aus, wurde 1852 Prediger zu Delft, legte aber später
sein Amt nieder und starb in Rosendaal bei Arnheim. Er veröffentlichte: »Eerste gedichten« (1851),
die bereits großen Erfolg hatten;
dann die populären »Leekedichtjes« (1860),
eine Sammlung von Epigrammen und kürzern Gedichten,
zum Teil gegen den Übermut der kirchlichen Parteien gerichtet, und das Werk »Laatste der Eerste« (1860),
das seine besten
Gedichte enthält.
Eine Sammlung seiner »Dichtwerken« mit einer Biographie gab Tiele heraus (Amsterdam 1868, 2 Bde.).
(griech.), auf die Erzeugung, Entstehung sich beziehend;
daher genetische Erklärung und Definition eine solche,
welche nicht sowohl die Merkmale des Begriffs als die Entstehungsweise seines Gegenstandes angibt.
(Gin, Wacholderbranntwein, Steinhäger), ein besonders in Holland beliebter, jetzt auch in Deutschland vielfach
mit gutem Erfolg nachgeahmter starker Branntwein, welcher seine Vorzüglichkeit der eigentümlichen Bereitung verdankt. Man
verarbeitet ein Gemenge aus 2 Teilen Gersten- und 4 Teilen Roggenmalz, bereitet daraus eine sehr dünne Maische und läßt diese
sehr unvollkommen vergären. Das erste Destillat wird über wenig Wacholderbeeren und Hopfen
[* 24] rektifiziert.
Man ahmt den Genever nach, indem man gewöhnlichen Spiritus
[* 25] über Wacholderbeeren und Hopfen destilliert oder auch nur mit Wacholderöl
versetzt. Von den in Deutschland fabrizierten Sorten sind der Steinhäger (Westfalen)
[* 26] und der Bommerlunder (Schleswig-Holstein)
[* 27] besonders beliebt.
(im Alten TestamentSeeKinnereth; außerdem See von Tiberias und Galiläisches Meer genannt),
schöner Gebirgssee im nördlichen Palästina,
[* 30] in einer der reizendsten und gesegnetsten, gegenwärtig aber verlassensten
Gegenden Vorderasiens, 191 m unter dem Spiegel
[* 31] des Mittelmeers
[* 32] gelegen, 250 m tief, ist von N. nach S. etwa 20 km lang, 11 km
breit und hat klares, schwach salziges Wasser, das zahlreiche Fische
[* 33] nährt. Die Umrahmung des Sees, der
seiner Länge nach vom Jordan durchflossen wird, bilden schön geformte Bergwände und Hügel, die im Frühjahr in saftiger
Vegetation prangen, später aber bei fast völliger Baumlosigkeit versengt und verödet erscheinen. Zur Zeit Jesu waren
die Uferterrassen auf das fleißigste angebaut; hier haben die meisten Apostel als Fischer gewohnt, und
Jesus selbst verweilte oft und gern am Ufer des Genezareth. Jetzt ist die Ostseite eine von räuberischen Beduinen bewohnte Wüste, die
Westseite nur spärlich bewohnt und bebaut.
[* 23] (franz. Genève, ital. Ginevra), ein Kanton der schweizer. Eidgenossenschaft, nächst Zug
der kleinste der ungeteilten
Kantone, 279 qkm (5,1 QM.) groß, fast ganz von Frankreich umschlossen bis auf den schmalen Hals von Versoix-Céligny, der ihn
nach NO. mit der übrigen Schweiz,
[* 34] zunächst dem Kanton Waadt,
verbindet. Als der äußerste Südwestflügel der zwischen Alpen
[* 35] und Jura eingebetteten
Hochebene gehört das eng eingerahmte Ländchen, dessen Thalsohle der Genfer See und der diesem entfließende
Rhône einnehmen, zu der flachern Schweiz. Von der alpinen Seite tritt der schroffe Salève (1383 m), von der jurassischen der
Reculet (1720 m) heran. Die Einwohnerzahl
¶
mehr
des Kantons Genf beläuft sich auf (1880) 101,595 Seelen. Bei 85 Proz. der Bevölkerung
[* 37] ist das Französische, bei 11 Proz. das
Deutsche,
[* 38] bei 2 Proz. das Italienische die Muttersprache. Im J. 1880 zählte man 51,557 Katholiken, 48,359 Protestanten (Reformierte), 662 Juden.
Das katholische Bekenntnis herrscht mehr in Carouge und den Landgemeinden, besonders des linken Ufers, das
reformierte in der Hauptstadt und deren neuen Vorstädten Plainpalais und Eaux Vives. Die Genfer Katholiken waren bisher dem
BistumFreiburg-Lausanne zugeteilt; über den durch die Ernennung eines besondern Bischofs für Genf neuerlich entstandenen Konflikt
s. unten (Geschichte).
Infolgedessen setzt ein Statut vom fest, daß die katholischen Pfarrer und Vikare von den katholischen
Wählern ernannt werden, daß nur der vom Staat anerkannte Diözesanbischof die bischöfliche Jurisdiktion und Verwaltung handhaben
kann, daß die katholischen Gemeinden einer schweizerischen Diözese angehören müssen und der Bischofsitz nicht in den Kanton
Genf verlegt werden darf. Es gibt im Kanton nur noch ein Kloster (in Carouge). Die Verwaltung der protestantischen
Nationalkirche übt ein Konsistorium von 25 weltlichen und 6 geistlichen Mitgliedern, welche von der Gesamtheit der stimmfähigen
Konfessionsangehörigen auf je vier Jahre gewählt werden.
In dem milden Thalgelände sind Gärtnerei, Obst- und Weinbau die Haupterwerbszweige. 83 Proz. des Areals
sind produktives Land; davon entfallen auf Äcker, Gärten und Weiden 197 qkm, auf Waldungen 21 qkm, auf Weinberge 14,8 qkm.
Zu dieser Urproduktion hat die neuere Zeit eine großartige Uhrmacherei und Bijouterie gesellt, die selbst im Land Faucigny
(Savoyen) 2000 Arbeiter beschäftigt. Genf pflegt insbesondere das Fach der teurern dekorierten Uhren,
[* 39] während
die gewöhnlichen goldenen oder silbernen Taschenuhren in den jurassischen Gebieten und in Besançon
[* 40] verfertigt werden.
Die jährliche Produktion bewegt sich gegenwärtig um 10 Mill. Frank, diejenige in Schmuckwaren um 10-12 Mill. AndreGewerbe,
wie Töpferei, Parketterie, Gerberei etc., sind hauptsächlich in der nahen Arbeiterstadt Carouge angesiedelt. Genf bildet
das Thor, durch welches der schweizerische Handel mit Lyon,
[* 41] Marseille,
[* 42] Spanien,
[* 43] Algerien
[* 44] etc. pulsiert; ja, solange nicht die direkte
Schienenverbindung des St. Gotthard geöffnet war, bildete es auch die bequemste Pforte nach den östlichen Mittelmeerländern
und dem fernern Orient.
Die gegenwärtig in Kraft
[* 46] bestehende Verfassung des Kantons Genf wurde vom Volk angenommen, seither
wiederholt revidiert. Zufolge derselben bildet die Republik Genf einen Kanton der schweizerischen Eidgenossenschaft von demokratischer
Form. Garantiert sind die in den SchweizerRepubliken üblichen Grundrechte. Die Souveränität ruht in der Gesamtheit der stimmfähigen
Einwohner; diese stimmen als Conseil général über Kantonal- und Bundesverfassung ab. Das Organ der legislativen Gewalt
ist der GrandConseil, welcher von den drei Bezirken (Stadt, rechtes und linkes Ufer) auf je zwei Jahre nach Verhältnis der Kopfzahl
gewählt wird. Es kommt je ein Mitglied auf 1000 Seelen, solange nicht die Zahl der Mitglieder 100 übersteigt; von da an
wird die Skala entsprechend reduziert.
Wählbar sind die Bürger weltlichen Standes, sofern sie das 25. Altersjahr zurückgelegt haben und im
Vollgenuß ihrer Wahlrechte stehen. Der GrandConseil versammelt sich ordentlicherweise zweimal jährlich. Das Initiativrecht
üben der Staatsrat und die Mitglieder des GrandConseil; die Vorschläge der letztern können an eine Legislativkommission gewiesen
werden. Seit 1879 besteht das fakultative Referendum; eine Zahl von 3500 Wählern genügt, um die Abstimmung
zu verlangen.
Der GrandConseil übt das Begnadigungsrecht, überwacht und bestimmt den jährlichen Staatshaushalt, ernennt die Abgeordneten
in den eidgenössischen Ständerat etc. Die Exekutivgewalt ist einem Conseil d'État von sieben Mitgliedern übertragen, die
durch den Conseil général auf je zwei Jahre, abwechselnd mit den Wahlen in den GroßenRat, gewählt werden.
Wählbar sind die Wähler weltlichen Standes, sofern sie das 27. Altersjahr zurückgelegt haben. Die Gesetzgebung ordnet die
Rechtspflege, alle Richter werden vom GroßenRat gewählt.
Das Schwurgericht für Strafsachen und das Institut der Friedensrichter sind garantiert. Jede Gemeinde hat
einen Conseil municipal, der je auf vier Jahre gewählt wird. In der Stadt Genf ist die Munizipalverwaltung einem Conseil administratif
übertragen, der durch den Munizipalrat aus der eignen Mitte bestellt wird. Der Staat sorgt für den Primär-, Sekundär- und
akademischen Unterricht; der Primärunterricht ist unentgeltlich (und seit 1872 auch obligatorisch).
Die Verfassung kann jederzeit (nach bestimmtem Modus) revidiert werden. Die Staatsrechnung von 1884 (Einnahmen 4,483,027 Fr.,
Ausgaben 5,546,920 Fr.) ergab ein Defizit von 1,063,893 Fr. Unter den Einnahmen ist der stärkste Posten Enregistrement, Timbres
etc. mit 1,485,177;
dann folgen Mobiliartaxe mit ca. 800,000 Fr., Contribution foncière mit über 600,000
Fr. etc. Den stärksten Ausgabeposten verursachte die Verzinsung und Amortisation der Staatsschuld mit 903,585Fr.;
er ließ sich mit einer Summe von 2,400,000 Fr. abfinden, und der Anteil der Stadt
Genf beläuft sich auf ca. 20 Mill. Fr.
¶
mehr
Die Stadt Genf.
Die Stadt Genf am Ausfluß
[* 49] des Rhône aus dem Genfer See ist das »schweizerische Paris«. Der belebte See mit seinen reizenden Ufern,
der Wasserschwall des klargrünen Stroms, die Firsten der Jurakette im N., der schroffe Salève im S., dahinter die Firne des
Montblanc, dazu die stolze Stadt selbst, das rege öffentliche und wissenschaftliche Leben, der Reichtum,
die Eleganz: das alles macht Genf zu einem der reizendsten Plätze des Erdbodens, und darum auch ist es schon lange der Aufenthalt
vieler Fremden von Rang und Bedeutung.
Die stärkere Stadthälfte (la vieille Cité), der Sitz der vornehmen Bevölkerung, ist auf dem steilen
linken Ufer erbaut; gegenüber, auf flacherm Gelände, liegt St.-Gervais, jetzt aus einem sonst unansehnlichen Arbeiterviertel
erweitert und verschönert. Der enge und bei den hoch getürmten Häusermassen ziemlich finstere Stadtkern hat neuerdings
durch Schleifung der Festungswerke und Abdämmungen des Sees ganz außerordentliche Erweiterungen erhalten und ist mit neuen
Straßenreihen und Stadtteilen ausgestattet worden.
Erwähnung verdient auch das 13 m lange, 0,8 m hohe, in Lindenholz geschnitzte
Montblancrelief im EnglischenGarten, eine Arbeit von Sené. Die Stadt zählt (1880) 50,043, mit den Vorstädten Plainpalais
und Eaux Vives 68,328 Einw. Dem Reichtum der Stadt entsprechend ist die Zahl der wohlthätigen Anstalten,
die zum Teil städtisch
(wie das große Bürgerhospital, das, mit einem Fonds von 3½ Mill. Fr. dotiert, jährlich an 800 Personen
verpflegt, das Irrenhaus, die Anstalt für Unheilbare, die neue Waisenanstalt u. a.), zum großen
Teil auch Privatanstalten sind. Wie ehedem, ist auch heute noch Genf die Burg des Protestantismus für die Schweiz und die westlich
und südlich angrenzenden Länder, und es zeugen für den keineswegs erkalteten religiösen Eifer die vielen
Sekten und die vielen religiösen Gesellschaften.
Genf (Genava) erscheint zuerst in der Geschichte als befestigte Grenzstadt der Allobroger gegen die Helvetier und gelangte mit
jenen um 120 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer.
[* 56]
Verbindung des savoyischen Adels, schwer bedrängt, bis ein AuszugBerns und Freiburgs den Herzog zwang, im Frieden von St.-Julien Genfs
Unabhängigkeit anzuerkennen. Die Reformation stürzte in neue Wirren. Während Bern
für Farel freie Predigt verlangte, forderte
Freiburg,
daß man sie ihm verbiete, und erklärte, als der Rat von Genf schwankte, sein Bündnis für erloschen (Mai
1534). Dies ermutigte den Herzog, im Einverständnis mit den katholischen SchweizerKantonen seine Pläne gegen Genf, das sich
jetzt ganz der Reformation zuwandte, wieder aufzunehmen, und er brachte es wieder in die größte Not.
Nachdem Calvin 1538 mit Farel vertrieben worden war, kehrte er 1541 zurück, konnte aber sein System nur durch eine Schreckensherrschaft
halten, welche er mit Hilfe der auf seine Fürsprache hin zahlreich eingebürgerten fremden Religionsflüchtlinge gegen die
alten GenferFamilien ins Werk setzte. Viele, die nicht rechtzeitig flohen, mußten das Schafott besteigen, so ein Sohn des
Freiheitsmärtyrers Berthelier, und Hunderte von Familien verließen die Stadt. So gelang es Calvin, sich seit 1555 zum
allmächtigen Beherrscher Genfs aufzuschwingen, das er dafür zum Mittelpunkt der reformierten Welt, zum »protestantischen
Rom«, erhob. 1559 gründete er die berühmte Akademie, die Pflanzschule für reformierte GeistlicheFrankreichs, der Niederlande,
[* 61] Englands und Schottlands.
Nach seinem Tod 1564 folgte ihm als Vorsteher der GenferKirche und AkademieTheodorBeza (gest. 1605). Genfs
Anschluß an die Schweiz wurde durch ein »ewiges Burgrecht« mit Bern
und Zürich
[* 62] vom noch
enger; um so hartnäckiger aber wiesen die fünf katholischen Orte alle Anträge zur Aufnahme der Stadt als eines Gliedes der
gesamten Eidgenossenschaft zurück, ja die mit ihnen seit 1560 im Bund stehenden Herzöge von Savoyen bedrohten
Genfs Freiheit neuerdings. In der Nacht vom 11. zum 12. Dez. (alten Kalenders) 1602 suchte KarlEmanuel die Stadt zu überrumpeln;
schon hatten 300 Savoyarden mittels geschwärzter Leitern die Mauern erstiegen, als sie entdeckt und aufgerieben wurden. Noch
immer feiert Genf den Jahrestag dieser glücklich abgeschlagenen »Eskalade«.
Auch in Genf gestaltete sich nach der Reformation das Staatswesen immer aristokratischer. Die Erwerbung des Bürgerrechts wurde
fast unmöglich gemacht; die Befugnisse der allgemeinen Bürgerversammlung (Conseil général) beschränkten sich zuletzt
darauf, daß sie die vier Syndiken, die höchsten Beamten, nach den Vorschlägen der Räte wählen durfte.
Die Staatshoheit ging völlig auf den KleinenRat und den Rat der Zweihundert über, die sich an den jährlichen Wahltagen gegenseitig
bestätigten und die leeren Plätze mit Verwandten füllten.
Die Einwohnerschaft aber schied sich in bestimmte Rangklassen. Von den alten, reichen, regimentsfähigen Familien, den Citoyens,
unterschied man die später Eingebürgerten als Bourgeois. Ganz
außerhalb der Bürgerschaft standen die
zahlreichen Natifs, d. h. die in Genf gebornen Nachkommen von nicht eingebürgerten
Einwohnern, und die bloßen Habitants, die gegen eine Abgabe in der Stadt geduldeten Ansässigen; beide Klassen waren nicht
nur von allen Staatsstellen, sondern auch vom Handel und den höhern Berufsarten ausgeschlossen.
Dazu kamen noch die Sujets, die Bewohner der wenigen der Stadt unterthänigen Ortschaften. Aber mit dem 18. Jahrh.
begann Genf durch eine Reihe von revolutionären Bewegungen die AufmerksamkeitEuropas auf sich zu ziehen. 1707 verlangte die Bürgerschaft
unter der Führung des Rechtsgelehrten und Ratsmitgliedes Fatio eine auf dem Prinzip der unzerstörbaren
Volkssouveränität aufgebaute Verfassung; die Räte wußten jedoch dieselbe durch einige Konzessionen zu teilen, worauf Fatio
u. a. wegen angeblicher Verschwörung hingerichtet wurden. 1734 kam es zu neuen Unruhen zwischen den sogen. Représentants,
d. h. Bürgern, welche Beschwerden gegen die Regierung erhoben, den Négatifs, den Anhängern der letztern, welche jenen Vorstellungen
kein Gehör
[* 63] geben wollten, und den Natifs, die bald zu den erstern, bald zu den letztern standen.
Erst nach dreijährigem Bürgerzwist kam durch die Vermittelung Frankreichs, Berns und Zürichs 1738 ein Vergleich zu stande,
welcher der Bürgergemeinde das Recht, über Krieg und Frieden, Gesetze und Steuern zu bestimmen, zurückgab, dessen Weisheit
von J. J. Rousseau gepriesen wird. Nun herrschte in Genf ungestörte Ruhe, bis die Verurteilung von Rousseaus »Émile« und »Contrat
social« 1763 den Kampf zwischen den Représentants und Négatifs erneuerte, infolgedessen 1768 der Conseil général das Recht
erlangte, die Hälfte der Mitglieder der Zweihundert zu wählen.
Nun traten auch die Natifs mit dem Verlangen nach Besserstellung auf; als der Rat sich weigerte, Zugeständnisse,
die sie mit Hilfe der Représentants von der Bürgergemeinde erlangt hatten, zu bestätigen, vereinten sich die beiden Parteien
zum Sturz der Regierung und übergaben die Staatsleitung einem »Sicherheitsausschuß«
Aber auf Einladung der gestürzten Machthaber rückten 6000 Franzosen, 3000 Berner und 2500 Sardinier
in die Stadt ein, die Führer der Volkspartei, Clavière, Duroveray, Dumont, Reybaz u. a., flohen, um später als Mitarbeiter
Mirabeaus eine bedeutende Rolle in der französischen Revolution zu spielen, und der alte Zustand wurde wiederhergestellt (Juli
1782). Erst die französische Revolution brachte die herrschende Aristokratie zum Nachgeben; gewährte
die Regierung eine freiheitliche Verfassung.
Aber das Revolutionsfieber war damit nicht gestillt; schon traten revolutionäre »Ausschüsse« an Stelle der gesetzlichen
Regierung, und ein »Nationalkonvent« arbeitete eine Verfassung aus, die, angenommen, alle Klassenunterschiede aufhob.
Genf hatte seine Klubs, seine Montagnards, seine Sansculotten und nach einem Pöbelaufstand auch
seine Schreckenszeit, in welcher ein Revolutionstribunal binnen 18 Tagen 37 Personen zum Tod verurteilte, wovon 11 hingerichtet
wurden, dann nach RobespierresSturz seine ebenfalls nicht unblutige Gegenrevolution. Erst 1796 kehrten geordnete Zustände
zurück. Nachdem ein erster Versuch der französischen Republik, sich Genfs zu bemächtigen, an der Wachsamkeit
Berns und Zürichs gescheitert war (September 1792), wurde nach dem Einrücken der französischen Heere in die Schweiz die Annexion
gewaltsam vollzogen ¶